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Schweizerische Bundesversammlung

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 1. Dezember 1902 zur ersten Session der 19. Amtsperiode zusammengetreten.

Herr Nikolaus Benziger, von und in Einsiedeln, geboren im Jahre 1830, eröffnete als Alterspräsident die Sitzung des Nationalrates mit folgender Ansprache.

Hochgeachtete Herren Mitglieder des Schweiz. Nationalrates !

Die Ehre, Sie heute bei Eröffnung der ersten Sitzung der 19. Wahlperiode der Bundesbehörden zu begrüßen, verdanke ich dem Artikel 14 des Geschäftsreglementes für den Nationalrat, meinem vorgerückten Alter und meiner achten Wiederwahl durch wohlwollende Mitbürger.

Für die kurze Zeit, bis Sie sich einen jüngeren und geschäftsgewandteren Präsidenten gewählt haben, erbittet sich Ihr Alterspräsident Ihre gütige Nachsicht.

Hochgeachtete Herren !

Das Vertrauen der schweizerischen Nation, die Dankbarkeit der Mitbürger für Ihren bewährten Opfersinn und für Ihre Hingebung zum Wohle des Vaterlandes haben Sie in diesen Rat gerufen, um zu wachen und um zu raten für des Bundes Einheit, Kraft und Ehre, für der Bürger Freiheit und für die Rechte des Volkes.

Seien Sie alle zur Erfüllung dieser Aufgaben dem Schweizervolke willkommen, auf daß Sie gedeihlich beitragen, die Würde und das Ansehen des Schweizerbundes zu fördern, die Bundesverwaltung zu stärken und das Vertrauen des Schweizervolkes zu den Bundesbehörden zu sichern ; ähnlich, wie es durch mehr als fünfzig Jahre Ihren. Vorgängern im Rate segensreich gelungen ist.

Gegrüßt seien uns die hochgeachteten Herren Nationalräte, welche mit Ausdauer zum längst gepflegten Amte bereitwillig

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wiederkehren, um hier ihre gewonnene Erfahrung dem Vaterlande nützlich zu verwerten.

Mehrere uns liebe, hochgeachtete Herren Kollegen haben nach vielen verdienstvollen Amtsjahren uns verlassen. Ihnen wahren wir ein dankbares Andenken; und ihnen wünschen wir teils die verdiente Ruhe des Alters in den heimischen Kreisen, teils fernere, gedeihliche Wirksamkeit in ihren Amts- und Berufsaufgaben.

Willkommen heißen wir die heute in besonders großer Zahl neu eintretenden Herren Mitglieder, wovon zwanzig mehr als früher durch das Ergebnis der letzten Volkszählung Aufnahme gefunden. Möge diese größere Représentation der Nation den vermehrten Interessengruppen politischer und volkswirtschaftlicher Bestrebungen Anlaß bieten, die Wünsche aller Schweizerbürger vollzähliger zur Vernehmlassung und zur Beachtung zu bringen.

Sie alle, hochgeachtete Herren Nationalräte, haben recht schwierige Aufgaben zu lösen. Um die Gesetzgebung sowohl den Auffassungen der Städtebewohner Rechnung tragend, als den Gebirgsleuten verständlich und erträglich, und immerhin einheitlich zu gestalten, bedarf es ein die verschiedenen Verlangen beachtendes Studium, und empfiehlt sich eine dem Schweizervolke beliebte Mäßigung bei Neuerungen. Glücklicherweise bildet das Vertrauen des Volkes zu Männern seiner Wahl eine goldene Brücke, um viel Neues, viel anfänglich Unergründetes dennoch an das Ziel der Volksgenehmigung zu bringen.

Sei es Ihnen, hochgeachtete Herren Nationalräte, gegönnt, bei der Verschiedenheit auch Ihrer eigenen Auffassungen, veranlaßt durch die Verschiedenheit der Bildung und Erziehung, der Berufsarten, der Interessenvertretung, der Konfession und der Sprachen, sei es Ihrem edlen Charakter, Ihrem guten Willen möglich, im Kampfe des Meinungsaustausches, in Verteidigung Ihrer Überzeugung, selbst in empfindlichen Gemütsstimmungen jene Selbstbeherrschung, Ruhe und parlamentarische Würde zu wahren, welche bisher die Schweiz ehrenhaft vor einigen ausländischen Parlamenten auszeichnete.

Ehe wir einen kurzen Rückblick in die letztverflossene 18. Wahlperiode werfen, und einige Hauptmomente der neuen Periode andeuten, hat mit Ihnen der Alterspräsident eine Ehrenpflicht gegenüber einem teuren ins Jenseits Abberufenen, einem früheren Herrn Kollegen, einem vorzüglichen Staatsmann zu erfüllen.

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Wenn ein gewaltiger Windstoß einen schönen, mächtigea Baum entwurzelt, so erfüllt uns aufrichtiges Bedauern.

"Wie viel mehr erschüttert unser Gemüt das plötzliche Scheiden, ·eines von uns in Hochachtung geliebten, braven Mannes aus wohl verdienter, hoher Lebensstellung?

Mitten aus der umfassenden Tätigkeit, mitten aus den Sorgen und aus der Pflege vaterländischer Arbeiten ist durch den Willen des Allmächtigen, Herr Bundesrat Hauser, ohne längere Krankheit, uns plötzlich entrissen, ist sein Talent und sein Verständnis der ihm anvertrauten hohen Amtsstelle entzogen.

Trauernd gedenken in Liebe seiner Person Mutter, Gattin, Töchter, Verwandte, trauernd seine Mitbürger im Kanton Zürich, trauernd das Schweizervolk und trauernd die Bundesbehörden.

Sie alle sind von der unerwartet raschen Todesnachricht peinlich überrascht und betroffen worden.

, Am Samstag, 18. Oktober, arbeitete Herr Bundesrat Hauser im Rate noch hervorragend an der Feststellung des Budgetentwurfes pro 1903, dann kehrte er müde heim, und erhob sich, nicht mehr vom Bette. Ein Hirnschlag lahmte den Erkrankten am Sonntage, und am Mittwoch, 22. Oktober morgens, schied seine edle Seele ins Jenseits.

Herr Bundesrat Walter Hauser war am 1. Mai 1837 in Wädenswil geboren, Sohn einer geachteten, wohlhabenden Familie.

Nach in Zürich am Gymnasium und an der Industrieschule erlangter Bildung trat er als Gerber in das Geschäft seines Vaters, welches er später selbständig mit Uipsicht mehrere Jahre betrieb.

Daneben suchte er in den Gemeindeverwaltungen sich nützlich zu ·zeigen.

Als eine neue demokratische Bewegung im Kanton Zürich mit dem Wechsel der Staatsbeamteten auch viel dem Volke Willkommenes in die Gesetzgebung brachte, schloß sich Herr Hauser sympatisch diesen Bestrebungen an; und er folgte dem Eufe 1868 in den Verfassungsrat, und 1869 bis 1881 in den Kantonsrat. Seine geistige Auffassung, sein praktischer Sinn verschafften ihm 1881 die Aufnahme in den Regierungsrat, in welchem er sich als gewandter Finanzmann bewährte, und in welchem er anno 1883 und 1887 auch als Regierungspräsident Anerkennung fand. Den tätigen geachteten Staatsmann wählten jseine Mitbürger von 1869 bis 1875 in den Nationalrat und 1879 bis 1888 in den Ständerat. .

632 Wie im Regierungsrat, so in den Bundesbehörden, zeichnete sich der verständige, haushälterische und dem Bunde treu ergebene Abgeordnete so vorteilhaft aus, daß ihm, dem damaligen Ständerat und 1883 Präsidenten desselben, anno 1888 die Ehre der Wahl in den Bundesrat zu Teil wurde. Im Bundesrat folgte ihm 1892 und 1899 die Auszeichnung als Bundespräsident.

Zur Stellung Herrn Hausers im Bundesrat erlauben Sie mir einige seiner hohen Verdienste in Ihre Erinnerung zu rufen.

Herr Bundesrat Hauser übernahm zuerst das durch den Tod von Herrn Bundesrat Hertenstein verwaiste Militärdepartement, für das der 1881 brevetierte Artillerieoberstlieutenant und spätere Oberst ein volles Verständnis besaß. Hier ergänzte er die Anschaffungen der im System verbesserten Gewehre und der Munitionsvorräte. Dann ins Finanz- und Zolldepartement übergehend, gelangte Herr Hauser in sein wahres Element, zur Leitung der seiner Vorliebe, seinem Verständnis, seiner Energie besonders entsprechenden Arbeiten, deren tätige, treue und umsichtige Pflege ihm das anerkannte Verdienst eines Finanzmannes von Wert sicherte. Ein Vorbild des Fleißes, streng in der Kontrollo, weitblickend, vorsichtig und sparsam, erwies er sich den schwierigsten Lagen gegenüber fest und sicher.

Beim Eisenbahnrückkauf, mit einer Milliarde Franken even* tuell bar zu leistender Verpflichtungen in Aussicht, erstrebte das Finanzdepartement, trotz der Ungunst unvorgesehen schwieriger öeldverhältnisse die Ausgabe von im Zins mäßigen und unkündbaren Obligationen. Es erzielte einen über Erwarten günstigen Absatz für diese Valoren. 0 Aber auch an Vorsicht und Festigkeit mangelte es dem Finanzchef, Herrn Hauser, nicht. So hat seine Darstellung der momentanen Finanznot, sein Verlangen nach einer sicheren Finanzierung durch das Tabakmonopol entscheidend dazu beigetragen, das Volk, welches früher begeistert die Kranken- und Unfallversicherung verlangte, die daherige Vorlage kühler beurteilen zu lassen.

Eine Lieblingsidee von Herrn Bundesrat Hauser, für welche er mit auf gründliche Studien basierendem Wissen und mit Ausdauer eintrat, war die eidgenössische Staatsbank. Diese Frucht konnte, mangels Verständigung der Räte in der Sitzfrage, nicht ausreifen.

Eine recht schwierige, leider auch seine letzte große Arbeit übernahm der scheinbar Unermüdliche in der tätigen, umsichtigen,

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wohlvorbereiteten Mitbearbeitung des G-eneralzolltarifes. Die Freiheit der Ansichten achtend, seine Auflassung fest vertretend, in den Aufschlüssen klar, bot er unerwartet viel Entgegenkommen.

Sein Vorgehen erleichterte den Abschluß. Aber zur Mitleitung bei den nun nötigen Handelsabschlüssen und zur endlichen Feststellung des Gebrauchstarifes wäre sein Rat von unschätzbarem Wert gewesen.

In der Aufsicht und in der Leitung der Alkoholverwaltung stellte er den gewandten Geschäftsmann, den dem Bunde ergebenen Sparer, und dennoch auch den für die Kantone wohlwollenden Gönner.

Nach dem Hinweis auf einige Hauptleistungen des Herrn Bundesrat Hauser, ist uns eine dankbare Erinnerung an die Vorzüge seines Charakters nahegelegt. Mit allem geschäftlichen Ernst, mit geradem, jedermann gerechtem Sinn, mit Freimütigkeit und Offenheit, mit festem Verharren bei von ihm nötig Erachteten, verband er nicht nur gebildete Umgangsformen, sondern auch ein natürliches Wohlwollen und einnehmende Güte. Geradezu hervorragend war seine unermüdliche Tätigkeit, welcher er schließlich zum Opfer fiel. Ein fester Wille und eine zähe Ausdauer, bei vielem administrativen Talent, verhallen ihm zu manchem Sieg.

Früher Mitglied der radikal-demokratischen Partei, und ihr treu anhänglich, übernahm er zwar keine Führerschaft; blieb aber in ihr nicht ohne großen Einfluß.

Sein die ganze Schweiz überraschender Todesfall fand im Vaterland weithin die aufrichtigste Trauer. Das zeigten großartig die Leichenfeiern in Bern und in Zürich.

Wenn wir uns im Lebensbild des Herrn Bundesrat Hauser daran freuten, daß seine charaktervolle Tätigkeit ihn zu hohen Ehren erhob, so wenden wir mit Befriedigung unsere Hochachtung einer Betätigung zu, welche im Berufsleben eine mustergültige Bahn hrach, um eine große Landesindustrie zu fördern.

Interlaken, in einer von der Natur reizend bevorzugten Lage, ist für die Reisenden einer der großen Sammelpunkte geworden und hat in seinem Hotelwesen für viele Orte der Schweiz als Vorbild gedient.

Als einen der ersten und glücklichsten Förderer, um mit klugem Verständnis im Berneroberland die Hoteleinrichtungen und Betriebe zu den besten der Schweiz zu erheben, anerkennen

634 ·seine einsichtigen Mitbürger unsern frühern Kollegen, Herrn Nalionalrat Ruchti, Besitzer und Leiter des majestätischen Hotels Viktoria in Interlaken.

Eduard Ruchti, am 10. August 1834 in Unterseen als Sohn 'des Gastgebers zum Beausite geboren, wurde nach am Orte und in einem französischen Pensionate erlangter Schulung ins Ausland geschickt, um sich die Befähigung zu einem spätem Hotelier zu erwerben. Wie es viele unserer achtbaren Mitbürger, welche das Ausland aufsuchten, um praktische Lehren für das ·Leben, Strebsamkeit des Geistes und Ausdauer in der Arbeit sich anzueignen, kehrte Herr Ruchti voll weitschauender Pläne heim. Er kaufte sich anno 1856 und 1860 genug Boden in bester Lage, um in Voraussicht günstiger Entwicklung von Interlaken einen monumentalen Neubau zu errichten, den er, richtig bezeichnend für seine Erfolge, Hotel Viktoria nannte. Mit diesem kühnen Vorgehen ermutigte er seine Mitbürger zur Nachahmung und wurde so ein Veranlasser zum Entstehen großer weltberühmter Hotels und eines sich fortwährend verschönernden und bereichernden Ortes.

Der gewandte Hotelier strebte neben Pflege seiner Anstalt ·auch die Verbesserung der Verkehrsverbindungen weitblickend an und zählt zu den Gründern der Bödelibahn und der Brünigbahn. Seine dankbaren Mitbürger brachten ihn als guten Mitarbeiter in die Verwaltungsräte der Jura-Simplon-Bahn, der Wasserwerke und des Kurhauses von Interlaken, und ehrten ihn mit der Wahl in den Großrat des Kantons Bern 1865 und in den Nationalrat 1896, welchen Behörden er bis Oktober dieses Jahres angehörte.

Im Amt und im Beruf war der umsichtige, strebsame und freundliche Mann geachtet und geliebt.

Seit 2 Jahren erkrankt, arbeitete er dennoch ausdauernd Ijis letzten September und suchte im Oktober im milden Klima von Ouchy Erleichterung. Statt dieser fand er Erlösung am 11. November dieses Jahres, im Hinschied aus tätigem, aus gemeinnützigem, aus erfolgreichem Leben.

Betrauert von Volk und Behörden in der Heimat und von Freunden weithin in der Welt, wurde er am 14. November in Unterseen zur Ruhe geleitet. Sein Testament enthielt, als Beweis seines ebenso guten Herzens als klugen Verstandes, die Zuwendung von über einer Viertelmillion Franken zu wohltätigen Zwecken an Anstalten für Bedürftige in seiner Heimat.

635 Den edlen Geber lohnt ein bleibendes Andenken dankbarer Mitbürger und eine Hochachtung weiter Kreise, welcher wir uns sympatisch anschliessen.

Herrn Bundesrat Hauser und Herrn Nationalrat Ruchti als zwei Vorbildern der Arbeit in Amt und Beruf, entbieten wir ehrerbietig den Abschiedsgruß : Der Himmel lohne ihre Verdienste auf Erden und gönne uns ein Wiedersehen.

Die Herren Nationalräte werden ersucht, zum Zeichen der Trauer um den Verlust unserer Mitarbeiter und früheren Kollegen, der Herren Bundesrat Hauser und Nationalrat Ruchti, und zum Zeichen ehrenden Andenkens an dieselben, sich von ihren Sitzen zu erheben.

Hochgeachtete Herren Nationalräte !

Nachdem mit den Gedächtnisworten an Herrn Bundesrat Hauser schon mehrere wichtige Traktanden aus der letztabgelaufenen achtzehnten Wahlperiode erwähnt wurden, darf der Rückblick auf diese Zeit abgekürzt werden.

Im Laufe der letzten Wahlperiode 1899 auf 1902 erhielt durch ihre Folgen Bedeutung die am 1. Dezember 1900 erneuerte Volkszählung mit 3,315,443 Seelen Wohnbevölkerung, also einer Vermehrung von 382,109 seit 1888 und damit von 20 Mandaten für den Nationalrat.

Eine Volksinitiative mit dem Zwecke, die Zahl der Nationalräte dadurch zu vermindern, daß an die Stelle bisheriger Berechnung der Wohnbevölkerung nur die Zahl der Schweizerbevölkerung als Norm in Art. 72 der Verfassung treten sollte, ist zu spät eingelangt, um noch in der abgelaufenen Periode behandelt werden zu können.

Ein Gegenvorschlag, erst im Oktober 1902 im Rate angemeldet, um künftig auf 25,000 statt nur auf 20,000 der Bevölkerung eine Nationalrätsstelle zu erlauben, läßt die Absicht, zu sparen, nicht mißkennen. Ob Sie aber für eine noch zu bestimmende Zukunft zirka 33 Herren Kollegen entlassen wollen, das werden Sie in der neuen Periode beraten.

In den letzten zwei Jahren vollzogen sich, mit Ihrer Zustimmung, die Eisenbahnrückkäufe der früheren Centralbahn, Nordostbahn und Vereinigten Schweizerbahnen, alle auf dem Wege der Verständigung.

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Damit war der hohe Bundesrat veranlaßt, die Organisation der Bundesbahnen in vielen Reglementen und in den Wahlen der Bahnbehörden (Verwaltungsräte und Kreisräte) und in der Ernennung von Angestellten (Generaldirektoren, Kreisdirektoren etc.)

durchzuführen. Es geschah das mit anerkennenswerter Reschheit.

Die Bundesbehörden boten im Gesetze für die Nebenbahnen denselben um so williger eine Unterstützung, als deren Aufnahme in den Eisenbahnrückkauf nicht möglich war.

Auch der sich stets mächtiger entwickelnden Industrie der elektrischen Anlagen, von deren wohltätiger Fortentwicklung das Vaterland sich viel verspricht, hat die eidgenössische Gesetzgebung Schutz, aber auch Oberaufsicht geboten.

Gesetze letzter Periode regelten in einheitlichen Normen die Besoldungen und die Arbeitszeit der Bundesangestellten.

Für die schweizerischen Wehrmänner ist ein Versicherungsgesetz für Unfälle eingeführt, und das Gesetz für Militärpflichtersatz wurde verbessert.

Das Gesetz über den Geschäftsverkehr zwischen den Bundesbehörden wurde, u. a. auch zum Zweck gedeihlicher und nötiger Verständigung, umgearbeitet.

Dem Volke ist eine Erleichterung im Stimmrechte geboten.

Nach dieser Hinweisung auf uns genehme, neue Gesetze; welche aus der abgelaufenen Periode hervorgingen, dürfen wir uns einem Rückblick nicht entziehen auf einige mit großen Vorstudien verbundene Gesetzesentwürfe, welche das Ziel nicht erreichten.

Das Kranken- und Unfall-Versicherungsgesetz wurde vom Volke durch einen neuen Verfassungsartikel 34bis in der Abstimmung vom 26. Oktober 1890 verlangt. Durch verschiedene Zwischenfälle wurde die Ausarbeitung zu lange verzögert und auch dadurch die anfänglich allgemeine Begeisterung vermindert.

Mit den Befürchtungen von zu hohen Beitragslasten trat endlich selbst bei Behörden, bei Arbeitgebern und Arbeitern ein Umschwung ein, so daß am 20. Mai 1900 das Gesetz von 337,530 Stimmen, gegen 146,417 Annehmenden, abgelehnt wurde, obwohl die Vorlage fast einstimmig aus der Beratung der Bundesbehörden hervorgegangen war. Zwar besteht, tröstend für viele Freunde der wohltätigen Vorlage, der Verfassungsartikel 34bi8 fort, und so hoffen wir, daß mit der Zeit eine glücklichere Lösung sich dennoch . finde. Indessen Xvollen wir beachten, wie in den

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deutschen und österreichischen Reichen ähnliche Versicherungsgesetze sich bewähren.

Eines anderen Gesetzes der letzten Periode, welches an einem einzigen Umstände, als harter Klippe in den Räten, scheiterte, müssen wir schon deshalb Erwähnung tun, weil eine Art Auftrag fortbesteht.

Durch die Volksabstimmung vom 18. Oktober 1891 wurde mit 231,578 gegen 158,615 Stimmen dem Bunde das ßanknotenmonopol zuerkannt. Dieses Vorgehen führte zur Botschaft des Bundesrates vom 24. März 1899 mit dem Entwurf eines Ausführungsgesetzes zum Art. 39 der Verfassung betreffend das Banknotenmonopol in einer Bundesbank. Von 1899 bis 28. Juni 1901 dauerten die Verhandlungen zwischen Natio'nalrat und Ständerat zu einem Bankgesete. Trotz langen Erörterungen über sehr abweichende Pläne zu einer künftigen Bundesbank einigten sich schließlich Nationalrat und Ständerat in allen Punkten, mit Ausnahme der Sitzfrage. Mit dieser Differenz trat am 28. Juni 1901 Abbruch der Behandlung ein.

Belieben Sie, hochgeachtete Herren Kollegen, dem Sprechenden zu verzeihen, wenn er von diesem Hemmnis Veranlassung nimmt,, um, ohne sich eine Kritik des Entstehens dieser Differenz zu erlauben, nur eine ihm möglich scheinende grundsätzliche Lösung für die Zukunft bescheiden anzudeuten.

Glücklicherweise hat der staatsmännische Takt beider Räte es fast immer verstanden, eine fortdauernde störende Differenz nicht eintreten zu lassen.

Die Frage der Dringlichkeit einer Bundesbank, zur Erleichterung wie zur Kontrolle für die Bundesverwaltung, namentlich bei dem nun auch durch die Bundesbahnen stark sich vermehrenden Greldverkehr, diese Frage wird mit der Zeit sich noch klarer zeigen.

Auch die Beruhigung, daß eine Bundesbank den Interessen der wertvoll gewordenen Kantonalbanken nicht zu nahe trete, dürfte sich wohl finden.

Aber künftige Differenzen zwischen den zwei Räten in Sitz-, resp. Ortswahlen für Bundesanstalten scheinen mir nicht mehr eintreten zu können, wenn diese Platzwahlen, wie die Personenwahlen in Bundesrat und Bundesgericht, der Bundesversammlung überwiesen würden. Hierzu dürfte die Ziffer 4 von Art. 85 der Bundesverfassung berechtigen, welche lautet: ,,der Bundesgesetzgebung bleibt vorbehalten, auch die Vornahme oder Be-

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stätigung weiterer Wahlen (als Bundesrat, Bundesgericht etc.)

der Bundesversammlung zu übertragen.a Dieser Artikel scheint die Wahl der Orte, nach Sinn und Geist nicht auszuschließen.

Die angedeutete Lösung scheint um so ratsamer, als die stets mit Spannung verbundene Wahl der Orte für Bundesanstalten wiederkehren kann, z. B. für Rechtsschule, Kunstakademie und diverse militärische Anstalten etc.

In der letztverflossenen Amtsperiode hat die Volksabstimmung eine Initiative zu proportioneller Vertretung für die Nationalratswahlen am 4. November 1900 mit 244,666 gegen 169,668 Stimmen abgelehnt; und gleichzeitig ist sie mit 270,587 gegen 143,956 Stimmen auf die Anregung, den Bundesrat durch das Volk zu wählen, nicht eingetreten.

Hochgeachtete Herren Nationalräte!

Wenden wir uns der heute beginnenden 19. Wahlperiodevon 1902 auf 1905 mit der Frage zu: Was wird sie uns bringen?

Der Blick in die Zukunft ist von undurchdringlichen Nebeln gehemmt. Dem Schutz von Oben empfehlen wir uns für und für, von einer Tagesfrage zur andern.

Noch wartet die Jura-Simplon-Bahn auf ihren Rückkauf, und.

zwar mit der Hoffnung auf eine zwanglose Verständigung. Möge das sich also erwahren.

Der neue Verfassungsartikel 27bi8 erwartet sein Ausführungsgesetz für die Bundesunterstützung der Primarschulen, dessen Grundzüge uns wie schon vereinbart vorschweben.

Die von den Bundesbehörden noch zu prüfende Volksabstimmung vom 23. November letzthin hat mit 252,176 gegen 78,942 Stimmen und mit 21 YS Kantonen gegen J/a Kanton den im Oktober 1902 von den Bundesbehörden vereinbarten Verfassungsartikel 27bi8 angenommen, welcher die Bundesunterstützung der Primarschulen unter der zusichernden Erklärung feststellt, daß die Leitung der Volksschulen auch fernerhin selbständig den Kantonen überlassen bleibe.

Das beruhigende Entgegenkommen in dem mit Recht sä genannten ,,Friedensartikel"' hat auch das Schweizervolk anerkennend gewürdigt, so daß ein noch zu erlassendes Ausführungsgesetz zu Art. 27bis in den Hauptgedanken durch die frühern.

Verhandlungen wie schon gegeben erscheint.

639 Möge dieser Bundesbeitrag mitwirken, um das schweizerische Volksschulwesen zu heben, damit unser Vaterland den Wettkampf mit den ausländischen, hierin fortschrittlichem Staaten auch fernerhin wohl bestehe, und vorzüglich, damit das Schweizervolk zu seinem Gedeihen und zu seiner Selbständigkeit gut geschult, wieauf Grund guter Sitten und religiösen Lebens wohl erzogen werde.

Die Gesetze für die Telegraphenverwaltung, für die Erleichterung der Einbürgerung, für eine Lebensmittelpolizei sind schon weithin vorgearbeitet und erwarten ihre Ergänzung.

Erlauben Sie mir noch eine Hoffnung zu erwähnen, daß.

in dieser Amtsperiode ein in tätigem Studium befindliches schweizerisches Zivilgesetzbuch zur Besprechung in den Räten, zu glücklichem Abschluß und zu gnädiger Annahme im Volke gelange ; damit wir, wie Frankreich seit hundert Jahren und wie' das Deutsche Reich seit drei Jahren, in der Rechtseinheit ein' stärkendes Band für den Bund, eine Wohltat für den Bürger, einen Schutz im Verkehr, zu des Landes Nutzen erlangen.

Unsern vaterländischen Zeitungen sei der Schutz dieser guten Sache empfohlen und wohl auch einigen volkstümlich belehrenden Büchlein für die vielen strebsamen schweizerischen Vereine.

Es bleibt mir nur noch der Wunsch einer glücklichen Lösung der Zolltaxen in den bevorstehenden Handelsverträgen mit dem Auslande. Diese Verträge werden den Räten zur Genehmigung zukommen.

Denselben möge die Feststellung eines befriedigenden Gebrauchstarifes nachfolgen. Wir alle wünschen, daß der für die Volkswirtschaft des Landes hochwichtige Zolltarif nicht nur gedeihlich zur Unterstützung der Bundesverwaltung aufgestellt werde, sondern daß er auch Handel, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft schütze und daß er für die den Zoll zahlenden Bürgernicht allzu schwierig sich gestalte.

Hierzu bedürfen wir eines guten Einvernehmens mit dem Ausland.

Wir danken dem hohen Bundesrat für die sorgfältige Pflege^ unserer internationalen Beziehungen bei aller Wahrung unserer Selbständigkeit, und wir sehen mit Vertrauen auf die wiedererlangten friedlichen Beziehungen zu allen Nachbarstaaten.

Der Friede schütze uns mitten in der steigenden Macht der ausländischen Armeen. Die Vorsicht diktiert freilich selbst derSchweiz ein : Si vis pacem para hélium.

40 Den Frieden streben wir aber nicht nur mit dem Ausland an, sondern noch weit mehr sind die Bundesbehörden berufen, den Frieden im Inlande, im Vaterland zu sichern, das Vertrauen der Kantone und der Schweizerbürger dem Bunde zu gewinnen. Das sei uns Ziel!

Hochgeachtete Herren Kollegen!

Belieben Sie, die Worte Ihres Alterspräsidenten mit jener Nachsicht und mit jenem Wohlwollen entgegenzunehmen, mit welchem Sie ihn durch bald zwanzig Jahre zu Dank verpflichteten.

Gönnen Sie Nachsicht, wenn Ihnen in meinen Auflassungen einzelne Streifzüge zu grell erschienen. Lassen Sie, hochgeachtete Herren Nationalräte, wie nach kurzem Morgenrot die helle Sonne, so Ihre gewandten Vorträge, Ihre beruflichen Studien, Ihre gedeihlichen Anträge leuchten, und uns alle daran zum Nutzen und zum Frommen des Vaterlandes erwärmen.

Das walte Gott!

Die erste Session der neunzehnten Amtsperiode des schweizerischen Nationalrats ist eröffnet.

Am 2. Dezember bestellte der Nationalrat sein Bureau wie folgt: Präsident: Herr Z s c h o k k e , Conrad, von und in Aarau, bisheriger Vizepräsident.

Vizepräsident : ,, M a r t i n , Louis, von Ste. Croix, in Verrières.

Stimmenzähler: ,, B u s e r , Jakob, von Gelterkinden, in Sissach.

Zi mm er m a n n , Johann, von Lyß, in fl Aarberg.

,, S t a u b , Jos. Othmar, von und in Goßau.

,, L agi e r , Juste-François, von Aubonne, in Nyon.

Zur Eröffnung der Sitzung des Ständerates hielt der abtretende Präsident, Herr C. v o n A r x , folgende Ansprache:

641 Meine Herren Ständeräte !

Die Bundesversammlung %at auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen auf heute zur ordentlichen Wintersession zusammenzutreten. Indem ich die Session, soweit dabei unser Rat in Betracht kommt, hiermit eröffne, heiße ich Sie bestens willkommen.

Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, liegt mir zunächst die schmerzliche Pflicht ob, der Lücken zu gedenken, welche der Tod seit unserer letzten Tagung neuerdings in unsere Reihen gerissen hat.

Am 22. Oktober abbin starb in der Bundesstadt Herr Bundesrat Walter Hauser. Mit einem fröhlichen ,,Auf Wiedersehen im Dezember" hatten wir am Ende der letzten Session von dem verdienten Magistraten Abschied genommen und schon wenige Tage darauf gaben wir ihm das letzte Ehrengeleite.

Der Lebenslauf Walter Hausers ist so bekannt, daß ich mich von dieser Stelle aus nicht ausführlich darüber zu verbreiten brauche. Hauser ist aus jener Zunft der Gerber hervorgegangen, welche schon so viele hervorragende Staatsmänner o gestellt hat. Frühzeitig und mit seltenem Eifer ·-- im Gegensatz zu so vielen jungen Leuten, welche selbstsüchtig und lässig sich vom öffentlichen Leben fern halten -- trat er für die Hebung und Förderung der Interessen seiner engeren Heimat ein, und er ist auch dieser Heimat Zeit seines Lebens ein treu ergebener Sohn geblieben.

Der Name Hauser trat aber erst gegen Ende der 60er Jahre auch in weitern Kreisen hervor. Hauser hatte sich aus Neigung sowohl wie aus Familientradition mit jugendlichem Temperament der dazumaligen demokratischen Bewegung im Kanton Zürich angeschlossen und wurde von seinen Mitbürgern in den Verfassungsrat gewählt. Damit war der Grundstein zu seiner späteren politischen Karriere gelegt. Schlag auf Schlag stieg er nun von einem Vertrauensposten zum andern : Kantonsrat, Regierungsrat, Nationalund Ständerat, Bundesrat. Seine persönliche Tüchtigkeit, seine ernste Arbeitsfreudigkeit hatten ihm die Wege zu diesen Stellen geebnet.

Was Hauser seinem Heimatkanton gewesen ist, haben andere in erschöpfender Weise dargestellt; was er in Bern und zwar speziell als Mitglied unserer obersten Exekutivbehörde geleistet hat, das wissen seine Mitarbeiter aus der Bundesversammlung, das wissen wir alle am besten zu würdigen.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. V.

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642 Hauser übernahm als Nachfolger Hertensteins im Bundesrat zunächst das Militärdepartement, r Seinem Amtsantritt war eine Periode äußerster Zurückhaltung und Sparsamkeit vorausgegangen ; die Ausrüstung unserer Armee ließ infolgedessen viel zu wünschen übrig. Hauser hatte es verstanden, die vorhandenen Blößen zu erkennen und den seither nach und nach eingeführten Neuerungen und Verbesserungen vorzuarbeiten. In seinem so recht eigensten Elemente befand er sich aber erst soit dem Jahre 1891 als Chef des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes, von welcher Stelle er nur vorübergehend, d. h. dann, wenn ihn die Bundesversammlung zur Bundespräsidentschaft berief, jeweilen zurückgetreten ist.

Eine der Hauptaufgaben Häuser» bestund darin, die Finanzverwaltung des Bundes auf eine vor jeder administrativen Willkür gesicherte Grundlage zu stellen und darum das .Besoldungswesen der Bundesbeamten in diesem Sinne zu normieren.

Ihm gebührt auch das Verdienst, die eidgenössische Finanzkontrolle den veränderten Verhältnissen angemessen verbessert und, was die formelle Prüfung des Landesverwaltung anbetrifft, zu einer Musteranstalt geschaffen zu haben, welche selbst von den so viel gerühmten Rechnungshöfen des Auslandes nicht erreicht wird. Welch hervorragenden Anteil Hauser an der Organisation der Alkoholverwaltung wie an der Revision der Alkoholgesetzgebung, aa den Anläufen betreffend Neuordnung unseres Banknotenwesens, sowie an den Vorarbeiten für ein neues Zolltarifgesetz genommen hat, ist Ihnen allen noch in frischer Erinnerung. Ganz besonders schätzenswert war seine Mitarbeiterschaft bei den Vorbereitungen für die Eisenbahnverstaatlichung, bei der Vollziehung des Rückkaufsgesetzes, sowie bei Beschaffung der für den Eisenbahnrückkauf notwendigen Mittel. Seinem ruhigen, gemessenen und doch zielbewußten Vorgehen haben wir es nicht zum mindesten zu verdanken, wenn die Finanzierung der Bundesbahnen bis jetzt ohne die geringste Störung der Geldverhältnisse des Landes und ohne Beeinträchtigung des Kredites des Bundes vor sich gegangen ist.

Hauser war geradezu das Ideal eines Finanzvorstehers : ein scharfer und kluger Denker, ein unermüdlicher Arbeiter, dabei jedem persönlichen Einflüsse unzugänglich, mit seltenem Mut, mit Ausdauer und Hartnäckigkeit allen ihm ungerechtfertigt scheinenden Begehren entgegentretend, und doch wieder, wenn er von der Nützlichkeit einer zeitgemäßen Neuerung überzeugt war, einstehend für die gute Sache mit dem ganzen Gewichte

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seiner Persönlichkeit. Allgemein und unbegrenzt war denn auch das Vertrauen, das dem Chef des eidgenössischen Finanzdepartementes von allen Parteien und von allen Schichten des Volkes entgegengebracht worden ist.

Nicht umsonst ist bei der Beerdigung Hausers von allen Rednern darauf hingewiesen worden, welche schwer auszufüllende Lücke dieser vortreffliche Staatsmann hinter sich zurücklassen wird, wie er uns mangeln wird bei den bevorstehenden schweren innern Kämpfen um die Neuordnung unserer Zollverhältnisse, bei der Erneuerung der Handelsverträge, bei den zu treffenden Maßnahmen zur Verbesserung unseres Banknoten wesens, und nicht'zum mindesten auch bei der weitern Durchführung der Eisenbahnverstaatlichung. Denn auf ihn, den Mann mit dem selbstlosen, nüchternen Urteil, den Mann des allgemeinen Vertrauens hatten wir zur Behandlung dieser großen Landesgeschäfte namentlich gezählt.

Ein Grundzug in Hausers Charakter war seine Pflichttreue; keine Anstrengung, keine Arbeit war ihm zu viel. Und an dieser Pflichttreue ist er auch als ein Opfer unermüdlicher Tätigkeit zu Grunde gegangen.

Mit Hauser ist ein Mann von uns geschieden von echt schweizerischer Eigenart ; schlicht und bescheiden, trotz der hohen Warte auf welche ihn das Vertrauen seiner Mitbürger gestellt hatte, dabei arbeitsam, treu, charakterfest, unbeugsam in seinen wirtschaftlichen Ansichten wie in seinen politischen Idealen, aber auch ein Patriot in des Wortes schönster Bedeutung.

So wird denn das Andenken Hausers auch fürderhin leuchten, als das Muster eines integren und volkstümlichen Magistraten und als ein Vorbild für jeden einsichtigen und strebsamen Eidgenossen.

Meine Herren Ständeräte ! Ich habe noch eines zweiten Toten zu gedenken.

Am 10. November abhin starb im Hotel ,,Beaurivagea in Ouchy, wo er Erholung von einem hartnäckigen Leiden suchte, Herr Eduard Ruchti, Nationalrat, von Interlaken.

Derselbe war geboren im Jahre 1835 und erreichte somit ein Alter von zirka 67 Jahren. Ruchti widmete sich dem Hotelierberuf. Seine Jugend ftel in eine Zeit, da das Berner Ober-

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land im allgemeinen und Interlaken im besonderen sich allmählich zu bevorzugten Zentren des schweizerischen Fremdenverkehrs entwickelten. Er erwarb in den 60ger Jahren in seiner Heimatgemeinde das alte Hotel Viktoria und baute dasselbe, in seiner gegenwärtigen Gestaltung, zu einem weltbekannten Etablissemente ersten Ranges um.

Von da an hat der Dahingeschiedene an allen Bestrebungen, welche geeignet waren, die Täler und Berge des Oberlandes an den Verkehr anzuschließen und damit ihre großartigen Naturschönheiten allgemein zugänglich zu machen, an allen Anstrengungen, welche die Hebung und Förderung des Fremdenverkehrs zum Ziele hatten, den lebhaftesten Anteil genommen. An Mühen und Sorgen hat es dem Manne, namentlich in den Anfangsjahren, nicht gefehlt, aber auch der sichtbare Erfolg ist schließlich nicht ausgeblieben. Auf der Höhe des Glückes blieb Ruchti, was er immer war : einfach und schlicht. Wie in der äußern Erscheinung Hausers wohl niemand den verdienten und vielgenannten Magistraten vermutet hätte, ebensowenig suchte man in dem anspruchslosen Oberländer den weltbekannten Gastgeber so vieler hohen und höchsten Herrschaften. Das ist nun einmal gute Schweizerart.

Kuchti erfreute sich nicht nur bei seinen Berufsgenossen eines großen Ansehens, auch seine Mitbürger ehrten seine großen Verdienste um das allgemeine "Wohl, indem sie ihn in den Nationalrat delegierten. Und als Mann von großer geschäftlicher Erfahrung, als Mann von außerordentlichem praktischem Geschick ist er dieser Behörde sehr wohl angestanden.

Seit längerer Zeit war Ruchti leidend, was ihn veranlaßte, bei der letzten Integralerneuerung eine Wiederwahl in den Nationalrat abzulehnen. Noch vor Ablauf der Amtsdauer hat ihn der unerbittliche Tod ereilt.

Das imposante Leichenbegängnis legte Zeugnis ab von der allgemeinen Achtung und Beliebtheit, deren sich der Dahingeschiedene weit und breit erfreute.

Auch wir werden das Andenken dieses Mannes, der sich übrigens durch großartige Vergabungen ein bleibendes Denkmal gesetzt hat, in Ehren halten.

Meine Herren Ständeräte ! Ich ersuche Sie, sich zum Zeichen der Teilnahme an dem Hinscheide des Herrn Bundesrat Hauser und des Herrn Nationalrat Ruchti von ihren Sitzen zu erheben.

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Meine Herren ! Ich ersuche Sie, davon Akt zu nehmen, daß am 22. November abhin das Schweizervolk wie die Kantone den ihnen zur Abstimmung vorgelegten neuen Art. 27bis der Bundesverfassung angenommen haben, das Volk mit 251,769 gegen 78,615, die Stände mit 21'/a Stimmen gegen ljz Stimme.

Damit eröffnet sich dem Bunde ein neues und schönes Gebiet der Tätigkeit, von dem zu erwarten ist, daß es zur Hebung und Förderung der Volksschule beitragen und dem Lande zur Ehre, zum Wohl und zum Segen gereichen werde.

Das Bureau des Ständerates wurde am 1. Dezember 1902 wie folgt neu bestellt: Präsident : Herr H o f f m a n n , Arthur, von und in St. Gallen, bisheriger Vizepräsident.

Vizepräsident ; L a c h e n a l , Adrien, von und in Genf.

V) Stimmenzähler : A m m a n n , Albert, von und in Schaff·n hausen.

D ä h l e r , Edmund, von und in Appenzell.

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Schweizerische Bundesversammlung

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1902

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49

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.12.1902

Date Data Seite

629-645

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10 020 341

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