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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften Gottfried Hörni, Straßenbahnarbeiters, in Schlieren.

(Vom 24. September 1902.)

Tit.

Petent war am 2. März 1902 mit der Führung eines Reservewagens der elektrischen Limmattalstraßenbahn betraut, welcher abends 10 Uhr dem von mehreren Passagieren besetzten Kurswagen Nr. l auf Distanz zu folgen hatte. Dabei ereignete sich im Dorfe Altstetten ein Zusammenstoß des Reservewagens mit dem beim Gasthof zum Freihof anhaltenden Kurswagen, in welchen der erstere mit starkem Anprall derart hineinfuhr, daß ein nicht unbedeutender Materialschaden entstand, und die Wageninsassen einer erheblichen Gefahr ausgesetzt wurden.

Die Bezirksanwaltschaft Zürich erhob gegen Hörni Klage wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung mit der Begründung, daß er aus Gleichgültigkeit und Unachtsamkeit die vorgeschriebene Distanz zwischen Vorder- und Hinterwagen außer Acht gelassen und, das Anhalten des Kurswagens nicht beachtend, es vorschuldet habe, daß er seinen Wagen nicht mehr rechtzeitig habe anhalten können.

Sowohl das Bezirksgericht Zürich, als die Apellationskammer des Obergerichtes fanden den Angeklagten schuldig und verhängten über ihn eine Strafe von 4 Tagen Gefängnis und Fr. 30 Geldbuße, eventuell weitere 6 Tage Gefängnis verbunden mit Tragung der Kosten.

Mit Eingabe vom 16. Juli 1902 ersucht Hörni um Nachlaß der Freiheitsstrafe. Er behauptet, an dem Unfall nicht, jeden-

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falls nicht im vollen Maße schuldig zu sein und glaubt, daß die ihm auferlegte Geldbuße jedenfalls zur Sühne seines Fehlers genüge. Die Verbüßung der Gefängnisstrafe hätte nach seiner Darstellung den Verlust seiner jetzigen Anstellung zur Folge, ,,was für einen Mann mit Familie bei der jetzigen Zeit ein harter Schlag wäre1'.

Die Direktion der Limmattalstraßenbahn erklärt auf Anfrage, es sei nicht richtig, daß die Entlassung Hörnis im Falle des Vollzuges der ausgesprochenen Gefängnisstrafe in Aussicht genommen sei. Dagegen empfiehlt sie den Potenten zur Begnadigung als einen brauchbaren soliden Arbeiter, dessen Dienstführung im übrigen stets befriedigend gewesen und dem außer Buße und Gerichtskosten noch Fr. 30--40 an den Fr. 90. 25 betragenden Materialschaden zu bezahlen obliege.

Hörni hat zwar unzweifelhaft einen groben Dienstfehler begangen und dadurch Menschenleben und Material gefährdet. Dagegen ist der entstandene Schaden ein geringer, und sind auch bei Wegfall der Freiheitsstrafe die Folgen des Urteils für den Schuldigen immerhin noch ziemlich bedeutende, so daß es sich rechtfertigt, dem von ihm gestellten Gesuche zu entsprechen.

Wir stellen deshalb bei Ihnen den Antrag: Es sei dem von Hörni gestellten Begnadigungsgesuche in der Meinung zu entsprechen, daß ihm die Gefängnisstrafe von 4 Tagen erlassen werden solle unter Aufrechterhaltung der übrigen Dispositive des Urteils. .

B e r n , den 24. September 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften Gottfried Hörni, Straßenbahnarbeiters, in Schlieren. (Vom 24. September 1902.)

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1902

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01.10.1902

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