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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Jakob Cottier, von Arni (Bern).

(Vom 15. März 1888.)

Tit.

Das korrektioneile Gericht von Bern hat unterm 28. April 1887 wegen Uebertretung von Art. 3 des Bundesgesetzes betreffend die W e r b u n g und den E i n t r i t t in den f r e m d e n K r i e g s d i e n s t , vorn 30. Juli 1859, verurtheilt: 1) J o h a n n J a k o b C o t t i e r , Schneider, von Arni bei Biglen, Kantons Bern, geboren 1829, zu 15 Monaten Gefängniß, Fr. 300 Geldbuße und zum Verluste des Aktivbürgerrechts auf die Dauer von 5 Jahren, und 2) dessen Sohn A l b e r t C o t t i e r , Schuster, geboren 1860,, zu 4 Monaten Gefängniß, Fr. 100 Geldbuße und zum Verluste des Aktivbürgerrechts auf die Dauer von l Jahr, sowie beide solidarisch und gemeinsam zur Tragung der Kosten.

Der diesem Erkenntniß zu Grunde liegende Thatbestand ist im Wesentlichen folgender: Vater und Sohn Cottier haben im Jahre 1886 zu Beifort (Frankreich) eingestandenermaßen eine größere Anzahl von Personen für den holländisch-indischen Militärdienst angeworben. Ihre Thätigkeit bestand vornehmlich darin, daß sie über die Bedingungen für den Eintritt in diesen Dienst und über die Beschaffung der

685 notwendigen Legitimationspapiere Auskunft ertheilten und hernach die Spedition der jungen Leute in das Hauptwerbedepot für Holland, nach Harderwyk, besorgten. Albert Cottier pflegte die Kandidaten seinem Vater zuzuführen , während der letztere sie beherbergte und verköstigte. Auf der Reise nach Holland wurden sie wiederum von Albert Cottier begleitet. Nach den Untersuchungsakten scheinen die Verurtheilteu die Anwerbungen übrigens in ziemlich ausgedehntem Maße betrieben zu haben.

Vor den Schraoken haben die beide» Cottier die Anwendbarkeit des Bundesgesetzes betreffend die Werbung und den Eintritt in den fremden Kriegsdienst bestritten, indem die eingeklagten Handlungen nicht auf s c h w e i z e r i s c h e m Gebiete verübt und auch keine S c h w e i z e r b ü r g e r angeworben worden seien. Das Gericht hat jedoch die Gründe, welche der Bundesrath f ü r die Anwendung dieses Gesetzes geltend gemacht hatte und die im Geschäftsberichte pro 1886 (Bundesblatt 1887, II, 735 und 736) näher erörtert sind, als zutreffend anerkannt.

Ferner hat der Richter als Straferhöhungsgruud gegenüber dem Vater Cottier insbesondere den Umstand in Betracht gezogen, daß derselbe bereits wegen des gleichen Vergehens im 9. Rückfalle sich befinde und daß er der Vollziehung der zuletzt - ausgesprochenen Gefängnißstrafe von 12 Monaten durch die Flucht in's Ausland offenbar nur in der Absicht sich entzogen habe, um die Anwerbungen dort fortsetzen zu können.

Beide Verurtheilte haben gegen das Erkenntniß des korrektionellen Gerichtes von Bern die Appellation erklärt.

Unterm 28. Mai 1887 hat indeß die Polizeikaramer des Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern das erstinstanzliclie Urtheil, soweit dasselbe den Vater Cottier betrifft, bestätigt, dagegen die Gefänguißstrafe des Sohnes Albert Cottier von 4 auf 2 Monate herabgesetzt.

Johann Jakob Cottier verbüßt seine Strafe seit dem 25. September 1887 in der Anstalt St. Johannsen, Kantons Bern, nachdem er zuvor am gleichen Orte eine ihm von der Polizeikammer dieses Kantons unterai 23. Januar 1886 ebenfalls wegen Werbung zuerkannte einjährige Gefängnißstrafe erstanden hat.

Mit Eingabe vom 16. Februar laufenden Jahres bittet derselbe die Bundesversammlung um seine ,,bedingte Entlassung" aus dem Strafverhaft. Zur Unterstützung .dieses Gesuches hebt er (wies. Z.

vor Gericht) hervor, daß die Anwerbungen, deren er sich schuldig gemacht habe, auf französischem Gebiete erfolgt seien und daß die-

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selben nur auf deutsche Staatsangehörige sich erstreckt haben.

Außerdem beruft er sieh auf seine Familienverhältnisse. Seine Frau und Kinder, von denen vier noch unerzogen seien, würden der größten Armuth preisgegeben, wenn sie noch länger seine Unterstützung entbehren müßten. Zudem würde er zu einer Zeit aus der Strafanstalt entlassen, wo für ihn als Schneider schwerlich oder vielleicht gar nicht Arbeit zu finden wäre.

Die Strafanstaltsverwaltung bezeugt, daß J. J. Cottier bis anbin eines guten Betragens sich beflissen habe.

Dagegen bemerkt die Regierung des Kautons Bern, indem sie uns dessen Petition übermittelt, daß sie Cottier mit Rücksicht auf die vielfachen Vorbestrafungen wegen Uebertretung des Werbeverbotes zur Begnadigung durchaus nicht empfehlen könne.

Auch wir glauben aus dem nämlichen Grunde Ihnen beantragen zu müssen, es sei dem Begnadigungsgesuche des Johann Jakob Cottier keine Folge zu geben.

Derselbe ist in der That schon neun Mal von den bernischen Gerichten wegen Zuwiderhandlung gegen das B u n d e s g e s e t z betreffend die W e r b u n g und den Eintritt in den f r e m d e n K r i e g s d i e n s t bestraft worden, nämlich: 1) am 19. Mai 1870 zu 30 Tagen Gefangniß und Fr. 100 Buße; 2) am 15. Februar 1878 zu 15 Tagen Gefangniß und Fr. 10 Buße; 3) am 19. Dezember 1878 zu l Monat Gefangniß und Fr. 10 Buße; 4) am 26. April 1879 zu 30 Tagen Gefangniß und Fr. 50 Buße; 5) am 24. Dezember 1879 zu 30 Tagen Gefangniß und Fr. 50 Buße; 6) am 28. April 1880 zu 6 Monaten Gefangniß und Fr. 100 Buße; 7) am 10. Februar 1883 zu 5 Monaten Gefangniß und Fr. 100 Buße; 8) am 23. Januar 1836 zu l Jahr Gefangniß und Fr. 200 Buße; 9) am 28. Mai 1887 zu 15 Monaten Gefangniß und Fr. 300 Buße.

Im Falle l koakurrirte mit der Werbung noch Betrug, im Falle 6 Fälschung und Hehlerei und im Falle 8 Gebrauch eines falschen Zeugnisses.

687 Außerdem ist J. J. Cottier 1864 wegen Unterschlagung, 1865 wegen Betruges, 1866 wegen Fälschung und Unterschlagung, 1871 wegen Diebstahls, 1874 wegen Diebstahls, Diebstahlversuches und Entweichung und 1876 wegen Drohung und Fatnilienvernachläßigung mit Gefängniß oder Zuchthaus bestraft worden.

Diese Daten beweisen zur Genüge, daß Cottier ein unverbesserliches Individuum ist und daß gerade ihm gegenüber mit aller Strenge des Gesetzes verfahren werden muß. Auch speziell die letzte Strafuntersuchung hat dargethan, daß derselbe in der Durchführung seines verbrecherischen Willens große Hartnäckigkeit an den Tag gelegt hat.

Zum Schlüsse erwähnen wir besonders, daß der Petent erst 2/5 der ihm auferlegten Strafe erstanden hat.

Indem wir den Antrag auf Abweisung erneuern, benutzen wir diesen Anlaß, Sie unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 15. März 1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hertenstein.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Bericht der

nationalräthlichen Kommission, betreffend das Gesuch des Bundesraths um einen Nachtragskredit zum Zwecke einer bessern Organisation der politischen Polizei.

(Vom 20. März 1888.)

Tit.

Vorkommnisse aus jüngster Zeit haben den Bundesrath veranlaßt, einer von Herrn Oberst Müller vor zwei Jahren gemachten Anregung, betreffend die bessere Organisation der politischen Polizei, Folge zu geben, und zu diesem Zweck einen Nachtragskredit von Fr.20,000 pro 1888 zu verlangen.

Der Mangel an einer einheitlich geleiteten Polizei trägt wenigstens theihweise die Schuld an diplomatischen Schwierigkeiten, die entstanden sind, und welche kurz zu berühren wir für nothwendig erachten. Unsere Beziehungen zu Deutschland, die früher immer sehr gute waren, haben in den letzten Monaten einen weniger freundlichen Charakter angenommen. Von beiden Seiten wurden Beschwerden erhoben. Die hauptsächlichsten Beschwerden des deutschen Reiches bezogen sich auf den ,,Rothen Teufel", den ,,SozialDemokrat", die Haltung des Polizeihauptmanns Fischer, die Sehmähschrift von Basel und andere öffentliche Manifestationen. Die Angelegenheit Fischer wurde vom Bundesrath mit Recht als eine innere Frage behandelt. Ihre Kommission gewann aus den Akten die Ueberzeugung, daß die scharfe Mißbilligung des Vorgehens des

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Jakob Cottier, von Arni (Bern). (Vom 15. März 1888.)

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1888

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24.03.1888

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