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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die normalspurige Eisenbahn von Chur nach Thusis und die schmalspurige Fortsetzung von Thusis bis zur Filisurer Brücke und eventuell Bellaluna.

(Vom 10. Dezember 1888.)

Tit.

In Art. 5 der Konzession für eine normalspurige Bisenbahn von Chur nach Thusis und eine schmalspurige Fortsetzung von Thusis bis zur Filisurer Brücke und eventuell Bellaluna, vom 26. April 1887 (E.A.S. IX, 240 ff.), wurde zur Einreichung der vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Statuten eine Frist von 18 Monaten festgesetzt, die mithin, am 26. Oktober d. J. zu Ende ging.

Da es dem Konzessionsinhaber, Herrn Sebastian Hunger, Advokat in Thusis, trotz seiner Bemühungen nicht gelang, die erforderlichen finanziellen Mittel für Ausführung des Unternehmens zu beschaffen, so sah sich derselbe genöthigt, mit Gesuch vom 25. Juli 1888 um Erstreckung der konzessionsmäßigen Frist einzukommen. Von einer ausführlichen Wiedergabe der Begründung des Gesuchs können wir hier Umgang nehmen, da dieselbe in dem Ihnen gedruckt vorliegenden Memorial vom 20. November 1888 größtenteils enthalten ist und da überdies die wesentlichen Argumente in der nachfolgenden Erörterung ihre Berücksichtigung finden werden.

Erwähnt sei bloß, daß sich Petent eventuell der in andern Fällen bei Fristverlängerungen angebrachten Klausel, daß der Konzessionär

1099 die Konzession gegebenen Falls einem bessere Garantien für die Ausführung bietenden neuen Bewerber abzutreten habe, unterziehen will, wenn eine solche Klausel als nothwendig erachtet werde.

Ueberdies erklärt sich Herr Hunger bereit, die Konzession sofort nach der Verlängerung dem Komite unter den erforderlichen Bedingungen abzutreten.

Schon vor Eingang dieses Fristverlängerungsgesuche* nahm der Kleine Rath von Graubünden Anbiß, auf Instanz des aus der Fusion der früher sich gegenüberstehenden Komites für die Linien ChurThusis und Chur-Thusis-Filisur hervorgegangenen neuen ,,blindnerischen Centralbahnkomite", zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch zu stellen, es wolle die Konzession des Herrn Hunger, welche im Monat Oktober 1888 ablaufe, nicht verlängert, sondern auf genannten Zeitpunkt, sei es durch einfache Uebertragung, sei es durch Ertheilung einer neuen Konzession, dem fusionirten Komite verliehen werden.

Bei dieser Stellungnahme verblieb die Regierung von Graubünden auch, als ihr später das Fristerstreckungsgesuch des Herrn Hunger zur Yernehmlassung mitgetheilt wurde, indem sie sich bei dieser Gelegenheit, unter Einlage einer Aeußerung des Centralbahnkomite und des Fusicuisvertrages, über die ganze Eisenbahnfrage, also auch über das damals noch nicht eingereichte Konzessionsgesuch des Komite aussprach. In der bezüglichen Zuschrift vom 3. Oktober 1888 wird namentlich betont, daß die einzige Hoffnung auf die Weiterführung der Bahn in der endlich erzielten Einigung der beiden Linien Chur-Thusis und Chur-Thusis-Filisur erblickt werde, welche aber nur auf der Basis habe zu Stande kommen können, daß man sich darauf einigte, während einer bestimmten Zeitdauer mit allen Kräften für das Zustandekommen der längern Linie einzutreten, dieser die Subventionen zuzuwenden und gemeinsam um einen kantonalen Beitrag einzukommen, sobald aber innert dieser Frist, welche mit l1/« Jahren genügend bemessen wäre, um die Realisirbarkeit zu prüfen, die Finanzirung der ganzen Linie nicht gelinge, während der folgenden, gleich langen Frist die Erstellung der kurzem Linie zu erstreben., Diesen einzig möglichen Weg, überhaupt eine Fortsetzung der Bahn gegen Süden zu erzielet}, suche der heutige Gesuchsteller, Herr Hunger, wie früher zu durchkreuzen, indem er das Zugeständniß an die kürzere Linie zu verhindern
strebe. Die Regierung könne nicht umhin, die Erwartung auszusprechen, daß die Bundesbehörden in entgegenkommender Weise die Bestrebungen des Centralbahnkomite als Vertretung der gesammten interessirten Thalschaften gegenüber denjenigen eines privaten Unternehmers unterstützen werden. Die vom Petenten vor-

1100 geschlagene Abtretungsklausel könne an der Sachlage nichts ändern.

Endlich wird noch auf die anläßlich der Berathung über die Konzessionsertheilung von der Eisenbahnkon: mission des Nationalrathes abgegebenen Erklärungen verwiesen, die allerdings eine Fristverlängerung bei der damaligen Sachlage nicht in Aussicht nahmen.

Am 15. Oktober d. J. reichte dann das bündnerische Centralbahnkomite das Gesuch ein um Gewährung einer dreijährigen Konzession für 1) eine normalspurige Eisenbahn von Chur nach Thusis und eine schmalspurige von Thusis nach Filisurbrücke, eventuell Bellaluna, in dem Sinne, daß diese beiden Eisenhahnlinien im Falle ihrer vollständigen Ausführung ein einheitliches Unternehmen bilden sollen, daß dagegen, wenn die Verwirklichung des ganzen Projektes in der ersten Hälfte der Konzessionsdauer nicht erzielt werden könne, es dem Komite freistehe, auf die Konzession für die obere Sektion (Thusis-Filisurbrücke, eventuell Bellaluna) ohne Weiteres zu verziehten und während der zweiten Hälfte der Konzessionsdauer nur noch die Realisirung des Projektes einer normalspurigen Bahn von Chur nach Thusis anzustreben. Dem Konzessionssjesuche waren die vorgeschriebenen technischen und anderweiten Vorlagen theils beigegeben, theils wurden sie seither eingereicht. Im Allgemeinen weicht das neue Projekt von demjenigen des Herrn Hunger nicht wesentlich ab, was um so begreiflicher ist, als, wenigstens zum Tb eil, der nämliche Techniker sowohl im Auftrage des Komite als des Herrn Hunger Ihätig war.

Die Begründung des Gesuches richtet sich auf folgende drei Punkte : 1) daß die Konzession dem bündnerischen Centralbahnkomite ertheilt und nicht dem Advokaten Hunger verlängert werde; 2) daß eine Zweitheilung der Konzession stattfinde: 3) daß die Konzessionsdauer auf 3-Jahre bemessen werde.

Zu dem ersten Punkt wird angeführt, daß das Komite aus theils von Kreis- und Gemeindebehörden ernannten, Iheils durch Bezirks-, Kreis- und Gemeindeversammlungen gewählten Vertretern der sämmtlichen am Zustandekommen einer Eisenbahn Chur-ThusisFilisur interessateli bündnerischen Thalschaften zusammengesetzt sei und so in beinahe offizieller Weise ein schwerwiegendes Landesinteresse repräsentire, im Gegensatze zu dem Mitbewerber, welcher durch sein Verhalten seit Anfang 1887 mehr als genügend dargethan habe, daß er lediglich
darauf ausgehe, die mit Unterstiltung eines Theiles des Komitees seiner Zeit erlangte Konzession zu seinem persönlichen pekuniären Vorlheil zu verwerthen. Dieser Unterschied in den Motiven der beiden Bewerber sei denn auch für die Stel-

1101 lunguahme der Regierung bestimmend gewesen, auf deren Verlautbarungen Bezug genommen werde. Weiter beruft sich das Komite auch auf die oben erwähnten Verhandlungen der Bundesversammlung bei der frühern Konzessionsertheilung. Die damaligen Beschlüsse (?) verlieren ihre Berechtigung durch den Umstand nicht, daß das damalige Komite für Chur-Thusis seine selbständige Existenz aufgegeben und sein Projekt einem weitern Interessen dienenden zeitweise hintangesetzt habe. Im Gregentheil werde durch die Uebertragung der Konzession auf das fusionirte Komite nicht nur dem allgemeinen bündnerisehen Landesinteresse, sondern speziell auch dem Projekt Chur-Thusis nach Maßgabe des Fusionsvertrages möglichst Rechnung getragen, während die Erneuerung der Konzession an Hunger einfach den Verschub der Lösung der centralbündnerischen Eisenbahnfrage bedeuten und demgemäß die volkswirrh.sehaftlichen Interessen des Kantons zu Gunsten eines Privatspekulanten aufs Empfindlichste schädigen würde. Herr Hunger werde in seiner dermaligen isolirten Stellung auch binnen einer neuen Frist die Finanzirung= nicht zu Stande bringen, während anderseits auch das Komite an der Entfaltung einer ersprießlichen Thätigkeit behindert sei, so lange es nicht über die Konzession verfüge. Die Möglichkeit einer Verständigung aber müsse Angesichts des bisherigen Gebahrens. des Hrn. Hunger als ausgeschlossen betrachtet werden.

Die Zweitheilung der Konzession sodann sei die Grundlage des mit unendlicher Mühe zu Stande gebrachten Fusionsvertrages, welcher dahinf'alle, wenn die Konzession nicht in der angegebenen bedingungsweisen Form erhältlich gemacht werden könne, dessen Hinfall aber den frühern Antagonismus der beiden Projekte wieder aufleben ließe und zur Folge hätte, daß auf lange Zeit hinaus gar nichts zu Stande kommen werde, möge wer immer die Konzession erhalten.

Eine Konzessionsdauer von wenigstens 3 Jahren sei nothwendig, um innert der für Realisirung des Gesammtprojektes durch den Fusionavertrag eingeräumten H ä l f t e derselben die schwierige und langwierige Finanzirung durchführen zu können.

Den Ausführungen der Regierung und des Komite's trat Herr Hunger in einem vom 20. November d. J. datirten Memorial nachdrücklich entgegen, indem er darin die gegen ihn vorgebrachten Argumente des Nähern behandelt und seinen Standpunkt
ausführlich darlegt. Da das Memorial gedruckt in Ihren Händen sich befindet, so können wir uns mit der Verweisung auf dasselbe begnügen.

Indem wir uns beehren, Ihnen sowohl das Fristverlängerungsgesuch des Herrn Hunger als das Konzessionsbegehren des Komite's

1102 zum Entscheide vorzulegen , lassen wir die Erwägungen folgen, welche wir dabei für maßgebend erachten.

Zunächst ist auf die bestehende Prexis hinzuweisen, wonach Fristverlängerungen regelmäßig bewilligt und Ausnahmee von dieser Regel nur dann gemacht wurden, wenn schon zahlreiche Erstickungen stattgefunden hatten und b e s o n d e r e Gründe vorlagen, welche eine weitere Verlängerung im einzelnen Falle nicht augezeigt erscheinen ließen. Ferner ist in den meisten Fällen eine wiederholte Fristverlängerung nur rnit dem Vorbehalte gestattet worden, eventuell auch vor Auslauf der Fristen die Konzession ganz oder theilweise einem sich meldenden andern Bewerber zu ertheilen, der bessere Garantien für die Ausführung- zu bieten im Falle wäre, als der frühere Inhaber.

Im vorliegenden Falle nun hat eine Verlängerung der Konzession noch nicht stattgefunden. Dabei handelt es sich um ein größeres Unternehmen (Chur-Thusis = 25 und Thusis-Filisur = 23, zusammen 48 Km.), dessen Finanzirung, wie die bisherigen Verhandlungen zeigen und wie vom Centraltwhakomite selbst zugegeben wird, mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden ist, so daß dafür nothwendig eine gewisse Zeil zur Verfügung stehen muß, um zunächst die in Aussicht genommenen Subventionen erhältlich zu machen und die erforderlichen langwierigen Verhandlungen aller Art durchzuführen. Das Komite selbst hält mit vollem Recht einen Zeitraum von 18 Monaten kaum für genügend. Da Herrn Hunger in der Konzession bloß d i e s e Frist eingeräumt worden war, so würde, wenn ihm eine angemessene Fristerstreckung schlechthin nicht gewährt werden will, bei den notorisch schwierigen Verhältnissen die Konzession geradezu bloß zu einer Scheinkonzession.

Es erscheint unter diesen Umständen und mit Rücksicht auf dio bestehende Praxis das Gesuch des .Herrn Hunger an sich als ein begründetes und es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß demselben unbedenklich entsprochen würde, wenn sich nicht die Konkurrenz geregt hätte und von anderer Seite um die Konzession nachgesucht würde. Es entsteht daher die Frage, ob Gründe vorhanden sind, entgegen der bestehenden Praxis die Erneuerung der Konzession dem bisherigen Inhaber zu verweigern und dieselbe einem andern Bewerber zu übertragen. Es versteht sich unseres Brwchtens von selbst, daß nur gewichtige Gründe ein Abweichen von
der Regel zu rechtfertigen vermögen und Opportunitätsgründe oder bloße Vorliebe nicht den Aussehlag geben dürfen.

Sowohl von der Kantonsregierung als von dem konkurrirenden Komite werden verschiedene Motive geltend gemacht. Wir sind aber der Meinung, es könne sich nach dem in Konkurrenzfällen bisher als

1103 maßgebend anerkannten Grundsatze nur darum handeln, welcher der beiden sich gegenüberstehenden Bewerber b e s s e r e G a r a n t i e n für die A u s f ü h r u n g bietet.

Bei Prüfung dieser Frage gelangen wir, im Gegensatz zu der Regierung von Graubünden, zu einem dem bisherigen Konzessionsinhaber günstigen Resultate. Denn es versteht sich, daß die in Betracht zu ziehenden Garantien positiver Art sein müssen, in verbindlichen Zusagen von Finanzinstituten, Korporationen oder Privaten, in Subventionszusicherungen u. dgl. bestehen müssen, während bloße persönliche Vorzüge oder nur moralische Garantien u. s. w., bei deren Abwägung übrigens die subjektive Anschauung eine allzu große Rolle spielt, natürlich außer Betracht fallen. Wir verweisen in Bezug auf die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Präzedenzfall von Beinwyl-Reinach-Menziken, wo für diese Zweiglinie die dem Wynenthalbahnkomite zustehende Konzession entzogen und der Seethalbahngesellschaft ertheilt wurde, nachdem sich letztere über dea Besitz der zum Bau erforderlichen Mittel ausgewiesen hatte (vgl.

Botschaft betreffend Konzession einer Eisenbahn von Beinwyl nach Reinach-Menziken, vom 10. Juni 1886).

Nun beruft sieh im vorliegenden Falle das Komite nicht einmal darauf, solche materielle Garantien zu bieten, wie z. B. im Besitze von Subventionszusagen oder finanziellen Mitteln irgend welcher Art zu sein, vielmehr geht aus der Begründung des Gesuches, wie aus dem Fusionsvertrag mit aller Deutlichkeit hervor, daß das Komite in keiner günstigem Lage als Herr Hunger sich befinden würde und gerade wie dieser die nöthigen Mittel für das Unternehmen erst noch suchen müßte, sonst würde es nicht zur Begründung der nachgesuchten dreijährigen Frist mit so viel Nachdruck auf die mit der Erlangung von kommunalen, kantonalen etc.

Subventionen verbundenen langwierigen Unterhandlungen hinweisen.

Die Regierung allerdings scheint in ihrer Vernehmlassung vom 3. Oktober von der Annahme auszugehen, es verfüge das Komite über einzelne Subventionen, ohne daß aber angegeben würde, auf welche Anhaltspunkte sie sich dabei stützt. Im Fusionsvertage steht von Subventionen, welche dem neuen Komite bereits zustehen oder übertragen würden, kein Wort. Die Frage, ob das Komite in dem hier allein maßgehenden Sinne bessere Garantien als der bisherige Inhaber der
Konzession zu bieten vermag, muß somit verneint werden. Daneben verdient gewiß der Umstand alle Beachtung, daß dus Komite aus zum Theil von Bezirks-, Kreis- und Gemeindebehörden oder Versammlungen gewählten Vertretern sämmtlicher an der Bahn interessirter Thalschaften besteht, und so gewissermaßen einen offiziellen Anstrich hat. Allein irgend eine Gewähr

1104 in finanzieller Beziehung folgt aus dieser Zusammensetzung des Komite's noch nicht und es geht nicht an, dem bisherigen Konzessiousinhaber, der als ehrenwerthe Persönlichkeit die gleichen m o r a l i s c h e n Garantien bietet, die Konzession schon nach 18 Monaten ohne andern Grund, als daß jetzt ein ansehnlicheres Ko m i te als Konkurrent auftritt, zu eniziehen bezw. nicht mehr zu verlängern und einem neuen Bewerber zuzuwenden.

Die Verlängerung der Konzession an Herrn Hunger unterliegt übrigens auch aus dem Grunde um so weniger Bedenken, als derselbe zum Voraus erklärte, sich einer Klausel in dem Sinne zu unterziehen, daß er die Konzession an denjenigen abzutreten habe, welcher für Beschaffung der erforderlichen Mittel die nöthige Garantie biete. Wenn es also in der Folge dem Komite gelingt, Subventionszusicherungen zu erlangen, mit Finanzinstituten das Baukapital sichernde Verträge einzugehen u. s. w., so kann es bei den Bundesbehörden um Uebertragung der Konzession einkommen, die ihm alsdann nicht abgeschlagen werden wird.

Geht schon aus dem Angeführten hervor, dass nach dem hier entscheidenden Gesichtspunkte für Verwsigerung der Fristverlängerung zu Gunsten eines dritten Bewerbers kein Boden vorhanden ist, so wollen wir doch nicht unterlassen, auf einige weitere Argumente etwas näher einzutreten, welche für die Kantonsregierung bei ihrer Stellungnahme bestimmend waren und ac.f welche sich das Komite stützt.

Wenn zunächst vom Komite, und zum Theil auch vom Kleinen Rathe, geltend gemacht wird, Herr Hunger gehe lediglich darauf aus, die mit Unterstützung eines Theils dss Komitees seiner Zeit erlangte Konzession zu seinem persönlichen pekuniären Vortheil zu verwerthen, tendire also ohne Rücksicht auf das allgemeine Landesinteresse einfach eine Privatspekulation oder vertrete gar gewisse Sonderinteressen der Stadt Chur, so bieten zu einer solchen Annahme die vorliegenden Akten nicht den mindesten Anhaltspunkt.

Vielmehr geht aus Allem hervor, daß Herr Hunger sich bei seiner jahrelangen Propoganda für sein Projekt nicht durch eigennutzige persönliche Motive, sondern von der Absicht leiten ließ, der Idee einer bündnerischen Centralbahn Chur-Thasis-Filisur nach und nach Boden zu gewinnen und dieses Unternehmen der Verwirklichung entgegenzuführen. Herr Hunger erklärte daher von Anfang an, bei
der Fristerstreckung die mehrerwähnte, sonst erst bei wiederholten Verlängerungen Übliche Abtretungsklausel ohne Weiteres zu akzeptiren, und ist nunmehr sogar erbötig, die Konzession nach der Verlängerung unter Bedingungen an das Komite abzutreten, die nicht .blos nicht als exorbitante, sondern als durchaus angemessene zu

1105 bezeichnen sind. Das bisherige Verhalten des Gesuchstellers berechtigt also in keiner Weise zu dem Schlüsse, als bestehe dessen Tendenz nur darin, den einzig möglichen Weg zur Erzielung einer Fortsetzung der Eisenbahn gegen Süden, nämlich die Fusion der beiden Komites, zu durchkreuzen, und es liegen keine Gründe vor, Zweifel in die Versicherung des Herrn Hunger zu setzen, daß es ihm vielmehr darum zu thun ist, dem Projekt Chur-Thusis-Filisur, welches er, weil weitergehenden Interessen dienend, in erste Linie stellt, durch die im Fusionsvertrage vorgesehenen Bedingungen und Fristen den Weg nicht versperren, resp. dasselbe nicht zu Gunsten des Projektes Chur-Thusis gefährden zu lassen.

Bin Hauptgewicht wird sodann vom Komite auf dje Fusion zwischen den beiden Komites Chur-Thusis und Chur-Thusis-Filisur gelegt und betont, daß der bezügliche, mit unendlicher Mühe zu Stande gekommene Fusionsvertrag vom 1. Juni 1888 wieder dahinfallen würde, sofern die Erlangung der Konzession in der darin vorgesehenen Form von den Bundesbehörden nicht sollte erreicht werden können. Mit dem Dahinfallen der Fusion würde aber der frühere Antagonismus zwischen den .beiden Projekten Chur-Thusis und Chur-Filisur wieder aufleben und dann wahrscheinlich auf lange Zeit hinaus gar nichts zu Stande kommen, möge alsdann die Konzession wem immer ertheilt werden. Auch die Regierung erblickt die einzige Hoffnung der Weiterführung der Bahn in der endlich erzielten Einigung der beiden Linien.

Allein dem ist vor Allem entgegenzuhalten, daß die Bestimmungen eines ohne Mitwirkung der Bundesbehörden zu Stande gekommenen privatrechtlichen Vertrages, für letztere unverbindlich sind und bei Ausübung eines Hoheitsrechtes jedenfalls dann nicht maßgehend sein können, wenn deren Berücksichtigung im Widerspruche stehen würde mit einem bisher konstant zur Anwendung gebrachten Grundsätze, nämlich, daß der Entzug einer Konzession nur stattfindet, wenn der neue Bewerber bessere Garantien für die Ausführung bietet, als der bisherige Inhaber.

Abgesehen hievon unterliegt es ernstlichen Bedenken, ob überhaupt eine Konzession in der vom fusionirten Komite verlangten Form zu ortheilen wäre, nämlich mit der ,,als Recht zu gewährleistenden" Bedingung, daß, wenn die Verwirklichung des ganzen Projektes Chur-Thusis-Filisur in der ersten Hälfte der
Konzessionsdauer nicht erzielt werden könne, von diesem Zeitpunkt an auf die Konzession für die obere Sektion Thusis-Filisur in aller Form Rechtens verzichtet werden solle und nur noch die Realisirung des Projektes einer normalspurigen Bahn Chur-Thusis anzustreben sei.

Solche verklausulirt Abmachungen privatrechtlicher Natur gehören Bandesblatt. 40. Jahrg. Bd. IV.

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1106 nach unserm Dafürhalten Überhaupt nicht als Bedingung" in eine Konzession, welche die Beziehungen zwischen dem Konzessionär resp. der Gesellschaft einerseits und dem Bund, sowie dem Publikum anderseits, nicht aber diejenigen der Konzessionäre unter sich zu regeln hat. Es ist aber auch ganz unzweckmäßig, für den Fall, daß der Finanzausweis binnen der geselzten Frist nicht geleistet werden könne, zum Voraus schon zu verfügen, daß dann die Konzession für Thusis-Filisur ein für alle Mal ciahinfallen solle. Es erscheint vielmehr als das einzig Angemessene, den Entscheid für jenen Zeitpunkt unpräjudizirt vorzubehalten.

Was endlich die Vermerke im Protokolle des Nationalrathes anläßlich der Verhandlungen über die Konzessionsertheilu im Jahr 1886 und 1887 betrifft, auf welche neben dem Komit auch der Kleine Rath abstellt, so ist vor Allein zu bemerken, daß jene Erklärungen nur von der K o m m i s s i o n ausgingen und nur die Ansicht der Kommission, nicht diejenige des Plenums wiedergeben, somit für die Bundesversammlung als solche unter keinen Umständen verbindlich wären und dem Entscheid in Betreff des vorliegenden Fristverlängerungsbegehrens durchaus nicht präjudiziren würden. Uebrigens hatten jene zu Protokoll genommenen Motive für die Anträge der Kommission eine ganz andere Sachlage als die heutige zur Voraussetzung. Damals standen sich die Projekte ChurThusis als das engere und Chur-Thusis-Filisur als das weitere gegenüber. Aus Rücksicht auf das engere Projekt, das nicht durch Konzessionirung des weitern, schwieriger oder vielleicht gar nicht zu finanzirenden Unternehmens ein für alle Mal lahmgelegt werden, sondern welches als das voraussichtlich leichter zu realin sirende nur für eine b e s c h r ä n k t e Z dit gegenüber dem anderzurücktreten sollte, wurde damals Nichtverlängerung der Konzession für Chur-Thusis-Filisur von der Kommission in Aussicht genommen.

Heute handelt es sich dagegen um ein und dieselbe Linie ChurThusis-Filisur, indem einerseits der bisherige Konzessionär um Verlängerung der Konzession nachsucht, während auf der andern Seite ein Komite die Konzession für sich in Anspruch nimmt, d. h. es liegt Konkurrenz bezüglich der g l e i c h e n Linie vor, in welchen Fällen nach bisheriger Praxis, wie schon oben ausgeführt wurde, zu Gunsten desjenigen Bewerbers zu entscheiden ist,
der bessere Garantien für die Ausführung zu bieten im Falle ist, wobei aber immerhin bei gleichen Garantien dem bisherigen Inhaber der Konzession der "Vorzug zukommt.

Dieser Vorzug ist aber durchaus kein absoluter, sondern hat eigentlich nur formelle Bedeutung, wenn der Fristverlängerung die von Hunger förmlich akzeptirte Klausel beigefügt wird, wonach

1107 demselben zu Gunsten des heute nicht berücksichtigten Komites die Konzession soll entzogen werden können, wenn letzteres in der Folge b e s s e r e Garantien als jener nachweisen würde.

Schon mit Rücksicht auf diese Bestimmung ist daher nicht erfindlich, wieso das Centralbahnkomite in seiner Thätigkeit lahmgelegt sein und die Erneuerung der Hunger'schen Konzession einfach eine Verschiebung der centralbündnerischen Eisenbahnfrage um den Zeitraum der bezüglichen Fristverlängerung bedeuten sollte.

Schließlich drängt sich die Frage auf, ob den Interessen des Projektes einer Schienenverbindung von Chur über Thusis nach Filisur nicht besser dadurch gedient wäre, wenn das Komite seine Bemühungen mit denjenigen des bisherigen Konzessionärs vereinigen, statt ihm die Konzession zu entwinden streben würde. Es scheint dieser Weg um so angezeigter, als von Seite des Herrn Hunger das nöthige Entgegenkommen gezeigt wird.

Wenn wir, gestützt auf die vorstehenden Ausführungen, zu dem Antrage gelangen, Herrn Hunger die Konzession für die normalspurige Eisenbahn von Chur nach Thusis und die schmalspurige Fortsetzung von Thusis his Filisur zu verlängern, so möchten wir unsern Antrag noch dahin präzisiren, die zu gewährende Frist reichlich genug zu bemessen, daß innert derselben die Frage der Finanzirung bei den nicht zu verkennenden großen Schwierigkeiten auch wirklich einer Entscheidung zugeführt werden kann. Dazu halten auch wir 18 Monate kaum für ausreichend, und schlagen Ihnen deshalb eine zweijährige Frist vor, die mit Schluß des Jahres 1890 ihr Ende erreichen würde. Die Stellung des Komite's wird dadurch keine ungünstigere, indem ihm ja immer die Klausel den Erwerb der Konzession ermöglicht, wenn seine Bemühungen eher als diejenigen des Herrn Hunger von Erfolg gekrönt sein sollten.

Anderseits erreicht man durch eine angemessene Verlängerung der Frist, dass sich nach deren Ablauf die Chancen für die Realisirbarkeit des weitern Projekts mit einiger Sicherheit abschätzen lassen und damit für eine eventuelle neue Entscheidung ein fester Boden gewonnen ist.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 10. Dezember 1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

1108 (Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Fristverlängerung für die normalspurige Eisenbahn von Chur nach Thusis und die schmalspurige Fortsetzung von Thusis bis zur Filisurer Brücke und eventuell Bellaluna.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) eines Gesuches des Herrn Sebastian Hunger in Thusis vom 25. Juli 1888; 2) eines Konzessionsgesuches des Bündnerischen Centralbahnkomites, vom Oktober 1888; 3) der Vernehmlassungen des Kleinen Rathes des Kantons Graubünden, vom 27. Juni und 3. Oktober 1888; 4) einer Botschaft des Bundesrathes, vom 10. Dezember 1888, beschließt: 1. Die in Art. 5 der Konzession einer normalspurigen Bisenbahn von Chur nach Thusis und einer schmalspurigen Fortsetzung von Thusis bis zur Filisurer Brücke, und eventuell bis Bellaluna, vom 26. April 1887 (E. A. S., IX, 240 ff.), anberaumte Frist zur Einreichung der vorschriftgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Statuten, wird um 2 Jahre, d. h. bis zum 31. Dezember 1890, verlängert.

2. Wenn innert dieser Frist eine andere Gesellschaft die Konzession verlangen und bessere Garantien für deren Ausführung bieten sollte, so wird der Bundesversammlung vorbehalten, auch vor Ablauf der sub l angesetzten Frist die Konzession zurückzuziehen und dem neuen Bewerber zu übertragen, wenn nicht der dermalige Konzessionär innert einer dann2,umal festzusetzenden Frist die gleichen Garantien bietet.

3. Auf das Konzessionsgesuch des Elündnerischen Centralbahnkomites für die nämlichen Linien, vom Oktober 1888, wird demgemäß nicht eingetreten.

4. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

1109

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Trompeters Köchli.

(Vom 7. Dezember 1888.)

Tit.

Heinrich K ö c h l i , Dreher, von Obersteinmaur, Kt. Zürich, geb. 1865, ledig, Schützentrompeter (1. Komp., Bataillon Nr. 6), ist in der Sitzung des Kriegsgerichtes der VI. Division in Zürich am 23. September 1887 wegen ausgezeichnetem Diebstahl zu einer Zuchthausstrafe von ein und einem halben Jahre und zur Kassation als Militär verurtheilt worden.

Der Thatbestand ist folgender: Am Abend des 7. September begab sich Köchli, der sich in der Kaserne Zürich befand, frühzeitig auf sein Zimmer und legte sich zu Bette. Sein Kamerad Kägi that ein Gleiches. Köchli benutzte nun den Schlaf des Erstern, um dessen Portemonnaie, das ungefähr Fr. 50 enthielt, sich anzueignen.

Durch Auffinden eines Theiles des entwendeten Geldes in den Kleidern Köchli's des Diebstahls überwiesen, erklärte sich Köchli schuldig und suchte seinen Fehler damit zu beschönigen, daß er aussagte, er habe das Portemonnaie zwischen den beiden Betten gefunden, was durch Kägi bestritten wird, indem dieser behauptet, daß sein Portemonnaie wohlversorgt in seiner Tasche gesteckt und nicht habe herausfallen können.

Das entwendete Geld ist zurückerstattet und das Urtheil ohne Beizug von Geschwornen ausgefällt worden.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die normalspurige Eisenbahn von Chur nach Thusis und die schmalspurige Fortsetzung von Thusis bis zur Filisurer Brücke und eventuell Bellaluna. (Vom 10. Dezember 18...

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15.12.1888

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1098-1109

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