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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde der schweizerischen Automatengesellschaft in Bern gegen den Regierungsrat des Kantons Aargau und die beteiligten aargauischen Gemeinderäte.

(Vom 15. August 1902.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde der schweizerischen A u t o m a t e n , g e s e l l s c h a f t in Bern gegen den Regierungsrat des Kantons Aargau und die beteiligten aargauischen Gemeinderäte ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Unterm 8. Mai 1901 reichte die schweizerische Automatengesellschaft in Bern eine Beschwerde gegen den Regierungsrat des Kantons Aargau und die beteiligten aargauischen Gemeinderäte beim Bund«srat ein mit folgenden Begehren :

221 In definitiver Beziehung :

Die Verordnung des hohen Regierungsrates des Kantons Aargau vom 9. März 1901, worin er ihre Automaten dem kantonalen Hausiergesetz unterstellt, und die an Hand dieser Verordnung bezw. des Hausiergesetzes seit dem 1. April von der Regierung und einzelnen aargauischen Gemeinden gegen die Rekurrentin getroffenen Vollzugsmaßregeln seien, als mit dem Art. 31 der Bundesverfassung im Widerspruch stehend, aufzuheben; E v e n t u e l l und unter allen Umständen seien die getroffenen Schlußnahmen als prohibitiv wirkend, d. h. viel zu weit gehend, außer Kraft zu setzen und der Regierungsrat einzuladen, eine Verordnung und Taxation zu erlassen, die -- auch wenn man die Taxation seitens des Staates und der Gemeinden zusammenrechnet -- der Rekurrentin gestatten, ihr Gewerbe noch mit Nutzen zu betreiben ; In provisorischer Beziehung:

Der Regierungsrat sei sobald wie möglich dahin zu verständigen, daß er die Verordnung und ihren Vollzug von seiner Seite und der der Gemeinden bis nach rechtskräftiger Entscheidung des Rekurses sistiere.

Zur Begründung ihrer Begehren führte die Rekurrentin folgendes aus: Die Rekurrentin hat vor einiger Zeit auf einer Anzahl von Bahnhöfen im Gebiet des Kantons Aargau Warenautomaten aufgestellt, im ganzen 26, von denen 2 zwei-, 2 vier- und die übrigen 22 achtteilig sind.

Ende März wurde die Rekurrentin von den Stationen benachrichtigt, die aargauischen Behörden gestatteten vom 1. April an die Automaten nur noch gegen Einlösung eines Hausierpatentes auf Grund einer vom 9. März datierten, am 23. März im aargauischen Amtsblatt publizierten Regierungsverordnung. Eine Mitteilung seitens der aargauischen Regierung hatte die Rekurrentin nie erhalten, trotzdem diese Schlußnahme den bisherigen Rechtszustand auihob und die Existenz der Rekurrentin in Frage stellte.

Die Rekurrentin wandte sich sofort an das mit der Vollziehung beauftragte Regierungsdepartement um Sistierung des Vollzugs bis Mitte April, bis zu welchem Zeitpunkt sie beim Bundesrat Rekurs einreichen und eine provisorische Verfügung desselben erlangen könne. Sie wurde aber abschlägig beschieden und mußte, Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. IV.

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222 um den Weiterbetrieb der schon geschlossenen Automaten zu sichern, provisorisch, unter Protest, die Patente lösen.

Die Taxen für drei Monate, von der Polizeidirektion festgestellt, betrugen für die 26 Automaten zusammen Fr. 508. 80.

Das macht fürs Jahr Fr. 2035. 20. Die einzelnen achtteiligen Automaten sind meist zu Fr. 23. 10 (einzelne zu Fr. 30. 30, einzelne zu Fr. 15. 30) taxiert;- das macht für einen Automaten im Jahr Fr. 92. 40.

Diese Taxation läßt die Rekurrentin nicht mehr auf ihre Kosten kommen. Allein nach dem Staat sind nun auch noch die Gemeinden gekommen und haben das Doppelte von dem, was der Staat forderte, verlangt. So hatte Beinwil Fr. 15. 20 für den ersten Monat verlangt, Brugg für 2*/2 Monate Fr. 22. 50; die ändern Gemeinden werden nach und nach auch kommen, so daß zu der Patentgebühr von Fr. 92, 40 im Jahr noch eine Gemeindegebühr von Fr. 184. 80 oder zusammen auf einen einzigen Automaten im Jahr Fr. 277. 20 entfallen. Eine Gemeinde, Niederlenz, hat nun sogar noch Fr. 15 Polizeisteuer von einem Automaten verlangt, so daß pro Automat jährlich beinahe Fr. 300 bezahlt werden müsse, für die 26 Automaten Fr. 7800. Eine solche Besteuerung mache nicht nur den Betrieb der Automaten gewinnlos, vielmehr stürze sie die Rekurrentin in kurzer Zeit in Schulden.

Die Verordnung des Regierungsrates stützt sich auf § 4, litt, c, des aargauischen Hausiergesetzes, lautend : ,,Als Hausierverkehr ist zu behandeln : ,,e. Das Aufstellen und Feilbieten von Waren außerhalb der Gemeinde, in welcher der Betreffende seinen ordentlichen Wohnsitz hat."

Diese Bestimmung kann in einer Richtung auf die Automaten angewendet werden, nämlich insofern, als der Eigentümer des Automaten die darin ruhenden Gegenstände ausstellt, feilbietet und den Preis dafür einzieht. In einer ändern Richtung dagegen ist die Gesetzesbestimmung ohne Zweifel auf die Automaten nicht anwendbar. Denn wenn das Gesetz von Ausstellen und Feilbieten außerhalb des ordentlichen Wohnsitzes spricht und es unter den Begriff des Hausiergewerbes stellt, geht es zweifellos davon aus, daß das Feilbieten ein zeitweiliges, nicht ein ständiges, auf eine und dieselbe Ortschaft beschränktes, sei. Daher spreche auch § 12 des Gesetzes, welcher die von den Gemeinden zu beziehenden Gebühren regelt, davon, die Gemeindegebühr sei ,,im Verhältnis

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der Dauer der Zeita, während welcher der Erwerb in der Gemeinde ausgeübt wird, zu berechnen. Hier sei von einem Bruchteil des Jahres (Dauer der Zeit) die Rede, und in dem ebendort zitierten § 30 des Gemeindesteuergesetzes ist ausdrücklich gesagt, daß es sich um ein Handeltreiben auf ,,kürzere Zeit"' handle.

Außerdem komme man aber bei Anwendung der §§ 4, c, und 12 des Hausiergesetzes auf ein das ganze Jahr hindurch in derselben Gemeinde ausgeübtes Feilbieten auf ganz unmögliche Ziffern, nämlich auf zirka Fr. 300 per Automat, was im Kanton Aargau der progressiven Jahressteuer von Fr. 8000 Reinerwerb entspreche, während der Automat im Maximum zirka 5 °/o Kapitalzins abtrage, d. h. Fr. 20.

Deshalb ist es nicht möglich, das Hausiergesetz auf die Automaten anzuwenden. Da nun das Hausiergesetz für den vorliegenden Fall nicht geschaffen worden ist, so fehlt den aargauischen Behörden die Kompetenz, die Rekurrrentin darunter zu stellen und ihr so die Handels- und Gewerbefreiheit zu entziehen. Hiergegen müsse ihr der Art. 31 der Bundesverfassung Schutz gewähren.

Eine andere Frage sei die, ob die Rekurrentin angehalten werden könne, in den einzelnen Gemeinden die ordentlichen Steuern für den aus den Automaten sich ergebenden Reingewinn zu versteuern. Sie versteuerte bisher den ganzen Reingewinn in Bern. Sollte in Zukunft in den ändern Kantonen vom einzelnen Automaten Erwerbssteuer verlangt und dies bundesrechtlich für zulässig erklärt werden, so würden eben die Steuern in Bern nicht mehr bezahlt werden, und hierbei könnte die Rekurrentin bestehen.

Unter allen Umständen aber, auch wenn das Hausiergesetz für anwendbar erklärt würde, könnten doch die monströsen Taxen nicht gefordert werden, welche viel höher sind als der Ertrag nach Abzug der Betriebskosten. Hierüber möge der Bundesrat eine Expertise anordnen an Hand der Bücher der Rekurrentin.

Wenn aber schon die Hausiertaxen verlangt werden, dann können nicht auch noch die ordentlichen Steuern gefordert werden.

Deshalb erhebt die- Rekurrentin aus Art. 31 der Bundesverfassung grundsätzlich, unter allen Umständen aber wegen viel zu hoher Taxierung, Beschwerde.

Zugleich ersucht sie um Erlaß einer vorsorglichen Verfügung, durch welche der Regierungsrat des Kantons Aargau eingeladen würde, die Anwendung des Hausiergesetzes auf die

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Rekurrentin sowohl seinerseits als von Seiten der Gemeinden bis zum Entscheid des Rekurses zu sistieren ; sonst müßte die Rekurrentin, um nicht Schulden zu machen, die Automaten schließen.

n.

Der Regierungsrat des Kantons Aargau, zunächst zur Vernehmlassung auf das provisorische Begehren der Rekurrentin aufgefordert, brachte in dieser Hinsicht folgendes vor: Die Rekurrentin habe am 1. April Patente für ein Vierteljahr gelöst und die Erklärung in Händen, daß ihr die bezahlten Beträge, falls sie mit ihrem Rekurs obsiegen sollte, zurückbezahlt würden. Der Rekurs dürfte bis Ende Juni entschieden werden.

Deshalb und weil die Vollziehung der verlangten Sistierung auf Schwierigkeiten stoßen würde, halte der Regierungsrat dafür, man könne von der provisorischen Maßregel Umgang nehmen.

in.

Der Bundesrat hat hierauf am 15. Mai 1901 bezüglich der vorsorglichen Verfügung in E r w ä g u n g , des von den Parteien Angebrachten, sowie, daß für den Fall einer Weiterziehung der Beschwerdesache an die Bundesversammlung der frühestens bis Ende Juni 1901 auszufallende Bundesratsentscheid noch längere Zeit nicht in Rechtskraft erwächst, daß für diesen Fall die vorläufige Sicherstellung der bedrohten rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne der Art. 185 und 191 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 durch Erlaß einer vorsorglichen Verfügung als angemessen erscheint, beschlossen: Der Regierungsrat des Kantons Aargau wird eingeladen, dafür besorgt zu sein, daß gegenüber der Beschwerdeführerin aus der angefochtenen Verordnung vom 9. März 1901 bis zur definitiven Entscheidung der Beschwerdesache keine weitern Ansprüche erhoben werden.

225 IV.

In Bezug' auf die Hauptbegehren der Rekurrentin brachte dann der Regierungsrat des Kantons Aargau in der Rekursbeantwortung folgendes an: Es bestand unsererseits nie die Absicht, die Rekurrentin ausnahmsweise zu behandeln. Die Rekurrentin konnte sich denken, daß ihr Gewerbebetrieb nicht unbesteuert bleiben werde. Deshalb erließen wir am 9. März den nunmehr angefochtenen Nachtrag zur Vollziehungsverordnung vom 12. Juni 1899 zum Gesetz über den Markt- und Hausierverkehr. Das Gesetz ist unanfechtbar. Der Gewerbebetrieb der Rekurrentin gestaltet sieh offenbar lukrativ, denn sie bezahlt der Nordostbahn als Konzessionsgebühr für das ganze Bahnnetz pro Jahr eine Entschädigung von Fr. 6000.

Die Patentgebühr von Fr. 92. 40 pro Jahr ergibt pro Tag eine Taxe von 25 Rappen, was angesichts des großen Absatzes und des beträchtlichen Gewinnes eine Kleinigkeit ist, und dasselbe läßt sich sagen, wenn die Gemeinden noch 50 Rappen pro Tag verlangen. Auch hierin liegt noch keine Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit. Die Rekurrentin ergeht sich nur in allgemeinen Klagen über die Höhe der Abgaben und spricht sich nirgends über den Erfolg ihres Gewerbes aus. Wir smd bereit, die Taxen zu ermäßigen, sobald der Nachweis vorliegt, daß dieselben mit dem Erwerb in keinem richtigen Verhältnis stehen.

Die Anwendung des Hausiergesetzes auf den Automatenbetrieb ist keine Willkür und der Bundesrat nicht berechtigt, den angefochtenen Nachtrag in dieser Hinsicht der Nachprüfung zu unterstellen. Es kann sich nur fragen, ob die Höhe der Patenttaxe den Grundsatz der. Handels- und Gewerbefreiheit verletze.

Das behauptet allerdings die Rekurrentin, aber damit ist nichts bewiesen. Es liegt auch im Vergleich zu ändern Patentinhabern keine ausnahmsweise Behandlung vor, denn der Gewerbebetrieb der Rekurrentin ist weniger belastet als der anderer Patentinhaber, weil er während des ganzen Jahres ununterbrochen ausgeübt wird, während andere Patentinhaber den Betrieb an Sonnund Feiertagen einstellen müssen. Auch die sonstigen Kosten sind geringer für die Rekurrentin, da sie nicht für jeden Automaten besondere Verpflegungskosten etc. hat. Die Rekurrentin ist gegenüber ändern Hausierern auch günstiger gestellt durch die Möglickeit, ihre Waren im großen einzukaufen, und durch den Massenabsatz. Andererseits hat die Regierung den Markt- und

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Hausierverkehr zu regeln und dafür zu sorgen, daß der kleine Gewerbetreibende nicht durch den kapitalistischen Gewerbebetrieb der Aktiengesellschaften ruiniert werde.

Das Gesetz, auf welches sich der angefochtene Nachtrag zur Vollziehungsverordnung stützt, macht keinen Unterschied danach, ob das Feilbieten und Ausstellen von Waren nur vorübergehend oder ständig stattfindet, und gerade dieses Ausstellen und Feilbieten wird als Hausierverkehr erklärt (§ 4, lit. c, des Hausiergesetzes).

Daß das Feilhalten und Ausstellen von seiten der Rekurrentin das ganze Jahr betrieben wird, legt allerdings den Gedanken nahe, die Automaten als Zweigniederlassungen der Rekurrentin zu betrachten und der ordentlichen Besteuerung als solche zu unterwerfen. Wenn die Rekurrentin dies der Anwendung des Hausiergesetzes auf sie vorzieht, so steht es ihr frei, bei den kantonalen Steuerbehörden Beschwerde zu führen. Wir behalten uns vor, diese Frage zu prüfen. Die ganze Frage ist also eine rein technische Steuerfrage, die nach der kantonalen Gesetzgebung zu beurteilen ist. Auf Grund des Vorgebrachten verlangte die aargauische Regierung Abweisung des Rekurses.

V.

In ihrer Replik führt die Rekurrentin aus : Die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Aargau wurde eigens der Rekurrentin wegen gemacht. Das Hausiergesetz konnte auf sie nicht angewendet werden, weil es von ihrem Gewerbebetrieb nicht handelt. Der Kanton Aargau könnte von der Rekurrentin ein Hausierpatent nur verlangen, wenn sein Gesetz ihm dafür eine Handhabe böte, was nicht der Fall ist.

Die Regierung gibt zu, daß die Abgaben nicht so hoch bemessen werden dürfen, daß sie prohibitiv wirken, bestreitet aber> daß dies in concreto geschehen sei. Diese Abgaben belaufen sich auf 75 Rp. täglich oder Fr. 273. 75 pro Jahr und Automat. Der Regierungsrat findet, das sei wenig, weil er glaubt, es werde mit den Automaten viel Geld verdient. Die Gesellschaft beruft sich auf ihre Bücher und eine Expertise. Sie legt eine Zusammenstellung betreffend das Rechnungsergebnis der Automaten im Kanton Aargau zu den Akten.

In drei Monaten brachten alle Automaten im Aargau eine Bruttoeinnahme von Fr. 2209. 75 oder pro Jahr Fr. 8839. --

227

1.

2.

3.

4.

5.

Übertrag Fr. 8839. -- Die Auslagen bestehen in folgendem : Durchschnittspreis der verkauften Waren und Packungen (65 °/o der Einnahmen) Fr. 5745. -- Platzmiete : Nordostbahn . . Fr. 900. -- Centralbahn . . ,, 208. 20 Seetalbahn . . fl 46. 80 ,, 1155. Amortisation der Automaten (l 0 °/o von Fr. 10,260) ,, 1026. -- Kapitalverzinsung (5 % von Fr. 10,260) ,, 513.-- Verlust auf Falsifikaten (2 % der Einnahmen) ,, 176. 80 Summa _ 8615,80 Bleiben Nettoeinnahmen Fr.

223. 20

Daraus sind alle Verwaltungsspesen, zirka 15 % des Kapitals, zu bezahlen, so daß die Einnahmen nicht einmal zur Amortisation hinreichen ; ein Gewinn ist also nicht vorhanden und es ist nicht abzusehen, woraus nun noch etwa Fr. 8000 Hausiersteuer bezahlt werden sollen.

Auf eine Vermehrung der Einnahmen ist nicht zu rechnen.

Aber auch wenn wider Erwarten eine solche eintreten sollte, so ist doch an eine Rendite der in Frage stehenden Stationen nicht zu denken. Die Höhe der Platzmieten erklärt sich daraus, daß einmal der Eigentümer dem Mieter den Preis bestimmt und daß die Bahnen dafür auch das Füllen der Automaten und die Aufbewahrung und Ablieferung der Einnahmen besorgen.

Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Automatengesellschaft nicht auf Dividendenjägerei ausgeht, sondern allfällige Überschüsse über eine 5 °/oige Kapitalverzinsung hinaus wohltätigen Zwecken, speziell Blindenanstalten zuweist. Früher stand dies ausdrücklich in den Statuten und in den letzten fünf Jahren konnten Fr. 12,000 so verwendet werden. Als dann die neuen Apparate angekauft wurden, mit einer Auslage von Fr. 100,000, waren für die Verzinsung so viel Mittel in Anspruch zu nehmen, daß in den Statuten die Verpflichtung der Verwendung der Überschüsse zu wohltätigen Zwecken nicht mehr festzuhalten war. Sollten die Erträgnisse wieder anwachsen, so käme man wieder auf jene Bestimmung zurück. Auch besteht bei der Platzmiete von der

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Centralbahn jetzt noch das Abkommen, daß 14 °/o davon für wohltätige Zwecke verwendet werden.

Die aargauische Industrie wird durch den Automatenbetrieb nicht geschädigt; ein großer Teil der Zigarren und alle Kartonverpackungen für vier Artikel werden im Kanton Aargau hergestellt. Endlich sei noch darauf hingewiesen, daß die Nahrungsmittelautomaten vielen Personen einen wirklichen Dienst erweisen ' und sie der Notwendigkeit entheben, Wirtschaften aufzusuchen.

Eine Besteuerung der Automaten, wie sie der Kanton Aargau vornehmen will, müßte die Einrichtung, die sich im Ausland.

unbehelligt entwickelt, unterdrücken. Die Gesellschaft könnte noch bei einem viel kleineren Ansatz nicht bestehen. Des B'riedens wegen, aber ohne Anerkennung der Rechtspflicht, wollte sie ja ein Opfer bringen; das Höchste aber, was sie anbieten kann, wäre eine monatliche Abgabe von Fr. 2 pro Automat für Staat und Gemeinde zusammen.

VI.

In der Duplik führte der Regierungsrat des Kantons Aargau aus: Mit ihrer Offerte am Schluß der Replik anerkennt die Rekurrentin grundsätzlich das kantonale Besteuerungsrecht. Aber der Regierungsrat kann sich damit nicht begnügen, weil er das Hausiergesetz gegen alle, welche im Sinn desselben steuerpflichtig sind, in gleicher Weise anzuwenden pflichtig ist, und weil die Erhebung und Feststellung der Gemeindesteuer nicht seine Sache, sondern Aufgabe der zuständigen Gemeindesteuerkommission ist.

Die in der Replik aufgestellte Rechnung kann hierseits nicht anerkannt werden. Es ist anzunehmen, daß sich die Einnahmen aus den Automaten noch bedeutend steigern werden, da die Frequenz der Apparate in den Sommermonaten eine viel größere zu sein pflegt als im Winter. Das kantonale Steuergesetz gestattet bei der .Besteuerung des Erwerbs und des Gewerbefonds keine Abzüge für Verzinsung, Platzmiete, Ankaufspreis des Betriebsmaterials, Amortisation, allfällige Verluste, Verwaltungsspesen etc.

Die staatliche Hausiersteuer vertritt die zu Staatszwecken zu entrichtende Vermögens- und Erwerbssteuer. Die Rekurrentin hat keinen Anspruch auf ausnahmsweise Behandlung.

Daß die in den Automaten feilgebotenen Waren die Gesellschaft 65 °/o der Einnahmen kosten, ist bei dem Massenankauf

229 bei welchem die Lieferanten dem Abnehmer stets großon. Rabatt bewilligen, nicht denkbar.

Die Rekurrentin soll sich zunächst an ihre Vermieter wenden um Reduktion der horrenden Platzmieten, die auch zu hoch sind, wenn die Bahnen die geringen Dienste des Füllens der Automaten, der Aufbewahrung und Ablieferung der Einnahmen versehen.

Daß innert fünf Jahren Fr. 12,000 an Blindenanstalten aus den Einnahmen der Automaten abgeführt werden konnten, beweist, daß das Geschäft der Rekurrentin gewinnbringend sein muß und es ist nur auffallend, daß der Blindenparagraph aus den Statuten verschwunden ist.

Unrichtig ist die Behauptung, das Gesetz über den Hausierverkehr erlaube der Staatsbehörde nicht, den modernen Geschäftsbetrieb durch Automaten im Sinn der erlassenen Verordnung zu besteuern.

VII.

Im Januar 1902 traten die Parteien in Vergleichs Verhandlungen ein. Am 12. März teilte die Rekurrentin dem Justiz- und Polizeidepartement mit, die aargauische Regierung habe die Unterhandlungen wieder abgebrochen, und ersuchte um Ausfällung des Entscheids durch den Bundesrat.

VIII.

Als Aktenergänzung verlangte das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement von der Rekurrentin eine Zusammenstellung der Einnahmen aus den im Kanton Aargau aufgestellten Automaten während des ersten Betriebsjahres. Die Rekurrentin legte hierauf am 8./9. April 1902 einen beglaubigten Buchauszug, enthaltend eine Rentabilitätsberechnung der im Aargàu aufgestellten Apparate für das Jahr 1901, ins Recht, welcher der Regierung des Kantons Aargau zugestellt würde und dieser laut Zuschrift derselben vom 29. April 1902 keinen Anlaß bot, die Richtigkeit der notarialisch beglaubigten Berechnung zu bezweifeln. Der Buchauszug lautet folgendermaßen :

230 Rentabilitätsberechnung der im Kanton Aargau aufgestellten Automaien pro 1901.

Fr.

Fr.

Bruttoeinnahmen 11,483.40 Selbstkostenpreis d e r Waren . . . . 7464. 2 0 Platzmieten für 12 Automaten N. 0. B.

à Fr. 75 900. -- Platzmieten für 3 Automaten N. 0. B.

à Fr. 37. 50 112. 50 5 °/o Provision an die Vorstände N. 0. B.

von Fr. 6506. 30 325. 30 10 % Provision an die S. C. B. . . .

352. 30 15 % für wohltätige Zwecke . . . .

528. 45 4 % Provision an die Vorstände S. C. B.

140. 90 15 % Provision an die S. T. B. von Fr. 1454. 20 218. 10 10 % Amortisation von 29 Automaten = Fr. 11,940 1194. -- l % Falsifikate von Fr. 11,483. 40 .

114. 80 11,350.55 Bruttoertrag

132.85

Die allgemeinen Geschäftsspesen, die zirka 15 % des Umsatzes = zirka Fr. 1722 betragen, sind in obiger Rentabilitätsberechnung n i c h t berücksichtigt, so daß wir in Wirklichkeit weder einen Kapitalzins von 5 °/o verdienen, noch in der Lage sind, die statutarische Abschreibung von 10 °/o auf den Automaten vorzunehmen, indem der B r u t t o e r t r a g nur Fr. 132. 85 beträgt.

IX.

Die Nachtragsverordnung vom 9. März 1901 hat folgenden Wortlaut : Der Regierungsrat des Kantons Aargau, in Anwendung des § 4 des Gesetzes über den Markt- und Hausierverkehr vom 12. März 1879, in Erweiterung der §§ 8 und 14 der neuen Vollziehungsverordnung vom 12. Juni 1899, beschließt:

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Zu § 8.

Bei Geschäftsbetrieben, die durch öffentlich aufgestellte Automaten vermittelt werden, soll das Patent im Besitz derjenigen Person sein, welche den Automaten bedient, beziehungsweise überwacht.

Zu § 14.

VI. a. Geschäftsbetriebe, in welchen die Abgabe von Waren durch öffentlich aufgestellte Automaten vermittelt wird, bezahlen folgende Gebühren: 1. Automaten mit e i n e m Einwurf: Fr. 10 bis Fr. 50 per Jahr, beziehungsweise Fr. 1. 50 bis Fr. 8 per Monat.

2. Automaten mit mehreren Fächern : Die Grundtaxe unter l, sowie für jede weitere Abteilung einen Zuschlag von Fr. 2 bis Fr. 5 per Jahr, beziehungsweise 50 Rp.

bis Fr. l per Monat.

6, Automatische Wagen und Versicherungsautomaten jeder Art, die an einem öffentlichen Platz aufgestellt sind, bezahlen : Fr. 5 bis Fr. 20 per Jahr, beziehungsweise Fr. l bis Fr. 3 per Monat.

c. Automatische Panoramen, an öffentlichem Platz aufgestellt, bezahlen: Fr. 5 bis Fr. 20 per Jahr, beziehungsweise Fr. l bis Fr. 3 per Monat.

Ist der Ertrag solcher Panoramen für einen allgemeinen, öffentlichen oder einen wohltätigen Zweck im Kanton bestimmt, so kann die Gebühr ganz oder teilweise erlassen werden.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

L Zur Entscheidung über den rechtzeitig eingelegten Rekurs ist der Bundesrat gemäß Art. 189, Ziffer 3, des Organisationsgesetzes kompetent, da die Rekurrentin. ihre Beschwerde auf die Behauptung stützt, die Bestimmungen des angefochtenen Nachtrags vom 9. März 1901, publiziert den 23. März 1901, zur Voll-

232

Ziehungsverordnung zum aargauischen Hausiergesetz, sowie die Anwendung dieser Bestimmungen auf den Gewerbebetrieb der ßekurrentin bilden eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, des Art. 31 der Bundesverfassung.

II.

Der Bundesrat ist also in Sachen nur zuständig, insofern es sich um die Wahrung des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit handelt.

Einerseits bestreitet nun die Rekurrentin das Recht der Regierung des Kantons Aargau zur Besteuerung des Gewerbebetriebes durch Automaten, wie jedes Gewerbebetriebs überhaupt, im Prinzip nicht.

Andererseits ist der Bundesrat nicht kompetent zur Entscheidung der Frage, ob diese Besteuerung in Anlehnung an das Hausiergesetz geschehen könne oder auf andere Weise ins Werk zu setzen sei ; denn dies ist eine Frage der Interpretation kantonaler Rechtsnormen und muß als solche der Kantonsregierung überlassen bleiben. Der einzig denkbare Fall, in welchem sich eine Bundesbehörde mit dieser Frage zu befassen hätte, wäre der, daß aus der Lösung der Frage, wie sie die Kantonsregierung gefunden, eine Doppelbesteuerung resultierte. Hierüber aber würde dem Bundesgerichte die Entscheidung zustehen.

Der Prüfung des Bundesrates unterliegt also nur die Frage, ob die angefochtene Verordnung über die der kantonalen Gesetzgebung durch Art. 31 der Bundesverfassung gezogenen Schranken hinausgeht, ob in den Bestimmungen der angefochtenen Verordnung an sich oder in der auf Grund dieser Bestimmungen erfolgten Festsetzung der Höhe der von der Rekurrentin zu entrichtenden Patenttaxen eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit liege.

m.

Als Konsequenz ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, daß bei der Prüfung der angefochtenen Verordnung vom Gesichtspunkt der Handels- und Gewerbefreiheit aus für den ßundesrat diejenigen Grundsätze wegleitend sein müssen, welche bisher bei der Beurteilung der. kantonalen Gesetze über den Hausierverkehr durch die Bundesbehörde Anwendung gefunden haben.

Nach bisheriger Praxis wurde eine Beeinträchtigung jenes Ver-

233 fassungsprinzipes durch kantonale Gesetze oder Verordnungen dann angenommen, wenn die Kantone fixe Ansätze aufstellten und anwenden wollten, die ein billiges Ermessen im einzelnen Fall, eine angemessene Würdigung des Hausiergewerbes nach der Natur und dem Umfang des Geschäfts und nach der Zeit, während der es ausgeübt wird, nicht gestatten. Wenn aber die kantonalen Erlasse ein Minimum und Maximum der Patenttaxen enthielten, innerhalb deren eine billige Abschätzung eines einzelnen Gewerbes möglich war, so unterlagen dieselben grundsätzlich vom bundesrechtlichen Standpunkte aus keiner weitern Kritik, es wäre denn, daß im konkreten Fall auf ein bestimmtes Gewerbe eine offenbar unbillige, unverhältnismäßig hohe Taxe angewendet werden wollte (v. Salis, Bundesrecht, II, pag. 225, Nr. 615).

IV.

Überprüft man nun die angefochtene aargauische Verordnung von diesen Gesichtspunkten aus, so ergibt sich zunächst folgendes : In der Verordnung sind für den Automatenbetrieb Minimalund Maximaltaxen festgesetzt und es ist auch durch Bestimmung des minimalen und maximalen Patentbetrages pro Monat die Möglichkeit der Würdigung des einzelnen Falles hinsichtlich der Dauer des Gewerbebetriebes gegeben. Somit befindet sich die Verordnung im allgemeinen in voller Übereinstimmung mit den für die Besteuerung des Hausierverkehrs maßgebenden Grundsätzen.

Die Verordnung ist weder aus dem Grund, daß sie den Geschäftsbetrieb der Rekurrentin überhaupt zur Steuerpflicht heranzieht, noch deshalb verfassungswidrig, weil sie dies nach Analogie des Hausierhandels, d. h. ohne Rücksichtnahme auf den effektiven Erwerb der Rekurrentin tut.

Soweit deshalb die Rekurrentin prinzipiell die Aufhebung der Verordnung des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 9. März 1901 und der hierauf sich stützenden Vollziehungsmaßregeln der Regierung und Gemeinden verlangt, kann ,ihr Begehren vom Bundesrat nicht geschützt werden.

V.

Der Prüfung der Verordnung in Hinsicht auf die Höhe der Taxansätze ist folgendes voranzuschicken :

234

Die Verordnung als Nachtrag zur Vollziehungsverordnung zum aargauischen Gesetz über den Markt- und Hausierverkehr vom 12. März 1879 darf nicht isoliert, sie muß im Zusammenhang mit diesem Gesetz betrachtet und beurteilt werden. Nach § 12 dieses Gesetzes sind nämlich die Gemeinden, in welchen der patentpflichtige Handel betrieben wird, berechtigt, von den Inhabern des Patentes eine dem doppelten Betrag des vorgesehenen Maximums der Patentgebühr gleichkommende Taxe zu beziehen.

Im vorliegenden Fall haben die Gemeinden denn auch sofort, zwar nicht das Doppelte des Maximums, aber doch das Doppelte der vom Staat verlangten Patenttaxe beansprucht. Die Folge davon ist, daß in Wirklichkeit nicht die nach der angefochtenen Verordnung berechnete, sondern eine dreimal höhere Taxe bezahlt werden muß.

Die von der Regierung des Kantons Aargau für einen achtteiligen Automaten eingeforderte Taxe beträgt pro Jahr zirka Fr. 92. Die Gemeinden verlangen das Doppelte, so daß die ganze Automatengebühr im Jahr Fr. 276 ausmacht. Die Rekurrentin hätte also, wenn man der Einfachheit halber nur mit achtteiligen Automaten rechnet, im Jahr für ihre bei Einlegung der Beschwerde im Kanton Aargau aufgestellten 26 Apparate -- z. Z.

sind es 29 -- zirka Fr. 7000 an Gebühren zu bezahlen. Die Sache gestaltet sich wesentlich anders, wenn man die Minimaltaxen zu Grunde legt. Die Jahresgebühr pro achtteiligen Automaten stellt sich dann auf Fr. 72, also für 26 Automaten auf Fr. 1872, für 29 Apparate auf Fr. 2088.

Nun hat sich die Regierung des Kantons Aargau anerboten, die eingeforderten Taxen herunterzusetzen, sobald ihr nachgewiesen werde, daß sich dieselben in keinem richtigen Verhältnis zum Erwerb der Rekurrentin befinden. Nach der von der Rekurrentin ins Recht gelegten, von der Regierung des Kantons Aargau anerkannten Rentabilitätsberechnung der im Kanton Aargau aufgestellten 29 Automaten für das Jahr 1901 ergaben dieselben einen Bruttoertrag von Fr. 132. 85. Diese Summe wird von der Rekurrentin als Bruttoertrag bezeichnet, weil die zirka Fr. 1722 betragenden allgemeinen Geschäftsspesen und eine Kapitalrerzinsung bei der Rentabilitätsberechnung nicht in Abzug gebracht wurden.

Die aargauische Regierung hat nun betont, die Automatengesellschaft bezahle zu hohe Platzmieten und Provisionen an die Bahnen. Allein dies kann dem Standpunkt der Rekurrentin keinen

235

Abbruch tun, denn in ihrer Macht steht es schlechterdings nicht, in dieser Hinsicht eine Änderung herbeizuführen, sie ist einfach genötigt, die Bedingungen der Bahnen anzunehmen. Eine Konkurrenz ist ja nicht vorhanden. Übrigens.sind die an die Bahnen zu entrichtenden Gebühren nicht, übermäßige zu nennen, wenn man im Auge behält, daß die Bahnen auch die Besorgung der Automaten und die Rechnungsführung für dieselben übernehmen. Laut der Rentabilitätsberechnung (s. oben) bezahlte die Rekurrentin für das Jahr 1901 den Bahnen an Platzmieten und Provisionen Fr. 2577. 55 für 29 Automaten, was pro Tag und Automat einer Gebühr von 25 Rp. gleichkommt.

Würden übrigens auch diese Gebühren wesentlich verringert oder sogar ganz wegfallen, wie dies z. B. auf ausländischen Bahnen teilweise der Fall ist, so wäre das Ergebnis noch nicht im entferntesten hinreichend zur Deckung der vom Kanton Aargau geforderten Taxen. Die Berechnung würde sich folgendermaßen gestalten : Schlägt man zum Bruttojahresertrag von 29 Automaten die Platzmieten und Provisionen an die Bahnen

Fr. 132. 85 ,, 2577. 55

so erhält man ein Jahresbruttöergebnis von Summa

Fr. 2710. 40

Für 29 Apparate (wir rechnen der Einfachheit halber nur mit achtteiligen Automaten) müßten als Hausiersteuer nach der Taxierung der aargauisehen Regierung entrichtet werden als Maximalgebühr Fr. 8004.

Zur Deckung der Minimaltaxen im Betrage von Fr. 1688 für 29 Automaten würde die Bruttoeinnahme, unter Wegfall der Platzmieten, allerdings genügen. Dennoch wären die Minimaltaxen selbst für diese günstigen Umstände viel zu hoch, da sie ja mehr als 60 % der Bruttoeinnahmen verschlängen, bei deren Berechnung ja keine Amortisation, kein Kapitalzins etc. aufgenommen ist.

In dem zu Anfang des Verfahrens eingelegten Buchauszug über die Rentabilität der Apparate während eines Vierteljahres stellte die Rekurrentin eine Amortisation von 10 % und einen Kapitalzins von 5 °/o in Rechnung, zwei Posten, gegen deren Berechnung weder im Prinzip noch hinsichtlich ihrer Höhe vom kaufmännischen Standpunkt aus etwas eingewendet werden kann.

Im zweiten Buchauszug, enthaltend das Jahresergebnis des Automatenbetriebes pro 1901, ist nur mehr eine 10%ige Amorti-

236

sation berechnet, und auch wenn man diese ganz außer Rechnung lassen würde, so reichte doch das hierdurch gewonnene neue Bruttoergebnis der Jahresrechnung Fr. 132. 85 ,, 1194.-- Summa Fr. 1326. 85 nicht zur Deckung der Minimaltaxen (Fr. 1688) hin.

Der von der aargauischen Regierung geforderte Nachweis dafür, daß die Patenttaxen in keinem richtigen Verhältnis zum Erwerb der Rekurrentin sich befinden, ist durch die anerkannte Rentabilitätsberechnung der Rekurrentin und die daraus zu ziehenden Schlüsse erbracht.

Aus dieser Berechnung geht aber hervor, 1. daß die Rekurrentin aus dem Ertrag der Automaten die Patentgebühren selbst bei Zugrundelegung der Minimaltaxen nicht bezahlen kann ; 2. daß überhaupt von einem Erwerb der Rekurrentin nicht gesprochen werden kann, da sie mit dem Automatenbetrieb im Kanton Aargau nicht einmal auf ihre Kosten kommt.

Wenn nun die Rekurrentin in ihrem eventuellen Hauptbegehren verlangt, die Regierung des Kantons Aargau solle eine Verordnung und. Taxation aufstellen, welche der Rekurrentin gestatten, ihr Gewerbe noch mit Nutzen zu betreiben, so fordert sie offenbar etwas Unmögliches. Denn die eigenen Berechnungen der Rekurrentin beweisen, daß, auch wenn der Staat Aargau gänzlich von einer Besteuerung des Automatenbetriebes absehen könnte und würde, dieser Betrieb mindestens zur Zeit noch keinen Nutzen abwerfen würde.

Angesichts dieser Tatsachen und angesichts dessen, daß trotz alledem die Rekurrentin selbst, wenn .auch unter Ablehnung der Rechtspflicht, die Bezahlung einer bescheidenen Gebühr anerbietet, drängt sich die Frage auf, welches Interesse die Rekurrentin wohl daran habe, den unrentabeln Automatenbetrieb überhaupt noch fortzusetzen. Die einzig denkbare Antwort ist die, daß die Rekurrentin hofft, ihr Geschäftsbetrieb werde, wie der Automatenbetrieb in ändern Ländern, sich mit der Zeit günstiger gestalten, werde späterhin nicht nur im stände sein, die allgemeinen Geschäftsspesen zu decken, sondern auch noch einen annehmbaren Gewinn abwerfen.

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Bei Berücksichtigung der Höhe der geforderten Taxen, der Höhe der Abgaben unter Zugrundelegung der Minimaltaxen und des derzeitigen Ergebnisses der anerkannten Rentabilitätsberechnung ist nicht abzusehen, wann, die günstige Entwicklung des rekurrentischen Geschäfts vorausgesetzt, das Betriebsergebnis so groß sein wird, daß daraus auch nur die Minimaltaxen nach den Ansätzen der angefochtenen Verordnung in Verbindung mit dem Hausiergesetz, § 12, bestritten werden können. Diese Minimaltaxen werden eine angemessene Würdigung des Automatengewerbes zur Unmöglichkeit .machen, und somit kann mit Fug und Recht behauptet werden, die Verordnung stehe in dieser Hinsicht im Widerspruch mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit. Dieser Widerspruch tritt besonders darin zu Tage, daß die Minimalansätze der Verordnung betragen : Fr. 10 per Jahr, bezw. Fr. 1. 50 per Monat für Automaten mit einem Einwurf; für die meist achtteiligen Automaten der Rekurrentin steigert sich das Minimum auf Fr. 24 per Jahr oder Fr. 4 per Monat, woraus sich bei der Verdoppelung der Taxe für die Gemeinde nach § 12 des Hausiergesetzes Minimaltaxen im Gesamtbetrage von Fr. 30 bezw. Fr. 72 per Jahr, Fr. 4. 50 bis Fr. 15 per Monat ergeben.

Derartige Ansätze müssen, auch wenn man annimmt, daß der Betrieb der Gesellschaft iu absehbarer Zeit angemessene, der Kapitalanlage und den Betriebsausgaben entsprechende Einahmen ergeben sollte, vollständig prohibitiv wirken. Ein solches Resultat ist aber mit dem Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit unvereinbar.

Es erübrigt nunmehr noch, auf einen Punkt der Beschwerde einzutreten, auf welchen sich die Regierung des Kantons Aargau in ihren Vernehmlassungen gar nicht eingelassen hat. Die Gemeinde Niederlenz hat nämlich von der Rekurrentin auch noch eine ordentliche Steuer, eine Polizeisteuer, verlangt.

Die Rekurrentin protestiert hiergegen ohne nähere Angabe des Grundes. Der Bundesrat muß es sich versagen, die Frage zu prüfen, ob das Vorgehen der Gemeinde ein berechtigtes, verfassungsmäßiges sei oder nicht, und zwar deshalb, weil sich der Rekurs in diesem Punkt nicht gegen eine Entscheidung der höchsten kantonalen Instanz richtet. Die Rekurrentin hätte ihren Protest gegen die Maßnahme der Gemeinde Niederlenz zunächst bei den kantonalen Steuerbehörden anbringen müssen. Außerdem ist auch hier zu bemerken, daß Fragen der Doppelbesteuerung nicht vor das Forum des Bundesrates gehören.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. IV.

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Demnach wird erkannt: 1. Die in dem Nachtrag vom 9. März 1901 zu der neuen Vollziehungsverordnung vom 12. Juni 1899 zum aargauischen Gesetz über den Markt- und Hausierverkehr unter ,,Zu § 14, VI, a, l, 2a enthaltenen Gebührenansätze, sowie die auf Grund derselben und des Hausiergesetzes erfolgte Taxation des Automatenbetriebes der Rekurrentin durch die Regierung des Kantons Aargau und die beteiligten aargauischen Gemeinderäte werden als mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit im Widerspruch stehend aufgehoben, unter Behaftung der Regierung des" Kantons Aargau bei ihrem Versprechen der Rückerstattung der zu viel bezogenen Gebühren an die Rekurrentin.

2. Der Regierungsrat des Kantons Aargau wird eingeladen, seine Verordnung vom 9. März 1901 in einer den Grundsätzen des Art. 31 der Bundesverfassung angemessenen Weise abzuändern.

3. Im übrigen wird der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 15. August 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Zeni}).

Der I. Vizekanzler : Schatzmaim.

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# S T #

Bundesratsbeschluß betreffend

die Niederlassung französischer Orden und Kongregationen in der Schweiz.

(Vom 19. August 1902.)

Der schweizerische Bundesrat, auf den Antrag seines Justiz- und Polizeidepartements, besehließt: I.

In Frankreich wurde nach heftigen parlamentarischen Kämpfen am 1. Juli 1901 ein Vereinsgesetz erlassen (loi relative au contrat d'association, vgl. Journal officiel de la République française vom 2. Juli 1901). In Art. 13 dieses Gesetzes wird vorgeschrieben, daß keine religiöse Vereinigung (aucune congrégation religieuse) sich bilden kann ohne ein Gesetz, welches ihr die Befugnisse dazu erteilt. Für die bestehenden Kongregationen, welche nicht schon früher anerkannt oder autorisiert wurden, wird in Art. 18 bestimmt, daß dieselben innert 3 Monaten von der Publikation des Gesetzes weg den Nachweis der Erfüllung der Vorschriften des neuen Gesetzes leisten müssen, ansonst sie als von Gesetzes wegen für aufgelöst gelten. Durch VollziehungsVerordnung des Ministeriums vom 1. Juli 1901 wurde näher bestimmt, in welcher Form die Gesuche der Kongregationen um Erteilung der Staatsgenehmigung gestellt werden müßten.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde der schweizerischen Automatengesellschaft in Bern gegen den Regierungsrat des Kantons Aargau und die beteiligten aargauischen Gemeinderäte. (Vom 15. August 1902.)

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1902

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20.08.1902

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220-239

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