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Nachtrags-Bericht des

Bundesrathes über die Rekurseingabe der Regierung des Kantons Zug, betreffend die Führung der Expreßzüge 42 und 47 zwischen Zürich und Zug.

(Vom 13. Dezember 1886.)

Herr Präsident, Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen die neue Eingabe zuzustellen, welche betreffend die Beschwerde des Kantons Zug gegen den Bundesrathsbeschluß vom 7. Mai d. J. bezüglich der Führung der Expreßzüge 42 und 47 der schweizerischen Nordostbahn mit Schreiben der Regierung des genannten Kantons vom 25. November d. J. an uns gelangt ist. In dieser Eingabe ist ,,der Streit für einmal als gegenstandslos bezeichnet", weil die angefochtene Schlußnahme des Bundesrathes bereits vollzogen sei, -- dagegen wird eine authentische Interpretation des Art. 33 des Eisenbahngesetzes verlaugt, mit dem Beifugen, daß dieses Begehren bereits in der ursprünglichen Rekurseingabe angebracht, aber sowohl von den Kommissionen der Räthe als namentlich im Bericht des Bundesrathes mit Unrecht nicht in Betracht gezogen worden sei.

Die letztere Bemerkung veranlaßt uns zu einer kurzen Erwiderung. Das Bundesstaatsrecht kennt die Institution der authentischen Interpretation von Gesetzen nicht; über die Meinung und die Bedeutung gesetzlicher Bestimmungen im Falle Widerspruchs ist. noch immer anläßlich konkreter Fälle auf dem Rekursweg entschieden worden. Dieses Verfahren hat sieh bewährt und wir können nicht

1332 einsehen, warum der Kanton Zug mit demselben nicht zu seinem Rechte kommen sollte. Derselbe war und ist nicht gehindert, zur Unterstützung seines Anspruchs alle Gründe geltend zu machen, welche auf den einzelnen Rekursfall direkte sich beziehen oder in Analogie zu demselben gebracht werden können, und er hat von diesem Recht dea ausgiebigsten Gebrauch gemacht, indem er die Auslegung, welche der Bundesrath dem Art. 33 gegeben hat, als unrichtig nachzuweisen versuchte. Der Bundesrath seinerseits hat auf die Betrachtungen, welche von deu Behörden des Kantons Zug angebracht worden sind, einläßlich geantwortet. Eiru- andere authentische Entscheidung, als die ist, welche die Bundesversammlung auf die anhängige Beschwerde geben wird, bedarf weder der Kanton Zug noch der Bundesrath; wenn der Art. 33 unter irgendwelchen veränderten Verhältnissen neuerdings zum Gegenstand einer Kontroverse wird, so werden diese Verhältnisse alsdann wieder von Grund aus geprüft werden müssen, auf dem einzigen Weg, der die gerufhte Anwendung der Gesetze für alle Fälle des Lebens sichert.

Die Einstellung der Bahnzüge, auf welche die Beschwerde des Kantons Zug sich bezogen hat, hindert eine materielle Erledigung dieser Beschwerde oder einen Beschluß, daß im Sinne der bereits bekannten Anträge der Kommissionen der Räthe nicht eingetreten werde, keineswegs. Der Bundesrath selbst muß wünschen, daß die Besehwerde zur vollen Erledigung komme und daß nicht eine Niederlegung der Sache stattfinde, weil der Fall seine Aktualität verloren habe. Die Beantwortung der Frage, oh die Bundesversammlung die vom Bundesrathe bei der Anwendung der Gesetze geltend gemachten Anschauungen billige, wird ein willkommener Wegweiser sein für die nicht entfernte Eventualität, daß die gleichen thatsächlichen Verhältnisse wiederholt zu Beschlußfassungen nothigen sollten.

Wesentlich neue Gesichtspunkte sind in der beiliegenden Eingabe nicht angeführt. Die Behauptung, es sei die Entscheidung des Bundesrathes aus einer nicht zutreffenden Auffassung des Art. 33 hervorgegangen, bildet ja den Grund und den Ausgangspunkt der Beschwerde. Immerhin bezeichnen wir es als unrichtig, wenn heute in weiterer Ausführung dieser Behauptung gesagt wird, es hätte der Bundesrath in dem Bericht vom 14. Juni d. J. der Ansieht Ausdruck gegeben, daß durch den Art. 33 alle
Bestimmungen der kantonalen Konzessionen b e s e i t i g t seien. Wir haben im Gegentheil ausgeführt, daß bestehende vertragliche Vereinbarungen ihre Gültigkeit für die Betheiligten unter allen Umständen behalten, daß sie unter diesen selbst klagbar sein können und daß auch die JBundesaufsichtsbehörde dieselben respektire, soweit sie nicht vor

1333 ganz bestimmten Forderungen des Bundesrechtes im öffentlichen Interesse zurücktreten müssen. Wir haben auch nirgends uns anders ausgesprochen, als daß der Art. 33 gegen die Eisenbahngesellschaften gehe; aber wir haben den Art. 33 im Zusammenhang mit dem Art. 41 betrachtet und den Satz aufgestellt, daß die arn erstem Orte genannten Pflichten der Eisenbahnen und die Rechte des Bundesrathes nicht verändert oder gekürzt werden können durch vertragliche Abmachungen der Gesellschaften mit Dritten, und wir haben zur Unterstützung dieses Satzes auch auf die Bestimmungen der Bundeskonzession verwiesen, wo in ganz gleicher Weise wie im Art. 41 die Vorschriften der Bundesgesetzgebung überall vorbehalten sind, und bestimmt worden ist, daß denselben durch den Inhalt der kantonalen Konzession kein Eintrag geschehen dürfe.

Der Gesetzgeber hatte also allerdings, und zwar nicht erst mit dem Eisenbahngesetz von 1872, sondern schon bei der Genehmigung der kantonalen Konzession, der Absicht Ausdruck gegeben, die Konzessions- und Vertragsrechte der Kantone unter die Herrschaft der Bundesgesetzgebung zu stellen. Der Bundesrath würde Unrecht thun, wenn er die öffentlichen Interessen hinter die Vertragsrechte des Kantons Zug zurückstellen würde oder zugäbe, daß dies geschähe.

Die Regierung des Kantons Zug wiederholt sodann im Verlauf der neuen Eingabe noch die schon früher ausgesprochene Befürchtung, daß die regelmäßige Bedienung der mittlern und kleinern schweizerischen Stationen den Einrichtungen für den durchgehenden Verkehr geopfert werden könnte, wenn der Rekurs nicht begründet erklärt werde. Der Bundesrath darf auf die Vergangenheit abstellen dafür, daß diese Befürchtung unbegründet ist; er wird auch in Zukunft in Ausübung der ihm anvertrauten Kompetenzen die Verhältnisse nicht weniger sorgfältig wägen und prüfen. Jedenfalls ist der vorliegende Beschwerdefall kein Beweis für das Gegeutheil; denn selbst die Regierung des Kantons Zug hat eine Verletzung materieller Interessen infolge des Ueberfahrens der Station Zug mit den Expreßzügen nicht behauptet; sie hat überall und immer nur auf ihre Vertragsrechte abgestellt, welche zu schützen seien selbst dann, wenn der Verkehr darunter leide. Auch verweisen wir darauf, daß, nachdem mit dem 15. Oktober die Gotthardexpreßzüge nicht mehr gefahren werden, welche die
Einlegung der Expreßzüge 42 und 47 der Nordostbahn mit abgekürzter Fahrzeit veranlaßt haben, die Station Zug wieder mit allen Personenzügen der Strecke Zürieh-Luzern bedient wird; -- der beste Beweis dafür, daß in der Anordnung der Nichtbedienung nur einer Nöthigung Folge gegeben wurde und daß mit der Aufhebung dieser Nöthigung die normalen Verhältnisse zurückkehrten, und zwar ohne daß es dazu irgend eines Zwanges bedurft hätte.

1334 Wir wiederholen den Autrag auf Abweisung der Beschwerde.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die erneuerte Versicherung unserer ausgezeichnetsten Hochachtung.

B e r n , den 13. Dezember

1886.

Ira Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Nachtrags-Bericht des Bundesrathes über die Rekurseingabe der Regierung des Kantons Zug, betreffend die Führung der Expreßzüge 42 und 47 zwischen Zürich und Zug. (Vom 13. Dezember 1886.)

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30.12.1886

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