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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde der schweizerischen Automatengesellschaft in Bern gegen den Großen Rat und den Staatsrat des Kantons Freiburg.

(.Vom 29. September 1902.)

Der schweizerische Bundes rat

hat über die Beschwerde der s c h w e i z e r i s c h e n A u t o m a t e n g e s e l l s c h a f t in Bern gegen den Großen Rat und den Staatsrat des Kantons Freiburg; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements f o l g e n d e n Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Unterm 12./17. Februar 1902 reichte die schweizerische Automatengesellschaft in Bern gegen den Großen Rat und den Staatsrat des Kantons Freiburg resp. gegen das Gesetz vom 29. November 1900 über die Handelspolizei, beschlossen vom Großen Rat des Kantons Freiburg, und gegen die Vollzugsverordnung vom 13. November 1901, beschlossen vom Staatsrat des Kantons Freiburg, eine Beschwerde beim Bundesrat ein mit folgenden Begehren : 1. Es seien das freiburgische Gesetz vom 29. November 1900 und die Vollzugsverordnung vom 13. November 1901, so-

554 weit dieselben den Verkauf von Waren durch Automaten der Bezahlung einer Patenttaxe unterwerfen, aufzuheben.

2. Eventuell : die angefochtene Verordnung sei bezüglich der Höhe der dem Verkauf durch Automaten auferlegten Patenttaxe außer Kraft zu setzen und es sei der Staatsrat des Kantons Freiburg einzuladen, eine neue Taxation zu erlassen, welche es der Rekurrentin gestattet, ihr Gewerbe mit bescheidenem Nutzen zu betreiben.

3. Es sei die Bestimmung des angefochtenen Gesetzes, nach welcher der Gewerbebetrieb an Sonntagen und zur Nachtzeit verboten ist, auf den Verkauf durch Automaten als nicht anwendbar zu erklären.

4. Es sei der Rekurrentin das Rückforderungsrecht der unter Vorbehalt bezahlten Patenttaxen zu wahren.

Zur Begründung brachte die Rekurrentin folgendes an: Die Rekurrentin hat, wie in ändern Kantonen, so auch im Kanton Freiburg auf verschiedenen Bahnhöfen im ganzen 11 Automaten mit zusammen 50 Einwürfen aufgestellt.

In den Nummern 51 und 52 des Amtsblatts des Kantons Freiburg vom 19. und 26. Dezember 1901 wurden publiziert das Gesetz über die Handelspolizei und eine dazugehörige Vollziehungsverordnung des Staatsrats.

Von diesen Erlassen erhielt die Rekurrentin, welche im Kanton Freiburg kein Domizil liât, anfangs Januar 1902 durch private Mitteilung Kenntnis, worauf sie sich an die Staatskanzlei des Kantons Freiburg wandte, die ihr die Erlasse am 12. Januar a. c. zustellte.

Gemäß Art. 4, 5 und 6 des Gesetzes über die Handelspolizei und Art. 2, lit. E, der Vollziehungsverordnung hat die Rekurrentin an den Staat Freiburg und die Gemeinden, in welchen ihre Apparate aufgestellt sind, zusammen pro Automat und Jahr eine Patenttaxe von Fr. 15. 30 zu bezahlen. Um keine Unterbrechung in ihrem Gewerbebetrieb eintreten zu lassen, hat die Rekurrentin am 22. Januar die geforderten Taxen bezahlt, jedoch unter ausdrücklichem Protest gegen die aus dieser Zahlung eventuell zu folgernde Anerkennung der Verfassungsmäßigkeit der genannten beiden Erlasse, und unter Vorbehalt des Rekursrechtes.

Die Rekurrentin behauptet, daß die ihr auferlegten Patenttaxen ihren Gewerbebetrieb im Kanton Freiburg vollständig ver-

555 unmöglichen. Da die Apparate einer raschen Abnutzung ausgesetzt sind, und da die Gesellschaft grundsätzlich nur gute Waren zum Verkauf bringt, so liegt es in der Natur des Geschäftes, daß der Reingewinn auch im günstigsten Fall nur ein bescheidener sein kann.

Von der Bruttoeinnahme muß zunächst der Preis der Waren mit 65 °/o in Abzug gebracht werden. Sodann gehen ab die Platzmieten an die Bahngesellschaften, ferner gemäß Statuten 10 % vom Ankaufspreis der Automaten als Abschreibung, der Verlust an Falsifikaten, die Kosten des Unterhalts der Apparate, die allgemeinen Verwaltungs- und Geschäftsspesen und die in Bern zu bezahlenden Einkommensteuern. Die Rekurrentin muß froh sein, wenn sie pro Jahr und Automat einen Reingewinn von Fr, 10--12 erzielt, was 3--4 % des Kapitals ausmacht.

Die vom Kanton Freiburg geforderte Patenttaxe würde aber diesen Gewinn nicht nur völlig aufzehren, sondern noch mehr dazu, und damit ein Geschäft im Kanton Freiburg unmöglich machen.

Nun werfen aber die Apparate im Kanton Freiburg einen Gewinn, wie er hier angenommen wurde, gar nicht einmal ab.

Der Abschluß pro 1901 für die im Kanton Freiburg aufgestellten Automaten ergibt folgende Zahlen: Selbstkostenpreis der Waren Fr. 2413. 09 Bruttoeinnahmen ,, 3682. 50 Bruttogewinn Fr. 1269. 41 Davon gehen ab : Falsifikate und Porti der Bahnen . Fr. 49. 30 Platzmieten ,, 915. 85 ,, 965. 15 Bleibt Gewinn Fr.

Bringt man davon in Abzug 10 °/o Abschreibung mit ,,

304. 26 298. 40

so bleibt ein Betrag von . . . . . . . . Fr.

5. 80 d. h. von Fr. 0. 52 per Apparat, was nicht einmal zur Bestreitung der Verwaltungs- und Geschäftsspesen, geschweige denn zur Bezahlung einer Dividende, ausreicht.

Zum Beweis für diese Zahlen wird ein notariell beglaubigter Buchauszug beigelegt und erklärt sich die Rekurrentin bereit, auf Verlangen ihre Bücher vorzulegen.

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Die so auferlegten Taxen wirken schon im Prinzip, jedenfalls aber in ihrer Höhe, prohibitiv und deshalb müssen die diese Taxen normierenden Erlasse als den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit verletzend aufgehoben, oder doch erheblich modifiziert werden.

Das angefochtene Gesetz verbietet in Art. 8 den Gewerbebetrieb an Sonntagen und für einzelne Gewerbe auch zur Nachtzeit. Ob hiervon die Automaten auch betroffen werden, ist nicht genau ersichtlich. Wäre dies der Fall und würde die Regierung des Kantons Freiburg nicht in der Rekursantwort erklären, daß Art. 8 sich nicht auf die Automaten bezieht, so richtet sich dieser Rekurs auch gegen die zitierte Bestimmung. Denn die Bedienung der Automaten kann so geschehen, daß weder die Nacht- noch die Sonntagsruhe des Bahnpersonals beeinträchtigt wird. Das die Rekurrentin in ihrem Betrieb empfindlich schädigende Verbot wäre ein unbegründetes.

Die Rekurrentin hat gleichzeitig mit dieser auch beim Bundesgericht eine Beschwerde gegen die Taxation durch die Regierung des Kantons Freiburg vom Standpunkt der Doppelbesteuerung aus eingereicht.

II.

In Beantwortung der Beschwerde schloß der Staatsrat von Freiburg dahin, der Rekurs sei als unbegründet zu erklären und begründete dies Begehren wie folgt: Was den von der Rekurrentin beim Bundesgericht gegen die Taxation ihres Gewerbebetriebs und die dieser Taxation zu Grunde liegenden Erlasse eingereichten Rekurs wegen Doppelbesteuerung betrifft, so hat ihn das Bundesgericht durch Urteil vom 13. März 1902 abgewiesen, da es sich im vorliegenden Fall in keiner Weise um eine Erwerbssteuer, sondern einfach um eine Polizeitaxe handle.

Das Gesetz über die Handelspolizei vom 29. November 1900 verdankt seine Entstehung der Initiative freiburgischer Kaufleute und verschiedener Gesellschaften, welche in einer Petition die Tatsache hervorhoben, daß der Kleinhandel und die Kleinindustrie unleugbar unter der Verallgemeinerung und der immer größeren Entwicklung des Hausierhandels leide. Dabei wurde auch auf den Verkauf mittelst Automaten als eine Form der Konkurrenz hingewiesen, die dem niedergelassenen Kleinkaufmann gemacht wird.

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In dem vom Sekretär des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender im Auftrag dieser Gesellschaft ausgearbeiteten Entwurf eines Normalgesetzes über die im Umherziehen ausgeübten Gewerbe wird eine spezielle Kontrolle der Verkaufsautomaten und die Aufstellung einer Taxe für sie vorgesehen, ,,da keinerlei Grund für deren Verbreitung vorhanden seia.

In der Natur der durch die Apparate in den Verkehr gebrachten Waren liegt ein tieferer Grund, die Automaten einer Kontrolle zu unterstellen. Die Eßwaren müssen der Gesundheitspolizei unterliegen. Die Raucherartikel geben der Jugend die allzuleichte Gelegenheit, sich solche ihr verbotenen Waren zu verschaffen, was ein neuer Grund für die Überwachung der Automaten durch die Polizei sein wird.

Übrigens ist ein Schutz ja auch im Interesse des Eigentümers geboten.

Diese Überwachung und dieser Schutz rechtfertigen unzweifelhaft eine Gegenleistung in Form der Patenttaxe. So enthält denn auch das waadtländische Gesetz über die Handelspolizei vom 5. Mai 1899 ähnliche Bestimmungen, wie das freiburgische, verlangt aber eine höhere Taxe. Die Rekurrentin ist Inhaberin waadtländischer Patente, hat aber gegen das waadtländische härtere Gesetz nicht rekurriert.

Die Rekurrentin muß im Kanton Freiburg für ihre 11 Apparate im ganzen eine Gebühr von Fr. 168. 30 bezahlen. Im Kanton Waadt betrüge die Taxe für die gleiche Anzahl Automaten Fr. 288.

Die Taxe, welche das freiburgische Gesetz vorsieht, ist in Wirklichkeit nichts als der Gegenwert für die polizeiliche Überwachung der Apparate. Sie herabsetzen hieße nur ungerechterweise die den kleinen Handelsleuten, welche am Platze Steuern und Patente bezahlen, erwachsende mehr oder weniger anonyme Konkurrenz begünstigen.

Angesichts der Rentabilitätsrechnung der Rekurrentin ist es nur erstaunlich, daß die Rekurrentin in der Schweiz noch arbeitet und sogar auf Konkurrenz stößt.

Der französische Name der Rekurrentin, in welchem von ,,automatischen Verteilern von Mustern"1 die Rede ist (compagnie générale des distributeurs automatiques d'échantillons), zeigt, daß der einzige Zweck der Gesellschaft ist der Wiederverkauf von Waren, die sie im Großen ankauft ; und sie kauft sie vielleicht zu um so vorteilhaftem Preisen, als sie es wohl verstehen wird, Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. IV.

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den Lieferanten begreiflich " zu machen, daß der Verkauf durch die im ganzen Land verbreiteten Automaten eine nützliche Reklame für ihre Waren bilde. Vom Standpunkt dieser Fabriken aus kann also die feilgebotene Ware wohl als eine zum Preis eines Reklameartikels abgegebene Ware angesehen werden, während sie für die Rekurrentin, welche dem Publikum keinerlei Vergünstigung macht, ein reiner Gegenstand des Geschäfts ist.

Die ganze Spekulation ist in Hinsicht auf die Eßwaren auf die Naschhaftigkeit, in Hinsicht auf die Raucherartikel auf die Leidenschaft der Raucher gegründet.

Was die schnelle Abnützung der Apparate anbelangt, so ist folgendes zu sagen : Der aus Gußeisen oder einem ähnlichen Material bestehende Kasten verursacht nur geringe Unterhaltskosten und dürfte mindestens 25 bis 30 Jahre überdauern.

Der beinahe ganz aus Blech hergestellte Mechanismus, welcher einige kleine Reparaturen, besonders Lötungen erfordert, ist durch seine Anbringung im Innern des Kastens sehr geschützt und dürfte mindestens 15 Jahre überdauern. Er dürfte kaum mehr als J/4 oder l/z der Herstellungskosten des ganzen Apparates kosten, dessen Existenzdauer also auf 20 Jahre angenommen werden kann. Das entspricht einer voraussichtlichen Amortisation von 5 °/o.

Die Rekurrentin gibt zu, daß sie auf dem Warenverkauf einen Profit von.etwa 35% macht, was ein sehr hoher Prozentsatz ist.

Dabei ist zu bemerken, daß es sich rein um Barkauf handelt, bei welchem Verluste infolge von Kreditgewährung ausgeschlossen sind.

Die Rentabilitätsberechnung der Rekurrentin gibt keinen Aufschluß darüber, ob die Gesellschaft nicht einen Rabatt auf den gekauften Waren hat. Dabei ist es sehr möglich, daß sie in die Hauptabrechnung über die Waren den ganzen Preis der Waren eingestellt und es sich vorbehalten hat, den gewonnenen Rabatt in der Bilanz in die Gewinn- und Verlustrechnung einzustellen» Nach der Berechnung der Rekurrentin müßte ihr Geschäftsbetrieb im Kanton Freiburg für sie unabhängig von jeder Taxberechnung einfach ruinös sein und dies wegen der hohen Provisionen, welche sie der Eisenbahnverwaltung mit Fr. 915. 85 für das Jahr 1901 bezahlen muß. Diese hohe Ausgabe, 25 °/o

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der Bruttoeinnahmen, 75 °/o des Gewinnes, ist die Folge von freiwillig eingegangenen Verträgen, die die Gesellschaft weder eingegangen wäre, noch aufrecht erhielte, wenn das Resultat ein so schlechtes wäre, wie behauptet wird.

Die Rekurrentin berechnet eine Amortisation von 10 °/o ; außerdem stellt sie noch eine Verzinsung von 5 % in Rechnung, so daß für die Abnutzung der Apparate, für welche eine 5%ige Amortisation genügte, eine 15 °/oige berechnet wird. Einige der Apparate sollen dem Vernehmen nach.schon seit 7 bis 10 Jahren im Betrieb sein. Diese wären also schon amortisiert.

Bei richtiger, nicht nach der Passivenseite hin übertriebener Berechnung muß die Gesellschaft einen Gewinn machen, der ihr die Bezahlung der Taxen gestattet, ohne daß sie sich damit ruiniert. Aus der Berechnung der Rekurrentin geht nur hervor^ daß ihr Geschäft anderer Faktoren, z. B. der hohen Platzmieten wegen, unrentabel ist. Diese aber hängen einzig vom Willen und der Geschäftskundigkeit der Gesellschaft ab und können deshalb bei der Taxation nicht in Anschlag gebracht werden.

Was den Automatenbetrieb an Sonntagen und zur Nachtzeit betrifft, so wird nur darauf verwiesen, daß die Rekurrentin nicht einmal behauptet, sie sei gezwungen worden, ihren Betrieb zu den betreffenden Zeiten einzustellen.

III.

Replikando führte die Rekurrentin aus : Der Rekurs der Gesellschaft an das Bundesgericht ist nicht abgewiesen worden, sondern er gelangte überhaupt nicht zur materiellen Behandlung, woraus jedenfalls für die vorliegende Beschwerde kein ungünstiger Schluß gezogen werden darf.

Das freiburgische Gesetz verdankt seine Entstehung der Initiative einer Interessentengruppe, die dem Gewerbebetrieb der Gesellschaft nicht günstig gesinnt ist. Der von J. G. Schwander ausgearbeitete Entwurf steht auf demselben Boden, führt auch in seinen Motiven keinen positiven Grund für die Knebelung des Automatenbetriebs an, 'sondern begnügt sich damit, zu sagen, es liege kein Grund vor, die Verbreitung der Automaten zu begünstigen. Hierüber dürfte eine Diskussion überflüssig sein.

Die Kontrollierung der Waren muß durch die freiburgische Polizei bei dem Automatenbetrieb genau so vorgenommen werden, wie im allgemeinen. Besondere Kosten entstehen dadurch nicht und der Kanton hat nicht das Recht, von der Gesellschaft einen

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Beitrag an diese Kosten in Form eines Patentes zu verlangen.

Im übrigen beansprucht die Rekurrentin diese Kontrolle nicht.

Die Furcht vor der Verführung der Kinder ist eine ganz unbegründete auch deshalb, weil die Bahnverwaltungen die Überwachung der die Apparate benutzenden Personen besorgen. Jedenfalls rechtfertigt diese Furcht das Patent nicht.

Soweit der Staat eine Gegenleistung für den im übrigen unentgeltlichen Schutz des Eigentums verlangt, so geschieht das in der Form einer Steuer, kann aber nicht in Form eines Gewerbepatents geschehen.

Die Rekurrentin hat auch gegen die sie besteuernden Erlasse anderer Kantone rekurriert und ein waadtländisches Anwaltsbureau mit der Durchführung der Beschwerde gegen Waadt betraut.

Bei Diskussion der Höhe der Patenttaxe verweist die Rekursbeklagte zunächst auch auf andere ihr gemachte Zumutungen.

Die Ausführungen der Regierung über die Organisation der Gesellschaft sind belanglos. Die einzige zu entscheidende Frage ist die, ob die Gesellschaft an der Erreichung eines erlaubten Zweckes durch die angefochtene Maßnahme verhindert werde.

Daß die Gesellschaft trotz des bisherigen schlechten Resultats im Kanton Freiburg noch weiter arbeitet, erklärt sich aus der Hoffnung, durch reellen Geschäftsbetrieb dies Resultat inskünftig sich verbessern zu sehen.

Gegenüber der Verdächtigung, daß in der Aufstellung nicht die rechten Ankaufspreise angegeben, wurden Bücher zur Verfügung gestellt und wird eine Expertise beantragt.

Die 10 %ige Amortisation rechtfertigt sich nicht nur in Hinsicht auf die Abnutzung der Apparate, sondern auch in Hinsicht auf die neuen Erfindungen auf dem Gebiet des Automatenwesens.

Eine kleinere Abschreibung würde zudem das finanzielle Ergebnis nur in geringem Maße beeinflussen.

Was die hohen Platzmieten anbelangt, so wissen die Bahngesellschaften, daß der Automatenbetrieb fast ausschließlich auf die Stationen angewiesen ist und deshalb diktieren sie die Mietbedingungen, die die Gesellschaft einfach annehmen muß, wenn sie nicht den Betrieb einstellen will.

Bei der Unbestimmtheit der Erklärung der Regierung über die Anwendung der Bestimmungen bezüglich des Betriebs der Automaten an Sonntagen und zur Nachtzeit, wird ein Entscheid auch über diesen Punkt verlangt.

561 IV.

Hierauf ließ sich die Regierung des Kantons Freiburg im wesentlichen folgendermaßen vernehmen : Die Rekurrentin vermag ihre Theorie, nach welcher sie von jeder Taxe befreit sein sollte, durch keinen ernsthaften Grund zu stützen, weshalb sie sich hauptsächlich mit der angeblichen Übermäßigkeit der geforderten Taxe befaßt.

Die zur Überwachung des Automatenbetriebs nötige polizeiliche Kontrolle ist gewiß sehr ähnlich derjenigen über den Hausierverkehr. Die Hausierer könnten mit dem gleichen Recht darauf hinweisen, daß sie ein Domizil haben, wo sie Steuern bezahlen, und doch ist das Recht der Regierung, den Hausierhandel mit einer Patenttaxe zu belegen über jeden Zweifel erhaben.

Es wird nochmals betont, daß die Rekurrentin gegen die ihr im Kanton Waadt auferlegten Taxen keine Beschwerde gerichtet hat.

Auch hat sie die Ausführungen über die technischen Fragen nicht bestritten, weshalb an den aus diesen gezogenen Konsequenzen in bezug auf die Amortisation der Apparate festgehalten wird.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Zur Beurteilung der rechtzeitig eingelangten Beschwerde ist der Bündesrat deshalb kompetent, weil sie sich auf eine angebliche Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit gründet, und die Entscheidung solcher Beschwerden durch Art. 189.

Ziffer 3, des Organisationsgesetzes dem Bundesrat übertragen wird.

II.

Die angefochtenen kantonalen Erlasse sind : 1. Das Gesetz über die Handelspolizei vom 29. November 1900, publiziert in Nr. 51 und 52 des freiburgischen Amtsblatts vom 19./26. Dezember 1901, dessen Art. 4, 5 und 6 lauten: .,,Art. 4. Die selbst fortwährende und ohne Ortsveränderung stattfindende Ausbeutung automatischer Apparate (Verteiler, Phono-

562 graphen, Kinematographien etc.) ist denselben Bestimmungen unterworfen, wie die Ausübung von im Umherziehen oder nur zeitweise betriebenen Gewerben.

Art. 5. Die dem Staat geschuldete feste Gebühr beträgt Fr. l bis 500 per Monat, sowie Fr. l Stempelgebühr für jedes einzelne Patent.

Art. 6. Die Gemeinde in welcher das Gewerbe im Umherziehen oder zeitweise ausgeübt wird, bezieht eine proportionelle Gebühr von 20 Cts. bis Fr. 20 pro Tag sowie 30 Cts.

Kontrollgebühr für jedes einzelne Patent.a 2. Die Vollziehungsverordnung zum Gesetz über die Handelspolizei, vom 13. November 1901, zugleich mit dem Gesetz im Amtsblatt publiziert, deren Art. 2 und 73, Alinea l, 2, 6, 8 und 9 lauten : ,,Art. 2. Die Patente werden in fünf Kategorien eingeteilt, nämlich :

E. Patente für automatische Apparate.

Art. 73. Die Eigentümer von automatischen Verteilern und Apparaten, welche dem Publikum auf der öffentlichen Straße oder im Innern öffentlicher Etablissemente wie Theater, Bahnhöfen, Schiffen, Badhäusern, Hotels, Cafes oder ändern Örtlichkeiten, zu welchen das Publikum freien Zutritt hat, gegen Bezahlung zur Verfügung stehen, sind gehalten, ein Patent zu lösen.

Die Patente für automatische Apparate sind in zwei Klassen eingeteilt : Zweite Klasse.

Verteiler von Waren wie Photographien, Phototypien, Ansichtskarten, Chokolade, Zuckerwaren. Tabak, Cigarren, Cigaretten, Bier, Wein, Liqueur, Sirup, Parfüm etc.

Feste Gebühr: Fr. 12 pro Jahr und Fr. l Stempelgebühr.

Proportionelle Gebühr: Fr. 2 pro Jahr und 30 Cts. Kontrollgebühr.a Unterm 8. Mai 1901 hat die schweizerische Automatengesellschaft in Bern beim Bundesrat eine Beschwerde gegen

563 die Regierung des .Kantons Aargau resp. gegen den Nachtrag zur Vollziehungsverordnung zum aargauischen Hausiergesetz eingereicht, die durch den Bundesratsbeschluß vom 15. August 1902 (Bundesbl. 1902, IV, 220) ihre Erledigung gefunden hat.

Die Rechtsfragen, welche bei der vorliegenden Beschwerde ihrer Lösung harren, sind im wesentlichen die nämlichen, die schon bei der Beschwerde gegen Aargau entschieden werden mußten. Dies deshalb, weil die beiden Rekursen zu Gründe liegenden Tatbestände sich in ihren Hauptbestandteilen decken.

In beiden Fällen liegt eine Besteuerung des Automatenbetriebs der Rekurrentin vor, welche im Anschluß an die Vorschriften über den Hausier- und Marktverkehr verordnet wurde. In beiden Fällen behauptet die Rekurrentin, zur Zahlung der Steuer nicht verpflichtet zu sein, da die Besteuerung an sich eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit bedeute; eventuell involviere doch die Höhe der geforderten Patenttaxen einen Widerspruch zu ^deni in Art. 31 der Bundesverfassung aufgestellten Grundsatz. Daher hier wie dort das prinzipale Begehren um Aufhebung der die Automatentaxe regelnden kantonalen Erlasse, eventuell um Modifikation dieser Erlasse, im Sinn einer Herabsetzung der Taxen.

Die einzige im vorliegenden Fall neu hinzukommende Frage ist die, ob die Bestimmung in Art. 8 des freiburgischen Gesetzes über die Handelspolizei, wonach gewisse Gewerbebetriebe an Sonn- und Festtagen, andere zur Nachtzeit nicht ausgeübt werden dürfen, auch auf die Rekurrentin zur Anwendung kommen müsse oder nicht. Wenn nun auch in der Vernehmlassung der .Regierung des Kantons Freiburg über diesen Punkt, in welcher sie sich mit der Bemerkung begnügt, die Rekurrentin habe nicht einmal behaupten können, daß die genannte Bestimmung auf sie zur Anwendung gebracht worden sei, eine deutliche Erklärung darüber nicht enthalten ist, wie sich die Regierung zu der Frage stellt, so ist doch offenbar die Rekurrentin zur Zeit durch jene Bestimmung tatsächlich in ihrem Betrieb nicht gehindert, es ist nach dieser Richtung in ihrer Person die Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzt worden. Ein Tatbestand, welcher die Rekurrentin gemäß Art. 178 0. G. zur Beschwerdeführung berechtigte, liegt also nicht vor, weshalb der Bundesrat auch auf diese Frage nicht eintreten kann. Übrigens erscheint die Befürchtung der Beschwerdeführerin, jener Art. 8 des freibur.gischen Gesetzes könne auf sie zur Anwendung kommen, ange-

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sichts der Bemerkung der freiburgischen .Regierung und des Wortlautes jenes Artikels als unbegründet.

Was endlich die Wahrung des Rückforderungsrechts zu gunsten der Rekurrentin in Hinsicht auf die unter Vorbehalt bezahlten Taxen anbelangt, so hängt die Gutheißung dieses Begehrens von der Entscheidung der Hauptfragen ab.

III.

Nachdem der Bundesrat, wie schon betont, in dem Entscheid vom 15. August 1902 sich über die grundsätzlichen Fragen, die durch die beiden Beschwerden aufgerollt werden, ausgesprochen hat, kann er sich unter Verweisung auf die in jenem Entscheid enthaltenen Erörterungen im vorliegenden Fall darauf beschränken, die dort gewonnenen Resultate seinem jetzigen Entscheid zu Grunde zu legen ; denn die neuerliche Beschwerde bietet ihm keinerlei Anlaß, von seinem damaligen Standpunkte abzuweichen.

Von dem freiburgischen Gesetz über die Handelspolizei und der Vollziehungsverordnung dazu gilt somit das gleiche, was unter Ziffer IV der rechtlichen Erwägungen im Entscheid vom 15. Au-.

gust 1902 von der aargauischen Verordnung gesagt wurde; sie sind weder aus dem Grunde, daß sie den Geschäftsbetrieb der Rekurrentin überhaupt zur Steuerpflicht heranziehen, noch deshalb verfassungswidrig, weil sie dies nach Analogie des Hausierhandels, ,d. h. ohne Rücksichtnahme auf den effektiven Gewinn der Rekurrentin tun. Das erste Begehren der Rekurrentin ist daher unbegründet.

Hieran ändert auch der folgende näher zu erörternde Umstand nichts. Das freiburgische Gesetz kennt allerdings Minimal und Maximaltaxen festgesetzt für einen Monat, so daß also eine unterscheidende Behandlung des einzelnen Falles, auch nach der Zeitdauer, möglich ist. Im Gegensatz hierzu stellt die Vollziehungsverordnung für die Automaten eine feste Jahresgebühr auf und weicht damit in einem wesentlichen Punkt von der Basis derjenigen Grundsätze ab, die nach bisheriger Praxis bei der Prüfung von Verordnungen über den Hausierverkehr auf ihre Verfassungsmäßigkeit vom Bundesrat als maßgebend betrachtet wurden. Allein nach der Ansicht des Bundesrates kann dies nicht dazu führen, die Verordnung als eine verfassungswidrige aufzuheben, solange nicht die feste Taxe auch an und für sich genommen sich als eine die Handels- und Gewerbefreiheit ver-

565 letzende herausstellt. Es liegt nämlich infolge der besondern Natur des Automatengewerbes sehr nahe und erscheint als völlig gerechtfertigt, für diese Betriebsart eine feste Taxe zu bestimmen; denn das eben ist das wesentliche Moment, durch welches sich der Automatenbetrieb vom Hausierhandel unterscheidet, daß er in der Regel nicht zeitweilig, sondern während des ganzen Jahres beziehungsweise während einer unbestimmten Zeitdauer ausgeübt wird. Der Stabilität in der Ausübung des Gewerbes entspricht die stabile Taxe beim Automaten, ebenso, wie der Beweglichkeit und meistens zeitlichen Beschränktheit des Hausierhandels die variable Taxenskala.

IV;

Somit bleibt nur noch die Frage zu erörtern, ob in der Höhe der Taxe eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit liege.

Wie bei der Beschwerde gegen Aargau, so weist auch im vorliegenden Fall die Rekurrentin durch einen beglaubigten Buchauszug, an dessen Richtigkeit zu zweifeln ein Grund nicht besteht,' dessen Unrichtigkeit auch von der Regierung des Kantons Freiburg nicht behauptet wurde, nach, daß sie, ganz abgesehen von den geforderten Taxen, im Kanton Freiburg mit einer Unterbilanz arbeitet. Es bilden also nicht die Patenttaxen, sondern andere durch die Natur des Geschäftsbetriebs gegebene Umstände die Ursache des schlechten Resultats. Dem gegenüber steht das Recht der Kantonsregierung zur Besteuerung des Gewerbebetriebs und es findet sich nirgends in Gesetzgebung oder Praxis ein Anhaltspunkt dafür, daß dieses Recht angesichts eines in sich selbst schon nicht lebensfähigen Gewerbebetriebs dahinfalle. Es liegt auch für eine Kantonsregierung gewiß kein Grund vor, derartigen uneinträglichen Betrieben gegenüber besonders nachsichtig zu sein. Dies liegt für den Hausierverkehr auf der Hand . und gilt sonach auch für den nach dessen Analogie geregelten Automatenbetrieb. Denn in der Art der für beide Formen des Gewerbebetriebs aufgestellten Taxen liegt es ja gerade, daß bei ihrer Berechnung keine Rücksicht auf den effektiven Gewinn genommen werden kann. Hierzu kommt, daß es nicht in der Kompetenz des Bundesrates liegt, den Kantonen vorzuschreiben, von welchem Gesichtspunkt aus sie das Automatenwesen zur Steuerpflicht heranziehen sollen, wie dies in dem Entscheid vom 15. August 1902 ausgeführt wurde. Und endlich ist zu sagen, daß die vom Kanton Freiburg verlangte Taxe, objektiv betrachtet,

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eine äußerst milde und geringfügige genannt werden muß. Sie beträgt nämlich Fr. 15. 30 im Jahr oder nicht ganz 4,2 Cts.

im Tag. Die in Art. 5 des freiburgischen Gesetzes für den Hausierverkehr festgesetzte Taxe beträgt im Minimum Fr. l pro Monat. Der Automatentaxe ist also, was die feste an den Staat zu entrichtende Gebühr von Fr. 12 anbelangt, das Minimum zu Grunde gelegt und die proporti onelle an die Gemeinden zu entrichtende Gebühr von Fr. 2 pro Jahr erreicht nicht einmal das in Art. 6 des Gesetzes vorgesehene Minimum von 20 Cts. pro Tag. Hierzu kommen noch Stempel- und Kontrollgebühren in der Höhe von Fr. 1. 30 Cts. pro Jahr und Automat, welche Gebühren gewiß nicht übermäßig hoch berechnet sind. Aus alledem darf und muß der berechtigte Schluß gezogen werden, daß auch in der Höhe der freiburgischen Patenttaxen eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit nicht erblickt werden, das zweite Hauptbegehren der Rekurrentin also ebenfalls nicht geschützt werden kann.

Daraus folgt aber auch, daß die Rekurrentin ein Rückforderungsrecht gegenüber dem Staat Freiburg hinsichtlich der unter Vorbehalt bezahlten Taxen nicht besitzt.

Demgemäß hat der Bundesrat e r k annt :

Die Beschwerde wird als eine unbegründete abgewiesen.

B e r n , den 29. September 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rillgier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde der schweizerischen Automatengesellschaft in Bern gegen den Großen Rat und den Staatsrat des Kantons Freiburg. (Vom 29. September 1902.)

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