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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde von Julius Geissmann und Konsorten, Viehhändler in Freiburg, gegen Art. 4 des freiburgischen Gesetzes vom 2. Dezember 1899, betreffend den Viehhandel, Art. 2, Alinea 2, des genannten Gesetzes und eventuell Art. 2 des Staatsratsbeschlusses betreffend die Sicherheitsleistungen zur Ausübung des Viehhandels.

(Vom 29. April 1902.)

Der schweizerische Bundes rat hat über die Beschwerde von Julius Geißmann und Kons o r t e n , Viehhändler in Freiburg, gegen Art. 4 des freiburgischen Gesetzes vom 2. Dezember 1899, betreffend den Viehhandel, Art. 2, Alinea 2, des genannten Gesetzes und eventuell Art. 2 des Staatsratsbeschlusses betreffend die Sicherheitsleistungen zur Ausübung des Viehhandels; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Am 22. August 1901 haben die Herren Fürsprech Ed. Bielmann und Paul Guérig in Freiburg, namens Julius Geißmann Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. II.

66

1014 in Freiburg und Mithafte, im ganzen 47 Viehhändler des Kantons Freiburg, einen Rekurs eingereicht mit dem Begehren, es wolle der hohe Bundesrat aussprechen: 1. Art. 4 des Gesetzes vom 2. Dezember 1899 betreffend den Viehhandel, welcher Artikel das Maximum der Patenttaxe auf Fr. 1000 festsetze, solle, als der Handels- und Gewerbefreiheit zuwiderlaufend, aufgehoben und dieses Maximum auf einen Betrag verringert werden, welcher das Patent zu einer polizeilichen und nicht zu einer fiskalischen Maßregel mache; 2. das 2. Alinea des Art. 2 des genannten Gesetzes, welches eine Sicherheitsleistung im Betrag von Fr. 5000 vorsehe, solle, als der Handels- und Gewerbefreiheit zuwiderlaufend, aufgehoben werden; eventuell, für den Fall, daß diesem zweiten Begehren nicht entsprochen würde, solle der Art. 2 des Staatsratsbeschlusses vom 27. Januar 1900 betreffend die verlangten Sicherheitsleistungen in dem Sinne abgeändert werden, daß die geleistete Sicherheit nicht für die privatrechtlichen Verbindlichkeiten hafte, da eine solche Bestimmung der Handels- und Gewerbefreiheit und der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz zuwiderlaufe.

n.

Die Rekurrenten erhoben zunächst eine Vorfrage und stellten diesbezüglich das Begehren : Der Bundesrat wolle den Staatsrat von Freiburg einladen, solange nicht über die Hauptbegehren des vorliegenden Rekurses entschieden sei, alle Polizei- und Betreibungsmaßregeln gegen die Viehhändler vorläufig einzustellen.

Zur Begründung wurde angeführt, die Viehhändler seien Mitte Juni 1901 davon benachrichtigt worden, innert 14 Tagen die Patenttaxe den Bezirkssteuereinnehmern zu bezahlen. Da nun die Viehhändler damals schon die Absicht gehabt hätten, einen Rekurs einzulegen, dessen Vorlage nur verzögert worden sei, weil einige Zeit nötig gewesen sei, um den Beitritt des Großteils der Viehhändler des Kantons zu erwirken, so hätten sie dieser Aufforderung nicht Folge geleistet. Trotzdem nun aber der Staatsrat von der bevorstehenden Einlegung eines Rekurses benachrichtigt worden sei, seien zur Zeit alle Viehhändler, welche

1015 ihr Patent fürs laufende Jahr noch nicht bezahlt hätten, mit dem Entzug des Rechts zur Ausübung ihres Gewerbes bedroht.

Der Staatsrat von Freiburg, vom Bundesrat eingeladen, sich zunächst über die Vorfrage zu äußern, führte aus: Das Gesetz über den Viehhandel datiere vom 2. Dezember 1899 und sei am 18. Dezember 1899 im Amtsblatt veröffentlicht worden mit Rechtskraft vom 1. Januar 1900 an. Die Vollziehungsverordnung und der Staatsratsbeschluß bezüglich der Sicherheitsleistungen datieren vom 27. Januar 1900 und seien im Amtsblatt vom 1. Februar 1900 veröffentlicht worden.

Gemäß Art. 190 und 178, Ziff. 3, des Organisationsgesetzes sei der Rekurs verspätet, soweit er sich gegen das obgenannte Gesetz und die zugehörigen Verordnungen richte.

Alle Rekurrenten hätten im Laufe des ersten Quartals des Jahres 1900 die vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt, und ein Patent verlangt; dies sei ihnen unter den durch das Gesetz festgelegten Bedingungen erteilt worden und sie hätten auf Grund desselben von 1900 bis 1901 gehandelt.

Die Rekurrenten kritisieren nicht das Patentsystem im Prinzip, sondern nur den Betrag des Patent-maximums.

Die Suspension der schon geleisteten Sicherheiten würde Interessen Dritter gefährden, während keinerlei Interessengefährdung die Einstellung der Betreibungen rechtfertige, da die Rekurrenten im gegebenen Fall ein Rückforderungsrecht gegenüber dem Staat hätten.

Dagegen sei für den Kanton die Patenttaxe verloren, wenn ein Viehhändler vor Erledigung des Rekurses wegziehe oder sein Geschäft zurückgehe.

Was die lange Zeit betreffe, welche zur Erlangung der Beitrittserklärung der Mehrheit der Viehhändler des Kantons zum Rekurs nötig gewesen sei, und welche ein früheres Einlegen des Rekurses verhindert habe, so sei diese Erwägung ohne Gewicht.

Denn schon in der ersten Hälfte Februar 1901 sei jedem Viehhändler der Betrag seiner Patenttaxe mitgeteilt worden. -Damals habe keiner rekurriert, vielmehr hätten sie als nachlässige Verteidiger dessen, was sie ihr Recht nennen, den Beginn der Betreibung abgewartet, weshalb sie nun auch die Folgen zu tragen hätten.

Auf Grund dieser Erwägungen und des Art. 200 des Bundesgesetzes vom 22. November 1850 und Art. 185, 191 des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 stelle der Staatsrat das Begehren:

1016 Der Bundesrat möge das Gesuch dei- Rekurrenten um vorsorgliche Verfügung abweisen.

Am 3. September 1901 hat hierauf der Bundesrat, besonders in Erwägung, daß aus don nicht bestritten en Daten der angefochtenen Gesetze und der Mitteilung des Betrags der Patente an die Viehhändler hervorgeht, daß die Rekurrenten das Gesetz in Kraft treten ließen, ohne gegen seine Anwendung zur Zeit des Inkrafttretens oder sofort nachher zu protestieren; daß die Rekurrenten selbst die Patentausstellung laut Gesetz verlangten; daß sie den Viehhandel von 1900 bis 1901 betrieben; daß die freiburgischen Behörden, gemäß Vollziehungsverordnung vom 27. Januar 1900, Art. 8 und folgende, auf Ende des Geschäftsjahres die Patenttaxe feststellten und die Rekurrenten dies ohne Protest geschehen ließen ; daß die Frage ob die Patenttaxen übertrieben seien, nicht im Wege provisorischer Verfügung, unbeschadet der Hauptfrage, entschieden werden könne ; e r k an n t : Das Begehren der Rekurrenten um vorsorgliche Verfügung wird abgewiesen.

ITI.

«. Zur Begründung ihrer Hauptbegehren führten die Rekurrenten in thatsächlicher Beziehung aus: Die Rekurrenten halten dafür, daß das Gesetz vom 2. Dezember 1899 über den Viehhandel und dessen Anwendung gemäß den Vollziehungsverordnungen eine Verletzung der durch Art. 81 der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit bilden, auch wenn man dem Vorbehalt unter litt, d des genannten Artikels Rechnung trage.

Sie erblicken darin auch eine Doppelbesteuerung und stellen eine diesbezügliche Besehwerde beim Bundesgericht in Aussicht.

Sie .erklären zum vornherein, daß sie nicht die Forderung eines Patents im Prinzip als verfassungswidrig bekämpfen, aber daß sie eine Verfassungsverletzung darin erblicken, 1. daß die Patenttaxe zu hoch ist und gegenüber dem Viehhandel in den Nachbarkantonen ein wahres Hemmnis Milden · Viehhandel im Kanton Freiburg bedeutet; 2. daß die Bürgschaftsleistung oder Hinterlegung von Sicherheiten bis zum Betrag von Fr. 5000 gleicherweise eine Verpflichtung für die Viehhändler nach sich ziehe, welche

1017 ihre Freiheit beschränke und hemme und die für gewisse unter ihnen zu einem wahren Verbot der Ausübung ihres Handels werde.

Gegenwärtiger Rekurs wäre nicht eingelegt worden, wenn der Kanton Freiburg ein richtiges Maß innegehalten hätte.

Im Jahr 1899 führte der Kanton Freiburg die obligatorische Viehversicherung ein. Da er nicht wagte, von der Bauernsame zu große Leistungen zu verlangen, mußte er zur Durchführung dieser Versicherung sich neue Geldquellen verschaffen. Damals ersann er das Gesetz über den Viehhandel, welches einen rein fiskalischen Zweck hat.

Obgleich das Gesetz seit 1. Januar 1900 anwendbar war, wurde es doch gegen die Viehhändler erst in diesem Jahr 1901 in Anwendung gebracht.

Während nun die Regierung den ländlichen und städtischen Viehhändlern freiburgischen Ursprungs gegenüber einige Mäßigung zeigte, wandte sie das Gesetz in seiner ganzen Strenge gegen die jüdischen Händler an, die mit Taxen bis zum Maximum belegt wurden. So verlangte man von Charles Geißmann Fr. 1000 Edouard Loeb ,, 1000 Nathan Geißmann .., 850 Brunschwig Simon ,,fl 650 Jules Geißmann, père .n 600 Jules Geißmann, fils ,, 600 Jost, Fritz ,, 200 Pfister in Kerzers 200 etc.

n Diese Patenttaxen gehen weit über das Maß sanitätspolizeilicher Maßregeln hinaus; sie sind eine neue, furchtbare Steuer.

Dafür folgendes Beispiel: Nathan Geißmann bezahlte bis 1901 die Handels- und Gewerbesteuer mit Fr. 658. 60. 1901 hat der Staat von ihm nur Fr. 204. 40 und mit der Gemeindesteuer Fr. 378. 15 verlangt; aber dafür verlangt er von ihm Fr. 850 fürs Patent, so daß der Staat von 1901 an Fr. 1054. 40 an Steuern und Patentgebühr vom Steuerpflichtigen bezieht, während die Gemeinde, die früher Fr. 302. 60 erhielt, nur noch Fr. 173. 75 bezieht, da der ganze Betrag der Patenttaxe dem Staat zufließt.

Daraus gehe zur Evidenz der rein fiskalische Zweck des Gesetzes über den Viehhandel hervor.

Aber nicht nur die Viehhändler, sondern auch die Produzenten seien von dem Gesetz betroffen worden, indem die fremden

1018 Viehhändler die freiburgischen Märkte nicht mehr besuchen, was Kauf und Lauf einschränke und auf die Viehpreise drucke. Eine mit vielen Unterschriften versehene Erklärung beweise dies, wonach sich die unterzeichneten Landwirte und Viehzüchter diesem Rekurs und seinen Begehren anschließen.

Wenn das zürcherische Gesetz Sicherheitsleistung von Fr. 5000 verlange, so sei eine Nachahmung dieser Bestimmung, wie sie sich im freiburgischen Gesetz finde, nicht gerechtfertigt, weil die Verhältnisse in" beiden Kantonen ganz verschieden seien; dort werde viel in fremdem Vieh, hier nur mit einheimischem Vieh gehandelt, Zürich sei ein reicher Kanton, während Freiburgs Bauerrisame nur geringen Wohlstand besitze. Für viele bedeute eine Sicherheitsleistung von Fr. 5000 ein absolutes Hindernis, Viehhandel zu treiben, besonders wenn diese Sicherheit für rein privatrechtliche Verbindlichkeiten haften solle.

b. In rechtlicher Beziehung führen die ßekurrenten aus: 1. Bezüglich der Patenttaxe: Es sei unbestreitbar, daß ein Kanton, der vorgeblich auf Grund des ihm durch Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung eingeräumten Rechts einen Handelszweig mit so hohen Steuern belegt, daß er die Ausübung dieses Handels wenn nicht unmöglich, so doch sehr schwierig macht, das im Art. 31 gewährleistete Prinzip der Handels- und Gewerbefreihcit verletze.

Durch Bezahlung der Patenttaxen plus Gewerbesteuer sind im Kanton Freiburg die Viehhändler die am höchsten besteuerten Handeltreibenden (abgesehen von einigen großen industriellen Unternehmungen). Indem der Staat den Viehhandel mit solchen Abgaben belegt, hemme er dessen Freiheit, störe er das Gleichgewicht zwischen den Steuerpflichtigen, verlasse er den gcsetzund verfassungsmäßigen Boden.

Umsonst werde der Kanton geltend machen, nachdem die Lösung eines Patents prinzipiell nicht bestritten werde, sei die Festsetzung des Taxenbetrags reine Kantoaalsache. Der Bundesrat ist kompetent, zu untersuchen, ob nicht das Maximum von Fr. 1000 ein ernstliches Hindernis der Handelsfreiheit ist und ob nicht eine Reduktion desselben unter den Maximalbetrag des zürcherischen Gesetzes statthaben solle.

2. Bezüglich der Sicherheitsleistung: Von Spezereihändlern, Bäckern, Weinhändlern, die durch schlechte Beschaffenheit ihrer Produkte den Tod von Menschen

1019 verursachen können, verlange man keine Garantie, alle Strenge des Gesetzes behalte man für die Händler vor, welche der Mög-' lichkeit ausgesetzt sind, Krankheiten unter den Tieren zu verbreiten. Noch mehr; indem die Sicherheitsleistungen nicht nur für die öffentlich-rechtlichen, sondern auch für die privatrechtlichen Konsequenzen der Handelsgeschäfte haften, werfe sich der Staat zum Beschützer derjenigen auf, die mit den Viehhändlern Geschäfte machen.

IV.

In Beantwortung der Rekursschrift führt der Staatsrat des Kantons Freiburg aus : Der Bundesrat möge, wie das Begehren der Rekurrenten um vorsorgliche Verfügung, so auch ihre Hauptbegehren abweisen.

Zunächst werden die Daten des angefochtenen Gesetzes und der zugehörigen Vollziehungsverordnungen, wie anläßlich der Vorfrage, festgelegt.

Der Zweck des Gesetzes sei in den ihm vorangestellten Erwägungen wie folgt angegeben : ,,In Ansehung der eidgenössischen Gesetzgebung betreffend die polizeilichen Maßregeln gegen Viehseuchen ; in Erwägung, daß der Viehhandel insbesondere der sanitätspolizeilichen Kontrolle unterstellt werden müsse."

Art. 4 des Gesetzes bestimme: ,,Die Patenttaxe wird bestimmt durch Staatsratsbeschluß nach einem Tarif von Fr. 20--1000 gemäß der Ausdehnung des Handels und der Viehgattung, die seinen Gegenstand bildet.ct Art. 8 der Vollziehungsverordnung vom 27 Januar 1900 habe folgenden Wortlaut: ,,Die Patenttaxe wird in den Grenzen von Fr. 20--1000 nach folgendem Tarif fixiert :

1. Grossvieh.

a. Pferde Fr. 5 pro Kopf.

b. Kühe, Rinder, Ochsen und Stiere Fr. 2 pro Kopf.

2. Kleinvieh.

a. Mastschweine und Schlachtkälber Fr. l pro Kopf.

b. Ferkel, Zuchtkälber, Ziegen und Schafe Fr. 0. 50 pro Kopf.

1020 Art. 9 derselben Vollziehungsverordnung bestimmt: ,,Der Umsatz des Jahres, für welches das Patent ausgestellt wurde, dient als Basis, um die Höhe der Taxe zu bestimmen.11 Art. 7 des Gesetzes schreibt vor, daß das Ergebnis der Patenttaxen und Bußen in die Staatskasse fließt, um einem landwirtschaftlichen Zweck zu dienen.

Art. 2, Alinea 2, des Gesetzes setzt fest : ,,Der Patentinhaber leistet Sicherheit bis zum Betrag von Fr. 5000.a Der Text des Art. 6 des genannten Gesetzes ist folgender: ,,Die in Art. 2 vorgesehenen Sicherheitsleistungen sind bestimmt : a. zur Garantie gegen jeden Schaden, der herrührt von Verbreitung ansteckender Krankheiten, welche dem Patentinhaber zur Last gelegt werden kann; 6. zur Deckung der erlittenen Bußen ; c. für die civilrechtlichen Ansprüche aus dem Viehhandel."'

Art. 3 der Vollziehungsverordnung sagt: ,,Der Betrag der Sicherheitsleistungen wird durch die Polizeidirektion festgesetzt, welche den mit 5 multiplizierten Preis des Patentes als Basis nimmt. ct Das Gesetz wurde erlassen infolge von der Gesellschaft freiburgischer Tierärzte in den Jahren 1895 und 1898 gemachter Eingaben, welche die Aufmerksamkeit auf die bedauerlichen Folgen der ansteckenden Krankheiten des Viehs lenkten, die mehr als einmal im Kanton Freibung durch Händler eingeschleppt wurden. Die Tierärzte erinnerten im besondern an die beträchtlichen Verluste infolge der Einschleppung der Maul- und Klauenseuche im Jahr 1897. Dank der Fahrlässigkeit eines Händlers verbreitete sich diese verheerende Krankheit, deinetwegen die Märkte eingestellt werden mußten und welche den Landwirten den größten Schaden zufügte, in einer Anzahl von Gemeinden und mehreren Alpen. Gestützt auf Art. 3 des Bundesgosetzes vom 8. Februar 1872, auf die Gesetze vom 19. Juli 1873 und 1. Juli 1886, auf das Reglement vom 14. Oktober 1887 und unter Verweisung auf das Beispiel der Kantone Zürich und Schaffhausen wurde dringend die Einführung des Patentsystems für Pferde-, Groß- und Kleinviehhändler verlangt, da diese Maßregel ein mächtiges Mittel sei, um die Händler zu größerer Umsicht jm Kauf und Verkauf von Vieh anzuhalten.

1021 Mit Ausnahme eines einzigen Verbandes, der gewisse Vorbehalte machte, haben alle Verbände von Landwirten, welche von der Polizeidirektion in dieser Hinsicht um ihre Ansicht befragt wurden, durch Vermittlung des Kantonalkomitees der Vereinigung der freiburgischen Verbände am 26. Juni 1899 in zustimmender Weise geantwortet.

Die durch den Rekurs angefochtenen- Bestimmungen sind seit mehr als l^a Jahren in Kraft getreten und angewendet worden. Die meisten Viehhändler haben ihre Patente bezahlt.

Alle, inbegriffen die Rekurrenten, haben ein Patent verlangt, das ihnen unter den durch das Gesetz aufgestellten Bedingungen bewilligt wurde, und haben die Sicherheit geleistet.

Bei dieser Sachlage muß der Rekurs, da es sich hier nicht um eine Materie handelt, in welcher der Bundesrat die Verpflichtung hat, ex officio in seiner Eigenschaft als vollziehende Behörde zu intervenieren, gemäß Art. 190 und 178, Ziffer 3, des 0. Gr. und dem Bundesratsentscheid vom 27 November 1900 als ein verspäteter erklärt werden, wenigstens soweit er sich gegen das vorerwähnte Gesetz und seine Vollziehungsverordnungen oder gegen deren angebliche Verfassungswidrigkeit richtet.

Über die einzelnen Beschwerdepunkte bemerkt der Regierungsrat : 1. Patenttaxe.

Die Vereinbarkeit der Verpflichtung der Viehhändler zur Lösung eines Patentes mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit ist im Prinzip vom Bundesrat in mehreren Entscheiden, zuletzt noch in dem Entscheid in der Rekurssache Othmar Braun im Jahr 1900, anerkannt worden.

Die Rekurrenten kritisieren denn auch nur das Maximum der Taxe. Sie hüten sich wohl, zu zeigen, in welcher Weise die Summe von Fr. 1000, welche gemäß den gesetzlichen Bedingungen nur von zwei Großhändlern bezahlt wird, ein Verbot des Viehhandels und damit eine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung bilde. Sie bringen keine Thatsache, keinen Beweis dafür an. Dies wäre hinreichend, um eine Abweisung des Rekurses zu begründen. Eine nähere Auseinandersetzung des Patentsystems führt aber dazu, die Grundlosigkeit der Insinuationen der Rekursschrift aufzudecken. Das zürcherische Gesetz verlangt pro Patent Fr. 50--500. Die zürcherische Verwaltung hat die Viehhändler in drei Kategorien eingeteilt, Kleinviehhändler (handelnd mit Kälbern, Schweinen, Schafen und Ziegen), Händler,

1022 die mit größerem Rindvieh Handel treiben, und Pferdehändler.

Die Minimaltaxe von Fr. 50 wird bezogen für einen Handel von 100 Haupt Kleinvieh, 50 Haupt Großvieh und 10 Pferden; d. h.

es wird bezogen Fr. 0. 50 pro Kopf Kleinvieh, Fr. l pro Kopf Großvieh und Fr. 5 pro Pferd. Das Maximum der Taxe wird erreicht bei einem Handel von mehr als 1000 Stück Kleinvieh, mehr als 500 Stück Großrindvieh und mehr als 90 Pferden.

(Siehe Cirkular der Sanitätsdirektion des Kantons Zürich vom 30. März 1896.)

Das frei burgische Gesetz ist weit weniger streng für die kleinen Viehhändler, da es den Betrag der Minimaltaxe um mehr als die Hälfte herabgesetzt hat; dagegen hat er die Maximaltaxe allerdings erhöht im Vergleich zum zürcherischen Gesetz.

Bezüglich des eben so unangreifbaren Maximums von Fr. 1000 verlangen die Rekurrenten im Grund, der Bundesrat solle erklären, daß in keinem Fall, welches immer die Bedeutung und die Vorteile des Viehhandels seien, dieser Handelszweig mit einer so hohen Taxe belegt werden dürfe. Nun bezahlen andere Gewerbszweige noch höhere Patenttaxen; das Wirtschaftsgesetz sieht ein Maximum von Fr. '1200 vor. Die Bestimmungen über den Hausierverkehr und die Wanderlager lassen ein Maximum von Fr. 500 per Monat zu. Der Bundesrat hat mehr als einmal anerkannt, daß gegen die Höhe einer Patenttaxe nichts einzuwenden ist, wenn sie nicht das gesetzliche Maximum überschreitet und nicht ein absolutes oder relatives Hindernis für die gewinnbringende Ausbeutung des fraglichen Handels bildet (Entscheid vom 30. März 1899 im Rekurs Elise Dreyfuß, St. Gallen). Dasselbe Prinzip hat der Bundesrat in seinem Entscheid vom 19. August 1899, Rekurs Jelmoli, formuliert.

Die Festsetzung des Maximums von Fr. 1000 bildet sogar für die Großhändler ein Privileg;' denn ohne diese Grenze müßten einige von ihnen noch mehr zahlen. Das erste Begehren, auf Abänderung des Art. 4 des Gesetzes vom 2. Dezember 1899 betreffend den Viehhandel, muß also abgewiesen werden.

Der Rekurs wurde von den Großhändlern inspiriert; deshalb hat man das Maximum der Patenttaxe angefochten, dabei aber den Art. 8 der Vollziehungsverordnung angenommen. Die Rekurrenten kennen hiernach die verschiedenen Taxen, die ihnen in Ansehung der verschiedenen Tiergattungen, mit denen sie Handel treiben, auferlegt wurden ; sie haben sie nicht gerügt, nicht übermäßig gefunden, also nehmen sie sie an ; aber sie ver-

1023 langen ein Privileg für den Großhändler. Wenn der Bundesrat ihren Begehren entsprechen würde, so würde er feststellen, daß zwar die Taxe von Fr. 5 pro Pferd nichts Anormales hat, aber daß, sobald der Händler mehr als 100 Pferde handelt, die Taxe aufhöre, verfassungsmäßig zu sein und einen verbietenden Charakter annehme. Nach dieser Theorie würde derjenige Händler, der 400 Pferde verkauft hätte, nicht mehr bezahlen, als derjenige, der nicht mehr als 100 gehandelt hätte, trotzdem des erstem Gewinn viel beträchtlicher wäre. Das hieße eine Anstoß erregende Ungleichheit statuieren, der dadurch begegnet wurde, daß das Maximum der Taxe auf Fr. 1000 erhöht wurde.

Ein Blick auf die Liste der für den Viehhandel im Jahr 1900 gelösten Patente beweist, daß der Rekurs keinen ändern Zweck hatte als den, einige Großhändler zu begünstigen.

Von 115 Patentinhabern bezahlen nur 6 eine Patenttaxe die höher ist als das im zürcherischen Gesetz festgesetzte Maximum von Fr. 500; nur 6 würden von einer Entscheidung im Sinne des Rekurses profitieren.

66 unserer Patentinhaber zahlten weniger als das Minimum, das im zürcherischen Gesetz aufgestellt ist.

Die beiden Händler mit Patenten zu Fr. 1000 haben im Jahr 1900 gehandelt: der eine 377 Pferde der andere 616 Stück Großvieh.

Die Rekurrenten sind sich denn auch bewußt, daß unser Gesetz weniger streng ist als das zürcherische. Daher suchen sie vorbeugend ein Argument in den wirtschaftlichen Verschiedenheiten der beiden Kantone. Allein dies ist nicht stichhaltig. Die Viehpreise sind in beiden Kantonen gleich, in Freiburg eher höher; und wenn auch in Hinsicht auf die Bevölkerung und das Gebiet der Handel in Zürich viel beträchtlicher ist, so übersetzt sich dies nicht in eine Vermehrung des Gewinns für jeden einzelnen Händler, sondern in eine Vermehrung der Händler- und Patentzahl. Während 1899 in Zürich 430 Patente Fr. 45,000 einbrachten, von welcher Summe die Hälfte der Viehversicherung zugewiesen wurde, trugen 1900 in Freiburg 115 Patente Fr. 11,131 ein, welche gänzlich der Viehversicherung zugewendet wurden.

Was die behauptete Doppelbesteuerung anbelangt, so besteht sie in unserm Fall nicht, da sehr wohl eine Patentgebühr und eine Steuer auf demselben Handel oder Gewerbe nebeneinander bestehen können. So z. B. gegenüber dem Wirtschaftsgewerbe ; im Kanton Freiburg bezahlen die Wirte neben dem Patent eine

1024 Steuer, die sich berechnet nach dem Reingewinn nach Abzug der Patenttaxe. Die Viehhändler unterstehen also keiner Ausnahmebestimmung, sondern dem allgemeinen Recht.

Das Beispiel des Nathan Geißmann ist schlecht gewählt.

Aus dem Register des Viehinspektors der Stadt Freiburg ergiebt sich, daß der Handel des N. Geißmann den Ankauf von 6 Pferden und 476 Stück Großvieh und den Verkauf von 6 Pferden und 467 Stück Großvieh umfaßte. Die An- und Verkäufe, welche auf den Märkten auf Grund ein- und derselben Ausweise ausgeführt wurden, zählen hier nicht mit. Ohne sich zu täuschet», kann man den Gewinn dieses Händlers im Mittel pro Haupt auf Fr. 30 anschlagen, d. h. auf Fr. 15,000 für das Jahr. Die ihm aufgelegte Steuer wird ihn keineswegs hindern, seinen bedeutenden Handel mit der sichern Aussicht auf reichlichen Gewinn fortzusetzen.

Es ist ein Irrtum, wenn die Rekurrenten behaupten, die Vollziehung des Gesetzes sei um ein Jahr verzögert worden ; es wurde angewendet seit es in Kraft getreten ist. Nur die Patenttaxe, deren Berechnung sich auf den im Lauf des Jahres erfolgten Umsatz stützt, wurde für das Jahr 1900 im Jahr 1901 festgesetzt, gemäß den Voi Schriften des Staatsratsbeschlusses vom 27. Januar 1900. Die Zahlen entstammen dem Register des Viehinspektors. Für Willkür giebt es also keinen Spielraum.

Ein Blick auf die Statistik des Viehs, das durch die Bahnhofe derjenigen Orte spediert wurde, wo Märkte abgehalten werden, genügt, um zu zeigen, daß die beweislos angeführte Behauptung, unter der Herrschaft des angefochtenen Gesetzes seien die Märkte von fremden Viehhändlern nicht mehr besucht worden, gänzlich grundlos ist (folgt die Statistik).

2. Bezüglich der Sicherheitsleistungen.

Auch in dieser Hinsicht ist das freiburgische Gesetz weniger streng als das von Zürich, welches j e d e m Viehhändler eine Sicherheitsleistung von Fr. 5000 auferlegt. Art. 2, Alinea 2, unseres Gesetzes bestimmt, daß die Patentinhaber eine Sicherheit b i s auf Fr. 5000 leisten müssen. Nach der Vollziehungsverordnung vom 27. Januar 1900 bestimmt die Polizeidirektion die Höhe der Sicherheitsleistung durch Multiplikation der Patenttaxe mit 5, so daß der Händler mit einem Patent von Fr 20 nur Fr. 100 Sicherheit leisten wird.

Die Vergleichung mit Bäckern, Spezereihändlern etc. ist nicht schlüssig. Die Krankheitsfälle infolge schlechter Beschaffen-

1025 heit der Nahrungsmittel sind sehr selten ; die Waren der Händler und Wirte werden übrigens vom Kantonschemiker überwacht.

Die angeführten Händler haben einen festen Wohnsitz im Kanton; man weiß, wo man sie zu suchen hat, was bei den Viehhändlern, die so leicht Viehseuchen verbreiten, nicht immer der Fall.

Wenn Viehhändler Lust haben, zu betrügen, so suchen sie ihre Tiere nicht in der Nachbarschaft an den Mann zu bringen, sie führen sie vielmehr auf einen fremden Markt ab, und wenn der Betrug entdeckt wird, so sind sie nicht mehr erreichbar.

Deshalb müssen allerdings die Sicherheitsleistungen die Einheimischen gegen die Machinationen fremder Händler schützen.

Um ein richtiger Großviehhändler zu sein, bedarf es eines gewissen verfügbaren Kapitals. Deshalb kann die von denjenigen, welche die höchste Patenttaxe bezahlen, verlangte Sicherheit von Fr. 5000 für keinen ernsthaften Händler irgend welches Hindernis sein.

V.

Die Beschwerdeführer lassen sich in ihrer Replik vom 20. November 1901 im wesentlichen folgendermaßen vernehmen : Es ist unrichtig, zu behaupten, daß das Gesetz seit l Y« Jahren in Kraft sei ; die Wahrheit ist, daß man seine Anwendung zum erstenmal im Jahre 1901 verlangt hat.- Die Freiburger Regierung verlangte die sofortige Lösung der Patente und Leistung der Sicherheit unter Androhung der Entziehung des Rechts, Handel zu treiben. Das hätte für die Viehhändler den Ruin bedeutet und es war daher besser, das Patent zu lösen und die Sicherheit zu leisten, und dann zu rekurrieren. Die Zahlung der Patenttaxen geschah denn auch nicht ohne Widerstand; die Mehrzahl der Rekurrenten haben Zahlungsbefehle erhalten, sie haben Rechtsvorschlag erhoben und diesen erst durch den Entscheid des Bundesrates bezüglich der Vorfrage dieses Rekurses gezwungen zurückgezogen. Daß die freiburgische Regierung nur einen fiskalischen Zweck verfolgt, geht daraus hervor, daß der Staatsrat, wie die Vertreter der Rekurrenten, am -7. September jenen Entscheid des Bundesrates erhielt, und schon am 9. waren die sämtlichen Viehhändler zur Rechtsöffnungsverhandlung geladen, trotzdem die Regierung wußte, daß der Rechtsvorschlag nur auf Grund des Aufschubbegehrens erhoben worden war.

Die Eile des Staates trug dem Fiskus oder seinen Beamten nochmals Fr. 500--600 aus der Tasche der Viehhändler ein, die

1026 aber diese Kosten nicht bedauern, da durch die Thatsache der Zahlung der vom Staatsrat von Freiburg erhobene Einwand der Verspätung vernichtet wird. In Wirklichkeit äußerte sich die erste Anwendung der angefochtenen Gesetzesbestimmungen durch Zusendung der Zahlungsbefehle ; daher ist die Einrede der Verspätung nicht zulässig. Dies noch aus einem ändern Grund. Die Händler hofften, die Regierung werde bei Festsetzung der Patenttaxen die Gefahren und Verluste gerecht berücksichtigen, welche die Viehhändler bei ihrem Handel erlitten, wie dies nach Art. 8 des Gesetzes vom 2. Dezember 1899 möglich wäre. Aber trotzdem wurde das Gesetz in seiner ganzen Brutalität angewendet.

Die Viehhändler konnten unmöglich rekurrieren, bevor sie die Konsequenzen der Gesetzesanwendung kannten.

1. Patenttaxe.

Das Erfordernis der Bezahlung einer Patentgebühr wird verfassungswidrig, sobald es nicht mehr als sanitätspolizeiliche, sondern als flskale Maßregel erscheint, wie im vorliegenden Fall.

Niemand wird leugnen, daß eine einem Geschäftsmann auferlegte Steuer von Fr. 1000, welche ohne Berücksichtigung des in Ausübung seines Handels erzielten wirklichen Gewinns einzig auf der Zahl der abgeschlossenen Geschäfte basiert, für ihn ein wirkliches Hindernis in Ausübung seines Handels bilden könne. Würde der Geschäftsmann durch Vorweisung seiner Buchführung darthun, daß er während des Jahres keinen Gewinn, sondern Verluste erlitten hat, so könnte zweifellos der Staat keine nach obiger Ausführung berechnete Steuer beziehen. Nun nimmt der Staat Freiburg bei Anwendung des Gesetzes vom 2. Dezember 1899 nur Rücksicht auf die Zahl der Tiere, welche in den Registern der Inspektoren eingeschrieben sind, ohne den Verlusten Rechnung zu tragen, die er ebensogut durch seine Beamten annähernd kennen könnte. Bei einer Prüfung dieser Sachlage an Hand der beigefügten Briefe einiger Rekurrenten, für deren Richtigkeit sie die Vorlage ihrer Bücher anbieten, ist ersichtlich, daß das Maximum der Patenttaxe bei gänzlicher Außerachtlassung der Handelsverluste, über deren Höhe die Briefe Aufschluß geben, verfassungswidrig ist.

Die Rekurrenten haben immer gegen die ihnen auferlegten Taxen protestiert und erklärt, daß eine Maximaltaxe von Fr. 1000 ohne Rücksicht auf den waliren Geschäftsgewinn übertrieben sei.

1027 Durch einen beiliegenden Brief zeigt Nathan Geißmanu, daß der Gewinn von Fr. 30 pro Haupt Vieh, den der Staat ihm gern zuschreiben möchte, in Wirklichkeit nicht existiert.

Was den Einfluß des Gesetzes auf die Geschäftsabschlüsse im Viehhandel betrifft, so wird auf die Unterschriften der zahlreichen Landwirte, die gegen das Gesetz protestiert haben, verwiesen.

2. Sicherheitsleistungen.

Es kann den Rekurrenten ein Vorwurf daraus nicht gemacht werden, daß sie gegen Art. 2 des Staatsratsbeschlusses vom 27. Januar 1900 und nicht gegen Art. 6 des Gesetzes von 1899 reagierten, da es klar ist, daß dieser Art. 2 nur den Art. 6 des Gesetzes bestätigt.

Man kann wohl Sicherheiten von den Viehhändlern verlangen gegen die allgemeinen Gefahren ihres Handels, aber man kann nicht zulassen, daß ihre Lage dadurch schlechter werde, als die aller ändern Handeltreibenden, daß man von ihnen Sicherheiten verlangt wie von keinem ändern Geschäftsmann. Sie sind den Gefahren unlauterer Handlungsweise oder der Zahlungsunfähigkeit ihrer Kundsame ausgesetzt und kein Gesetz schützt sie hiergegen; man legt ihnen vielmehr die volle Patentgebühr auf und verlangt von ihnen eine Sicherheit gegenüber ihrer Kundschaft.

Diese ihre Lage ist im Gesetz verkannt und seine Bestimmungen widerstreiten der Handelsfreiheit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz.

VI.

Aus der Duplik des Staatsrates des Kantons Freiburg vom ll./19. Februar ist hervorzuheben: Wenn die Rekurrenten die seltsame Behauptung aufstellen, daß die Anwendung der Gesetzesbestimmungen erstmals 1901 erfolgt sei, so ist dagegen zu sagen, daß die Polizeidirektion am 5. Februar 1900 folgende Anzeige an die Viehhändler publizierte : ,,Gemäß der Vollziehungsverordnung vom 27. Januar 1900 zum Gesetz über den Viehhandel vom 2. Dezember 1899 macht die Polizeidirektion die im Kanton wohnenden Viehhändler, sowie diejenigen, die in unsern Kanton kommen, um Vieh zu verkaufen, darauf aufmerksam, daß sie bis zum 28. Februar 1900 ihr Patent verlangen und die durch das Gesetz verlangten Papiere vorweisen müssen.

1028 ,,Von diesem Datum an werden alle Händler, welche diese Formalität nicht erfüllt haben, mit einer Buße belegt werden/' Die Vollziehung des Gesetzes nahm seither ihren normalen Verlauf. Die Rekurrenten haben im Jahr 1900 ihre Patente verlangt und erhalten und die Sicherheitsleistungen vorgenommen, wie die beigegebene Liste zeigt, auf welcher vier der Rekurrenten sich nicht vorfinden, weil die Verwaltung nicht wußte, daß sie den Viehhandel betreiben und sie sich nicht, wie sie verpflichtet waren, sofort meldeten.

Der Betrag der Patenttaxe wurde nach Schluß des ersten Jahres gemäß Art. 9 der Vollziehungsverordnung bestimmt und verlangt.

Die Einwendung, die Rekurrenteu seien also gezwungen gewesen, ein Patent zu nehmen, um nicht eine Unterbrechung ihres Handels zu erleiden, hat keinen Wert; denn sie konnten trotzdem innert der gesetzlichen Frist rekurrieren, damals, wie später, Suspension des Gesetzes verlangen, oder sich das Patent unter Wahrung ihrer Rechte verschaffen.

Um dem Einwand der Verspätung zu begegnen, stutzen sich die Rekurrenten auf das Datum der ihnen zugesandten Zahlungsbefehle. Was soll man hierzu sagen angesichts der erfolgten Patentlösung und Sicherheitsleistung und der Thatsache, daß in der ersten Hälfte des Monats Februar 1901 jedem Viehhändler eine Anzeige zugeschickt wurde, worin ihm der Betrag seiner Patenttaxe für das vergangene Jahr angegeben wurde ?

Um also die Konsequenzen der Gesetzesanwendung zu kennen, brauchten die Rekurrenten nicht zu warten bis zum August 1901.

Dies um so weniger, als über diese Konsequenzen und den anzuwendenden Tarif kein Interessierter auf Grund der Bestimmungen in der Vollziehungsverordnung im Zweifel sein konnte.

In der Antwort wurde festgestellt, daß die Rekurrenteu keinen Beweis für die Übermäßigkeit des Tarifs oder der in der Antwort enthaltenen Annahmen über den im Viehhandel realisierten Gewinn erbracht haben. Sie hätten dies durch Thatsachen, durch die Statistik oder durch Zeugnisse ernstlicher und uninteressierter Kenner des Viehhandels thun müssen. Statt dessen fügen die Anwälte der Rekurrenten der Replik Briefe einiger ihrer Klienten bei, die u. A. auch deshalb nicht als schriftliche Beweise dienen können, weil sie sich nur auf die von den Verfassern erlittenen Verluste beziehen, über den Gewinn aber schweigen. Unsere Feststellungen zur Gewinnung einer Basis

1029 für die Patenttaxenberechnung beruhen auf den Angaben der Viehinspektoren. Ein bedeutendes Geschäft der Großviehhändler besteht nun im Ankauf und Wiederverkauf von Tieren auf demselben Markt und diese Geschäfte entziehen sich völlig der Aufsicht der Viehinspektoren, zu deren Umgehung es auch noch andere Mittel giebt.

Die angegebenen Verluste rühren von Verkäufen auf Kredit her. Diese bilden eine Specialität der großen Händler; der kleine Geschäftsmann bedient sich dieser Geschäftsform nicht.

Wenn diese Verkäufe auf Kredit nicht sehr gewinnbringend wären, dann würde man sich ihrer enthalten.

Die Rekurrenten stützen sich auf eine Petition die auf dem Land cirkulierte und welche der Ausdruck der Unzufriedenheit in den interessierten Kreisen sein soll. Wir bestreiten dies.

Der Landwirt wird durch das Gesetz in keiner Weise behindert, das einzig in seinem Interesse angenommen wurde. Wir legen den Unterschriften keine Bedeutung bei ; die einen haben aus Gefälligkeit, die ändern deshalb unterschrieben, weil ihre Lage .ihnen eine Verweigerung nicht erlaubte. Man ist selbst an Personen gelangt, die außerhalb des Kantons wohnen, und an andere, die gar nicht Vieheigentümer sind.

VII.

Auf Anfrage des Bundesrates teilte das Bundesgericht unterm 3. Oktober 1901 mit, daß eine staatsrechtliche Beschwerde seitens Jules Geißmann und Konsorten in Freiburg bis zu diesem Datum beim Bundesgerichte nicht eingegangen war.

VIII.

Auf Verlangen des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes legten die Vertreter der Rekurrenten eine Erklärung des Staatssteuereinnehmers des Saanebezirks ins Recht, wonach er im Lauf des Monats Juni 1901 von den in seinem Bezirk wohnenden Viehhändlern die Patenttaxen eingefordert hat, also von Ch. Geißmann, Ed. Loeb, Nathan Geißmann, Brunschwig Simon, Jules Geißmann, Sohn, Jules Geißmann, Vater, Jost Fritz. Am 21. August 1901 wurden denselben Personen Zahlungsbefehle zugestellt. Die Sicherheitsleistungen erfolgten im Moment der Patentausstellungen, d. h. von Seiten aller oben Genannten im März oder April 1901.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. II.

67

1030 Die Rekurrenten wurden am 1(>. Oktober 1901 nochmals aufgefordert, Angaben darüber zu machen, wann für jeden der Betrag der Patenttaxe fixiert worden und wann die letzten Zahlungsaufforderungen ergangen seien. Eine Antwort erfolgte nicht.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Bezüglich der Kompetenzfrage ist zu sagen, daß, soweit sich der Rekurs auf eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit bezieht, kein Zweifel über die Zuständigkeit des Bundesrates bestehen kann.

Soweit die Beschwerdeführer aber den Gesichtspunkt der Doppelbesteuerung herangezogen haben, ist die Kompetenz des Bundesrates abzulehnen, da aus Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege sich kein Vorbehalt für die Zuständigkeit des Bundesrates ergiebt. In dieser Richtung wäre die Kompetenz des Bundesgerichtes gegeben gewesen.

II.

Vom Staatsrate des Kantons Freiburg ist die Einrede der Verspätung erhoben worden, welche auch von Amtes wegen zu prüfen ist.

Auseinander zu halten sind hier, der Rekurs gegen das Gesetz selbst und der Rekurs gegen die Anwendung des Gesetzes gegen die Personen der Beschwerdeführer. Die Begründung der Beschwerde umfaßt beides, indem sie sich sowohl gegen die Art. 4 und Art. 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 2. Dezember 1899 betreffend den Viehhandel, eventuell gegen Art. 2 des Staatsratsbeschlusses vom 27. Januar 1900 betreffend die Sicherheitsleistungen als gegen die Anwendung der genannten Bestimmungen gegen die Personen der den Rekurs führenden Viehhändler wendet.

III.

Von den Rekurrenten sind folgende vom Staatsrat des Kantons Freiburg aufgestellten Thatsachen nicht bestritten worden, deren Richtigkeit sich auch aus den beigebrachten Akten ergiebt : Daß das unter dem Datum des 2. Dezember 1899 erlassene

1031 Gesetz über den Viehhandel am 10. Dezember 1899 im. Amtsblatte des Kantons Freiburg publiziert wurde unter Festsetzung des Beginns seiner Geltung auf 1. Januar 1900; daß der ebenfalls angefochtene Staatsratsbeschluß, vom 27. Januar 1900 datiert und am 1. Februar gleichen Jahres im kantonalen Amtsblatt publiziert wurde, von welch' letzterem Tage seine Gültigkeit begonnen hat.

Da der Rekurs am 22. August 1901 beim Bundesrate eingereicht wurde, so ist derselbe offensichtlich, soweit er sich ' gegen die erwähnten Bestimmungen des Gesetzes und der Vollziehungsverordnung des Staatsrates selbst richtet, verspätet, indem seit Publikation beider Erlasse mehr als 60 Tage abge' laufen sind.

IV.

Bezüglich der Sicherheitsleistungen ist zu sagen, daß dieselben von allen Beschwerdeführern spätestens im März oder April 1901 erfolgt sind; also kannten diese spätestens in diesem Zeitpunkt die Tragweite der auf sie erfolgten Gesetzesanwendung. Da seit Ende April bis zur Einreichung des Rekurses mehr als 60 Tage verflossen sind, so ist auch in dieser Beziehung die Beschwerdeführung als verspätet anzusehen.

V.

Bezüglich der Patentgebühr endlich argumentieren die Beschwerdeführer damit, daß ihnen eigentlich erst durch Anlegung der Zahlungsbefehle die Konsequenzen des Gesetzes zum Bewußtsein gekommen seien.

Dem steht aber entgegen, daß die Rekurrenten unbestrittenermaßen schon im ersten Trimester 1900 ihre Patente verlangt und erhalten haben. Wenn nun auch die Höhe der Patentgebühr sich nach der Zahl der im Verkehr eines Jahres verkauften Viehstücke richtet, so waren die Beschwerdeführer, denen die Bestimmungen des Gesetzes bekannt sein mußten, doch in der Lage, die Höhe der auf jeden von ihnen fallenden Patentgebühr auszurechnen. Dazu kommt, daß Anfang Februar 1901 jeder Viehhändler Mitteilung über die auf ihn fallende Patentgebühr erhalten hat.

Es kommt für den Fristenlauf nicht sowohl auf die durch Zahlungsbefehl angehobene Zwangsvollstreckung an, als darauf, daß der Verletzte von der ihn beschwerenden Verfügung Kenntnis

1032 erhielt. Man kann nun sagen, daß mit der Erhebung des Patentes die Viehhändler sich vollständig im Klaren sein mußten darüber, daß das Gesetz auch gegen sie zur Anwendung gelange. Wollte man aber auch nicht so weit gehen, so haben die Beschwerdeführer durch die amtliche Mitteilung anfangs Februar 1901 bestimmte Kenntnis von der Höhe der Patentgebühr erhalten.

Legt man den einen oder andern Maßstab für die Berechnung des Anfangs der 60tägigen Frist zu Grunde, so ist in beiden Fällen die Beschwerde als eine verspätete zu betrachten.

Demnach wird erkannt: 1. Soweit die Beschwerde den Vorwurf der Doppelbesteuerung erhebt, wird wegen Inkompetenz des Bundesrates nicht auf dieselbe eingetreten.

2. Im übrigen wird wegen Versäumung der 60tägigen Beschwerdefrist auf die Beschwerde nicht eingetreten.

B e r n , den 29. April 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Das präsidierende Mitglied:

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

1033

# S T #

Bundesratsbeschluß betreffend

den Forstbetrieb oberhalb der Eisenbahn Montreux-Montbovon (Strecke Montreux-Les Avants).

(Vom 29. April 1902.)

Der schweizerische Bundesrat, in der Absicht, den Betrieb der Eisenbahn Montreux-Montbovon gegen die durch den Forstbetrieb in den Waldungen oberhalb dieser Linie drohenden Gefahren sicher zu stellen; nach Anhörung der Regierung von Waadt, beschließt :

Art. 1.

Für den Forstbetrieb in den auf beifolgender Liste verzeichneten, in einer Zone von 50 Meter oberhalb und 15 Meter unterhalb der Axe der Eisenbahn Montreux-Montbovon (Strecke Montreux-Les Avants) auf Gebiet der Gemeinde Châtelard gelegenen Waldungen gelten folgende Bestimmungen: a. Nach Anzeichnung des Schlagholzes und der auszurodenden Stöcke haben die Waldeigentümer dem Bahningenieur zu richtiger Zeit von dem Standorte und der Quantität des zu schlagenden Holzes, sowie von dem Zeitpunkt, auf welchen die Berechtigten zum Beginn der Waldarbeiten ermächtigt sein werden, Kenntnis zu geben. Überdies haben sich die Eigentümer

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde von Julius Geissmann und Konsorten, Viehhändler in Freiburg, gegen Art. 4 des freiburgischen Gesetzes vom 2. Dezember 1899, betreffend den Viehhandel, Art. 2, Alinea 2, des genannten Gesetzes und eventuell Art. ...

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