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Kreisschreiben des

schweizerischen Bundesrathes an die Eisenbahngesellschaften mit normalem Betrieb, betreffend Ausrüstung der Bahnzüge mit hinreichendem Wagenmaterial zur Personenbeförderung.

(Vom 4. Juli 1888.)

Hochgeehrte Herren !

Anläßlich der Besprechung des bundesräthlichen Geschäftsberichtes von 1887 im Schöße des Nationalrathes hat die Geschäftsprüfungskommission desselben Anlaß genommen, zu konstatiren, daß ungeachtet der wiederholten Mahnungen, die Personenzüge mit ausreichendem Wagenmaterial zu versehen, dem reisenden Publikum die Sitzplätze nicht immer in befriedigendem Umfang zur Verfügung gestellt werden, und verlangt, daß der Bundesrath alle Mittel anwende, um die Gesellschaften zur gehörigen Berücksichtigung der Bedürfnisse des Verkehrs anzuhalten. Auch die bei unserm Eisenbahndepartement liegenden Berichte und Beschwerden bestätigen , daß es nicht bloß die Fälle wirklich unvorherzusehenden, außerordentlichen Zuflusses von Reisenden sind, welche zu Klagen über Platzmangel führen, sondern daß diese Klagen sich noch mehr auf die Ausrüstung der Züge einzelner Routen, z. B. an periodischen Markttagen, richten, oder auf solche Fälle sich beziehen, wo ein vermehrter Verkehr bei auch nur einiger Aufmerksamkeit der Betriebsverwaltung hätte vorausgesehen werden können. Selbst das kommt vor, daß die ordentlichen Zugskompositionen regelmäßig fast bis auf den letzten Platz angefüllt sind, und daß, wenn die Zahl der Reisenden sich vermindert, auf Zwischenstationen

761 Wagen ausgestellt und deren Insaßen veranlaßt werden, in andere Wagen überzusteigen. Auch haben die Verwaltungen der Mahnung des Eisenbahndepartementes, wenigstens bei hoher Temperatur nicht mehr als zwei Personen auf die einzelnen Bänke der Durchgangswagen zu plaziren, die gewünschte Beachtung bis jetzt nicht geschenkt.

Anderseits ist allerdings zuzugeben, daß bei Behandlung von Reklamationen die Verwaltungen fast immer in der Lage sind, nachzuweisen, daß in einem andern Wagen desselben Zuges noch einige Plätze nicht ausgenützt waren, oder daß der Platzmangel nur aut kurzen Strecken bestand u. s. w. Auch soll nicht tibersehen werden, daß das Zugsbegleitungspersonal sich in der Regel Mühe gibt, jene zerstreut vorhandenen Plätze den Reisenden zugänglich zu machen, und daß, bei Platzmangel in den untern, die obera Wagenklassen ohne Nachzahlung zur Verfügung gestellt werden.

Abgesehen aber davon, daß diese Auskunftsmittel durchaus nicht immer hinreichen, und daß dieselben stets mit Unannehmlichkeiten und selbst Gefahren für die Reisenden verbunden sind, können wir nicht zugeben, daß eine so sparsame Ausrüstung der Züge mit Personenwagen den Anforderungen an einen prompten und guten Betrieb genügt. Im Speziellen sind wir der Ansicht, daß nur ausnahmsweise auf Zwischenstationen Wagen aus den Personenzügen gestellt werden dürfen, und daß die normalen Zugskompositionen so bemessen sein sollen, daß ein Ueberschuß an Plätzen über das regelmäßige Bedürfniß vorhanden ist. Was die Vertheilung der Plätze selbst betrifft, so soll die Besetzung der Bänke in den Durchgangswagen mit mehr als zwei Personen thunlichst vermieden, und dann auch dafür gesorgt werden, daß in den die ganze Nacht über fahrenden Zügen den Reisenden derjenige Raum vorbehalten ist, welcher ein den Verhältnissen angemessenes Ausruhen ermöglicht.

Demgemäß werden die Verwaltungen der Eisenbahnen eingeladen: 1) In den Wagen, deren Bänke auf beiden Seiten des Durohgaugs angebracht sind, und zwar in allen Klassen, die Besetzung der einzelnen Bänke mit mehr als zwei Personen so viel als möglich zu vermeiden.

2) Wo ausnahmsweise Coupewagen in den Zügen fahren, die Besetzung der Coupé I. Klasse mit nur 4, II. Klasse mit nur 6 und III. Klasse mit nicht mehr als 8 Personen in Aussicht zu nehmen.

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3) In den Nachtzügen darauf Bedacht zu nehmen, daß, wenn immer möglich, in ein Coupé oder in den entsprechenden Raum eines Durchgangswagens nicht mehr als 4 Personen gewiesen werden.

4) Die ordentlichen Zugskompositionen unter Beachtung der vorstehenden Anweisungen und im Uebrigen in dem Verständniß zu bemessen, daß ein Ueberschuß an Plätzen über das regelmäßige Bedürfniß zur Verfugung bleibt.

Empfangen Sie, Tit., die erneuerte Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 4. Juli

1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes : Der V i z e p r ä s i d e n t : Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrathes an die Eisenbahngesellschaften mit normalem Betrieb, betreffend Ausrüstung der Bahnzüge mit hinreichendem Wagenmaterial zur Personenbeförderung. (Vom 4. Juli 1888.)

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Jahr

1888

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07.07.1888

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760-762

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