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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Mülenen auf de» Niesen (Niesenbahn).

(Vorn 15. Dezember 1902.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 18. Oktober 1902 unterbreiteten die Herren Frutiger, Baumeister in Oberhofen bei Thun, Strub & Thomann, Ingenieure in Zürich, und Rud. von Erlach, Ingenieur in Spiez, dem Eisenbahndepartement zu Händen der Bundesbehörden ein Konzessionsgesuch für eine Drahtseilbahn von Mülenen auf den Niesen (Niesenbahn).

Bezüglich aller Eiazelheiten dieses Konzessionsgesuches erlauben wir uns, auf den Ihnen von den Konzessionsbewerbern zugestellten allgemeinen und technischen Bericht, sowie den Kostenvoranschlag zu verweisen.

In seiner Vernehmlassung vom 3. Dezember abhin erhob der Regierungsrat des Kantons Bern keine Einwendungen.

Die üblichen konferenziellen Verhandlungen fanden am 13. Dezember in Bern statt. Mit dem vom Departemente vorgelegten Konzessionsentwurf erklärte man sich im allgemeinen einverstanden.

Nur wünschten die Konzessionsbewerber, daß im Art. 16 die Taxe für die Hin- und Rückfahrt auf Fr. 7 anstatt Fr. 6. 40

829 angesetzt werde. Wir sind indessen der Ansicht, daß eine Ausnahme von der gesetzlichen Vorschrift, wonach die Taxen für Hin- und Rückfahrten um mindestens 20 % zu reduzieren sind, um so weniger gemacht werden kann, als die Ansätze von Fr. 5 and 3 für die einfache Fahrt im Vergleich mit anderen Bahnen, z. B. der Stanserhornbahn, schon als sehr hohe bezeichnet werden müssen.

Der nachstehende Beschlußentwurf gibt uns zu keinen weiteren Bemerkungen Veranlassung.

Indem wir Ihnen denselben zur Genehmigung empfehlen, benützen wir gleichzeitig den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkomr menen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 15. Dezember 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d ejs p r ä s i d e n t : Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

830 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Drahtseilbahn von Mülenen auf den Niesen (Niesenbahn).

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren Frutiger, Baumeister in Oberhofen bei Thun, Strub & Thomann, Ingenieure in Zürich, und Rudolf von Erlach, Ingenieur in Spiez, vom 18. Oktober 1902; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 15. Dezember 1902, beschließt: Den Herren F r u t i g e r , Baumeister in Oberhof en bei Thun, S t r u b & T h o m a n n , Ingenieure in Zürich, und R u d o l f von E r l a c h , Ingenieur in Spiez, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer Drahtseilbahn von M ü l e n e n auf den N i e s e n (Niesenbahn) unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

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Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Thun.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

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Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen, Gepäck und Gütern. Zur Beförderung von Vieh ist sie nicht verpflichtet.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 14. Es bleibt der Gesellschaft im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzusetzen. Immerhin sollen alle daherigen Projekte, soweit sie sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorgelegt werden und dürfen vor der Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrate festgesetzt.

Der regelmäßige Betrieb kann auf die Reisesaison beschränkt werden. Der Bundesrat ist jedoch berechtigt, im Falle des Bedürfnisses eine Ausdehnung der Betriebszeit zu verlangen.

Art. 15. Die Gesellschaft wird uur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muß.

Art. 16. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze beziehen : für die Bergfahrt Fr. 5. -- ; für die Talfahrt Fr. 3. --; für die Hin- und Rückfahrt Fr. 6. 40.

833 Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen. Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 5 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck werden ini Maximum folgende Taxen pro 100 kg. erhoben : für die Bergfahrt Fr. 5. -- ; für die Talfahrt Fr. 3. --.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Für Güter können im Maximum folgende Taxen erhoben werden : für die Bergfahrt Fr. 2. 50; für die Talfahrt Fr. 1. 50 per 100 Kilogramm.

Art. 19. Für den Verkehr mit Zwischenstationen werden die in den Art. 16, 17 und 18 vorgesehenen Taxen im Verhältnis der Längen der Transportstrecken berechnet.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Gütertaxe zu erheben.

Art. 21. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck- und für Gütersendungen beträgt höchstens 40 Rappen.

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Art. 22. Die bloß den Transport den Aufgebern an Adressaten auf der

vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen von Station zu Station. Die Waren sind von die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft,, und es darf eine besondere Taxe dafür nicht erhoben werden.

Art. 23. Bezüglich des Gewichtes werden Gütersendungen bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 kg. für volle 10 kg.: das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von.

10 kg. für eine ganze Einheit gil'i.

Wenn die genaue Ziffer der gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 24. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 25. Die sämtlichen Réglemente uad Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Bisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 26. Wenn die Bahnunternekmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 27. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das

835Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 28. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Bern, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des.

Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis au geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer derBahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlichdes Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, Ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, soist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf derGesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem i. Januar 1940 und I.Januar 1955 erfolgt, den 22y2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug derErneuerungs- und Reservefonds.

Bei Erruittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

836 d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen 5511 rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Fal'le des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 29. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 28 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von °der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 30. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften ·dieser Konzession, welche sofort in Kraft tritt, beauftragt.

^KXE-

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Mülenen auf den Niesen (Niesenbahn). (Vom 15. Dezember 1902.)

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17.12.1902

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