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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des Balz Inderbitzin und Mithafte, Kutscher, in Brunnen, gegen den Regierungsrat des Kantons Schwyz wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.

(Vom 14. November 1902.)

Der s c h w e i z e r i s c h e Bundesrat hat

über die Beschwerde des Balz I n d e r b i t z i n und Mithafte, Kutscher, in Brunnen, gegen den Regierungsrat des Kantons Schwyz wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Im Amtsblatt des Kantons Schwyz vom 16. Mai 1902 veröffentlichte der Regierungsrat des Kantons Schwyz ein vom.

2. Mai 1902 datiertes ,,Reglement betreffend den Fremdentransport durch Kutscher und Schiffleute und das Verbot des Anwerbens

·ìQ-i voa Fremden ia Brunnen, nebst amtlichem Verzeichnis der Fahrpreise"-.

Durch dieses Reglement verordnet der Regierungsrat: ,,In Kraft der vom h. Kantonsrat unterm 24. Mai 1872 und I.Juli 1873 erhaltenen Vollmacht; ,,in teilweiser Revision der bisherigen polizeilichen Vorschriften über Ausübung des Kutscher- und Schiffmannsgewerbes u ad des Verbotes des Anwerbens von Fremden in der Ortschaft Brunnen : ,,§ 1. Es ist jedermann strenge verboten, während der Fremdensaison -- 1. Mai bis 15. Oktober --· Reisende auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen Brunnens anzureden, um sie für die verschiedenen Gasthöfe oder für Fahrgelegenheiten zu bestimmen, oder um sich ihnen als Fremdenführer, Lastträger oder 7.u andern Dienstleistungen anzutragen.

,,§ 2. Im Laufe des Monats April haben diejenigen, welche während der Saison das Klitschergewerbe betreiben wollen, beim Gemeindepräsidenten von Ingenbohl sich anzumelden, unter Angabe, wie viele ein- und zweispännige Fuhrwerke und Pferde sie verwenden wollen.

,,§ 3. Jeder Fuhrhalter erhält sodann eine gemeinderätliche Konzession für die Dauer der Saison und für die von ihm zu verwendende Anzahl Pferde und Fuhrwerke, ferner für jedes Fuhrwerk eine Nummer und ein Exemplar dieser Vorschrift.

Die Nummer ist an der Außenseite des Wagens in gut sichtbarer Weise zu befestigen und ein Auszug dieses Reglements nebst Tarif im Innern des Wagens zur Verfügung der Reisenden zu halten.

^Ohne gemeinderätliche Konzession ist die regelmäßige Aufstellung von Fuhrwerken für den gewerbsmäßigen Transport von Fremden untersagt.

,,Für die Konzession ist für jedes Pferd l Franken dem Gemeindepräsidenten zu Händen der Gemeindekasse zu entrichten.

Demgegenüber hat die Ortspolizeibehörde für Reinhaltung der Wagenaufstellungsplätze zu sorgen.

,,§ 4. Für die Aufstellung der verschiedenen Fuhrwerke zur Bedienung des Dampfschiffverkehres kommen folgende Grundsätze zur Anwendung : ,,1. Als Aufstellungsplatz für die Fuhrwerke der konzessionierten Kutscher soll der Hauptplatz (Dorf und Kapellplatz) be-

40i> nützt werden. Die Fuhrwerke sind dabei so aufzustellen, daß die Pferde auf der dortigen gepflasterten Straßenrinne stehen, unter Freilassung der Einmündung der Gersauerstraße. Je nach dem Bedürfnis hat die Gemeindebehörde noch andere Aufstellungsplätze anzuweisen, immerhin unter Vorbehalt des § 6.

,,Durch die Ortspolizeibehörde, speziell durch den damit betrauten Landjäger, ist unter diesen Fuhrwerken eine regelmäßige Tourordnung aufrecht zu erhalten. Zum erstenmal haben sich die Wagen in der Reihenfolge ihrer Nummern aufzustellen, nachher findet in einer die ganze Saison durch fortlaufenden Weise die Tourordnung derart statt, daß jeweils die stehen bleibenden Fuhrwerke an die Stelle der wegfahrenden vorrücken können, und daß solche Pferde, welche bereits Fahrten ausgeführt haben und neuerdings aufgestellt werden wollen, sich zu hinterst, d. h.

am ungünstigsten Platze anzureihen haben.

,,§ 6. Auf dem Gebiete der Rantonsstraße, mit Ausnahme des Sustplatzes, ist jedes Aufstellen oder Wartenlassen von Omnibus, konzessionierten oder Privatfuhrwerken untersagt.a Mit Schreiben vom 22. Mai 1902 wandten sich Balz Inderbitzin und Mithafte, Kutscher in Brunnen, an den Regierungsrat und frugen denselben an, ob die §§ 4 und 6 dahin zu verstehen seien, daß auf dem ganzen Quaiplatze von den Hotels Adler und Hirschen keine Fuhrwerke aufgestellt werden dürfen, und bemerken, daß sie in diesem Falle, falls der Regierungsrat den Wünschen der Kutscher nicht entspräche, genötigt wären, an den Bundesrat zu gelangen und Abänderung dieser Bestimmung zu verlangen. Wenn der Quaiplatz nicht benützt werden dürfe, sei der angewiesene Kapellplatz ungenügend ; es sei auch zu betonen, daß der Quaiplatz bisher immer benutzt worden sei, obschon er früher schmäler gewesen sei als jetzt, und daß die zunächst beteiligten Hotels Adler und Hirschen gegen das Aufstellen von Fuhrwerken nichts einzuwenden hätten.

Auf diese Beschwerde beschloß der schwyzerische Regierungsrat am 16. Juni 1902, ,,es könne dem Gesuche der Kutscher von Brunnen um Abänderung des Kutscherreglementes im Sinn der Erwägungen nicht entsprochen werden".

Die Erwägungen zum Beschlüsse lauten : ,,1. Die §§ 4 und 6 sind so zu verstehen, daß auf dem sog.

Quaiplatz, d. h. auf dem ganzen Kantonsstraßengebiete zwischen den Hotels Adler und Hirsehen einerseits und der Anlage längs dem See anderseits keine Fuhrwerke aufgestellt werden dürfen.

Bundcsbl.att.

54. Jahrg. Bd. V.

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,,2. Gemäß den §§ 2 und 3 des bisherigen Keglements durften früher acht Wagen auf diesem Quaiplatze aufgestellt werden, jedoch nur bei Ankunft und Abfahrt der Dampfschiffe. Dieser Bestimmung wurde freilich nicht genau nachgelebt, indem die am Quaiplatze aufgestellten Wagen den ganzen Tag über gewöhnlich dort verblieben.

,,3. Das Aufstellen dieser Fuhrwerke war nun von jeher mit Übelständen verbunden, indem der Platz für die durchgehenden Fuhrwerke versperrt, das Straßengebiet und die dortigen Trottoirsandsteine arg mitgenommen wurden. Wenn das ganze dortige Straßengebiet durch die neue Quaianlage auch verbreitert wurde, so ist demgegenüber auf die bedeutende Steigerung des Verkehrs gegen die Axenstraße und Morschach hinzuweisen.

,,4. Die fragliche Quaianlago bildet einen der schönsten Punkte von Brunnen, und es liegt im wohlverstandenen Interesse des dortigen Fremdenverkehrs, wenn die Benützung desselben den Fremden möglichst angenehm gemacht wird. Werden nun aber längs dieser Anlage Fuhrwerke aufgestellt, so wird den Fremden der Aufenthalt an diesem Aussichts- und Schattenplatz geradezu verunmöglieht. Das ist auch ein Hauptgrund, warum der Regierungsrat das Aufstellen auf diesem Kantonsstraßengebiet glaubte verbieten zu sollen.

,,5. Die Befürchtungen der Kutscher, der für das Aufstellen der Fuhrwerke angewiesene Kapell- und Dorfplatz seit ungenügend, erscheint nicht zutreffend. Nach den eigenen wiederholten Aussagen der Kutscher und vorgenommenem Augenschein können einerseits auf dem Dorf- und Kapellplatz zum mindesten 25 Wagen aufgestellt werden, nebstdem ist im Reglement ausdrücklich betont, daß die Gemeindebehörde je nach Bedürfnis noch weitere Aufstellungsplätze anweisen könne ; anderseits werden in der Hochsaison bei Ankunft der Dampfschiffe höchstens 8--10 Fuhrwerke von Fremden in Anspruch genommen. Die auf dem Haupt- und Kapellplatze aufstellbaren Fuhrwerke genügen also dem jeweiligen Bedürfnis vollkommen, und ein Überstellen der Plätze mit zu vielen überzähligen bespannten Wagen ist weder im Interesse des Fremdenverkehrs, noch in demjenigen der Kutscher.

,,6. Bevor in eine Änderung dieses Reglements eingetreten wird, scheint es überhaupt angezeigt, während einer oder zwei Saisons dasselbe durchzuführen. Erzeigen sich dann hierbei irgendwelche Übelstände, so wird der Regierungsrat die notwendigen Änderungen treffen."

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IL Gegen den Regierungsratsbeschluß vom 16. Juni ergreifen Balz Inderbitzin und Mithafte mit Eingabe vom 15. Juli 1902 die staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat und beantragen, ,,es sei die Schlußnahme der Regierung bezw. die Art. 4 und 6 des zitierten Réglementes, soweit dieselben die Benützung des Quais in Brunnen in bisheriger Weise beschlagen, aufzuheben11.

Die Rekurrenten erblicken in dieser Schlußnahme eine ,,Ungleichhaltung vor dem Rechte und eine verfassungswidrige Beeinträchtigung ihrer Gewerbeausübung" ; sie bringen zur Unterstützung ihres Rechtsbegehrens folgendes vor: Laut einer der Beschwerde beigelegten amtlichen Bescheinigung vom 2. Juli 1902 sind in Brunnen für die Saison 1902 für die Ausübung des Kutschergewerbes 42 Fuhrwerke mit 54 Pferden angemeldet und mit gemeinderätlicher Konzession versehen worden.

Diesen Kutschern muß die Möglichkeit gewährt werden, die Konkurrenz zu bestehen und ihr Gewerbe ungehindert und in dem Rahmen des Gesetzes ausüben zu können. Dazu gehört in erster Linie das Recht der Aufstellung der patentierten Fuhrwerke an einem für die Fremden oder Reisenden in die Augen, fallenden oder überhaupt zweckentsprechenden Orte. Widerspruchslos haben von jeher die Kutscher von Brunnen den Quaiplatz und den Kapell- oder Hauptplatz in Brunnen zum Aufstellen der Fuhrwerke benutzt, den erstem sogar zu einer Zeit, als er noch bedeutend schmäler war als jetzt. Die Regierung hat, unter Berufung auf eine offenbar nicht zutreffende Vollmacht des Kantonsrates, die angeblich vor 20 Jahren erteilt worden sein soll und die zu bestreiten ist, den Rekurrenten dieses für die Ausübung ihres Gewerbes grundlegende Recht aus den Händen zu reißen und dadurch für einen Teil derselben die Gewerbeausübung überhaupt zu unterdrücken versucht. Es ist nämlich unbestreitbare Tatsache, daß für zweckentsprechende Aufstellung von Fuhrwerken in Brunnen einzig die vorgenannten zwei Plätze zur Verfügung stehen. Nun sagt aber der Regierungsrat in seinem Entscheide vom 16. Juni 1902 selbst, daß auf dem Kapellplatz bloß 25 Wagen aufgestellt werden können; konzessioniert sind aber 42 Fuhrwerke, von den Hotelomnibus ab Morschach, Axenstein, Axenfels u. s. w. nicht zu reden. Wo sollen nun die übrigen Aufstellung finden? Man nimmt 42 Fuhrwerken die Patenttaxe ab, erteilt ihnen die Konzession und damit das Recht, gleichartig mit und nebeneinander ihr Gewerbe auszuüben, entzieht ihnen

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aber die Konkurrenzfähigkeit und die Möglichkeit der gleichartigen und erfolgreichen Ausübung des konzessionierten Gewerbes, indem man ihnen den Platz, wo die andern ihre Fuhrwerke anbieten können, versperrt und sie zwingt, von der allgemeinen Konkurrenz fern zu .bleiben. Einern großen Teil der patentierten Kutscher ist damit die Ausübung des Gewerbes einfach verunmöglicht. Gewiß dürfen im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt polizeiliche Einschränkungen getroffen werden; allein sie dürfen nicht auf bloße Verminderung der Konkurrenz hinzielen und die Grundsätze der Gewerbefreiheit und Rechtsgleichheit nicht verletzen.

III.

Der Regierungsrat des Kantons Schwyz beantragt in einer Zuschrift vom 5. August 1902 die Abweisung der Beschwerdeführer und legt folgendes dar: Es ist vorauszuschicken, daß der im Streite liegende Quaiplatz in Wirklichkeit kein Platz ist, sondern ein Stück der kantonalen Axenstraße. Diese Straßenstrecke, soweit sie für das Aufstellen von Fuhrwerken in Frage kommen kann, ist zirka 40 m. lang und 16 m. breit. Nördlich stößt die Quaistraße an die Hotels Adler und Hirschen, südlich an eine kleine, dem See entlang führende, mit Bäumen bepflanzte, 7 m. breite Anlage, die vor zwei Jahren durch Seeauffüllung um 2 m. verbreitert worden ist.

Zu wiederholten Malen wird im Rekurs gesagt, daß die Kutscher für die Ausübung ihres Berufes eines ,,Patentes" bedürfen, die ,,gesetzlich vorgeschriebene Patenttaxe bezahlen"1, u. s. w., und hieraus gefolgert, daß die Kutscher durch Bezahlung ihres Patentes besondere Anrechte erwerben. Dem gegenüber kann auf die §§ 2 und 3 des Réglementes verwiesen werden, aus denen klar hervorgeht, daß der minime Betrag von einem Franken, welchen die Kutscher erlegen, eine bloße Kontrollgebühr ist, um einmal die in § 4 vorgesehene Reihenfolge in der Aufstellung der Fuhrwerke durchführen zu können, zum andern als Gegenleistung für die der Gemeinde durch die Ausübung des Kutschergewerbes erwachsenden Kosten, wie Anschaffung der Kontrollnummern und Reinigung der Aufstellungsplätze. Eine Patentierung und Sonderstellung der Kutscher, ähnlich wie beim Wirtschaftsgewerbe, liegt nicht vor. Die Folgerung, als erwachsen den Kutschern aus der Kontrollabgabe irgend welche Eechte

409 gegenüber dem Staate, muß daher als unzutreffend bezeichnet werden.

Die Behauptung der Rekurrenten,, die Bestimmung des § 6des Reglements, wonach auf dem Quaiplatz keine Fuhrwerke dürfen aufgestellt werden, sei ganz neu und unmotiviert, ist nicht richtig. Die Frage der Benützung der Quaistraße ist leider vielmehr eine recht alte Seeschlange. Aus den der Rekursantwort beigegebenen Akten erhellt, daß anfänglich die Benützung der Quaistraße zum Aufstellen der Fuhrwerke verboten, vom Regierungsrat später unter verschiedenen Bedingungen wieder gestattet wurde. Veranlassung zur Revision des Kutscherreglements und zum angefochtenen Verbote gab eine Eingabe des Gemeinderates Ingenbohl. Die Gründe, warum der Regierungsrat glaubte, das Aufstellen von Fuhrwerken auf diesem sogenannten Quaiplatze verbieten zu sollen, sind : a. Einmal die Interessen der Straßenverwaltung, indem durch dieses Aufstellen der Straßenkörper als solcher und ganz besonders die längs dem Trottoir angebrachten Randsteine sehr stark mitgenommen werden.

b. Zum andern die Interessen des Straßenyerkehres ; wie einleitend bemerkt, hat die Straße an dieser Stelle eine Breite von 16 m. Der ganze Wagen-, Omnibus- und Fußgängerverkehr von und nach Flilelen und Morschach und den längs der Axenstraße liegenden Brunner Hotels geht über diese Straße ; dieser Verkehr nimmt entsprechend dem Fremdenverkehr Jahr für Jahr zu, und es ist gewiß nicht angezeigt, diese frequentierteste und an und für sich nicht zu breite Straßenstrecke noch durch Aufstellen von Fuhrwerken zu verengern, besonders, wenn diese Fuhrwerke, wie es geschah, senkrecht zur Straßenaxe gestellt werden.

c. Nicht zum wenigsten erfolgte unser Verbot im Interesse von Brunnen selbst. Der zwischen See und der fraglichen Straßenstrecke liegende, schmale, mit wenigen Bäumen bepflanzte Quaiplatz ist der einzige am See gelegene, öffentliche Schatten- und Sitzplatz von Brunnen. Die wenigen andern Plätze sind entweder Privateigentum der Hotels oder in erster Linie für die Fremden eines Hotels reserviert. Es ist klar, daß die Benützung dieses einen und einzigen an und für sich schönen Platzes mit seiner unvergleichlichen Aussicht auf den Urnersee, den Fremden fast verunmöglicht wird, wenn in unmittelbarer Nähe desselben während des ganzen Tages Pferde aufgestellt werden mit allem was damit zusammenhängt: Lärm, Geruch, Fliegen u. s. w.

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Die Rekurrenten bestreiten dem Regierungsrate die Vollmacht zum Erlaß dieses fraglichen Reglements. Demgegenüber stellen wir fest : a. Die Vollmacht zum Erlasse dieses Reglements wurde dem Regierungsrate vom Kantonsrate übertragen (Kantonsratsbeschlüsse vom 24. Mai 1872, 1. Juli 1873, 17. Juni 1874).

Gestützt auf diese vom Kantonsrate erhaltene Vollmacht erfolgte der Erlaß des Kutscherreglements vom 11. Juli 1873, also gleich nach erhaltener Vollmacht, vom 30. Mai 1884 und vom 2./20. Mai 1902, wobei jedesmal der Regierungsrat im Interesse des Réglementes sich auf die vom Kantonsrate unterm 11., resp.

1. Juli 1873 erhaltene Vollmacht berief.

b. Abgesehen von dieser durch den Kantonsrat erteilten Vollmacht zum Erlasse des ganzen Reglements war und ist der Regierungsrat zweifelsohne kompetent, die angefochtenen Bestimmungen der §§ 4 und 6 dieses Réglementes jederzeit zu erlassen.

Nach §§ 46 und 48 der Verfassung vom 23. Oktober 1898 hat der Regierungsrat die Kantonsverwaltung zu besorgen; hierzu gehört wesentlich auch die Verwaltung des Kantonsstraßengebietes.

Insoweit der Kantonsrat nicht ausdrücklich einen gegenteiligen Beschluß faßt, ist der Regierungsrat daher auch befugt, im Interesse der Straßenpolizei und des Straßenverkehrs Bestimmungen über Benützung des Straßengebietes zu erlassen, die Aufstellung von Fuhrwerken auf dem Gebiete desselben zu verbieten.

Rekurrenten sprechen von einer .,,Ungleichhaltung vor dem Rechte". Gemeint ist damit wahrscheinlich eine angebliche Verletzung des Art. 4 der Bundesverfassung. Da die Rekurrenten selbst zum Beweise dieser Anschauung keinerlei Angabe noch Gründe vorführen und es auch nicht einzusehen ist, worin die ungleiche Behandlung bestehen soll, können wir diesen Beschwerdepunkt füglich übergehen.

Die Rekurrenten stellen endlich die Behauptung auf, das angestrittene Verbot sei eine Verletzung der Handels- und Ger werbefreiheit. Mit dem gleichen Rechte könnten sie sich gegen irgend einen Privaten beklagen, er verletze die Handels- und Gewerbefreiheit, wenn er nicht gestattet, ihre Pferde und Wagen in seiner Stallung oder Wiese aufzustellen. Wir haben oben bereits darauf hingewiesen, daß die Darstellung der Rekurrenten, als hätten sie dem Kanton eine Patentgebühr bezahlt und daher demselben gegenüber Ansprüche auf besondere Bewilligungen, unrichtig ist.

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Die Behauptung der Kutscher, ohne Benützung dieser Quaistraße als Aufstellungsplatz sei die Ausübung des Kutschergewerbes faktisch verunmöglicht, wäre an und für sich, wenn es sich auch so verhielte, rechtlich irrelevant; sie ist aber zudem den Verhältnissen nicht entsprechend.

Wie in dem von den Rekurrenten eingelegten Regierungsratsbeschluß vom 16 Juni ausgeführt und von den Kutschern in ihrem Rekurse nicht widersprochen wird, können einerseits auf dem den Kutschern nun angewiesenen und bisher immer benützten sogenannten Dorf- und Kapellplatze 25 Fuhrwerke aufgestellt werden fdie Hotelomnibusse nicht eingerechnet), anderseits werden in der Hochsaison, wenn die sogenannten besten Schiffe, d. h. die am meisten Fremde bringenden, anlangen, nie mehr als 8 bis 10 Wagen genommen. Der Dorf- oder Kapellplatz liegt der Schifflände gerade gegenüber, kaum 20 bis 30 m. von derselben entfernt; jeder Aussteigende sieht sofort die daselbst aufgestellten Wagen und es können da dreimal mehr Wagen aufgestellt werden als es der höchste Bedarf erheischt. Wir fragen nun, welchen Zweck hat es, daß den ganzen Tag lang acht- und zehnmal mehr Fuhrwerke aufgestellt werden als nötig? Es läge gewiß im Interesse der Kutscher selbst und im Interesse der Schonung des Pferdematerials, wenn höchstens gleichzeitig 15 bis 20 Wagen aufgestellt würden und die andern in den Stallungen blieben, bis die Reihe an sie käme, wie das regierungsrätliche Reglement auch vorsieht (vgl. § 4, drittes Alinea). Wollte man absolut alle 45, 50 oder noch mehr Fuhrwerke aufgestellt haben, so würde die Quaisti-aße allein, nebst dem Kapellplatze nicht genügen, auch wenn auf der Quaistraße 8 und mehr Fuhrwerke aufgestellt würden. Auch in diesem Falle müßten die Kutscher entweder noch um andere Plätze sich umsehen oder sich an die rationelle, in ihrem und der Pferde Interesse liegende Tourordnung halten.

Das fragliche Reglement wurde vom Regierungsrat sonach innerhalb seiner verfassungsmäßigen Kompetenz erlassen ; es widerspricht weder der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz noch der Freiheit in Handel und Gewerbe.

IV.

Die Antwort des Regierungsrates ist den Beschwerdeführern mitgeteilt worden, die unter Aufrechterhaltung ihrer Vorbringen in der Rekursschrift noch folgendes geltend machen:

412 Es ist daran festzuhalten, daß der Regierungsrat zum Erlasse des in Frage stehenden Réglementes nicht kompetent war. Gemäß den vorgelegten Beschlüssen des Kantonsrats erhielt der Regierungsrat nur den einmaligen Auftrag zum Entwurfe einer allgemeinen Kutscherordnung für den Kanton. Dieser Auftrag ist schon seit mehr als 20 Jahren ausgeführt worden, und das Mandat des Regierungsrates dahingefallen. Das damalige Kutscherreglement beruhte hauptsächlich in bezug auf die Aufstellung von Fuhrwerken auf dem Seequai, auf einer förmlichen Abmachung mit den Interessenten. Nun schreitet der Regierungsrat ohne Auftrag und Vollmacht der hierzu kompetenten Behörden zu einer einseitigen Aufhebung dieses Vergleichs und zu einer totalen Umgestaltung des bisher in Kraft bestehenden Réglementes.

Die Aufstellung der Fuhrwerke an zweckdienlichen Orten bildet für die Kutscher geradezu eine Existenzfrage. Das Engagieren von Reisenden ist strenge verboten ; es muß daher den Kutschern, falls sie überhaupt ihr Gewerbe ausüben wollen, die Möglichkeit geboten werden, ihre Fuhrwerke den Augen der Reisenden zu präsentieren, zumal dieselben häufig einen ihnen bekannten und früher schon beschäftigten Fuhrmann haben wollen. Brunnen ist nicht nur ein Passantenort, sondern beherbergt im Sommer oft bis zu 1500 Pensionäre. Es werden daher meistens weniger Wagen bei Ankunft der Schiffe verlangt als in der Zwischenzeit. Es ist begreiflich, daß alsdann die Fuhrwerke unter der Zahl der an geeigneter Stelle Aufgestellten ausgewählt werden.

Den Quaiplatz haben die Puhrwerkbesitzer von Brunnen seit Menschengedenken ungehindert für das Aufstellen ihrer Wagen benützt; der Quaiplatz ist ein öffentlicher, der Gemeinde Ingenbohl gehöriger und von dieser unterhaltener Platz. Das Aufstellen der Fuhrwerke daselbst beeinträchtigt den Verkehr nicht, denn bei senkrechter Aufstellung der Fuhrwerke zur Straßenaxe bleibt immer noch eine Straßenbreite von 11 m., bei Längsaufstellung sogar von 14 m. Durch das Aufstellen von Fuhrwerken auf dem Kapellplatz werden die benachbarten Kurhäuser und Hotels auf so arge Weise belästigt, daß sich deren Inhaber schon jetzt zu energischen Reklamationen veranlaßt sahen. Der Raum wird dort derartig beengt, daß die Reisenden sogar die Türen der benachbarten Häuser zu öffnen gezwungen sind, wenn sie ausund einsteigen
wollen.

Die korrekte Beurteilung der Forderung der Rekurrenten setzt eine genaue Kenntnis der eigenartigen Verhältnisse von Brunnen voraus, die auf schriftlichem Wege kaum geschaffen

413 werden kann. Es sollte daher durch eine bundesrätliche Delegation ein Augenschein an Ort und Stelle vorgenommen werden, welcher die Rechte der Rekurrenten sicherlich erweisen würde.

V.

Der Regierungsrat des Kantons Schwyz antwortet duplicando : Die in der zweiten Beschwerdeauflage quasi als Hauptargument behandelte Kompetenzeinrede wurde in der Rekurseingabe eigentlich nur so nebenbei berührt. Gleichwohl hat der Regierungsrat Anlaß genommen, in seiner Antwort sie auf Grund der Verfassungsbestimmungen Art. 46--48 und die einschlägigen Kantonsratsbeschlüsse zurückzuweisen. Nachdem sie nun heute ins Vordertreffen gestellt wird, müssen wir doch die mit ganz und gar unrichtigen Angaben ausstaffierte Begründung derselben richtigstellen.

Die Kompetenz des Regierungsrates zur Revision des Kutscherreglements vom 30. Mai 1884 ergibt sich zu aller Evidenz aus der Genesis der Brunner Kutscherordnungen.

Schon im Jahre 1870 hatte der Bezirksrat von Schwyz eine Ausnahmsverordnung für die Ausübung des Kutschergewerbes in Brunnen für nötig erachtet. Der Kantonsrat, an welchen das bezügliche Gesuch durch Vermittlung des Regierungsrates gelangt war, wies jedoch das Reglement schon damals zur Erledigung wieder an den Regierungsrat.

Mit Eingabe vom 21. November 1871 hatte das schweizerische Postdepartement die Übelstände gerügt, welche mit dem lästigen Vorengagieren der Reisenden durch die Privatkutseher in Brunnen und Einsiedeln verbunden seien und den Erlaß eines Kutscherreglementes verlangt analog desjenigen für die Brünigroute. Am 12. Januar 1872 hat der Regierungsrat sein Departement des Äussern veranlaßt, mit den zuständigen Bezirksämtern Schwyz und Einsiedeln über die Angelegenheit zu konferieren und darnach am 9. April gleichen Jahres das gleiche Departement in Verbindung mit dem Finanzdepartement beauftragt, über die Ausübung des Kutschergewerbes in Brunnen und Einsiedeln in Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse zu Händen des Kantonsrates eine Polizeiverordnung zu entwerfen.

Nach Durchberatung durch eine Kommission wurde dieses Kutscherreglement am 24. Mai 1872 dem Kantonsrate vorgelegt, von diesem aber zur definitiven Erledigung an den Regierungsrat gewiesen und zwar mit der Direktion :

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·

a. daß das Reglement nicht nur bloß provisorisch, sondern definitiv zu erlassen sei; 6. daß es nur für die Ortschaft Brunnen erlassen werde.

Der gleichzeitig beschlossene Auftrag an die Regierung, eine allgemeine, für den ganzen Kanton einzubringende Kutscherverordnung zu entwerfen, wurde nie vollzogen, indem eben das Bedürfnis hierzu mangelte. (Beilage III, a, ö.)

Das Resultat war dann der Erlaß des Kutscherreglementes für die Ortschaft Brunnen vom 27. Juni 1872 durch den Regierungsrat, in Kraft dieser vom Kantonsrat erhaltenen Vollmacht und ,,in der Absicht, das reisende Publikum gegen lästige Zudringlichkeiten zu schützen11.

Der § 2 dieses Réglementes (Gesetzessammlung des Kantons Schwyz, alte Ausgabe, Bd. VI, S. 353) bestimmte: ,,Bei der Ankunft der Dampfschiffe in Brunnen sind die für den Fremdentransport bestimmten Fuhrwerke in geordneten Reihen nach Anweisung der Polizeibehörde so aufzustellen, daß der freie Durchpaß in keiner Weise gehemmt wird. Bei der Einnahme der Plätze soll ein alle Kutscher gleich begünstigender Wechsel stattfinden."

Offenbar war in Ausführung dieses Réglementes durch die zuständigen Behörden der Hafenplatz vor dem Gasthof zum Adler in Brunnen von der Aufstellung der Fuhrwerke ausgenommen, denn am 28. Juni 1873 petitionierte eine große Anzahl Fuhrhalter und Kutscher der Ortschaft Brunnen, ihre Fuhrwerke auf diesem Platze präsentieren zu können und nebstdem auch noch um Erhöhung des Lohntärifs. Hierauf beschloß der Kantonsrat am I.Juli 1873; ,,Es sei, in der Erwartung, daß d u r c h V e r fügungen des Regierungsrates anfälligen Übelständen ü b e r h a u p t abgeholfen werde, über dieses Gesuch zur Tagesordnung zu schreiten.tt Infolge dieser Einladung und Vollmacht wurde vom Regierungsrat am 11. Juli 1873 beschlossen: 1. Es seien die §§ l--8 des Kutscherreglements vom 27. Juni 1872 bestätigt, dagegen sei der § 9 desselben, sowie der Fahrtentarif zu revidieren und durch einen neuen Paragraphen die bisherige Verordnung zu abrogieren ; 2. sei behufs Ausführung des § 2 des erwähnten Kutscherreglements eine besondere Verordnung zu erlassen.

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Diese neue Redaktion des Kutscherreglements vom 11. Juli 1873 findet sich in der alten Gesetzessammlung, Bd. VII, Seite 98 und die Ausführungsverordnung zu § 2 des Kutscherreglements im Amtsblatt Nr. 29 vom Jahre 1873, Seite 237.

Darin wurde nun allerdings die Aufstellung der zum Fremdentransporte bestimmten Fuhrwerke über den Quai und an der Schifflände gestattet, jedoch nach einer bestimmten Tourordnung.

Arn 17. Mai 1874 petitionierte der Gemeinderat Ingenbohl um Abänderung der Vollziehungsverordnung zu § 2 des Kutscherreglements für die Ortschaft Brunnen, betreffend Aufstellung von Fuhrwerken auf dem Quai daselbst. Der Kantonsrat überwies mit Schlußnahme vom 17. Juni gleichen Jahres die Angelegenheit dem flim Sinne des Kantonsratsbeschlusses vom 1. Juli 1873 Regierungsrate zur Erledigung.

Die fragliche Petition tendierte den Entzug der dem Regierungsrat seinerzeit zum Vollzuge des Kutscherreglementes gegebenen Vollmacht.

Der Regierungsrat fand jedoch dafür in formeller Beziehung keinen Grund. Dagegen beschloß der Regierungsrat am 2. Juli 1874 : ,,Eine Kommission des Regierungsrates soll versuchen, unter den in Sachen Beteiligten eine Verständigung zu erzielen.tt Auch wurde zu diesem Zwecke sogar ein Augenschein durch das ganze Ratskollegium vorgenommen.

Die Folge war, daß das Polizeidepartement eine von d e n I n t e r e s s e n t e n in B r u n n e n vereinbarte Abänderung der Ausführungsverordnung zum Kutscherreglement für die Ortschaft Brunnen am 15. Juli 1874 dem Regierungsrate vorlegen konnte, lautend : ,,§ l. Die zum Fremdentransport bestimmten Fuhrwerke stellen sich auf: a. Von Herrn Dominik Abeggen Haus dem linksseitigen Straßenrand nach aufwärts, jedoch so, daß die Einmündung der Gersauerstraße rechts und links der Kapelle, sowie die Zugänge zu den Privathäusern offen bleiben ; b. die 3 Omnibusse der Gasthöfe Axenstein, Fronalp und Neu-Axenfels von der hintern Eingangstüre der Dépendance zum Adler gegen den sogenannten Spital und Kaspars Aufdermaurs Schnitzlermagazin ; c. zwischen dem zweiten und dritten Bäumchen auf dem Quai dürfen 2 und vom vierten Bäumchen an gegen die Axenstraße hin dürfen 9 Fuhrwerke aufgestellt werden.

416 § 2. Die Fuhrwerke dürfen sich nur unmittelbar vor Ankunft der Dampfschiffe aufstellen und haben. sich nach Abfahrt derselben wieder sofort zu entfernen. Unbespannte Fuhrwerke dürfen gar nicht aufgestellt werden."

Im Juli 1879 sodann legte der Gemeinderat Ingenbohl dem Regierungsrate einen von ihm durchgesehenen, den Kutschern und Schiffleuten in Brunnen genehmen neuen Tarif für die Fuhrwerke und Schiffleute zur Ratifikation vor. Anläßlich wurden diesem Erlasse ungefähr die nämlichen Aufstellungsbedingungen beigefügt, wie im Jahre 1874. Diese Aufstellung der Fuhrwerke basierte auf einer Vereinbarung zwischen Abgeordneten der Kutscher und Hotelbesitzer.

Im Jahre 1884 kam die Kutscherfrage in Brunnen wieder in Fluß durch verschiedene Petitionen namentlich fremder Kutscher, die verlangten, daß endlich einmal usurpierte Vorrechte abgeschafft und allfällige Sonderinteressen verumnöglicht werden.

Unter Berufung auf die vom Kantonsrat am 1. Juli 1873 erhaltene Vollmacht erließ der /Regierungsrat das Reglement betreffend den Fremdentransport durch Kutscher und Schiffleute und das Verbot des Anwerbens von Fremden in Brunnen vom 30. Mai 1884.

Er ging dabei namentlich von der Erwägung aus, es liege im Interesse des Fremdenverkehrs, daß über die Ausübung des Kutschergewerbes und die Schiffahrt in Brunnen eine, sofortige Exekution zulassende, Polizeivorschrift aufgestellt werde; es sei ferner wünschenswert, daß die bisherigen successiven Erlasse in ein allgemeines Reglement zusammengefaßt und im Sinne der vorliegenden*Petitionen, so weit nötig verschärft werden.

Allein die Kutscher von Brunnen waren mit diesem neuen Reglement nicht zufrieden und beschwerten sich dagegen -- nicht etwa beim h. Bundesrat -- sondern beim schwyzerischen Kantonsrate. Derselbe fand aber, es bilde diese Angelegenheit nicht Gegenstand der Beratung für den Kantonsrat, sondern es sei dies Sache des Regierungsrates und schritt über die Beschwerde zur Tagesordnung, in dem Sinne, daß die Regierung ohne weiteres ermächtigt sei, wenn die nähere Prüfung einen der Klagepunkte als berücksichtigungswert herausstelle, demselben im Wege der Vollziehung gerecht zu werden.

Was ergibt sich nun saus dieser Geschichte des Kutscherreglements von Brunnen?

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Einmal ergibt sich, daß der Kantonsrat es von jeher abgelehnt hat, sich mit dieser Reglementiererei zu befassen und daß er mit Schlußnahme vom 24. Mai 1872 beziehungsweise 1. Juli 1873 ein für allemal den Regierungsrat im Sinne von §§ 83 und 84 der Kantonsverfassung zum Erlasse der nötigen Bestimmung über die Ausübung des Kutschergewerbes in Brunnen delegiert hat. Und gerade das Reglement von 1884 wurde vom Regierungsrat erlassen, ohne dafür zuerst den Kantonsrat zu begrüssen. Deswegen ist es aber damals niemand eingefallen, dessen Rechtsgültigkeit anzufechten.

Zum andern ergibt sich, daß diese Réglemente keineswegs auf einer Vereinbarung zwischen Kutschern und Regierung basieren. Die Regierung hat sich im Jahre 1874 nur um eine Verständigung zwischen den Kutschern unter sich und zwischen den Hotelbesitzern bemüht, keineswegs aber sich selbst zum Unterhandeln als Partei hergegeben ; sie ist auf einer höhern Warte gestanden und hat durchaus selbständig und selbstherrlich auf Grund der Verhältnisse und der gegenseitigen Zugeständnisse der Interessenten in Brunnen ihre Verfügungen getroffen.

Der von den Rekurrenten aus den Kantonsratsverhandlungen von 1872 und 1873 gezogene Schluß, daß der Regierungsrat damals nur einen einmaligen Auftrag erhalten habe, der nun schon vor mehr als 20 Jahren ausgeführt worden sei, ist deshalb durchaus unrichtig und die Behauptung, das damalige Kutscherreglement beruhe bezüglich der Aufstellung von Fuhrwerken am Quai auf einem Vergleiche zwischen ihm und den Interessenten ist einfach unwahr.

Was die Klage der Rekurrenten betrifft, daß die Aufstellung ihrer Fuhrwerke auf dem Quaiplatze eine Existenzfrage für sie sei, so ist darauf zu antworten, daß Brunnen nicht nur aus Kutschern besteht. Nicht die Kutscher haben Brunnen zu dem gemacht, was es ist, und nun wollen sie doch die Frucht des Unternehmungsgeistes und der Tätigkeit anderer in erster Linie geniessen. Die Regierung ist von jeher bei Erlaß ihrer Réglemente von dem Standpunkte des freien, ungehinderten und angenehmen Verkehres für die Fremden ausgegangen, sie suchte die mit der Aufstellung von Fuhrwerken verbundenen Übelstände von jeher möglichst fern zu halten und betonte dabei immer wieder, daß namentlich die Quaianlage einer der schönsten Punkte von Brunnen bildet und daß es im wohlverstandenen Interesse des dortigen Fremdenverkehrs liegt, wenn die Benützung derselben den Fremden möglichst angenehm gemacht werden

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kann. Werden nun aber längs dieser Anlage Fuhrwerke aufgestellt, so wird den Fremden der Aufenthalt an diesem Aussichts- und Schattenplatz geradezu verunmöglicht. Das war auch ein Hauptgrund, warum der Regierungsrat das Aufstellen auf diesem Kantonsstraßengebiete glaubte verbieten zu sollen.

Nachdem aber die Gemeindebehörde von Ingenbohl, welcher die Wahrung der Interessen der Fremdenindustrie Brunnens am nächsten obliegt, mit Eingabe vom 5. August 1902 selbst eine beschränkte Gestattung des Aufstellens von Fuhrwerken am Quai befürwortete, so konnte der Regierungsrat füglich auf eine weitergehende Wahrung dieser Interessen seinerseits verzichten.

Er hat deshalb mit Schlußnahme vom 8. August dieses Jahres für einstweilen probeweise für diesen Sommer gestattet, das Kantonsstraßengebiet in beschränkter Weise zur Aufstellung von Fuhrwerken bei Ankunft bestimmter Schiffe zu benützen, daß auf der Quaistraße 5, auf dem Postplatz 3 Fuhrwerke aufgestellt, werden dürfen, und daß nach Abfahrt der bezeichneten Schiffe die nicht bestellten Wagen wieder an den gewohnten Aufstellungsplatz zurückzukehren haben.

Ebenso unrichtig ist die weitere Behauptung der Rekurrenten> der im Streite liegende, sogenannte Quaiplatz bilde nicht ein Stück der kantonalen Axenstraße, sondern er sei ein öffentlicher, der Gemeinde Ingenbohl gehöriger Platz. Unterm 5. Juli 1899 hat der hierzu kompetente Regierungsrat einigen Uferanstößern in Brunnen behufs Verbreiterung des Quais und Korrektion der Axenstraßeeinmiindung 330 m 2 Kantonsstraßengebiet und 713 m 2 ausgefüllten Strandboden angewiesen, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die korrigierte Kantonsstraße und der Quai Eigentum des Kantons verbleiben, und stetsfort dem öffentlichen Verkehre dienen sollen. Aus diesem Beschlüsse geht klar hervor,, einerseits, daß die Gemeinde Ingenbohl daselbst niemals Eigentum besessen', noch erworben hat, und zum andern, daß auch den Petenten Strandbodengebiet weder zu Eigen noch zu privater Benützung abgetreten worden ist. Demgegenüber ist allerdings richtig, daß die Brunner Fuhrwerkhalter diese Quaistraße schon lange für ihre Zwecke usurpiert haben, entgegen den bestehenden Eeglementen und den Begriffen von Recht und Eigentum.

Wenn also der Kanton durch sein verfassungsmäßig hierzu kompetentes Organ, den Regierungsrat, die Hand auf dieses ihm zustehende Eigentum im wohlbegründeten Interesse der Erhaltung desselben gelegt hat, so ist damit lediglich ein Akt der Verwal-

419 ttmg vollzogen worden, demgegenüber es kein Veto Unberechtigter gibt.

Auch die Behauptung, die den Kutschern angewiesenen Aufstellungsplätze, Hauptplatz und Sustplatz, seien Eigentum der Korporation Ingenbohl, sind des entschiedensten zu bestreiten, wie die hier allein maßgebenden ,,Ausscheidungsakte"1 beweisen.

Es ist allerdings richtig, daß die Aufstellung der Kutscher auch auf diesen Plätzen geniert ; aber dafür kann der Regierungsrat nichts, daß sie sich Jahr für Jahr vermehren, und sich gegenseitig den Platz versperren, abgesehen von der materiellen Konkurrenz.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Die vorliegende Beschwerde ist rechtzeitig innert der Rekursfrist von 60 Tagen seit dem angefochtenen Erlaß der Kantonsbehörde eingereicht worden.

Die Rekurrenten, die als Kutscher von Brunnen zur Beschwerdeführung legitimiert erscheinen, verlangen vom Bundesrat die Aufhebung der §§ 4 und 6 des vom Regierungsrat des Kantons Schwyz am 2. Mai 1902 erlassenen Kutscherreglementes, sowie des Regierungsratsbeschlusses vom 16. Juni 1902, soweit in den beiden Erlassen die Aufstellung von Fuhrwerken auf dem Quaiplatz von Brunnen verboten werde. Sie behaupten, gemäß der dem Reglement vom Regierungsrat gegebenen Auslegung verletze dasselbe die Handels- und Gewerbefreiheit und schaffe eine rechtlich ungleiche Stellung der Bürger. Dem vorgängig erheben sie noch die Einrede, der Regierungsrat sei weder zur Aufhebung des bisherigen noch zum Erlaß des heutigen Kutscherreglementes kompetent gewesen.

In ihren beiden ersten materiellen Einreden stützen sich die Rekurrenten auf Art. 31, und in Verbindung damit, auf Art. 4 der Bundesverfassung.

Der Bundesrat (respektive die Bundesversammlung) ist für die Beurteilung beider kompetent auf Grund von Art. 189, Ziffer 3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Rechtspflege. Für die Prüfung der letztgenannten, gegen die Kompetenz des schwyzerisehen Regierungsrates gerichteten Einrede, einer Einrede übrigens, welche die Beschwerdeführer auf keinen Verfassungsartikel zu stützen wissen, fehlt dem Bundesrat die Zuständigkeit.

420 Der Regierungsrat des Kantons Schwyz erhebt besonders in der Duplik die Einrede, daß es sich gar nicht um die Handelsund Gewerbefreiheit handle, sondern darum, daß er als berechtigter Vertreter des Kantons über das Eigentum des Kantons verfügt habe. Denn der Quaiplatz gehöre zur Axenstraße und sei nicht Eigentum der Gemeinde Ingenbohl, sondern des Kantons.

Tatsächlich bezieht sich § 6 des angefochtenen Kutscherreglementes sowohl seinem Wortlaute nach als nach der durch den Beschluß des Regierungsrates vom 16. Juni 1902 gegebenen Erläuterung ^auf das g a n z e K a n t o n s s t r a ß e n g e b i e t zwischen den Hotels Adler und Hirschen einerseits und der Anlage längs dem See andrerseits.a Der Bundesrat hat die in Frage kommenden Eigentumsverhältnisse nicht zu untersuchen. Die angefochtene Verfügung des Regierungsrates von Schwyz charakterisiert sich als eine Verfügung über dem Kanton Schwyz gehörigen öffentlichen Grund und Boden. Die Rekurrenten behaupten auch gar nicht, daß sie etwa Eigentümer des Straßenbodens seien, sondera ihre Behauptung geht dahin, daß die Gemeinde Ingenbohl Eigentümerin sei.

Nach den vom Regierungsrate eingelegten urkundlichen Belegen besteht zwar keine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung der Rekurrenten ; aber diese Seite der Sache ist für den staatsrechtlichen Rekurs ohne jegliche Erheblichkeit.

Hier steht für den Bundesrat nur zur Entscheidung: ob staatsrechtlich sich eine Verfügung des Regierungsrates des Kantons Schwyz über öffentlichen Straßenboden als unzulässig darstellt.

Diese Frage ist offensichtlich zu verneinen.

Schon aus dem Grunde, weil sich die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Schwyz als eine Verfügung des Eigentümers über den Grund und Boden der Straße darstellt. Die Handels- und Gewerbefreiheit ist kein absolutes Recht, sondern nur ein Recht auf Schutz vor polizeilicher Beschränkung. Stellt sich ein privatrechtliches Hemmnis der Ausübung eines Gewerbebetriebes entgegen, so kann dasselbe nur auf privatrechtlichem Wege gehoben werden (vergleiche Entscheid des Bundesrates vom 26. Juli 1902 in Sachen der Firma schweizerische Metallwerke gela. Bundesbl. I902, IV, 121, in Sachen Arnold Buetti, Bundesbl. 1900, III, 661 ff.).

Soweit also die Beschwerde sich dagegen richtet, daß der Regierungsrat des Kantons Schwyz über Boden verfügt der ihm nicht gehöre oder sich damit stützt, daß die Kutscher durch

421 anvordenkliche Rechtsübung einen Rechtsanspruch auf Benützung der Quaianlage als Aufstellungsplatz erworben haben, können sie ihre Beschwerden nur auf dem Wege des Zivilprozesses zur Geltung bringen.

Soweit aber die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Schwyz gewerbepolizeilichen Charakter an sich trägt und einzig von diesem Gesichtspunkte aus fällt sie unter die Bestimmung des Art. 31 der Bundesverfassung, gehört sie zu den in lit. e den Kantonen vorbehaltenen Verfügungen ,,über die Benützung der Straßena. Gerade aus diesem Vorbehalt ergibt sich zur Genüge, daß den Gewerbetreibenden eine uneingeschränkte Benützung des öffentlichen Straßenbodens in keiner Weise garantiert ist, sondern daß den Polizeibehörden durchaus die Möglichkeit gewahrt bleibt, die Benützung der öffentlichen Straßen zu regeln. Darunter muß aber auch die Befugnis gerechnet werden, gewisse Teile der öffentlichen Straße von einer ständigen Benützung durch einzelne Gewerbe, wenn diese Benützung zu einem Verkehrshindernis sich gestaltet, auszuschließen. Das Aufstellen von Wagen auf der öffentlichen Straße gehört der Natur der Sache nach gewiß zu solchen Benützungsarten ; denn dadurch wird ein gewisser Teil des Straßenbodens bleibend in Anspruch genommen und dem übrigen Verkehr entzogen (nach den eigenen Zugeständnissen der Rekurrenten bleibt von der Straße je nach Art der Aufstellung nur noch eine Bahn von 14 oder 11 Meter übrig). Diese an sich schon außerordentlich weitgehende Benützungsart der öffentlichen Straße kann durch die zuständige Behörde gewiß in der Weise geordnet werden, daß sie diejenigen Orte bezeichnet, an welchen ein Aufstellen der Wagen zulässig oder unzulässig ist.

Wenn nun aber mit der Sperrung des Quaiplatzes und Anweisung des Kappel- und Hauptplatzes die Zahl der Fuhrwerke, die gleichzeitig aufgestellt werden können, auf 25 reduziert worden ist, so ist damit die Gewerbefreiheit der 42 Kutscher, die ihre Fuhrwerke für die Saison 1902 in Brunnen angemeldet haben, weder aufgehoben, noch über das Maß dessen eingeschränkt, was die notwendige Rücksichtnahme auf die oben erwähnten berechtigten öffentlichen Interessen erheischt. Wenn man von der unbestrittenen Tatsache ausgeht, daß auch bei Ankunft der sogenannten ,,besten" Schiffe in Brunnen nicht mehr als 8 bis 10 Wagen requiriert werden, und wenn man noch dazu nimmt, was die Eekurrenten in der Replik anführen, daß bei der Zahl von 1500 Pensionären in Brunnen auch in der Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. V.

28

422 Zeit zwischen der Ankunft von Schiffen Wagen verlangt werden, so kann doch mit Bestimmtheit gesagt werden, daß die aufgestellten Fuhrwerke stets eine genügende Auswahl für die vorhandene Nachtrage erlauben werden. Die Behauptung, die Regierung habe mit der Sperrung des Quaiplatzes die Konkurrenzfähigkeit der Kutscher aufgehoben, ja dies sei bei dem Erlasse des Réglementes gar ihr Zweck gewesen, ist eine unbewiesene.

Die Fremden werden, sofern die Kutscher von ihrem Aufstellungsrecht wirklich Gebrauch machen, bei der Ankunft der Schiffe immer 25 Wagen bereit finden, und selbst bei Abgang der 8 oder 10 Fuhrwerke nach Ankunft eines Schiffes werden die übrigen 15 Wagen für die Bedürfnisse der folgenden Stunden noch eine reichliche Auswahl bieten, ganz abgesehen davon, daß der Rest der 17 Kutscher, die sich anfangs nicht aufstellen konnten, sich im eigenen Interesse beeilen wird, die Zahl der stationierenden Fuhrwerke wieder auf 25 zu bringen.

In gleicher Weise hat der Bundesrat am 8. September 1898 in der Beschwere! esache der Frau Zimmerli-Langensand das Verbot des Feilhaltens von Obst auf dem bei den Stationen liegenden öffentlichen Platz in Alpnach-Staad aufrecht erhalten, das der Regierungsrat des Kantons Obwalden begründete : eine unbeschränkte Zahl von Bewilligungen zum Obstverkauf auf bezeichnetem Platze könne nicht erteilt werden, da dies erfahrungsgemäß zur Belästigung der Fremden und zu Streit unter den Verkäufern führe; die Interessen des Straßenverkehrs und der Fremdenindustrie waren auch da ausschlaggebend (Bundesbl.

1898, V, 174 und 1899 I, 379).

Ist nun damit schon der Vorwurf widerlegt, der Ausschluß der Konkurrenzfähigkeit, führe zugleich zu einer ,,Ungleichhaltung vor dem Rechtea, so ist noch darauf hinzuweisen, daß jede Ungleichheit, die sich aus einer u n g e o r d n e t e n A u f s t e l l u n g der K u t s c h e r ergeben könnte, durch die Tourordnung, welche der Regierungsrat in § 4, Absatz 3, aufgestellt hat, verunmöglicht wird. Nach dieser Vorschrift hat jeder auf die Begünstigung durch Aufstellung seines Fuhrwerkes auf den öffentlichen Plätzen gleiches Recht, wie jeder, nachdem er eine Fahrt ausgeführt hat, warten muß, bis die Tour wieder an ihn kommt.

Ob die Kutscher, wie sie dies in der Eingabe an den Bundesrat behaupten, ein konzessionsmäßiges Recht darauf besitzen,
daß sie sich sämtlich jederzeit auf öffentlichen Straßen und Plätzen aufstellen können, hat der Bundesrat nicht zu untersuchen. Es entscheidet sich nach kantonalem Recht, ob in der

423

Erhebung einer Taxe für die Anmeldung eine bloße Kontrollmaßregel oder ob darin eine Konzession zu erblicken sei ; ebenso würde sich nach kantonalem Recht -- und in erster Linie wohl durch den Aussteller der Konzession, den schwyzerischen Regierungsrat-- der Inhalt der Konzession, d. h. die Frage bestimmen, ob die Konzession das Recht auf Benützung der öffentlichen Plätze im Sinne der Ansprüche der Rekurrenten in sich schließe oder nicht. Für die Überprüfung des kantonalen Rechtes ist nun aber der Bundesrat nicht zuständig. Wenn also der Regierungsrat des Kantons Schwyz die Anmeldung und Taxierung der Kutscher als eine bloße Kontrollmaßregel bezeichnet, so ist diese Erklärung für den Bundesrat bindend; in Anbetracht der minimen Höhe der Taxe erscheint die Erklärung auch materiell zutreffend.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 14. November 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

~^
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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Balz Inderbitzin und Mithafte, Kutscher, in Brunnen, gegen den Regierungsrat des Kantons Schwyz wegen Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit. (Vom 14. November 1902.)

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Bundesblatt

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1902

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47

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.11.1902

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403-423

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