610

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu den Begnadigungsgesuchen der wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften: Aerni, Samuel, Vorarbeiter, und Meier, Reinhold, Rangiermeister der schweizerischen Bundesbahnen in Basel.

(Vom 5. Juni 1902.)

Tit.

Durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Strafgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom 4. Januar 1902 wurden Samuel Aerni und Reinhold Meier der fahrlässigen Eisenbahngefährdung im Sinne des Art. 67 ö des Bundesstrafrechtes schuldig erklärt und verurteilt zu je l Tag Gefängnis und Fr. 5 Geldbuße, im Nichteinbringungsfalle zu einem weiteren Tag Gefängnis, sowie je zur Hälfte der Kosten des Verfahrens und des Strafvollzuges mit Einschluß einer Urteilsgebühr von Fr. 10.

Der dem Urteil zu Grunde liegende Thatbestand ist folgender : ,,Am 25. August 1901, nachte 11 Uhr 29 Minuten, wurde im Personenbahnhof Basel dem auf dem Geleise B 4 ausfahrenden Zug 259 Basel-Olten bei der Weiche 62 eine Manöverkolonne

611 in die Flanke gestoßen, wodurch die in das Geleise B 5 hineinragenden Schlußwagen des Zuges 259 durch die auf dem Geleise B 5 zurilckgestossenen Wagen der Komposition B 17 stark . beschädigt und zum Teil zum Entgleisen gebracht wurden. Es gelang, den Zug 259 sofort zum Stehen zu bringen. Personen sind nicht verletzt worden. Der entstandene Materialschaden beläuft sich auf Fr. 5034."

Das Strafgericht erblickte ein mit dem eingetretenen Unfall im Kausalzusammenhang stehendes dienstpflichtwidriges Verhalten der Potenten darin, daß 1. Meier als Rangierleiter unterlassen hatte, die zum Zweck einer weiteren Zusammenstellung auf das Geleise B 5 verbrachte Wagenkomposition nach Vorschrift festzubremsen ; 2. Aerni hinsichtlich der Ankuppelung eines Wagens, den er von einem Zugsteile hatte abstoßen lassen, ungenügende · und vorschriftswidrige Befehle erteilt habe.

Die Verurteilten ersuchen um Nachlaß der Gefängnisstrafe, indem sie geltend machen, daß ohne mitwirkende Fehler anderer Bahnangestellten die von ihnen begangenen Pflichtversäumnisse den Unfall nicht herbeigeführt hätten. Diese ändern Angestellten wurden von der Anklagebehörde ebenfalls dem Strafgerichte überwiesen, indessen von letzterem freigesprochen aus Gründen, die im Begnadigungsverfahren nicht nachgeprüft werden können. Es steht sonach lediglich fest, daß die Petenten sich eines Vergehens schuldig gemacht haben, welches das Gesetz im. Minimum mit derjenigen Strafe bedroht, die vom Richter ausgesprochen wurde.

Disciplinarische Ahndung scheint im vorliegenden Fallo von der Bahngesellschaft nicht verhängt worden zu sein; die Gerichtskosten sind offenbar nur mäßige.

Unter solchen Umständen kann nicht zugegeben werden, daß genügende Gründe vorliegen, die gerichtlich ausgesprochene Strafe noch weiter zu reduzieren. Die Petenten selbst haben nichts vorgebracht, was die Ausübung des Rechtes der Begnadigung ihnen gegenüber rechtfertigen würde. Die nach Streichung der Gefängnisstrafe verbleibende Geldbuße von bloß Fr. 5 wäre keine genügende Sühne für die mit Verletzung dienstlicher Pflichten verbundene Fahrlässigkeit, durch welche nicht bloß bedeutende Materialschädigung herbeigeführt, sondern auch das Leben zweier Menschen ernstlich gefährdet wurde, die sich als Passagiere in einem der kollidierenden Eisenbahnwagen befanden.

612 Wir stellen daher bei Ihrer hohen Vorsammlung den Antrag: Es seien die Begnadigungsgesuche des Samuel Aerni und des Reinhold Meier abzuweisen.

B e r n , den 5. Juni 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, De r B u n d e s p r ä s i d e n t :

Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biiigier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zu den Begnadigungsgesuchen der wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung bestraften: Aerni, Samuel, Vorarbeiter, und Meier, Reinhold, Rangiermeister der schweizerischen Bundesbahnen in Basel. (Vom 5.

Jun...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1902

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

24

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.06.1902

Date Data Seite

610-612

Page Pagina Ref. No

10 020 112

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.