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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften Friedrich Plüß, Postillons der eidg. Postverwaltung, in Bern.

(Vom 19. August 1902.)

Tit.

Am 17. Oktober 1901" kollidierte ein vom Petenten Plüß geführter, mit einem Pferde bespannter Postfourgon am nördlichen Ende der Kirchenfeldbrücke in Bern mit einem vom Kirchenfeld her fahrenden Wagen der elektrischen Straßenbahn. Die Ursache dieses Zusammenstoßes lag, wie gerichtlich festgestellt und im Begnadigungsgesuche nicht bestritten, darin, daß der vom Klosterhof her fahrende Postillon Plüß sein Fuhrwerk nicht rechtzeitig anhielt, um den Tramwagen vorbeipassieren zu lassen. Die Lokalverhältnisse sind derart, daß er bei Anwendung der ihm zuzumutenden Aufmerksamkeit die Gefahr des Zusammenstoßes leicht hätte ersehen können, und es ist im weiteren erwiesen, daß der Führer des Tramwagens Haltsignale gegeben und seinerseits alles getan hat, um durch Hemmung seines Vehikels die Kollision zu vermeiden. Der heftige Anprall warf den Plüß von seinem Sitz auf dem Postfourgon zur Erde, er erlitt aber keine Beschädigung, und der Materialschaden beschränkte sich auf die Zertrümmerung einer Fensterscheibe des Tramwagens.

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Durch Erkenntnis des korrektionellen Gerichtes von Bern wurde Plüß der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig erklärt und verurteilt zu einem Tag Gefängnis und Fr. 10 Geldbuße, ferner zur Bezahlung der Fr. 30. 60 betragenden Gerichtskosten.

Er ersucht um Nachlaß der Freiheitsstrafe, indem er geltend macht, daß dieselbe ihn wegen ihres entehrenden Charakters besonders hart treffe und ihm sein weiteres Fortkommen erschweren würde. In einem Anhang des Begnadigungsgesuches erklärt der Präsident des korrektion eilen Gerichtes von Bern, das Gerichtskollegium habe einstimmig; beschlossen, das Gesuch der zuständigen Instanz zur Entsprechung zu" empfehlen.

Aus der Vernehmlassung des Gerichtes ist zu entnehmen, daß bei Ausmessung der Strafe über Plüß nur deswegen ein Minimum von Gefängnis mit Geldbuße verbunden wurde, Weil das. geltende Strafgesetz dies unbedingt vorschreibt. Die Aufhebung der Freiheitsstrafe entspricht daher der Anschauung des Richters wie der Praxis der Begnadigungsinstanz, sie kann auch im vorliegenden Fall damit begründet werden, daß soweit überhaupt eine erhebliche Gefährdung von Menschen verursacht wurde, der Petent Plüß derselben am meisten ausgesetzt war. Die allerdings nur geringe Buße wird verschärft durch die nicht unbedeutenden Gerichtskosten, welche auf dem Bestraften lasten.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei dem Petenten die Gefängnisstrafe von einem.Tag in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 19. August 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Zeinp.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

-^KMSr --

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche der wegen unerlaubten Verkaufes von Phosphorzündhölzchen bestraften Magdalena Hofstetter, Krämerin in Oberönz, Kanton Bern.

(Vom 19. August 1902.)

Tit.

Magdalena Hofstetter wurde verzeigt und ist geständig, bis Ende April 1902 in ihrem Verkaufsladen in Oberönz gewerbsmäßig Zündhölzchen mit gelbem Phosphor an ihre Kunden abgegeben zu haben. Sie behauptet, noch einen Vorrat aus der Zeit vor Erlaß des Verkaufsverbotes zu besitzen, den sie noch habe liquidieren wollen.

Wegen dieser Gesetzesübertretung bestrafte der Polizeirichter des Amtes Wangen die Fehlbare mit Fr. 100 Geldbuße, unter Überbindung der Fr. 5 betragenden Kosten. Sie ersucht um gnadenweisen Erlaß der Buße, eventuell Reduktion derselben, indem sie geltend macht, der genaue Wortlaut des den Vertrieb von Zündhölzchen mit Phosphor verbietenden Bundesgesetzes sei ihr nicht bekannt und sie sei daher der Meinung gewesen, sie dürfe mit ihrem Vorrat noch durch. Verkauf aufräumen. Es habe sich übrigens dem Umfange ihres Geschäftsbetriebes entsprechend, nicht um große Quantitäten gehandelt.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften Friedrich Plüß, Postillons der eidg.

Postverwaltung, in Bern. (Vom 19. August 1902.)

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1902

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20.08.1902

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207-209

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