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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Ratifikation eines Abkommens zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich zur Abänderung des Übereinkommens vom 13. April 1892, betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz.

(Vorn 5. Juni 1902.)

Tit.

Durch den bevorstehenen Beitritt des Deutschen Reiches zur Pariser Union vom 20. März 1883 nebst der Brüsseler Zusatzakte vom 14. Dezember 1900 wird eine Abänderung des Übereinkommens betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz, welches am 13. April 1892 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich abgeschlossen worden ist, notwendig.

Am 3. Dezember 1901 ergriff die Kaiserlich Deutsche Regierung die Initiative zu sachbezüglichen Unterhandlungen, welche von den beiderseitigen Bevollmächtigten, nämlich schweizerseits Herrn Bundesrat Ernst Brenner, Chef des Justiz- und Polizeidepartements, und deutscherseits Herrn Dr. Alfred von Bülow, außerordentlichem Gesandten und bevollmächtigtem Minister des Deutschen Reiches bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, weiter geführt und zum Abschluß gebracht wurden.

Die Bevollmächtigten unterzeichneten am 26. Mai 1902 ein Abkommen, dessen Text unserer Botschaft beigefügt ist.

591 Zu den einzelnen Bestimmungen ist folgendes zu bemerken : Durch Art. I werden, um Zweifel über das künftige Verhältnis des Übereinkommens vom 13. April 1892 zur Pariser Union zu vermeiden, alle Bestimmungen des Übereinkommens aufgehoben, welche durch die entsprechenden Bestimmungen der internationalen Konvention entbehrlich werden. Zu diesen Bestimmungen gehören die Art. l, 2, 3, 4, 6 und 8 des schweizerisch-deutschen Übereinkommens. Der in Art. l und 2 des letztern aufgestellte Hauptgrundsatz, welcher die Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen u. s. w. hinsichtlich des gewerblichen Rechtsschutzes gewährleistet, ist in den Art. 2 und 3 der internationalen Konvention enthalten. Ein besonderer Vorbehalt hinsichtlich des deutschen Gebrauchsmusterschutzes ist entbehrlich, da kein Zweifel darüber obwalten kann, daß der Beitritt des Deutschen Reiches zur Union von selbst die Verpflichtung mit sich bringt, auch den Schutz der Gebrauchsmuster den Verbandsstaaten einzuräumen.

Die in den Art. 3 und 4 enthaltenen Bestimmungen über die Prioritätsfristen werden ersetzt durch den in Brüssel revidierten Art. 4 der internationalen Konvention. Der in Art. 6 enthaltene Grundsatz übor die Anerkennung der Voraussetzungen für die Eintragung von Handels- und Fabrikmarken ist in Art. 6 der internationalen Konvention in Verbindung mit Nr. 4 des Schlußprotokolls zu derselben wiedergegeben.

Der Inhalt des Art. 8 ist teils gegenstandslos geworden, nachdem beide vertragschließenden Teile der darin übernommenen Verpflichtung nachgekommen sind, teils wird er durch die Bestimmungen der internationalen Konvention (Art. 9 und 10) gedeckt.

Der Wegfall von Art. 9 ist selbstverständlich.

Was das Schlußprotokoll vom 13. April 1892 anbetrifft, so ist über dessen Nr. I--IH und V folgendes zu bemerken : Die in Nr. I enthaltene Bestimmung über den Handelsnamon ist in Art. 8 der internationalen Konvention wiedergegeben. Der Vorbehalt in Nr. II, der eine Anmeldung in einem ändern als den vertragschließenden Staaten berücksichtigt, regelt sich in Zukunft nach den innerhalb der internationalen Union geltenden Grundsätzen. Nr. III wird mit der veränderten Fristberechnung gegenstandslos. Der Vorbehalt in Nr. V hinsichtlich der Marken, deren Inhalt gegen dio Sittlichkeit und die öffentliche Ordnung verstößt, ist durch die Vorschriften im vierten Absatz des Art. 6 der inl.er-

592 nationalen Konvention und im zweiten Absatz der Nr. 4 des zugehörigen Schlußprotokolls gedeckt. In Bezug auf Nr. IV des Schlußprotokolls und auf das Zusatzprotokoll vom 16. Juni 1893 verweisen wir auf weiter unten.

Die Sicherung des Fortbestandes des Art. 5 des Übereinkommens vom 13. April 1892 ist der Grund, warum nicht einfach dessen Kündigung in Aussicht genommen wurde; außerdem legt Deutschland Wert auf Beibehaltung des Art. 7, welcher deutsche Inhaber schweizerischer Patente von der Verpflichtung enthebt, auf den patentierten Erzeugnissen das schweizerische Patentzeichen anzubringen.

Jener Art. 5, dessen Bestimmungen über den Rahmen der internationalen Konvention hinausgehen, ohne mit ihr etwa in Widerspruch zu stehen, hat folgenden Wortlaut: ,,Die Rechtsnachteile, welche nach den Gesetzen der vertragschließenden Teile eintreten, wenn eine Erfindung, ein Muster oder Modell, eine Handels- oder Fabrikmarke nicht innerhalb einer bestimmten Frist ausgeführt, nachgebildet oder angewendet wird, sollen auch dadurch ausgeschlossen werden, daß die Ausführung, Nachbildung oder Anwendung in dem Gebiete des ändern Teiles erfolgt.

,,Die Einfuhr einer in dem Gebiete des einen Teiles hergestellten Ware in das Gebiet des ändern Teiles soll in dem letzteren nachteilige Folgen für das auf Grund einer Erfindung, eines Musters oder Modelles oder einer Handels- oder Fabrikmarke gewährte Schutzrecht nicht nach sich ziehen.c" Die Erfahrung hat Zeugnis abgelegt für die dem industriellen Verkehr zwischen der Schweiz und Deutschland nützlichen Folgen dieser Bestimmungen, so daß wir unter Hinweis auf die Botschaft vom 24. Mai 1892 ein näheres Eintreten unterlassen können.

Der Art. II des neuen Abkommens fügt nun dem soeben angeführten Art. 5 des Übereinkommens vom 13. April 1892 zwei neue Absätze bei. Deren erster enthält zunächst die einschränkende Bestimmung des Zusatzprotokolls vom 16. Juni 1893, ohne welche das Deutsche Parlament dem Übereinkommen die Genehmigung seiner Zeit bekanntlich versagt haben würde; sodann bringt ein Zusatz, behufs Vermeidung von Zweifeln, zürn Ausdruck, daß die in Art. 2 der Brüsseler Zusatzakte vom 14. Dezember 1900 gewährten Vergünstigungen durch jenen Art. 5 keine Einschränkung erfahren. Der zweite der neuen Absätze enthält die Bestimmung von Nr. IV des Schlußprotokolls vom 13. April 1892.

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Von diesen beiden Absätzen wahrt der erste deutsche und der zweite diejenigen schweizerischen Interessen, welche ihren Ausdruck in Ziffer 4 des Art. 9 des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente gefunden haben.

Der Artikel III bedarf keiner Erläuterung.

Der Artikel IV regelt den Übergangszustand für die zur Zeit des Inkrafttretens des vorliegenden Abkommens schwebenden Anmeldungen. Es bedarf besonderer Bestimmungen für die Geltung der Prioritätsfrist, weil diese nach der internationalen Konvention anders berechnet wird als nach dem Übereinkommen vom 13. April 1892. Im Interesse der Anmelder empfiehlt sich eine Festsetzung in dem Sinne, daß die dem Anmeldenden günstigere, d. h. die längere, Frist der Berechnung zu Grunde gelegt wird, und zwar unabhängig von der Ausübung einer Wahl oder von der Abgabe einer besonderen Erklärung.

In Bezug auf den Artikel V ist nur zu erwähnen, daß infolge der besonderen Verhältnisse es beiden Kontrahenten überflüssig schien, Bestimmungen hinsichtlich einer etwaigen Kündigung aufzunehmen.

Wir gestatten uns, Ihnen, Tit., die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses zu empfehlen.

Genehmigen Sie bei diesem Anlasse die erneute Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 5. Juni 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. III.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Ratifikation des am 26. Mai 1902 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich abgeschlossenen Abkommens zur Abänderung des Übereinkommens vom 13. April 1892, betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 5. Juni 1902, beschließt: 1. Dem am 26. Mai 1902 in Bern getroffenen Abkommen zwischen der Schwer/, und dem Deutschen Reich zur Abänderung des Übereinkommens vom 13. April 1892, betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz wird die Genehmigung erteilt.

2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Abkommen zwischen

der Schweiz und dem Deutschen Reich zur Abänderung des Übereinkommens vom 13. April 1892, betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz.

Der Bundesrat der schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits, und Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen, im Namen des Deutschen Reiches anderseits, haben, in Anbetracht des bevorstehenden Beitrittes des Deutschen Reiches zur internationalen Konvention zum Schütze des gewerblichen Eigentums, vom 20. März 1883, Unterhandlungen eröffnen lassen, um das Übereinkommen vom 13. April 1892, betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz, den Bestimmungen der Konvention vom 20. März 1883 und der hierauf bezüglichen, am 14. Dezember 1900 in Brüssel vereinbarten Zusatzakte anzupassen, und zu Bevollmächtigten ernannt :

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1902

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11.06.1902

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590-595

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