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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde von Altorfer & Lehmann in Zofingen wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.

(Vom 5. Juni 1902.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Beschwerde von A l t o r f e r & L e h m a n n in Zofingen wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Der Gemeinderat von Zofingen hat in einem Regulativ für die Benutzung der städtischen Wasserversorgung von Zofingen vom 20. April 1889, das am 3. Oktober 1898 revidiert worden ist, in den §§16 und 17 folgendes festgesetzt: § 16. Die Privatleitungen und Einrichtungen werden ohne alle Ausnahmen durch die Verwaltung der Wasserversorgung erstellt und zwar : u. bis zur Grenze der Liegenschaft, welche die Wasserversorgung erhalten soll, oder bis auf 10 m. Länge von der Hauptleitung an, sofern die Leitung bis zu fraglicher Grenze länger werden sollte, auf Kosten der Wasserversorgung; ö. weiter auf Kosten des Eigentümers der betreffenden Liegenschaft.

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§ 17. Jede Erstellung einer neuen, sowie auch jede Abänderung oder Reparatur einer bestehenden Einrichtung für den Wasser bezug von der Wasserversorgung darf nur durch die Verwaltung dieser letztern ausgeführt werden.

Auf ein von den Herren Altorfer & Lehmann in Zofingen gestelltes Gesuch um Erteilung einer Bewilligung für die Erstellung von Klosett-, Warm- und Kaltwassereinrichtungen verfügte der Gemeinderat von Zofingen am 5. Juni 1899 dem Gesuche insoweit zu entsprechen, daß den Gesuchstellern bewilligt wird, die von ihnen bezeichneten Apparate zum Anschluß an die Wasserversorgungshausleitungen zu erstellen, wogegen der Wasserversorgung die speciellen Arbeiten für die Zuleitungen zu diesen Apparaten und der Anschluß derselben an die Hausleitungen vorbehalten bleiben soll.

Die Gesuchsteller gaben sich- mit dieser Maßnahme nicht zufrieden, sondern rekurrierten an den Regierungsrat des Kantons Aargau, indem sie das Gesuch stellten, daß die Bestimmungen des Regulativs über die Benützung der städtischen Wasserversorgung des Gemeinderates von Zofingen vom 20. April 1889 in den §§ 16, 17 und 25, soweit sie den Bestimmungen der Bundesverfassung in Art. 31 über die Handelsund Gewerbefreiheit widersprechen, aufgehoben seien, und daß den Klägern die Erstellung der Privatleitungen und -einrichtungen für alle Wasserwerke innerhalb des Eigentums der Privaten (wie Klosett, Bad- und Wassereinrichtungen} gestattet seien.

Mit Beschluß vom 18. Februar 1902 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab unter folgenden Erwägungen: 1. Die Berufung der Herren Altorfer & Lehmann auf Art. 31 der Bundesverfassung ist nicht zutreffend. Eine öffentliche Wasserversorgung ist vom Standpunkt des Art. 31 der Bundesverfassung aus wohl berechtigt, wie jeder Privatunternehmer mutatis mutandis es auch thut, an die Abgabe von Wasser an die Abonnenten gutfindende Bedingungen zu knüpfen. Sie kann, ohne die Gewerbefreiheit zu verletzen, erklären, sie gebe das Wasser nur demjenigen ab, welcher sie in der Ausführung der Arbeiten frei schalten und walten läßt. An den Abnehmern ist es dann, zu untersuchen und zu entscheiden, ob ihnen die Bedingungen konvenieren oder nicht, und es haben Dritte keinerlei Rechte zur Einmischung. Die Beschwerdeführer müssen deshalb mit ihrem Begehren abgewiesen werden.

625 2. Anders erscheint die Frage unter Bezugnahme auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des Unternehmens. Dasselbe bildet einen Teil der Gemeindeverwaltung und untersteht mit dieser dem Verwaltungsrecht und damit der Entscheidungsbefugnis des Regierungsrates. Wenn ein Einwohner von Zofingen das gemeinderätliche Regulativ angreift, so sind die Beschwerdepunkte materiell zu prüfen und vom Standpunkte des Oberaufsichtsrechtes über die Gemeindeverwaltung von der zuständigen Behörde zu erledigen. Dieser Fall liegt allerdings heute nicht vor und es könnte somit über diese Seite der Frage hinweggegangen werden.

Allein die Annahme liegt nahe, daß ohne Verzug die Frage aufgegriffen und auf dem richtigen Wege zum Austrag gebracht werden wird. Es empfiehlt sich deshalb, heute schon grundsätzlich festzustellen, wie weit die Gemeinden in der angedeuteten Richtung zu gehen berechtigt sind. Hierbei kommen allerdings zuvörderst die R ü c k s i c h t e n a u f d i e K o n t r o l l e in Betracht, indem alle Vorkehren gutgeheißen werden müssen, welche zur Verhütung von mißbräuchlichem Wasserkonsum durch die Abonnenten nötig sind. Weniger zu schützen sind die R ü c k s i c h t e n auf den g e w e r b l i c h e n Vort.eil, welchen die Unternehmung auf den Arbeiten zu erzielen wünscht. Denn hier konkurrieren die Interessen der Bürgerschaft, welcher unter Umständen die Mitbewerbung von Privatwerkstätten in dem Maße unerläßlich werden kann, als die Anlage das G e b i e t des L e i t u n g s n e t z e s verläßt und in maschinelle Specialitäten übertritt. Der Abonnent, welcher Wasser nötig hat, darf nicht gezwungen werden, unter Umständen mangelhafte Bad- und Wäscheeinrichtungen und dergleichen mit in den Kauf nehmen zu müssen. H i e r muß die K o n k u r r e n z v o n P r i v a t e n m i t d e r G e m e i n d e zugel a s s e n w e r d e n . Die Kommission für Gemeindeangelegenheiten hat in ihrer Sitzung vom 21. Januar 1902 gefunden, daß den Interessen der öffentlichen Wasserversorgung wie der Abonnenten hinlänglich Rücksicht getragen werde, wenn die Gemeinden als berechtigt erklärt werden, in ihren Reglementen die Erstellung und den Unterhalt der Hausleitungen bis und mit den Vorrichtungen zur Abgabe des Wassers zum speciellen Gebrauch (Ausgußhahn, Reiber etc.) als Monopol der Gemeinde aufzustellen. Dieser Auffassung
entspricht ziemlich genau der Standpunkt, welchen der Gemeinderat in Zofingen in seinem oben citierten Beschluß am 5. Juni 1899 eingenommen hat.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. III.

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IL Mit Eingabe vom 21./22. März 1902 rekurrieren Altorfer & Lehinann gegen diesen Regierungsratsbeschluß an den Bundesrat und wiederholen das vor jener Behörde gestellte Rechtsbegehren.

Zur Begründung desselben bringen sie folgendos vor: Rekui'reuten haben schon in ihrer Beschwerde an den Regierungsrat ausdrücklich erklärt, dnß sie, sich keineswegs gegen die Bestimmungen des Regulativs beschweren, soweit sich dieselben auf die öffentliche Wasserversorgung als solche und den Wasserbezug beziehen. Zur öffentlichen Wasserversorgung als solcher gehört aber nur das Leitungsnetz, soweit es durch die Wasserversorgungsgenosseoschaft, d. h. die Elinwohnergemeinde Zotingen auf deren Kosten erstellt worden ist. Hierüber kann die Einwohnurgemeinde verfügen wie sie will ; über die daherigen Anordnungen haben die Rekurrenten sich auch nicht beschwert.

Die Rekurrenten beschweren sich vielmehr darüber, daß der Gemeinderat von Zofingen sich anmaßt, auch über die Einrichtungen der Privaten, die das Wasser von der öffentlichen Wasserversorgung beziehen, unumschränkt zu verfügen, wie er dies in den angefochtenen §§ 16 und 17 versucht. In diesen Paragraphen stellt der Gomeinderat ein Konkurrenzverbot auf und erhärtet dasselbe durch die Androhung von Strafen. Darin liegt eine Verletzung der in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Gewerbefreiheit.

Die Rekurrenten räumen dem Gemeinderat alle Rechte zur Kontrolle über den Verbrauch an Wasser ein und heißen alle Bestimmungen gut, welche gegen den mißbräuchlichen Wasserkonsurn durch die Abonnenten aufgestellt werden. Diese Bestimmungen finden ihre Begründung in öffentlichen Interessen. Für die Privatleitungen und Einrichtungen aber gilt die Handels- und Gewerbefreiheit und hier muß die Konkurrenz der Privaten mit der Gemeinde zugelassen werden. Jeder Private, und daher auch die Rekurrenteu sind berechtigt, alle Arbeiten, welche außerhalb des Gebietes des Leitungsnetzes liegen, zu besorgen. Die Gemeinde Zofingen hat das Verbot einzig aus dem Grunde erlassen, um ihre Arbeitskräfte genügend verwerten zu können ; denn als die Rekurronten die Angelegenheit seiner Zeit mit dem Gemeindcammann von Zofingen besprachen, erklärte ihnen dieser rund heraus, die Behörde müsse einen Monteur für das Wasserwerk haben; da derselbe aber zu teuer zu stehen käme, wenn ihm nicht auch sämtliche Privateinrichtungen, überbunden werden

627 könnten, so müsse die Behörde an ihrem Regulativ mit dem Ausschluß jeglicher Konkurrenz festhalten. Das ist also der Grund, warum der Gemeinderat die angefochtenen Bestimmungen in sein Regulativ aufgenommen hat. Was der Gemeinderat in seinem Beschluß vom 5. Juni 1899 zugestanden hat, ist ein Kompromiß; mit einem solchen können die Rekurrenten sich aber nicht zufrieden geben ; entweder haben sie ein Recht von Gesetzes wegen oder sie haben es nicht. Gerade dieser Versuch eines Kompromisses ist es, der die Impetranten zu einer Regelung der Angelegenheit durch die bundesrätliche Instanz veranlaßt hat. Wohl hatten die Impetranten den Protokollauszug jenes Gemeinderatsbeschlusses in Händen ; dabei blieb aber das unveränderte Regulativ in den Händen der Wasserkonsumenten. Wenn nun ein solcher in seinem Hause irgend welche Einrichtung vornehmen lassen wollte, so verwies der Blonteur auf das Regulativ und erklärte den Leuten, nur er hätte das Recht, solche Arbeiten vorzunehmen. Auf diese Weise wurde und wird den Impetranten jegliche Konkurrenz unmöglich gemacht. Damit ein weiteres derartiges Gebahren verhindert werden kann, ist es unbedingt notwendig, daß das Regulativ in den angefochtenen Paragraphen ungültig erklärt werde.

III.

Zur Vernehmlassung auf die Beschwerde eingeladen, beantragt der Regierungsrat des Kantons Aargau die Abweisung derselben und führt aus: Die Beschwerde verwechselt zwei Dinge miteinander, die Frage der G e w e r b e F r e i h e i t und diejenige des G e m e i n d e v e r w a l t u n g s r e c h t e s . Für die Beurteilung der ersten Frage ist der Bundesrat kompetent, für die Beurteilung der zweiten ist er es nicht. Daher ist es wichtig, gleich von Anfang an die Unterscheidung zu machen.

Die Frage der G e w e r b e f r e i h e i t ist in Ziffer l des Entscheides des Regierungsrates besprochen, und zwar, wie wir glauben, in völlig zutreffender Weise. Es handelt sich darum, zu entscheiden, ob derjenige, der ein Werk, eine Einrichtimg au Dritte ausleiht oder ihnen den Mitgebrauch daran einräumt, befugt sei, die Bedingungen festzusetzen, unter denen er es thun will. Die Frage nur stellen, heißt sie bejahen. Und wenn unter diesen Bedingungen sich die befindet, daß der Eigentümer dem Abonnenten vorschreibt, die für die Benutzung des Werkes nötige Anschiußeinrichtung durch ihn erstellen zu lassen, so liegt

628 darin nicht eine Verkümmerung der Gewerbcfreiheit, sondern eine Ausübung der Willensfreiheit. Der Eigentümer sagt, was sein Wille ist, dem Kunden steht frei, darauf einzugehen oder es abzulehnen. Werden sie eins, so ist ein Vertrag da, und kein Dritter hat das Recht, darein zu reden. Wenn ein Dritter eine solche Abmachung bemängelt, weil sie ihm Kunden entzieht, und wenn er von einem Eingriff in die Gewerbef'reiheit redet, so ist das eine Begriffsverwecfaslung. Bei jedem Werkvertrag könnte dasselbe geschehen. Was würde man aber einem Handwerker antworten, der, weil er einen Auftrag nicht erhielte, über Verletzung der Gewerbefreiheit klagte, weil ihn ein anderer erhält? Die Gewerbefreiheit besteht nicht darin, daß einem Arbeitsverdienst garantiert wird, sondern darin, daß man ihn «n der Arbeit nicht hindert.

Wie weit aber eine G e m e i n d e in solchen Unternehmungen geht, wie weit sie gewisse Arbeiten, auf die sie Einfluß hat, in Regie nehmen, wie weit sie sie umgekehrt der freien Konkurrenz überlassen soll : Das betrifft nicht mehr die Gevverbofreiheit, sondern das V e r w a l t u n g s r e c h t d e r Gemeinde.

Vom Standpunkte des öffentlichen Rechtes aus empfiehlt sich aus diesen und jenen Erwägungen für die Gemeinden darin mehr Zurückhaltung als für den Privatmann. Der Gemeinderat Zofingen hat denn auch eine Einschränkung der Regiearbeit der Gemeinde angeordnet, und zwar in einem Umfange, der in Wirklichkeit auch den Beschwerdeführern genügt; sie sind damit nur deshalb nicht befriedigt, weil sie noch nicht ins gedruckte Regulativ aufgenommen worden sind, sondern nur auf einem beim nächsten Neudrucke erst erscheinenden Beschlüsse des Geineinderates beruhen. Allein die Frage, ob eine Einschränkung vom Gesichtspunkte der Gemeindeverwaltung sich empfehle, ob die getroffene weit genug gehe, ob sie richtig publiziert sei, das sind doch alles Punkte, die mit der G e w e r b e f r e i h e i t und Art. 31 der B u n d e s v e r f a s s u n g n i c h t s zu thun haben.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Die Gemeinde Zofingen hat eine Wasserversorgung eingerichtet. Über die Benutzung derselben hat der Gemeinderat von Zofingen ein Regulativ vom 3. Oktober 1898 erlassen, das durch

629 den Beschluß des nämlichen Gemeinderates vom 5. Juni 1899 in einem Punkte abgeändert worden ist.

Grund der Beschwerde bildet dies Reglement insofern, als behauptet wird, daß Altorfer & Leumann, welche in Zofingen eine Centralwerkstätte für Centralheizungen, Kloset, Bad- und Wascheinrichtungen betreiben, in ihrem Gewerbebetriebe durch dasselbe gehindert werden. Das erwähnte Reglement schrieb in §§ 16 und 17 vor, daß die Privatleitungen und -einrichtungen ebenso wie die Reparaturen ohne alle Ausnahme durch die Verwaltung der Wasserversorgung erstellt werden. Durch den erwähnten Beschluß vom 5. Juni wurde zwar Altorfer und Lehmann gestattet, die von diesen bezeichneten Apparate zum Anschluß an die Wasserleitungs-Häusleitungen zu erstellen, dagegen blieben der Wasser verso rgungs ver waltung, d. h. der Gemeinde die speciellen Arbeiten für die Zuleitungen zu diesen Apparaten und der Anschluß derselben an die Hausleitungen vorbehalten. Altorfer & Lehmann erblicken auch hierin noch einen Eingriff in die ihnen verfassungsmäßig garantierte Gewerbefreiheit.

II.

Wie der Regierungsrat des Kantons Aargau in seiner Antwort richtig ausführt, ist die Frage, ob eine Gemeinde eine öffentliche Wasserversorgung und unter welchen näheren Modalitäten einführen darf, eine Frage des Gemeindeverwaltungsrechtes, welches hier gar nicht im Streite liegt.

Zu untersuchen bleiben nur die durch die bestehende Wasserversorgung geschaffenen Rechtsverhältnisse. Wenn man hier zunächst das Verhältnis zwischen der Gemeinde und ihren Wasserabonnenten prüft, so ergiebt sich ein rein privatrechtliches Vertragsverhältnis, welches in dem Réglemente selbst als Pachtverhältnis bezeichnet wird. Es besteht auch nach dem Regulativ eine Verpflichtung zur Eingehung des Vertrages, weder auf Seiten der Gemeinde noch des Wasserbezügers. Auch die im Regulativ vorgesehenen Bußen treffen nur den Wasserabonnenten und werden als K o n v e n t i o n a l b u ß e und K o n v e n t i o n a l s t r a f e bezeichnet (§ 25). Diese Bußen sind also nur Folgen, welche das Vertragsverhältnis nach sich zieht, nicht Polizeibußen, welche der Gemeinderat etwa gemäß der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt auszusprechen hätte. Diese Bußen treffen demgemäß eintretenden Falles auch nur den Wasserabonnenten, der sich vertraglich gebunden hat, nicht den außer dem Vertragsverhältnis Stehenden. Vom Gesichtspunkt des privat-

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rechtlichen Vertragsverhältnisses aus betrachtet, erscheint es als etwas rechtlich Erlaubtes, daß der eine Vertragskontrahent von vornherein die Bedingungen regelt, unter welchen allein er mit dem Gegenkontrahenten in ein Vertrags Verhältnis treten will.

Diese Bedingungen dürfen natürlich keinen Inhalt haben, welcher der Rechtsordnung widerspricht 5 im übrigen aber ist die Regelung des Vertragsinhaltes in das Belieben der Parteien gestellt.

Es besteht keine Norm, welche dem Unternehmer einer Wasserversorgung verbietet, sich auch die Herstellung sämtlicher Zuleitungsröhren auf dem Grundstücke desjenigen, dem das Wasser «igefiihrt werden soll, bis zu denjenigen Einrichtungen, in denen das Wasser benutzt werden soll, vertraglich auszubedingen.

Es bleibt immer Sache des Gegenkontrahenten, ob er auf diese Vertragsbedingung eintreten oder lieber auf die Vorteile der Wasserlieferung verzichten will.

Ein Dritter kann aus dieser Vertragsschließung, auch wenn ihm dadurch die Möglichkeit entzogen wird, gewisse Lieferungeil zu machen, ein Beschwerderecht nicht ableiten ; insbesondere kann er nicht unter Berufung auf die Handels- und Gewerbefreiheit verlangen, daß den Parteien untersagt werde, ihre Verträge in einer ändern, seine geschäftlichen Interessen weniger gefährdenden Weise abzuschließen. Es wäre umgekehrt die Erfüllung dieses Verlangens geradezu einer Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit gleichzusetzen. Die Bedeutung dieses garantierten Verfassungsrechtes geht nur so weit, daß das Individuum, von gewissen Vorbehalten abgesehen, gegenüber behördlichen Eingriffen in die freie Gewerbe- und Handelsthätigkeit geschützt ist, niemals aber dahin, daß ihm auch die Gewerbe- und Handelsthätigkeit gegenüber aus den wirtschaftlichen Konjunkturen sich ergebenden Gefährdungen garantiert ist; mit ändern Worten die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet nur die abstrakte Möglichkeit der Thätigkeit, nicht auch die Gelegenheit, die Thätigkeit in gewinnbringender Weise auszuüben.

An der Richtigkeit dieser Ausführungen wird dadurch nichts geändert, daß die eine der vertragschließenden Parteien im Bcschwerdefalle eine Gemeinde, also eine Korporation öffentlichen Rechtes ist. Denn die Gemeinde hat nicht eine im Rahmen des Verwaltungsrechtes ihr etwa zustehende allgemein verbindliche Verfügung (Auferlegung
einer Taxe, polizeiliches Verbot eines bestimmten Gewerbebetriebes und ähnliches) erlassen, sondern sie hat mit einer Reihe von Personen Verträge abgeschlossen, welche unter den Regeln des Privatrechtes stehen. Zugegeben

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mag werden, daß thatsächlich durch die Fassung des Regulativs besonders in der ursprünglichen Fassung die Beschwerdeführer in ihren geschäftlichen Interessen gefährdet werden, indem ihnen die Gelegenheit zu gewinnbringender Gewerbethätigkeit entzogen wird ; hiergegen schützt sie aber die Handels- und Geworbefreiheit nicht.

Der Bundesrat hat übrigens schon im Entscheid GoschNehlsen, bei welchem es sich um einen analogen Thatbestand handelte (Bundesbl. 1899, IV, 112 ff.), festgestellt: ,,Die durch Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit berechtigt niemand, von einem dritten die käufliche Abgabe seines Produktes ohne weiteres zu verlangen ; dem Produzenten oder Verkäufer steht es vielmehr frei, den Abschluß eines Werk-, Lieferungs- oder Kaufvertrages an die ihm gutscheinenden Bedingungen zu knüpfen, a u c h w e n n d a d u r c h d i e w i r t s c h a f t l i c h e Bewegungsfähigkeit des A b n e h m e r s mehr oder w e n i g e r eingeschränkt wird.

Liegt somit eine verfassungswidrige Beschränkung der Handelsund Gewerbefreiheit nicht vor, so ist die Beschwerde abzuweisen.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde von Altorfer & Lehinann wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 5. Juni 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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11.06.1902

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