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Schweizerisches Bundesblatt.

54. Jahrgang. II.

Nr. 16.

16. April 1902.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien.

(Vom

15. April 1902.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen über die Umstände, welche den Bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen uns und Italien herbeigeführt haben, Bericht zu erstatten.

Am 5. Februar abhin machte der italienische Gesandte, Herr Commandeur Silvestrelli, in einer Unterredung mit dem Bundespräsidenten auf einen im anarchistischen Blatte ,,II Risveglio" vom 18. Januar 1902 erschienenen Artikel aufmerksam, der das Andenken König Humberts verunglimpfende Anspielungen enthielt (Beilage I).

Nach Einsicht eines Gutachtens des Bundesanwalts und eines Antrages des Justiz- und Polizeidepartements beschlossen wir am 25. Februar, dem italienischen Gesandten mitzuteilen, die öffentliche Beschimpfung eines fremden Souveräns sei nach Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vorn 4. Februar 1853 unter der doppelten Voraussetzungstrafbar, daß die betreffende fremde Regierung die Verfolgung verlange und erkläre, der Eidgenossenschaft Gegenrecht halten zu wollen (Beilage II). Es sei beiläufig bemerkt, daß § 103 des deutschen Strafgesetzbuches die gleichen Erfordernisse wie Art. 42 des schweizerischen Bundesstrafrechtes aufstellt; auch bestimmt Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. II.

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842 Art. 56 des italienischen Preßgesetzes vom 26. März 1848, daß im Falle der Beleidigung eines fremden Souveräns oder Staatsoberhauptes die Verfolgung nur auf Antrag des beleidigton Souveräns oder Staatsoberhauptes eintritt. Eine ähnliche Bestimmung enthält das franzosische Gesetz vom 16. März 1893. Wir erinnern auch daran, daß die deutsche Regierung, als sie sich durch ein an der Basler Fastnacht (Februar 1888) verbreitetes Gedicht beleidigt fühlte, keinen Anstand nahm, die durch Art. 42 des Bundesstrafrechts geforderten Erklärungen abzugeben und so den Bundesrat in den Stand zu setzen, die Verfasser, Herausgeber und Verbreiter der Schmähschrift strafgerichtlich zu verfolgen. Das Urteil vom 19. Juni 1888, welches Karl Schill zu einer Geldbuße von Fr. 800, eventuell zu einer Gefängnisstrafe von 160 Tagen, verurteilte, verschaffte der deutschen Regierung volle Genugthuung.

Statt diesen Weg einzuschlagen, beantwortete der italienische Gesandte am 8. März unsere Note dahin: seine Regierung beabsichtige nicht, die Verfolgung des ,,Risveglio"- zu beantragen ; sie protestiere aber dagegen, daß Veröffentlichungen wie der Artikel vom 18. Januar in der Schweiz ungestraft bleiben; sie überlasse dem Bundesrate die Verantwortlichkeit dafür ; es genüge ihr, un? an die Erfüllung unserer internationalen Pflichten erinnert zu haben ; das Verlangen, daß der Schweiz das Gegenrecht verbürgt werde, scheine ihr nicht den Umständen angepaßt, denn nie hätte sich die Eidgenossenschaft zu beklagen gehabt, daß ihre obersten Behörden in der italienischen Presse nicht mit der ihnen schuldigen Achtung behandelt worden seien (Beilage 111).

Diese durch ihre ungewohnt schroffe Form nicht minder als durch ihren Inhalt verletzende Note konnten wir nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Wir wiesen die darin enthaltenen Unterstellungen und Vorwürfe zurück und hoben neuerdings hervor, daß es in das Belieben der italienischen Regierung gestellt sei, durch Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse die Einleitung des Strafverfahrens gegen den Verfasser des Artikels des ,,Risveglio" zu ermöglichen. (Beilage IV.)

Wir hatten gehofft, daß die italienische Regierung und ihr Vertreter zugeben würden, daß der Bundesrat nicht anders als nach Vorschrift der Landesgesetze handeln konnte, an denen Kritik zu üben dem Vertreter einer fremden Regierung nicht zusteht.

Allein wir sahen uns in dieser Erwartung getäuscht. Die Note der italienischen Gesandtschaft vom 23. März bezeichnet unsero

843 rechtlichen Ausführungen als nicht zur Sache gehörend; nicht dieser oder jener Artikel, sondern die ganze verbrecherische Thätigkeit des ,,Risveglio1* sei ins Auge zu fassen; an dem in der Note vom 8. März vertretenen Standpunkt werde deshalb nichts geändert (Beilage V). Während bisher nur von dem im ,,Risveglio'1 vom 18. Januar erschienenen Artikel die Rede war, wird hier zum ersten Mal die Behauptung aufgestellt, nicht darum handle es sich, sondern um das ganze Treiben dieses im Dienste der anarchistischen Propaganda stehenden Blattes. Es ist diesfalls zu bemerken, daß eine Strafverfolgung nur wegen bestimmter Gesetzesverletzungen eintreten kann und daß der uns am 5. Februar von Herrn Silvestrelli angezeigte Artikel sich nicht anders qualifizieren läßt als eine öffentliche Beschimpfung eines fremden Souveräns, d. h. als ein Verbrechen, das gemäß Art. 42 des Bundesstrafrechtes nur unter den angegebenen Voraussetzungen strafbar ist. Unsere auf diesen Artikel gestützten Ausführungen waren also, was auch die italienische Note hiergegen einwenden mag, völlig zutreffend.

Bei dieser Sachlage mußten wir darauf verzichten, die Verhandlungen mit Herrn Silvestrelli weiter zu führen, und wandten uns an den italienischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn Prinetti. Der schweizerische Gesandte in Rom wurde durch Depesche vom 27. März beauftragt, sich mit Herrn Prinetti in freundschaftlicher Weise auseinanderzusetzen und ihm nahezulegen, daß es im Interesse der gegenseitigen guten Beziehungen liege, Herrn Silvestrelli abzuberufen und durch einen ändern Gesandten zu ersetzen (Beilage VI). Herr Prinetti lehnte aber dieses Begehren ab, verstand sich auch zu keinen uns einigermaßen befriedigenden Erklärungen, hielt vielmehr in der Hauptsache an dem in den Noten der italienischen Gesandtschaft eingenommenen Standpunkte fest, so daß wir uns in die Notwendigkeit versetzt sahen, die amtlichen Beziehungen zu Herrn Silvestrelli abzubrechen.

Von dieser unserer Entschließung gab unser Gesandter in Rom durch Note vom 7. April dem Herrn Minister Prinetti Kenntnis (Beilage VII). Dieser erwiderte hierauf am 9. dies, die schweizerische Gesandtschaft in Rom könne unterdessen sich nicht in einer ändern Lage befinden als in der, welche der Bundesrat der königlichen Gesandtschaft in Bern schaffen zu sollen glaubte
; er sehe sich daher seinerseits genötigt, die amtlichen Beziehungen mit Herrn Carlin abzubrechen (Beilage VIII). Der Note Prinettis lag ein Memorandum bei (Beilage IX), auf welches wir noch zu sprechen kommen werden. Am 10. dies teilten wir

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auch dem Herrn Silvestrelli mit, daß unsere Beziehungen zu ihm ein Ende erreicht haben (Beilage X). Dies veranlaßte Herrn Prinetti, am gleichen Tage dem Herrn Carlin zu eröffnen, daß nicht allein das königliche Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, sondern die königliche Regierung selbst die amtlichen Beziehungen, die sie bisher mit Herrn Carlin unterhielt, abgebrochen habe (Beilage XI).

In dem der Note des königlichen Ministeriums des Auswärtigen vom 9. dies beigelegten Memorandum (Beilage IX) wird neuerdings betont, daß Grund der Beschwerden Italiens nicht der einzelne Artikel des ,,Risveglio11 vom 18. Januar, sondern die ganze von diesem Blatte entwickelte verbrecherische Thätigkeit bilde. Die italienische Gesandtschaft habe im Juni 1901 die Aufmerksamkeit des damaligen Bundespräsidenten Herrn Brenner auf heftige Artikel des ,,Risveglioct hingelenkt, die den Königsrnord verherrlichten. Hierin habe die italienische Regierung den Thatbestand des im Art. 4 des Bundesgesetzes vorn 12. April 1894, betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzos über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853, vorgesehenen Verbrechens erblickt und erwartet, daß der Bundesrat gegen den oder die Verfasser Strafklage erheben würde; allein dieser habe nichts gethan. Es sei daher selbstverständlich, daß Herr Silvestrelli in seiner Antwort vom 8. März es abgelehnt habe, einen förmlichen Antrag auf Strafverfolgung zu stellen ; durch ein solches Verlangen hätte ja die italienische Gesandtschaft den Staudpunkt, den sie stets vertreten habe, preisgegeben. Die vom Bundesrat in seiner Note vom 12. März erhobene Protestation erweise sich als materiell unbegründet. Die Form der Note Silvestrellis erkläre sich dnrch die Thatsache, daß die italienische Gesandtschaft seit lange schon hätte zusehen müssen, wie die Angriffe auf die Einrichtungen des Königreiches sich wiederholten und immer straflos blieben, ohne daß der Bundesrat je ein Wort der Mißbilligung gefunden hätte. Die Note vom 23. März endlich habe lediglich die materielle Seite der Angelegenheit berührt und in dieser Hinsicht einfach den Standpunkt der königlichen Regierung bestätigt.

Bei dieser Sachlage habe der Minister der auswärtigen Angelegenheiten dem Ansuchen des Bundesrates um die Abberufung Silvestrellis keine Folge geben können.

Wir bemerken hierzu: Es ist richtig,
daß der italienische Geschäftsträger, Herr Berti, sich im Juni vorigen Jahres bei dem Bundespräsidentcu wegen zweier im ^Risveglio" vom 8. gleichen Monats erschienenen Artikel in einer mündlichen Unterredung be-

845 schwert hatte, betitelt : ,,Intorno alla morte di Gaetano Bresci" und ,,Pour un martyr de la liberté"; es ist richtig, daß d^ese Artikel eine Verherrlichung der That Êrescis enthielten. Wir hatten die Frage zu prüfen, ob das Strafverfahren auf Grund der Art. 4 und 5 des Bundesgesetzes vom 12. April 1894 einzuleiten sei. welche lauten: ,,Art. 4. Wer in der Absicht, Schrecken zu verbreiten oder die allgemeine Sicherheit zu erschüttern, zu Verbrechen gegen die Sicherheit von Personen oder Sachen aufmi ntert oder Anleitung giebt, wird mit Gefängnis nicht unter i> Monaten oder mit Zuchthaus bestraft.

,,Art. 5. Werden die in Art. 4 bedrohten Virbrechen durch die Druckerpresse oder durch ähnliche Mittel bedangen, so sind die sämtlichen Teilnehmer (Thäter, Anstifter, Gdiülfen und Begünstiger) strafbar, und es finden auf dieselben die Vorschriften der Art. 69--72 des Bundesstrafgesetzes vom 4 . Februar 1853 keine Anwendung. Gegen den Begünstiger kann auf bloße Geldbuße erkannt werden.a Das Justiz- und Polizeidepartement sprach sich in Übereinstimmung mit einem Gutachten des Bundesanw alts dahin aus, daß nach Art. 4 des citierten Gesetzes nur d:e direkte Aufreizung zur Begehung von Verbrechen gegen die Sicherheit von Personen oder Sachen strafbar sei, wenn sie in der Absicht erfolge, Schrecken zu verbreiten oder die allgemeine Sicherheit zu erschüttern. Dabei wurde auf das Urteil des Bundesgerichts vom 29. Mai 1900 in Sachen des von Bertoni und Frigerio herausgegebenen und verbreiteten Almanacco socialista-anarchico verwiesen.

Wir konnten uns diesen Erwägungen nicht verschließen und beschlossen, von einer Verfolgung des ,,Risveglio" auf Grund der Art. 4 und 5 des erwähnten Gesetzes abzusehen. Hiervon wurde dem italienischen Geschäftsträger durch Verbalnote des politischen Departements vom 10. Juli 1901 Kenntnis gegelen. Damit war die Angelegenheit für uns erledigt, und wir durften annehmen, daß auch die italienische Gesandtschaft sie als erledigt betrachte, denn sie kam auf dieselbe nicht mehr zurück. Auch in der Unterredung, die der Bundespräsident am 5. Februar dieses Juhres mit Herrn Silvestrelli hatte, war nur von dem im ,,Risveglio"1 vom 18. Januar erschienenen Artikel die Rede. Erst in der Noti vom 23. März wurde der Versuch gemacht, die Streitfrage zu erweitern und die ganze Thätigkeit des
,,Risveglio" überhaupt als Grund der Vorstellungen und Beschwerden Italiens hinzustellen. Vollends unbegreiflich ist der Vorwurf der italienischen Regierung, der Bundesrat thue nichts, um den ,,Risveglio" zur Strafe zu ziehen,

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in demselben Augenblicke, wo wir uns bereit erklären, gegen dieses Blatt Straf klage zu erheben, sofern nur,, die italienische Regierung die Vorschriften unseres Gesetzes erfülle, d. h. die Strafverfolgung verlange und uns das Gegenrecht zusichere. In dem Memorandum des Ministeriums des Auswärtigen wird bemerkt: der Bundesrat höbe ja von vornherein gewußt, daß das Gegenrecht ihm durch das italienische Gesetz verbürgt sei. Wie leicht wäre es also für die italienische Regierung gewesen, diese Bedingung zu erfüllen ; es hätte genügt, uns den authentischen Text des botreffenden italienischen Gesetzes vorzulegen und zu erklären, man verlange, darauf gestützt, daß gegen den Verfasser des Artikels des ,,Risveglioa gerichtlich vorgegangen werde. Daß die bei uns vorausgesetzte Kenntnis der italienischen Gesetzgebung für den Strafrichter keineswegs die mangelnde Erklärung der den Antrag auf Strafverfolgung stellenden Regierung ersetzen kann, leuchtet ohne weiteres ein.

Dies der Sachverhalt.

Wir hoffen, daß Sie nach Prüfung der Akten unsere Haltung in dieser Angelegenheit billigen werden. Wir bedauern aufrichtig, daß es zwischen uns und einem Nachbarstaate, mit dem wir durch alte Freundschaft und gemeinsame Interessen verbunden sind, zum Bruche der diplomatischen Beziehungen kommen mußte, sind uns aber bewußt, diesen Bruch nicht gesucht und nicht verschuldet zu haben.

Wir benutzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 15. April 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Beilagen.

847 Beilage I.

Aus dem ,,Risveglio" vom 18. Januar 1902.

Brevi note.

Crispi vivo fu l' incubo dei miseri, morte è l'incubo dei potenti.

Questo si rileva dal fatto che alte influenze agiscono con ogni potere onde far scomparire una data quantità di documenti lasciati dal Crispi. Che cosa rivelino quei documenti, noi non sappiamo; ma se ci rapportiamo ai si dice, ed alle molteplici e possenti forze agenti per farli scomparire, noi siamo forzati a credere ch' essi rilevino cose di non lieve importanza, eh 3 dimostrino cioè che non il solo Crispi fu la causa dei molte] ilici disastri, che hanno gettato l' Italia all' orlo del fallimento, ma una persona ancor più altolocata, una persona che fu coronata e compianta dai lecchini della dinastia di Savoia e seriamente coinvolta nei tristi affari che turbarono il popolo italiano : gli affari delle banche svaligiate; gli affari d'Africa; gli stati d'assedio e relative fucilate ai lavoratori affamati, ecc.

E quanti altri compiici si nascondono nell'ombra? Di quante nuove lordure deve illustrarsi la storia delle e classi dirigenti italiane.

848 Beilage II.

Berne, le 25 février 1902.

Monsieur le Cìiargé

d'Affaires,

En réponse à la note de la légation*! concernant un article publié dans le numéro du 18 janvier dernier du journal le ,,Risveglio11 qui paraît à Genève, nous avons l'honneur de vous faire remarquer que nous ne pourrions ordonner des poursuites contre les personnes responsables de cet article que sur la base de l'article 42 du Code pénal fédéral du 4 février 1853 dont la teneur suit: ,,L'outrage public envers une nation étrangère ou son souverain ou un Gouvernement étranger, sera puni d'une amende qui peut être portée à fr. 2000 et dans des cas graves, ótre cumulée avec six mois au plus d'emprisonnement. Les poursuites ne peuvent toutefois être exercées que sur la demande du Gouvernement étranger, pourvu qu'il y ait réciprocité envers la Confédération.a II est donc nécessaire, pour pouvoir exercer des poursuites, que le gouvernement italien nous en adresse la demande formelle et nous assure de la réciprocité.

Veuillez agréer, Monsieur -le Chargé d'Affaires, etc.. .

(Conseil fédéral.)

Monsieur le Chevalier De Martino, Chargé d'Affaires d'Italie, Berne.

*) Es wird hier irrtümlich von einer Note gesprochen, während Herr Silvestrelli seine Beschwerde nur mündlich angebracht hatte.

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Beilage III.

Berne, le 8 mars 1902.

Monsieur le Président,

En réponse à la note de Votre Excellence du 25 février ·dernier, j'ai reçu instruction de vous informer que le Gouvernement du Roi n'a pas intention de demander la poursuite du journal anarchiste de Genève ,,II Risveglio" pour l'article inqualifiable publié dans le numéro du 18 janvier, sur lequel j'ai attiré verbalement l'attention de Votre Excellence dans l'entretien du 5 février, en protestant contre l'impunité accordée en Suisse à de publications pareilles. Le Gouvernement Rcyal croit avoir assez fait en rappelant le Gouvernement fédéra, à l'observance ·de ses devoirs internationaux.

En laissant au Conseil fédéral la responsabilité de son attitude, le Gouvernement du Roi me charge aussi de l'aire observer à Votre Excellence qu'il ne lui paraît pas approprié à la circonstance la demande de réciprocité qu'on nous a adressée, car aucune plainte de ce genre n'a jamais été faite par la Confédération à l'Italie, où les Magistrats fédéraux jouissent dens la presse de tous les partis un traitement respectueux, tel qu'il serait précisément à désirer que Nos Augustes Souverains trouvent dans la presse suisse.

Veuillez agréer, Monsieur le Président, les ansurances de ma plus haute considération.

G. SilTestrelli.

Son Excellence Monsieur J. Zemp, Président de la Confédération.

850 Beilage IV.

Berne, le 12 mars 1902.

Monsieur le Ministre, Le Conseil fédéral nous a chargé de répondre ce qui suit à la note que Votre Excellence lui a adressée au nom du Gouvernement du Roi, en date du 8 mars, et relative à l'article paru dans le ,,Risveglio" du 18 janvier 1902.

Cette note, tant au point de vue du fond que de la forme, a froissé le Conseil fédéral; aussi tient-il à protester contre son contenu qu'il ne saurait accepter.

Le Conseil fédéral a fait connaître à Votre Excellence, par note du 25 février, les conditions sous lesquelles seules l'action pénale était possible aux termes de la législation fédérale.

Il dépendait donc de la décision du Gouvernement du Roi que ces conditions fussent remplies. S'il a plu à celui-ci de ne pas y satisfaire et si dès lors le délit dont il s'agit reste impuni, il n'y a pas lieu de rappeler le Gouvernement fédéral à l'observation de ses devoirs internationaux et de lui imputer, à cet égard, une responsabilité quelconque.

Veuillez agréer, Monsieur le Ministre, les assurances de notre haute considération.

Département politique fédéral: Zemp.

Son Excellence Monsieur le Commandeur G. Silvestrelli, Ministre de Sa Majesté le Roi d'Italie, Berne.

851 Beilage V.

Berne, 2:5 mars 1902.

Monsieur le Président, En réponse à la communication du 12 courait, j'ai l'honneur de faire connaître au Haut Conseil fédéral ce qui suit: La Légation de Sa Majesté ne saurait îdmettre comme afférantes au débat actuel les allégations d'ordre juridique par lesquelles le Haut Conseil fédéral voudrait expliquer l'impunité dont jouit le ,,Réveil". La Légation de Sa Majesté continue à envisager l'oeuvre criminelle du .^Réveil" dans son ensemble, et se rapporte à ce sujet aux considérations qu'e.le exposait verbalement au mois de juin dernier à Monsieur Brenner, alors Président de la Confédération. Ces considération!i gardant encore toute entière leur valeur, la Légation de Sa Majesté estime qu'il n'y a pas lieu de modifier le point de vue énoncé dans sa note du 8 mars.

Veuillez agréer, Monsieur le Président, les assurances de ma plus haute considération.

Le Ministre Royal : G. Silrestrelli.

Son Excellence Monsieur J. Zemp, Président de la Confédération.

852 Beilage VI.

Seme, le 27 mars 1902.

Le Conseil fédéral à Mr. Carlin, Ministre de Suisse à Rome.

Monsieur le Ministre, De regrettables mésintelligences ont surgi entre nous et le Ministre d'Italie, Mr. le Commandeur Silvestrelli, dans les circonstances que voici.

Le 5 février écoulé Mr. Silvestrelli attirait l'attention du Président de la Confédération sur un article outrageant pour la mémoire de feu le Roi Humbert, paru dans le journal anarchiste ,,II Risveglio" du 18 janvier 1902, qui se publie à Genève (annexe I).

Les outrages dirigés contre la personne d'un Souverain étranger tombent sous le coup du Code pénal fédéral du 4 février 1853 dont l'article 42 est ainsi conçu: ,,Art. 42. L'outrage public envers une nation étrangère ou son Souverain ou un Gouvernement étranger, sera puni d'une amende qui peut être portée à fr. 2000 et dans des cas graves, être cumulée avec six mois au plus d'imprisonnement. Les poursuites ne peuvent toutefois être exercées que sur la demande du Gouvernement étranger, pourvu qu'il y ait réciprocité envers la Confédération.a Comme vous le voyez, l'action pénale ne peut être exercée pour le délit dont il s'agit qu'à une double condition, à savoir que le Gouvernement en cause porte plainte auprès du Conseil fédéral et lui garantisse la réciprocité, c'est-à-dire qu'il déclare que, dans le cas où le Président de la Confédération ou le Conseil fédéral serait publiquement offensé dans l'Etat plaignant, la législation pénale de cet Etat accorde la possibilité d'en poursuivre le ou les auteurs en justice.

853 En conséquence, le Conseil fédéral fit savoir, en date du 25 février (annexe II), à Mr. Silvestrelli que, pour pouvoir introduire l'action pénale, il était nécessaire, suivant notre législation, que le Gouvernement Royal en fît la demande formelle et nous assurât de la réciprocité.

A titre de renseignement, nous vous ferons observer que les législations d'autres Etats, entre autres le Code pénal allemand (article 103), posent les mêmes conditions que l'article 42 précité de notre Code pénal et que la législation italienne elle-même exige, dans des cas analogues, la demande du Sauverain ou du Chef d'Etat offensé. En effet, les articles 25 ït 56 de la loi italienne sur la presse du 26 mars 1848 disposent ce qui suit: ,,Art. 25. Le offese contro i Sovrani o i C i p i dei Governi stranieri saranno punite col carcere estensibile a sei mesi e con multa da lire 100 a 1000.

,,Art. 56 nel caso di offesa contro i Sovrani od i Capi dei Governi esteri, l'azione penale non verri esercitata che in seguito a richiesta per parte dei Sovrani o dei Capi dei Go verni.a II semble donc que rien n'eût été plus facile que de donner les déclarations requises par notre législation et de mettre ainsi le Conseil fédéral à même de déférer aux autorités judiciaires compétentes l'auteur de l'article incriminé. C'est ainsi que, en 1888, le Gouvernement allemand n'avait pas hésité à se conformer au conditions prévues par l'article 42 précité, afin d'obtenir la punition des auteurs d'un pamphlet dirigé contre lui et le Gouvernement d'Alsace-Lorraine. Mais nous avons été bien surpris en recevant de Mr. Silvestrelli, en date du 8 mars, la note cijointe en copie (annexe III), où il déclare de ne pas vouloir demander la poursuite du journal anarchiste ,,Ü Risveglioa et reproche au Conseil fédéral de ne pas observer SBS devoirs internationaux en laissant impunies des publications pareilles à celle parue dans ce journal. Quant à la demande de réciprocité, condition exigée par notre loi et de laquelle, dès lors, le Conseil fédéral ne pourrait, en aucun cas, faire abstractior, Mr. Silvestrelli en fait bon marché en affirmant qu'elle ne lui paraît pas appropriée à la circonstance. Et pourtant il aurait suffi d'un simple renvoi à l'article 25 de la loi italienne sur la pr îsse, du 26 mars 1848, pour satisfaire à la condition posée
par notre législation.

Cette note, conçue dans des termes si pea conformes aux relations amicales qu'entretiennent les deux G nivernements, et l'étrange prétention que nous eussions à violi ir nos lois parce

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qu'il plaît à M. Silvestrolli de les trouver peu appropriées aux circonstances, ont froissé le Conseil fédéral. Par note du 12 mars (annexe IV), nous protestâmes contre ce langage insolite en faisant observer que si un délit restait impuni, la responsabilité n'en saurait tomber sur nous. Nous espérions que Mr. Silvestrelli reviendrait à meilleur conseil et qu'il se hâterait de reconnaître le mal fondé des graves reproches adressées au Conseil fédéral; mais il n'en a rien été. Par note du 23 mars (annexe V), il nous déclare qu'il maintient le point de vue énoncé dans sa note du 8 mars et il ajoute ce qui suit : ,,La Légation de Sa Majesté ne saurait admettre comme afférantes au débat actuel les allégations d'ordre juridique par lesquelles lo haut Conseil fédéral voudrait expliquer l'impunité dont jouit le ,,Réveil"1.

L'article du ,,Réveil" qui a provoqué la démarche de Mr.

Silvestrelli auprès du President de la Confédération constituant, à n'en pas douter, un outrage ;\ la mémoire de feu le Roi Humbert et les outrages dirigés contre la personne d'un Souverain étranger étant expressément visés par l'article 42 du Code pénal fédéral, on se demande comment les considérations développées dans nos notes et basées sur l'article 42, seul applicable en l'espèce, seraient étrangères au débat actuel.

Mr. Silvestrelli nous reproche donc non seulement d'avoir recours à des subterfuges, mais il maintient expressément les allégations que le Conseil fédéral avait dû repousser comme blessantes pour sa dignité.

Vous comprendrez, Monsieur le Ministre, que, dans ces circonstances, il ne nous est plus possible, à notre grand regret, de continuer les rapports officiels avec Mr. Silvestrelli. C'est pourquoi nous vous invitons à exposer ce qui précède au Gouvernement du Roi et à lui demander qu'il veuille bien remplacer Mr. Silvestrelli par un diplomate mieux pénétré des égards dus au Gouvernement auprès duquel il est accrédité. Vous ferez remarquer au Gouvernement Royal que notre décision s'inspire uniquement du souci de maintenir les bonnes relations existant entre la Confédération suisse et l'Italie.

Vous insisterez pour avoir une prompte décision. L'Assemblée fédérale va se réunir, le 1er avril, et il est à prévoir que cette affaire fasse l'objet d'une interpellation. Dans ce cas, nous pourrions nous voir obligés d'exposer aux Chambres ce qui s'est passé et de publier le texte des notes échangées avec Mr. Silvestrelli.

855 Nous vous autorisons à laisser à Mr. Prinetti copie de cette dépêche, s'il le désire.

En attendant votre rapport sur le résultat de vos démarches, nous saisissons cette occasion pour vous présenter, Monsieur le Ministre, les assurances de notre haute considération.

Au nom du Conseil fédéral suisse, Le Président de la Confédération: ZBMP.

Le Chancelier de la Confédération : RlNGIBE.

Annexes.

856 Beilage VII.

Note adressée par Mr. Carlin, Ministre de Suisse à Rome, à Mr. Prinetti, Ministre des affaires étrangères d'Italie à Rome.

Monsieur le Ministre, Le 31 mars dernier, j'ai eu l'honneur de communiquer verbalement à Votre Excellence une dépêche du Conseil fédéral suisse, du 27 du même mois, par laquelle j'étais chargé de vous demander de vouloir bien remplacer, dans l'intérêt des bonnes relations existant entre les deux pays, le Ministre d'Italie à Berne, Monsieur le Commandeur G. Silvestrelli. Les circonstances qui ont motivé cette démarche se trouvent exposées dans la dépêche précitée, dont une copie, accompagnée de ses cinq annexes, est jointe à la présente.

Votre Excellence m'ayant déclaré ne pas pouvoir déférer au désir exprimé par mon Gouvernement, j'ai, sur l'ordre de celui-ci, l'honneur de vous informer que le Conseil fédéral se voit, à son grand regret, dans la nécessité de mettre fin à ses relations officielles avec Monsieur Silvestrelli.

Veuillez agréer, etc.

(Le Ministre de Suisse.)

857 Beilage VIII.

Mr. frinetti, Ministre des Affaires étrangères, à Mr. G-, Carlin, Ministre de Suisse, à Home.

Rome, le !) avril 1902.

Monsieur le Ministre, Par la note que vous m'avez fait l'honneur de m'adresser le 7 de ce mois, vous avez bien voulu me rappeler que vous aviez été chargé par le Conseil fédéral de demander de remplacer, dans l'intérêt des bonnes relations existant entre les deux Pays, Mr. le Commandeur Silvestrelli. Vous ajoulez que sur mon refus d'accéder au désir exprimé par votre Gouvernement vous deviez m'annoncer que le Conseil fédéral se voit, à son grand regret, dans la nécessité de mettre fin à ses re.ations officielles avec Mr. Silvestrelli.

J'ai eu soin, dans notre entretien du 31 mars, de vous exposer les considérations qui motivaient mon refus. Ces considérations, résumées dans l'Aide-Mémoire ci-joi it, devraient, à mon avis, amener le Conseil fédéral à reconsidérer sa propre résolution.

La Légation de Suisse à Rome ne saurait, en attendant, se trouver dans une situation autre que celle 'que le Conseil fédéral a cru devoir créer à la Légation Royale à Ben.e. Je me vois donc, à mon tour et à mon regret, dans la nécessité de mettre fin à mes relations officielles avec vous.

Veuillez agréer, Monsieur le Ministre, les assurances de ma Iteute considération.

Prinetti.

Une annexe.

Bundesbla-tt. 54. Jahrg.

Bd. IL

55

858 Beilaffe

IX.

Memorandum.

Depuis près de trois ans, une feuille anarchiste suisse, lo ,,Réveil11, dont le but est le crime, le moyen l'apologie du crime s'ajoutant à l'outrage contre les souverains italiens, poursuit impunément, à Genève, son oeuvre néfaste. La Légation de Sa Majesté qui ne pouvait pas assister indifférente à de pareils excès, n'avait cessé d'attirer, de la façon la plus amicale, l'attention du Conseil fédéral sur cette publication.

Au mois de juin dernier, Mr. le Chargé d'Affaires d'Italie, à l'occasion d'une violente apologie du régicide, signalait à Mr. le Conseiller fédéral Brenner, alors Président de la Confédération, la propagande criminelle du journal. Il se référait à cette occasion aux articles 4 et 5 de la loi fédérale du 12 avril 1894: l'application de la loi fédérale paraissait évidente. Le Conseil fédéral répondait néanmoins qu'il n'y avait pas lieu à exercer des poursuites de ce chef, l'incitation à commettre un délit contre la personne n'étant pas suffisamment directe. C'était l'avis du Conseil fédéral ; ce ne pouvait être celui du Gouvernement du Roi. La question restait ouverte.

Le .5 février, Mr. le Ministre d'Italie appelait encore, par une démarche amicale et verbale l'attention du Président de la Confédération sur un article du ,,Réveila outrageux pour la mémoire de S. M. le Roi Humbert, se plaignant de l'impunité dont le journal continuait à jouir, en s'abstenant toutefois de solliciter une poursuite.

Ce n'est pas sans surprise que la Légation recevait le 25 février, vingt jours après sa démarche verbale, une note officielle s'annonçaat comme réponse à une note de la Légation Royale qui n'avait jamais existé: le Conseil fédéral déclarait qu'il ,,ne pouvait ordonner des poursuites contre les personnes responsables de l'article du ,,Réveil" que sur la base du paragraphe 42 du Code pénal fédéral du 4 juin 1853, avec réserve de réciprocité

859 éventuelle ; une réciprocité que le Conseil fède 'al savait, au préalable, lui être assurée par la loi pénale italieane.

Le Conseil fédéral se plaçait ainsi à un point de vue qui n'était pas celui de la Légation, celle-ci ayant toijours envisagé l'oeuvre du fl Réveiltt dans son ensemble, et non pas en visant isolément tel ou tel autre article du journal. Il ost tout naturel que Mr. Silvestrelli, en répondant, le 8 mars, ait décliné de présenter une requête formelle qui aurait trop contredit à-l'attitude constante de la Légation. La protestation du Conseil fédéral, contenue dans sa note du 12 mars, n'est donc, quant au fond de la question, nullement fondée. Quant à la question de forme, la teneur de la note de Mr. Silvestrelli s'expliqae assez par le fait que la Légation du Roi devait, depuis longtemps déjà, constater l'impunité dont jouissent les attaques dir gées contre les institutions du Royaume, sans que jamais le Conseil fédéral dans ses communications n'eût trouvé mot pour les flétrir.

Enfin, la note du 23 mars de la Légatioti Royale, qui a motivé les récentes démarches du Ministre de Suisse à Rome, ne s'occupait que de la question de fond, en maintenant purement et simplement, quant à cette question, le joint de vue du Gouvernement de Sa Majesté.

Telle était la situation, alors que, le 31 mars, Mr. le Ministre de Suisse est venu demander le remplacement de Mr. Silvestrelli ; le Ministre Royal des Affaires étrangères lui lépondit ne pas pouvoir accéder à une demande qui ne paraissait pas justifiée en ajoutant qu'à son avis de franches explications entre Mr.

Silvestrelli et le Conseil fédéral étaient les mieux indiquées pour écarter les malentendus qui paraissent s'être proiuits.

Borne, le 9 avril 1902.

860 Beilage Z.

Seme, le 10 avril 1902.

A son Excellence M. le Commandeur G. Silvestrelli, envoyé extraordinaire et Ministre plénipotentiaire d'Italie à Berne.

Monsieur le Ministre, Nous avons l'honneur d'informer Votre Excellence que le Conseil fédéral se voit, à son grand regret, dans la nécessité de mettre fin aux relations officielles qu'il entretenait avec vous.

Le représentant de la Confédération à Rome a reçu l'ordre de porter cette décision, ainsi que les circonstances qui l'ont motivée, à la connaissance de Son Excellence Monsieur Prinetti.

Veuillez agréer, Monsieur le Ministre, etc.

Conseil fédéral.

861 Beilage XI.

Monsieur Prinetti, Ministre des Affaires étrangères d'Italie à Rome à Monsieur G. Carlin, Ministre de Suisse, à Rome.

Borne, le 10 avril

1902.

Monsieur le Ministre, Le Commandeur Silvestrelli me télégraphie que le Conseil fédéral lui a notifié ce matin qu'il mettait fin à ses relations officielles avec lui.

A la suite de cette communication et en mu référant à ma note d'hier, j'ai l'honneur de vous confirmer que le Gouvernement du Roi doit mettre fin aux relations officielles cu'il entretenait avec vous.

Veuillez agréer, Monsieur le Ministre, les assurances de ma haute considération.

(sig.) Prinetti.

862 Übersetzung.

Seilage I.

Auszug aus einem Artikel der Zeitung ,,II Risveglio" vom 18. Januar 1902.

Kurse Notizen.

Als Crispi noch lebte, machte er den Elenden Alpdrücken, jetzt, da er tot ist, macht er es den Mächtigen.

Es geht dies aus der Thatsache hervor, daß h o h e E i n f l ü s s e mit aller Macht danach streben, eine Anzahl der von Crispi hinterlassenen Dokumente auf die Seite zu schaffen. Wir wissen nicht, was jene Dokumente enthüllen; aber wenn wir den Gerüchten darüber Glauben schenken und die mannigfaltigen und von hoher Seite kommenden Anstrengungen berücksichtigen, die auf jene Beseitigung hinwirken, so drängt sich uns die Überzeugung auf, daß es sich hier nicht um unbedeutende Dinge handelt. Es wird sich nämlich zeigen, daß nicht Crispi allein an den vielfachen Unfällen schuld war, die Italien an den Rand des Abgrunds geführt haben, sondern daß eine noch höhergestellte, eine gekrönte und von den Speichelleckern des savoyischen Königshauses betrauerte Person tief in die traurigen Dinge verwickelt ist, die das italienische Volk in Verwirrung gebracht haben, nämlich in die Ausplünderung der Banken, die afrikanischen Angelegenheiten, die Belagerungszustände und das damit im Zusammenhang stehende Erschießen ausgehungerter Arbeiter u. s. w.

Und wie viel andere Mitschuldige verbergen sich in der Dunkelheit? Mit wie viel neuen Schandthaten wird sich noch die Geschichte der regierenden Klassen Italiens beflecken?

863 Übersetzung.

Beilage II.

B e r n , den 25. Februar 1902.

Herr

Geschäftsträger.

In Beantwortung der gesandtschaftlichen Note *) betreffend einen am 18. Januar abhin in der zu Genf erscheinenden Zeitung ,,II Risveglio1* publizierten Artikel beehren wir uns, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß wir gegen die für diesen Artikel verantwortlichen Personen nur auf Grund von Art. 42 des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 strafrechtlich vorgehen könnten.

Dieser Artikel lautet: ,,Öffentliche Beschimpfung eines fremden Volkes oder seines Souveräns, oder einer fremden Regierung wird mit einer Geldbuße bis auf Fr. 2000, womit in schweren Fällen Gefängnis bis auf 6 Monate verbunden werden kann, bestraft.

,,Die Verfolgung findet jedoch nur auf Verlangen der betreffenden fremden Regierung statt, wofern der Eidgenossenschaft Gegenrecht gehalten wird.11 Damit also eine Strafuntersuchung stattfinden kann, ist erforderlich, daß die italienische Regierung ein förmliches dahingehendes Begehren stellt und uns das Gegenrecht zusichert.

Genehmigen Sie, Herr Geschäftsträger etc.

(B u n d e s r a t.)

Herrn Cavaliere De Martino, italienischen Geschäftsträger, Bern.

*) Es wird hier irrtümlich von einer Note gesprochen, während Herr Silvestrelli seine Beschwerde nur mündlich angebracht hatte.

864 Übersetzung.

Beilage

III.

B e r n , den 8. März 1902.

Herr Präsident, In Beantwortung der Note vom 25. Februar teile ich Eurer Excellenz erhaltenem Auftrage gemäß mit, daß die königl. Regierung nicht beabsichtigt, die Verfolgung des Genfer Anarchistenblattes ,,II Risveglio11 wegen des in der Nummer vom 18. Januar erschienenen unqualifizierbaren Artikels zu verlangen, auf den ich in meiner Unterredung vom 5. Februar Eure Excellenz aufmerksam gemacht habe ; sie protestiert gegen die solchen Publikationen in der Schweiz gewährte Straflösigkeit. Die königliche Regierung glaubt, genug gethan zu haben, indem sie die eidgenössische Regierung an die Beobachtung ihrer internationalen Verpflichtungen erinnerte.

Die königl. Regierung überläßt also dem Bundesrate die Verantwortlichkeit für seine Haltung und beauftragt mich auch, Eure Excellenz darauf hinzuweisen, daß das Begehren um Gegenrecht, das man an uns stellt, ihr nicht als den Umständen angepaßt erscheint; denn die Eidgenossenschaft hat noch nie derartige Klagen bei Italien erhoben, wo die eidg. Behörden in deiPresse aller Parteien mit Hochachtung behandelt werden, gerade so, wie es wünschbar wäre, daß unsere erhabenen Herrscher in der schweizerischen Presse behandelt würden.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung.

G. Silvestrelli.

An Seine Excellenz Herrn J. Zemp, Schweiz. Bundespräsidenten.

865 Übersetzung.

Beilage -IV.

B e r n , den 12. März 1902,

Herr Minister!

Der Bundesrat hat uns beauftragt, auf die Note, die Eure Excellenz am 8. dies im Namen der königlichen Regierung bezüglich des unterm 18. Januar 1902 im ,,Risveglio1* erschienenen Artikels an ihn gerichtet haben, folgendes zu erwidern : Diese Note hat sowohl hinsichtlich des Inhaltes als der Form den Bundesrat verletzt, und er sieht sich daher genötigt, gegen ihren Inhalt, den er nicht annehmen kann, zu protestieren.

Der Bundesrat hat mit Note vom 25. Februar Eurer Excellenz die Bedingungen mitgeteilt, unter denen allein nach Maßgabe der Bundesgesetzgebung eine Strafuntersuchung möglich war.

Es war somit dem Entscheide der königlichen Regierung anheimgestellt, diese Bedingungen zu erfüllen. Wenn dieselbe es vorgezogen hat, dies nicht zu thun, und wenn somit das Delikt, um das es sich handelt, unbestraft bleibt, so ist es nicht angebracht, die eidgenössische Regierung an die Beobachtung ihrer internationalen Verpflichtungen zu erinnern und ihr. in dieser Hinsicht irgend eine Verantwortlichkeit zuzuschieben.

Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Eidg. politisches Departement: Zemp.

An Seine Excellenz Herrn Commandeur G. Silvestrelli, Gesandten Seiner Majestät des Königs von Italien, Bern.

866 Übersetzung.

Beilage V.

B e r n , den 23. März 1902.

Herr Präsident!

In Erwiderung auf die Mitteilung vom 12. dies habe ich dem hohen Bundesrat folgendes zur Kenntnis zu bringen die Ehre : Die Gesandtschaft Seiner Majestät kann nicht zugeben, daß die juristischen Auseinandersetzungen, durch die der hohe Bundesrat die Straflösigkeit, die der ,,Réveil" genießt, erklären möchte, mit der vorliegenden Frage etwas zu thun haben. Die Gesandtschaft Seiner Majestät fährt fort, das verbrecherische Treiben des ,,Réveil" in seiner Gesamtheit ins Auge zu fassen, und bezieht sich in dieser Hinsicht auf die Erwägungen, die sie im Monat Juni abIrin dem damaligen Bundespräsidenten Herrn Brenner mündlich vortrug. Diese Erwägungen haben noch immer ihre volle Geltung, und die Gesandtschaft Seiner Majestät ist der Ansicht, daß kein Anlaß vorliegt, den in ihrer Note vom 8. März auseinandergesetzten Standpunkt zu verändern.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung.

"b-

Der königliche Minister : G. Silvestrelli.

An Seine Excellenz Herrn J. Zemp, schweizerischen Bundespräsidenten.

867

Übersetzung.

Seilage VI.

B e r n , den 27. März 1902.

Der Schweizerische Bundesrat an Herrn G. Carlin, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Schweiz in Rom.

Herr Minister.

Zwischen uns und dem Gesandten Italiens, Herrn Silvestrelli, sind bedauerliche Mißhelligkeiten entstanden, und zwar unter folgenden Umständen : Am 5. Februar abhin machte Herr Silvestrelli den Herrn Bundespräsidenten auf einen das Andenken des verstorbenen Königs Umberto beschimpfenden Artikel aufmerksam, der in dem in Genf erscheinenden anarchistischen Blatte .,,11 Risveglio01 am 18. Januar 1902 publiziert worden war (Beilage I).

Die gegen die Person eines fremden Souveräns gerichteten Beschimpfungen fallen unter das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853, dessen Artikel 42 folgenden Wortlaut hat: ,,Art. 42. Öffentliche Beschimpfung eines fremden Volkes oder seines Souveräns, oder einer fremden Regierung, wird mit einer Geldbuße bis auf Fr. 2000, womit in schwerern Fällen Gefängnis bis auf 6 Monate verbunden werden kann, bestraft; ,,Die Verfolgung findet jedoch nur auf Verlangen der betreffenden fremden Regierung statt, wofern der Eidgenossenschaft Gegenrecht gehalten wird.a

868 0 Wie Sie sehen, kann eine strafrechtliche Verfolgung wegen des in Rede stehenden Delikts nur unter einer doppelten Bedingung stattfinden : daß nämlich die betroffene Regierung beim Bundesrat Klage führe, ferner daß sie das Gegenrecht zusichere und somit erkläre, die Strafgesetzgebung ihres Staates gewähre für den Fall, daß der Bundespräsident oder der .Bundesrat in ihrem Staate öffentlich beschimpft werden, die Möglichkeit, den oder die Urheber der Beschimpfung strafrechtlich zu verfolgen.

Der Bundesrat brachte deshalb Herrn Silvestrelli mit Noto vom 25. Februar (Beilage II) zur Kenntnis, daß, damit wir eine Strafverfolgung einleiten könnten, nach unserer Gesetzgebung die Stellung eines förmlichen Begehrens und die Zusicherung des Gegenrechts von Seiten der italienischen Regierung erforderlich sei.

Wir machen Sie zu Ihrer Orientierung darauf aufmerksam, daß die Gesetzgebungen anderer Staaten, z. B. das deutsche Strafgesetz (Art. 103), die gleichen Bedingungen aufstellen, wie der vorerwähnte Art. 42 unseres Strafgesetzes, und daß die italienische Gesetzgebung selbst in analogen Fällen ein vom beleidigten Souverän oder Staatsoberhaupt zu stellendes Begehren verlangt. Die Artikel 25 und 56 des italienischen Gesetzes über die Presse, vom 26. März 1848, stellen folgende Bestimmungen auf: ,,Art. 25. Die gegen fremde Souveräne oder Staatsoberhäupter gerichteten Beschimpfungen werden mit Gefängnis bis auf sechs Monate und mit Buße von 100 bis 1000 Lire bestraft.

,,Art. 56 Im Fall einer Beschimpfung gegen fremde Souveräne oder Staatsoberhäupter tritt eine strafrechtliche Verfolgung nur auf Begehren der Souveräne oder Staatsoberhäupter ein.tt Es scheint somit, daß nichts leichter gewesen wäre, als die von unserer Gesetzgebung geforderten Erklärungen abzugeben und so den Bundesrat in den Stand zu setzen, den Verfasser des in Frage kommenden Artikels den zuständigen Gerichtsbehörden zu überweisen. So hatte im Jahre 1888 die deutsche Reichsregierung keinen Anstand genommen, sich den im vorerwähnten Art. 42 vorgesehenen Bedingungen anzupassen, um die Bestrafung der Verfasser einer gegen sie und die elsaß-lothringische Regierung gerichteten Schmähschrift zu erlangen. Wir waren daher sehr überrascht, von Herrn Silvestrelli unterm 8. März die in Abschrift

869

mitfolgende Note (Beilage III) zu erhalten, worin er erklärt, die Verfolgung des Anarchistenblattes ,,II Risveglio11 nicht verlangen zu wollen, und dem Bundesrate vorwirft, er beobachte nicht seine internationalen Verpflichtungen, indem er solche Artikel, wie die in diesem Blatte erschienenen, unbestraft lasse. Was das Begehren um Gegenrecht anbelangt, das von unserer Gesetzgebung als Bedingung aufgestellt wird und auf das der Bundesrat unter keinen Umständen verzichten könnte, so setzt sich Herr Silvestrelli leichthin darüber hinweg mit der Behauptung, dieses Verlangen scheine ihm nicht den Umständen angemessen zu sein.

Und doch hätte ein einfacher Hinweis auf Art. 25 des italienischen Preßgesetzes vom 26. März 1848 genügt, um die von unserer Gesetzgebung aufgestellte Bedingung zu erfüllen.

Diese Note, die in Ausdrücken abgefaßt war, welche so wenig den freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen entsprechen,. sowie das sonderbare Verlangen, wir sollten unsere Gesetze übertreten, weil es dem Herrn Silvestrelli beliebt, sie den Umständen wenig angepaßt zu finden, hat den Bundesrat verletzt. Mit Note vom 12. März protestierten wir gegen diese ungewohnte Sprache, indem wir darauf hinwiesen, daß, wenn ein Delikt unbestraft bleibe, die Verantwortlichkeit dafür nicht auf uns fallen könne. Wir hofften, Herr Silvestrelli werde sich eines bessern besinnen und sich beeilen, die Unbegründetheit der von ihm gegen den Bundesrat gerichteten schweren Vorwürfe anzuerkennen, aber unsere Erwartung erfüllte sich nicht. Mit Note vom 23. März (Beilage V) erklärte er uns, er halte an dem in seiner Note vom 8. März eingenommeneu Standpunkte fest, und fügte folgendes bei: .,,Die Gesandtschaft Seiner Majestät kann nicht zugeben, daß die juristischen Auseinandersetzungen, durch die der hohe Bundesrat die Straflösigkeit erklären möchte, welche der V)Reveila genießt, mit der vorliegenden Frage etwas zu thun haben.a Nun bildet aber der Artikel des ,,Reveila, der zu den Schritten des Herrn SilvestreJli beim Herrn Bundespräsidenten Anlaß gegeben hat, unzweifelhaft eine Beschimpfung des Andenkens des verstorbenen Königs Umberto, und da die gegen die Person eines fremden Souveräns gerichteten Beschimpfungen im Art. 42 des Bundesstrafgesetzes ausdrücklich erwähnt sind, so muß man sich fragen, inwiefern denn
die in unsern Noten entwickelten und auf den für diesen Fall einzig anwendbaren Art. 42 gegründeten Erwägungen mit der vorliegenden Angelegenheit nichts zu ftiün haben sollten.

870

Herr Silvestrelli wirft uns also nicht bloß vor, wir gebrauchten Ausflüchte, sondern er hält ausdrücklich die Behauptungen aufrecht, die der Bundesrat als mit seiner Würde unverträglich hatte zurückweisen müssen.

Sie begreifen, Herr Minister, daß es uns unter solchen Umständen zu unserm großen Bedauern nicht mehr möglich ist, mit Herrn Silvestrelli noch länger amtliche Beziehungen zu unterhalten. Wir laden Sie deshalb ein, der königlichen Regierung von Vorstehendem Mitteilung zu machen und sie zu ersuchen, Herrn Silvestrelli durch einen Diplomaten zu ersetzen, der sich der Rücksichten besser bewußt ist, die er der Regierung schuldet, bei der er beglaubigt ist. Wollen Sie der königlichen Regierung bemerken, daß unser Ansuchen einzig durch den Wunsch hervorgerufen wird, die zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Italien bestehenden guten Beziehungen aufrecht zu halten.

Wollen Sie auf eine baldige Entscheidung dringen. Die Bundesversammlung tritt am 1. April nächsthin zusammen, und es ist vorauszusehen, daß diese Angelegenheit den Gegenstand einer Interpellation bilden wird. In diesem Fall könnten wir uns veranlaßt sehen, den eidgenössischen Räten die Vorfälle auseinanderzusetzen und den Wortlaut der mit Herrn Silvestrelli ausgewechselten Noten zu veröffentlichen.

Wir ermächtigen Sie, dem Herrn Prinetti eine Abschrift dieser Note zu überlassen, falls er es wünscht.

Indem wir Ihrem Bericht über das Ergebnis Ihrer Schritte entgegensehen, benutzen wir diesen Anlaß, um Sie, Herr Minister, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d es p r ä s i d e n t :

Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rillgier.

871

Seilage VII.

Born, den 7. April 1902.

Note des schweizerischen Gesandten in Rom an den italienischen Minister des Auswärtigen, Herrn Prinetti.

Herr Minister, Arn 31. März abbin habe ich die Ehre gehabt, Eurer Exeellenz mündlich von einer Depesche des schweizerischen Bundesrates vom 27. gleichen Monats Kenntnis zu geben, durch die ich beauftragt wurde, Sie zu ersuchen, im Interesse der guten Beziehungen zwischen beiden Ländern, den Gesandten Italiens in Bern, Herrn Commandeur G. Silvestrelli, durch eine andere Persönlichkeit zu ersetzen. Die Umstände, welche diesen Schritt veranlaßt haben, sind in der vorgenannten Depesche niedergelegt, von der eine mit den fünf dazu gehörenden Beilagen begleitete Abschrift hier mitfolgt.

Da Eure Excellenz mir erklärt haben, daß Sie dem von meiner Regierung ausgedrückten Wunsche nicht Folge geben können, so habe ich die Ehre, Ihnen erhaltenem Auftrage gemäß zu eröffnen, daß der Bundesrat sich zu seinem lebhaften Bedauern genötigt sieht, seinen amtlichen. Verkehr mit Herrn Silvestrelli abzubrechen.

Genehmigen Sie 'etc.

Der schweizerische Gesandte.

872

Beilage VIII.

R o m , den 9. April 1902.

Der italienische Minister des Auswärtigen, Herr Prinetti, an den schweizerischen Gesandten in Koni, Herrn Carlin.

Herr Minister!

° Mit Note vom 7. dies haben Sie die Gefälligkeit gehabt, mich daran zu erinnern, daß Sie vom Bundesrate beauftragt worden sind, im Interesse der guten Beziehungen zwischen beiden Ländern, um die Ersetzung des Herrn Commandeurs Silvestrelli zu ersuchen. Sie fügen bei, daß Sie, nachdem ich mich geweigert habe, dem von ihrer Regierung ausgedrückten Wunsche zu entsprechen, mir anzeigen müssen, der Bundesrat sehe sich zu seinem lebhaften Bedauern ' genötigt, seinen amtlichen Verkehr mit Herrn Silvestrelli abzubrechen.

Ich habe mich in unserer Unterredung vom 31. März bemüht, Ihnen die Gründe für meine Weigerung auseinanderzusetzen.

Diese im beiliegenden Memorandum zusammengefaßten Erwägungen sollten meiner Ansicht nach den Bundesrat veranlassen, auf seinen Entscheid zurückzukommen.

Die schweizerische Gesandtschaft in Rom dürfte sich inzwischen in keiner ändern Lage befinden als in derjenigen, in welche der Bundesrat die königliche Gesandtschaft in Bern versetzen zu sollen geglaubt hat. Ich sehe mich deshalb meinerseits zu meinem Bedauern genötigt, meine amtlichen Beziehungen zu Ihnen abzubrechen.

Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung.

Prinetti.

873 Beilage IX.

IVEemorandnm.

Seit beinahe drei Jahren betreibt ein in Genf erscheinendes schweizerisches Anarchistenblatt, der ,,Réveil"1, dessen Zweck das Verbrechen und dessen Hülfsmittel die Verherrlichung des Verbrechens in Verbindung mit der Beschimpfung des italienischen Königshauses sind, ungestraft sein unheilvolles Handwerk. Die Gesandtschaft Seiner Majestät, die solchen Ausschreitungen nicht gleichgültig zusehen durfte, hat unablässig und auf die freundschaftlichste Weise den Bundesrat auf dieses Blatt aufmerksam gemacht.

Im Monat Juni des letzten Jahres lenkte der italienische Geschäftsträger bei Anlaß einer in heftigen Ausdrucken abgefaßten Verherrlichung des Königsmordes die Aufmerksamkeit des damaligen Bundespräsidenten, Herrn Bundesrat Brenner, auf die verbrecherische Propaganda dieser Zeitung. Er berief sich bei diesem Anlaß auf die Artikel 4 und 5 des Bundesgesetzes vom 12. April 1894; die Anwendbarkeit dieses Gesetzes schien unzweifelhaft zu sein. Nichtsdestoweniger erwiderte der Bundesrat, es liege kein Grund vor, in dieser Sache eine Strafverfolgung eintreten zu lassen, da die Aufreizung zu einem gegen eine Person gerichteten Delikt nicht direkt genug ausgedrückt sei.

Dies war die Ansicht des Bundesrates ; es konnte aber nicht die der königlichen Regierung sein, und die Frage blieb eine offene.

Am 5. Februar machte der Herr Gesandte in einer freundschaftlichen Unterredung den Herrn Bundespräsidenten auf einen das Andenken Seiner Majestät des Königs Umberto beschimpfenden Artikel des ,,Réveil" aufmerksam und beklagte sich dabei über die diesem Blatte noch immer zu teil werdende Straflösigkeit; eine strafrechtliche Verfolgung zu verlangen, unterließ er jedoch.

Die Gesandschaft war nun etwas überrascht, unterm 25. Februar, also 20 Tage nach ihrem mündlichen Vorgehen, eine amtliche Note zu erhalten, die sich als Antwort auf eine Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. II.

56

874

Note der Gesandtschaft ankündigte, welche nie existiert hatte.

Darin erklärte der Bundesrat, ,,er könne gegen die für den Artikel im ,,Réveil11 verantwortlichen Personen nur auf Grund des Paragraphen 42 des Bundesstrafrechts vom 4. Juni 1853 und unter dem Vorbehalt des Gegenrechts eine Strafverfolgung einleitena. Was das Gegenrecht anbelangt, so wußte der Bundosrat von vorneherein, daß ihm das italienische Strafgesetz ein solches zusicherte.

Der Bundesrat stellte sich somit auf einen Standpunkt, den die Gesandtschaft nicht teilte, da sie immer die Thätigkeit des ,,Réveil" in ihrer Gesamtheit und nicht irgend einen vereinzelten Artikel des Blattes ins Auge gefaßt hatte. Es ist ganz natürlich, daß Herr Silvestrelli in seiner Antwort vom 8. März es abgelehnt hat, ein eigentliches Gesuch zu stellen, denn dies wäre zu sehr im Widerspruch gewesen mit der bisherigen Haltung der Gesandtschaft. Die Protestation des Bundesrates in seiner Note vom 12. März ist also, was die Sache selbst anbelangt, in keiner Weise berechtigt. Was die Formfrage betrifft, so erscheint der Wortlaut der Note des Herrn Silvestrelli erklärlich genug aus dem Grunde, weil der Gesandtschaft schon lange die Straflösigkeit auffallen mußte, welche die gegen die Einrichtungen des Königreichs gerichteten Angriffe genießen, ohno daß je der Bundesrat in seinen Mitteilungen ein Wort der Mißbilligung dafür gefunden hätte.

Die Note der Gesandtschaft vom 23. März endlich, welche die neuerlichen Schritte des schweizerischen Gesandten in Rom veranlaßt hat, beschäftigte sich nur mit der Hauptfrage und hielt in dieser Hinsicht einfach an dem Standpunkt der RegierungSeiner Majestät fest.

So lagen die Dinge, als am 31. März der schweizerische Gesandte das Gesuch um Ersetzung des Herrn Silvestrelli vorbrachte. Der königliche Minister des Auswärtigen erwiderte ihm, er könne auf dieses Begehren, das ungerechtfertigt erscheine, nicht eintreten, und fügte bei, seiner Ansicht nach wären freimütige Auseinandersetzungen zwischen Herrn Silvestrelli und dem Bundesrat am geeignetsten, um die Mißverständnisse, die entstanden zu 'sein scheinen, zu beseitigen.

R o m , den 9. April 1902.

875 Beilage X.

B e r n , den 10. April 1902.

An Seine Excellenz Herrn Commandeur G. Silvestrelli, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Italiens, in Bern.

Herr Minister, Wir beehren uns, Eure Excellenz zu benachrichtigen, daß sich der Bundesrat zu seinem lebhaften Bedauern genötigt sieht, die amtlichen Beziehungen mit Ihnen abzubrechen. Der Vertreter der Schweiz in Rom ist beauftragt worden, diesen Beschluß, sowie die Umstände, die denselben veranlaßt haben, Seiner Excellenz Herrn Prinetti zur Kenntnis zu bringen.

Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bundesrat.

876 Übersetzung.

Beilage XI.

R o m , den 10. April 1902.

Herr Prinetti, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, in Rom, an Herrn (x. Carlin, schweizerischer Gesandter, in Rom.

Herr Minister!

Der Kommandeur Silvestrelli telegraphiert mir, der Bundesrat habe ihm diesen Morgen mitgeteilt, daß seine amtlichen Beziehungen zu ihm aufgehört haben.

Infolge dieser Mitteilung beehre ich mich, unter Bezug auf meine gestrige Note, Ihnen zu bestätigen, daß die königliche Regierung die amtlichen Beziehungen, die sie mit Ihnen unterhielt, abbrechen muß.

Genehmigen Sie etc. etc.

(gez.) Prinetti.

-·Sa-O-iEr-

877

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Eisenbahn von Glovelier nach Undervelier.

(Vom 12. April 1902.)

Tit.

Unterm 17. August 1901 stellten die Herren Boéchat, Regierungsstatthalter, und Siegfried, Notar, beide in Delsberg, namens eines Initiativkomitees das Gesuch um Erteilung der Konzession für eine normalspurige R e g i o n a l b a h n von Glov e l i e r nach U n d e r v e l i e r .

Im allgemeinen Bericht wird ausgeführt, daß die bedeutenden Dörfer Undervelier, Soulce und Sornetan, sowie eine Anzahl kleinerer Dörfer, deren Bevölkerung hauptsächlich Landwirtschaft und Viehzucht treibe, für den Verkauf ihrer Produkte, sowie für den Bezug ihrer Gebrauchsgegenstände beinahe ausschließlich auf die Jura-Simplon-Bahn und die von dieser bedienten größeren Ortschaften angewiesen sei. Daneben weise die Umgegend von Undervelier sehr ausgedehnte und ausbeutungsfähige Wälder auf, die in der Hauptsache dem Kanton Bern gehören. Die Holzausfuhr sei so bedeutend, daß eine einzige Firma, Gebrüder Meyer in Undervelier, jährlich mehr als 1000 Wagenladungen zur Bahn bringe. Ein weiteres bemerkenswertes Verkehrselement bestehe in den Steinbrüchen und den industriellen

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien. (Vom 15. April 1902.)

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Jahr

1902

Année Anno Band

2

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16

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---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.04.1902

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841-877

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10 020 027

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