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Schweizerisches Bundesblatt.

38. Jahrgang. III.

Nr. 47.

13. November 1886.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz) : 4 Franken.

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Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Ratifikation von Zusätzen zur internationalen Konvention über den Schutz des gewerblichen Eigenthums.

(Vom 5. November 1886.)

Tit.

Die internationale Konvention zum Schütze des gewerblichen Eigenthums, abgeschlossen in Paris am 20. März 1883 und genehmigt von der schweizerischen Bundesversammlung mittelst Beschluß vom 21. Dezember 1883, enthält in Art. 14 folgende Bestimmung: ,,Die gegenwärtige Uebereinkunft soll periodischen Revisionen unterworfen werden, behufs Einführung von Verbesserungen, welche geeignet sind, das System der Union zu vervollkommnen.

,,Zu diesem Zwecke werden nach einander in einem der vertragschließenden Staaten zwischen den Abgeordneten dieser Staaten Konferenzen abgehalten.

,,Die nächste Konferenz soll im Jahre 1885 in Rom stattfinden."

Wegen der in Italien ausgebrochenen Cholera wurde die erste Konferenz, welche 1885 hätte abgehalten werden sollen, auf das Jahr 1886 verschoben.

In der Einladung zur Theilnahme an der Konferenz, für deren Eröffnung der 29. April a. c. bestimmt war, bemerkte das königlich italienische Ministerium, es sei zweckmäßig und wünschenswerth, daß von den Staaten Techniker oder Beamte, zu deren Geschäftskreis das gewerbliche und industrielle Eigenthum gehört, zu Delegirten erwählt werden.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

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522 Zu Delegirten haben wir sodann gewählt: Herrn Minister B a v i e r in Rom, und ,, Dr. W i l l i , Chef der I. Abtheilung des Handels- und Landwirthschaftsdepartements.

Als Traktanden lagen der Konferenz vor: 1) Revision der Konvention.

2) Vollziehungsreglement zu derselben.

83 Uebereinkommen betreffend die internationale Einregistrirung von Fabrik- und Handelsmarken.

4) Unvorhergesehene Geschäfte.

Folgende, der Konvention angehörende Staaten waren an der Konferenz vertreten; wir führen dieselben in alphabetischer Reihenfolge auf: Belgien, Brasilien, England, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Serbien, Spanien, Schweden, Schweiz, Tunis.

Nachstehende Staaten, welche bis jetzt der Union zum Schutz des gewerblichen Eigenthums noch nicht beigetreten sind, haben ebenfalls Delegirte an die Konferenz gesendet : Deutschland, Luxemburg, Mexiko, Paraguay, Rumänien, Urugay, Vereinigte Staaten von Nord-Amerika.

Zum Präsidenten der Konferenz wurde gewählt: Herr Ubaldino Per u z z i , Mitglied des italienischen Parlaments j zum Vize-Präsidenten : Herr Graf d u T o u r , französischer Delegirter.

Für die Vorberathung und Begutachtung der Traktanden wurde eine Kommission gewählt, und zwar : Herr Henri R e a d e r L a c k (England); ,, D u J e u x (Belgien); ,, Dr. W i l l i (Schweiz).

Was nun zunächst die Revision der Konvention betrifft, so wurde diese von Frankreich und Belgien beantragt.

Artikel 5 der Konvention schreibt vor: ,,Führt der Patentirte Gegenstände, welche in einem Staate der Union fabrizirt worden sind, in das Land ein, in welchem das Patent dafür ausgestellt worden ist, so zieht dies den Verlust des Patentes nicht nach sich.

,,Immerhin bleibt der Patentirte verpflichtet, sein Patent gemäß den Gesetzen des Landes, in welches er die patentirten Gegenstände einführt, auszubeuten."1

523 Frankreich verlangte nun eine Aenderung in dem Sinne, daß derjenige, welcher von einem Staate ein Erfindungspatent erhält, auch verpflichtet werde, in demselben zu fabriziren. Das Wort ,,auszubeuten11 am Schlüsse des Artikels 5 sollte nach dem Antrage bedeuten ,,fabriziren"1, und es wäre nur die Einfuhr eines Modells des patentirten Gegenstandes gestattet.

Es ist richtig, daß die Redaktion des zitirten Artikels Zweifel darüber läßt, ob der Patentinhaber verpflichtet sei, im Staate, welcher demselben das Patent ertheilt hat, zu fabriziren oder nicht.

Allein, um diesen Zweifel zu heben, bedurfte es keiner Revision der Konvention, sondern nur eines explikativen Zusatzes.

Belgien stellte einen vom französischen diametral verschiedenen Antrag : Es sei eine Bestimmung aufzunehmen, laut welcher ein Patentinhaber, wenn er sein Patent in irgend einem Unionsstaate ausbeutet, in den andern Unionsstaaten aus dem Grunde, weil er nicht auch in diesen fabrizire, seines Patentes nicht verlustig werden dürfe.

Belgien hat schon in der Konferenz, welche im November 1880 in Paris abgehalten worden ist, den gleichen Standpunkt eingenommen.

Wie dort, wurde derselbe auch in Rom nachdrucksamst bekämpft und schließlich von der belgischen Delegation fallen gelassen. Die Schweiz hätte zu einer solchen Bestimmung ihre Zustimmung nie geben können. Wir müssen daran festhalten, daß, wer ein Patent in der Schweiz löst, hier auch fabrizirt, nicht nur importirt.

Nach eingehender Diskussion hat die Konferenz grundsätzlich jede Revision der Konvention dermalen als unzweckmäßig und unnöthig abgelehnt, dagegen sich für Aufnahme von Zusatzartikeln welche die Grundsätze der Konvention nicht ändern, ausgesprochen.

Es wurde sodann zur Verdeutlichung des Artikels 5 folgender Zusatz zu demselben beschlossen: ,,Jeder Staat hat den Sinn, in welchem bei ihm der Ausdruck ,,auszubeuten" zu interpretiren ist, zu bestimmen."1 Es liegt hierin für den Staat, welcher ein Patent ertheilt, der nicht zu unterschätzende Vortheil, durch sein internes Gesetz zu verlangen, daß in jenem der patentirte Gegenstand auch fabrizirt, nicht nur importirt werde. Die Schweiz wird jetzt sozusagen mit ausländischen Produkten aller Art überschwemmt, während unsere Fabrikanten, wenn sie Schutz von Erfindungen haben wollen, denselben im Auslande suchen müssen, indem ihnen ihr Heimatland bis zur Stunde noch keinen eingeräumt hat. Nachstehende Tabelle enthält hierüber die nähern Angaben:

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Erfindungspatente, welche

in den Jahren 1884 und 1885 den Staatsangehörigen der hauptsächlichsten Industrieländer in Gestenreich-Ungarn, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Großbritannien, Deutschland und Italien ausgestellt worden sind.

1884 Länder.

1885

Ausge- Einwohner Ausge- Einwohner stellte stellte per per Patente. Patent.

Patente.

Patent.

I. Oesterreich-TJngarn.

i. Oesterreich-Ungarn 1,031 779 2. Deutschland 44 3 . Schweiz . . . .

224 4. Großbritannien 35 5 . Belgien . . . .

232 6. Frankreich . .

147 7. Vereinigte Staaten 4 8. Dänemark . . .

9. Schweden u. Nor12 wegen . . . .

15 1 0 . Italien . . . .

29 11. Rußland . . . .

5 1 2 . Spanien . . . .

36,800 58,000 66,000 156,000 163,000 172,000 360,000 500,000

964 783 42 201 29 213 131 5

39,400 57,000 69,000 170,000 200,000 188,000 412,000 400,000

583,000 1,933,000 3,000,000 5,200,000

23 14 26 6

300,000 2,000,000 3,400,000 4,333,000

II. Vereinigte Staaten Ton Nordamerika.

1. Vereinigte Staaten 19,013 2,800 22,555 2,350 463 2. Großbritannien 75,600 592 59,000 36 83,300 3 . Schweiz . . . .

44 66,000 253 178,000 4. Deutschland . .

298 151,000 25 228,000 5 . Belgien . . . .

24 237,000 161 248,000 6. Frankreich . . .

138 290,000 6 333,000 7. Dänemark .

20 100,000 8. Schweden u. Nor10 700,000 wegen . . . .

26 270,000 9. Oesterreich-Ungarn 31 1,226,000 44 864,000 15 5,860,000 8 11,000,000 1 0 . Rußland . . . .

4 6,500,000 8 3,250,000 1 1 . Spanien . . . .

2 14,500,000 5 5,800,000 1 2 . Italien . . . .

525

1884 Länder.

Ausge- Einwohner stellte per Patente.

Patent.

III.

1885 Ausge- Einwohner per stellte Patente.

Patent.

Großbritannien.

13,511 1. Großbritannien 2,830 2,600 12,367 56 51,800 2 . Schweiz . . . .

67 43,300 1,382 3. Vereinigte Staaten 1,181 38,300 45,000 114 121 4 . Belgien . . . .

47,100 50,000 869 51,800 890 5. Deutschland 50,600 6. Frankreich .

57,000 788 51,000 701 25 24 7. Dänemark .

83,300 80,000 8. Schweden u. Norwegen . . . .

50 140,000 49 143,000 151 251,600 156 244,000 9. Oesterreich-Ungarn 1 0 . Italien . . . .

36 872,000 38 763,200 23 1,130,000 1 1 . Spanien . . . .

17 1,530.000 1 2 . Rußland . . . .

38 2,316^000 41 2,146,000

IV. Italien.

1. Italien . . . .

2 . Schweiz . . . .

3. Frankreich .

4 . Belgien . . . .

5. Deutschland . .

t>. Großbritannien 7. Oesterreich-Ungarn 8. Dänemark .

9. Vereinigte Staaten 10. Schweden u. Norwegen . . . .

1 1 . Spanien . . . .

1 2 . Rußland . . . .

430 35 209 27 168 121 62 3 62

67,440 83,000 191,000 211,000 270,000 289,000 613,000 666,000 855,000

6 1,170,000 3 8,700,000 6 14,666,000

444 37 239 26 231 145 47 4 76

65,300 78,400 170,000 219,000 195,000 241,000 810,000 500,000 700,000

15 466,000 16 1,620,000 5 17,600,000

Y. Deutschland.

1 1

Total der ausgestellten Patente: 4459.

An Schweizer ausgestellte Patente: 62, oder 1 Patent auf 46,800 Einwohner.

Total der ausgestellten Patente: 4018.

An Schweizer ausgestellte Patente: 64, oder 1 Patent auf 45,300 Einwohner.

526

Wenn wir einmal ein Gesetz über den Schutz der Erfindungen aufstellen, so können wir die Ausländer, welche bei uns Patente lösen, anhalten, auch hier zu fabriziren. Neue Etablissemente werden errichtet werden und der Arbeiter erhält lohnende Beschäftigung einerseits; andrerseits wird der schweizerische Erfinder sich nicht mehr veranlaßt sehen, mit seinem Kapital und seiner Intelligenz in's Ausland zu gehen, wie es jetzt vorkommt.

Artikel 10 der Konvention enthält die Bestimmung, daß jedes Erzeugniß, welches fälschlich den Namen eines bestimmten Ortes als Angabe der Herkunft trägt, mit Beschlag belegt werden kann, wenn diese Angabe mit einer fingirten oder in betrügerischer Absicht entlehnten Geschäftsfirma verbunden ist.

Ueber die Tragweite dieser Vorschrift haben wir uns bereits in unserer Botschaft vom 30. Oktober 1883, mit welcher wir Ihnen die Konvention vorlegten, näher ausgesprochen (siehe Bundesblatt vom Jahr 1883, Bd. IV, Seite 333).

F r a n k r e i c h beantragte anläßlich der Konferenz von Rom einen Zusatz, lautend : ,,. . . . wenn die als Herkunft angegebene Ortschaft auf dem Gebiete eines Staates der Union gelegen ist."

Ferner verlangte F r a n k r e i c h noch einen zweiten Zusatz zu Art. 10, laut welchem für die vorgesehene Beschlagnahme die innere Gesetzgebung des betreffenden Staates maßgebend sein soll.

Die e n g l i s c h e Delegation beantragte: ,,Jedes Produkt, welches unerlaubter Weise eine unwahre Bezeichnung der Herkunft trägt, kann in sämmtlichen Vertragsstaaten bei der Einfuhr mit Beschlag belegt werden.

,,I)ie Beschlagnahme kann sowohl in dem Lande, wo die unwahre Bezeichnung angebracht worden ist, als auch in demjenigen, in welches das Produkt eingeführt wurde, vorgenommen werden.

,,Die Beschlagnahme erfolgt entweder auf Verlangen der Staatsanwaltschaft, oder einer betheiligteu Partei, Person oder Gesellschaft, gemäß der internen Gesetzgebung eines jeden Staates.

,,Als betheiligte Partei wird jeder Fabrikant oder Kaufmann betrachtet, welcher mit der Fabrikation oder mit dem Handel dieses Produktes sich beschäftigt und in dem fälschlich angegebenen Herkunftsorte etablirt ist.

,,Die Gerichte jedes Landes haben zu entscheiden, welche Benennungen zufolge ihres allgemeinen Charakters nicht unter die gegenwärtigen Bestimmungen fallen.a

527 Zur Motivirung des Antrages wurde Folgendes angeführt : Der Art. 10 der Konvention wendet die Bestimmungen des vorhergehenden Artikels (d. i. die Beschlagnahme bei der Einfuhr) auf jedes Erzeugniß an, welches fälschlich den Namen eines bestimmten Ortes trägt, aber nur unter der Bedingung, daß ,,diese Angabe mit einer fingirten oder in betrügerischer Absicht entlehnten Geschäftsfirma verbunden ist.a Nun aber kommt es nur zu häufig vor, daß eine falsche Angabe der Herkunft allein angewendet wird, d. h. ohne mit irgend einer Marke oder Geschäftsfirma verbunden zu sein. So z. B. wurde bei der englischen Regierung durch die Korporation der Messerschmiede von Sheffield dringend Beschwerde geführt, weil das Wort Sheffield allein in verschiedenen Ländern häufig auf Erzeugnisse geprägt wurde, die nicht in England fabrizirt worden sind.

Es ist wohl nicht nöthig, auf das Interesse hinzuweisen, das Jedermann daran hat, daß ein solcher kaufmännischer Betrug, wenn möglich, unterdrückt werde.

' Hiezu kommt, daß solche betrügerische Angaben sehr häufig auf Produkte von geringerer Qualität angewendet werden, was sowohl den Ruf und die Interessen des fälschlich angegebenen Ortes schädiget, als auch dem Konsumenten, welcher im Vertrauen auf die gute Reputation kauft, einen großen Nachtheil zufügt.

Der Zweck der Konferenz geht dahin, die Moralität auf dem kommerziellen Gebiet zu befestigen, und alle Delegirten sind bezüglich des Prinzips, daß die Unterdrückung des Betruges im Interesse Aller liege, einig.

Die Konvention von 1883 garantirt die Rechte der Einzelnen.

Garantiren wir in dieser Konferenz die ausgedehnteren Rechte der Gesammtheit, welche aus einer Mehrzahl von Individuen sich zusammensetzt und daher desto eher des Schutzes würdig ist.

Schwierigkeiten haben sich freilich in dieser Beziehung schon auf der Konferenz vom Jahr 1883 gezeigt. Man hat damals darauf aufmerksam gemacht, daß bisweilen der Name eines Herkunftsortes nur die Gattung eines Erzeugnisses bezeichne, wie z. B. ,,Utrechter Sammta. Nichtsdestoweniger hält die englische Delegation dafür, der Antrag, den sie der Konferenz zur Würdigung unterbreitet, trage diesem Einwürfe Rechnung, ehenso wie der Frage der Durchfuhr, welche ebenfalls in den früheren Konferenzen aufgeworfen worden ist.

Nach erfolgter Beschlagnahme wird der interessirte Theil immer noch die Thatsache geltend machen können, daß ein allgemeiner Handelsgebrauch die Angabe der Herkunft als Bezeich-

528 nung einer bestimmten Herstellungsart rechtfertige, und derjenige, welcher eine Beschlagnahme veranlaßt, wird jedenfalls den Schaden in Betracht ziehen, der ihm aus einem Prozeß, welchen er möglicherweise verliert, erwachsen kann. -- Die b e l g i s c h e Delegation beantragte: y.Eine betrügerische Absicht wird in dem im ersten Absatz des Art. 10 der Konvention vorgesehenen Falle nicht angenommen, wenn mit Zustimmung des Betheiligten sein Name auf das importirte Erzeugniß gesetzt worden ist."

Hinsichtlich der sehr interessanten und erschöpfenden Diskussion, zu welcher diese Anträge Veranlaßung gaben, verweisen wir auf das Konferenzprotokoll, welches dieser Botschaft beigelegt wird.

Das Ergebniß derselben besteht darin, daß der Antrag der e n g l i s c h e n Delegation, mit Ausnahme des vierten Absatzes (,,Als betheiligte Partei wird jeder Fabrikant11, etc.), den die Konferenz!

als überflüssig erachtet hat, unverändert, und der Antrag der b e l g i s c h e n Delegation in folgender Fassung angenommen worden ist: ,,Eine betrügerische Absicht, in dem in Alinea l des Art. 10 der Konvention vorgesehenen Falle, liegt nicht vor, wenn nachgewiesen wird, daß diese Bezeichnung im Einverständniß mit dem Fabrikanten, dessen Name den importirten Produkten beigesetzt ist, angebracht worden ist."

Hinsichtlich dei1 Bedeutung dieses Konferenzbeschlusses fügen wir Folgendes hei : Die Beschlagnahme ist für keinen Staat obligatorisch. Es geht dies deutlieh aus den zwei ersten Absätzen der von der Konferenz; angenommenen Anträge der englischen- Delegation hervor. Was die Bestimmung des dritten Absatzes betrifft, so ist dieselbe nur innerhalb der Grenzen der Gesetzgebung eines jeden Staates anwendbar. Ueberhaupt nöthigt dieser Zusatzartikel keinen Staat, seine innere Gesetzgebung abzuändern.

Derselbe liegt im eminenten Interesse des loyalen Geschäftsverkehrs und .kann von der schweizerischen Industrie unseres Erachtens nur begrüßt werden.

Der von der Konferenz angenommene Antrag der belgischen Delegation ist immerhin eine nothwendige, im Interesse unserer Industrie liegende Ergänzung. Es sind z. B. die Fälle nicht selten, in welchen ein industrielles Etablissement, um Offerten annehmen und rechtzeitig ausführen zu können, genöthigt ist, Lieferungen theilweise von einem Geschäftsfreunde ausführen zu lassen, und um-

529 gekehrt für ausländische Geschäftsfreunde in ähnlichem Falle zu produziren. Wenn der Name des Auftraggebers mit Zustimmung desselben auf das Produkt gesetzt wird, so soll dies zur Ermöglichung solcher Fälle auch zuläßig sein. Es liegt dies im allseitigen Interesse. Bei verschiedenen Anständen, welche die schweizerische Industrie bisher im Verkehr mit ausländischen Geschäftsfreunden hatte und wo sie die Vermittlung der Bundesbehörde nachsuchte, wäre eine solche Bestimmung sehr zu statten gekommen.

Die f r a n z ö s i s c h e Delegation beantragte.noch folgenden Zusatzartikel zur Konvention: ,,Diejenigen Staaten, welche zur Union gehören und noch nicht Gesetze über alle Zweige des indus t r i e l l en Ei g e n t h u m s besitzen, s o l l e n b e f ö r d e r l i c h st i h r e Gesetzgebung auf diesem Gebiete vervollständigen.

,,Das Gleiche gilt auch für diejenigen Staaten., welche inskünftig der Union beitreten."· Es sind bekanntlich einzig die S c h w e i z und die N i e d e r l a n d e , welche zur Union gehören, aber eine vollständige Gesetzgebung, wie die erwähnte, nicht besitzen; der Antrag galt deßhalb vorab diesen beiden Staaten.

Die in Paris im Jahr 1880 abgehaltene Konferenz, welche den Entwurf zu einer Konvention über den Schutz des industriellen Eigenthums aufgestellt hat, ist über diesen Mangel namentlich mit Rücksicht auf eine Erklärung des s c h w e i z e r i s c h e n Abgeordneten, Herrn Minister Dr. Kern, hinweggegangen. Derselbe sagte, er sei kraft seiner Instruktionen beauftragt, zu erklären, daß, trotzdem die schweizerische Bundesverfassung keine Bestimmungen enthalte, welche dem Bunde die Befugniß geben, auf dem Gebiet der gewerblichen Erfindungen zu legiferiren, seine Regierung dennoch glaube, unter dem durch die Umstände gebotenen Vorbehalte die von der französischen Regierung gemachten Eröffnungen bejahend beantworten KU sollen, und dies um so mehr, als andere Gegenstände des Programmes der Konferenz durch die eidgenössische Gesetzgebung bereits geregelt oder auf dem Punkte seien, geregelt zu werden. Die schweizerische Delegation sei übrigens in der Lage, dieser der französischen Regierung bereits in der Antwort des Bundesrathes vom 14. Febr. 1880 auf das Schreiben der französischen Gesandtschaft vom 30. Dezember 1879 mitgetheilten Erklärung Folgendes beizufügen : ,,Unzweifelhaft hat sich in der Schweiz während der letzten Jahre in der öffentlichen Meinung eine bedeutende Bewegung zu

530 Gunsten der Erfindungspatente kund gegeben. Der Nationalrath hat auf einen bezüglichen Antrag eines Mitgliedes hin einstimmig die Erheblichkeitserklärung desselben beschlossen und den Bundesrath eingeladen, die Frage zu prüfen, ob es nicht im Interesse des industriellen Schutzes Hege, in der Schweiz das System der Erfindungspatente auf dem Gebiete der Industrie und des Handels einzuführen, und im Falle der Bejahung dieser Frage einen Gesetzesentwurf über diese Materie vorzulegen.

Der Gesetzesentwurf ist durch das Departement des Bundesrathes, zu dessen Geschäftskreis Fragen dieser Natur gehören, bereits ausgearbeitet. Er ist gedruckt und mit einer Auseinandersetzung der Motive, in welcher das Departement sich in sehr bestimmter Weise für den Nutzen und die Notwendigkeit eines Schutzes dieser Art des gewerblichen Bigenthums ausspricht, begleitet. Vereine und Gesellschaften, welche die Interessen der Industrie und des Handels vertreten, haben sich wiederholt und kategorisch im nämlichen Sinne vernehmen lassen.11 Eine von Ihnen hierauf und zwar am 28. April 1882 beschlossene Verfassungsbestimmung, mit welcher dem Bunde die Gesetzgebung über den Schutz der Erfindungen auf dem Gebiete der Industrie und Landwirtschaft, sowie über den Schutz der Muster und Modelle eingeräumt werden wollte, wurde bei der Abstimmung des Schweizervolkes und der Stände (30.. Juli 1882) gleichzeitig mit dem Epidemiengesetze verworfen.

Seither sind wieder neue Kundgebungen von Vertretern unserer Landesindustrien und Gewerbe erfolgt, die uns veranlaßten, den Antrag zu wiederholen, es sei dem Bunde das Recht zur Gesetzgebung auf dem erwähnten Gebiete einzuräumen. Wir verweisen auf unsere Botschaft vom 1. Juni 1886 (siehe Bundesblatt 1886, II, S. 517) und beschränken uns an dieser Stelle darauf, in Erinnerung zu bringen : 1) daß der Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle von der Uhrenindustrie, Bijouterie, Maschinenindiistrie, Holzschnitzerei, Keramik und Stickerei, sowie vom gesummten Kleingewerbestand dringend verlangt wird; 2) daß die Opposition der Gruppe der chemischen Industriezweige, namentlich der Farbenfabrikation und Bereitung pharmazeutischer Produkte, wegen der durchaus eigenartigen Schwierigkeiten, mit welchen hier eine gerechte Durchführung des Erfindungsschutzes zu kämpfen hätte, allgemein als berechtigt anerkannt, aber nicht als stichhaltiger Grund betrachtet wird, allen andern Industriezweigen, die den Schutz

531 dringend verlangen, um sich besser entwickeln zu können, diesen Schutz vorzuenthalten, daß vielmehr die Ansicht allgemein ist, es dürfe für die chemischen Industriezweige unbedenklich eine Ausnahmestellung geschaffen werden, um ihren speziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen ; für die Uebrigen aber sei der Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle einzuführen; 3) daß fast sämmtliche, an der Materie interessirten Handelsund Industrievereine, der schweizerische Ingenieur- und Architekten verein, der Verein ehemaliger Schüler des Polytechnikums etc., sich seit Dezennien, und heute mehr als je, für den Erlaß einer Gesetzgebung über den Schutz der Erfindungen, Zeichnungen und Modelle dringend verwenden; 4) daß dieser Schutz auch von den schweizerischen Rechtskundigen gebilligt wird, indem der schweizerische Juristenverein erklärt hat: ,,Es ist wünschenswerth, daß eidgenössische Gesetze betreffend den Erfindungsschutz, den Schutz von Fabrikmarken, Zeichnungen und Modellen erlassen werden, oder daß dieser Schutz auf internationalem Wege geregelt wird. tt Diese seit der erwähnten Abstimmung erfolgten Kundgebungen wurden von der s c h w e i z e r i s c h e n Delegation der von der Konferenz in Rom Kur Vorberathung der Berathungsgegenstände bestellten Kommission sowohl als der Konferenz mitgetheilt, und der Antrag der f r a n z ö s i s c h e n Delegation in seiner kategorischen Form bekämpft, so daß sich die Konferenz darauf beschränkte, statt des verlangten Zusatzartikels einen Wuasch im Sinne des Antrages in's Protokoll aufzunehmen.

Es ist indessen nicht zu verkennen, daß, je länger die Schweiz zögert, ein Gesetz über den Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle aufzustellen, desto schwieriger ihre Lage gegenüber dem Auslande wird, abgesehen von dem seit Dezennien wiederholten dringenden Verlangen der schweizerischen Industrien und Gewerbe.

Die anormale Lage, der S c h w e i z , im Auslande Schutz der Erfindungen nachzusuchen und zu erhalten (vide die obige Tabelle), während sie selbst keinen solchen Schutz gewährt, kann in die Länge nicht mehr dauern. Immer lauter wird in einzelnen ausländischen Staaten der Ruf, bei jenem Schutz den Grundsatz der Reziprozität zu befolgen und ihn Angehörigen solcher Staaten, die ihn nicht ertheilen, zu verweigern. Wenn in Rom der Antrag der französischen Delegation nicht in seiner kategorischen Form als Zusatzartikel, sondern als Wunsch angenommen worden ist, so

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darf dies nur dem Umstand zugeschrieben werden, daß die Konferenz angenommen hat, die Schweiz werde mit ihrer Gesetzgebung baldigst in die Keihe der übrigen europäischen Industriestaaten einrücken, um auch den Angehörigen anderer Staaten zu gewähren, was ihre eigenen Angehörigen von ihnen ohne Anstand bis jetzt erhalten haben.

Dem deutschen Patentgesetz vom 25. Mai 1877 ging ebenfalls ein vieljähriger heftiger Kampf voran. Nach langem Ringen der Patentfreunde waren endlich im Jahre 1876 die Gegner bereits bedeutend zusammengeschmolzen und es legte in jenem Jahre der Patentschutzverein dem deutschen Bundesrathe einen Gesetzentwurf vor, mit einem Schreiben, in welchem betont war: l} die Vereine erkennen im Patentschutz einen der wesentlichsten Faktoren, um die deutsche Industrie, die hinter der Industrie anderer Länder weit zurückgeblieben sei, dieser ebenbürtig zu machen und dadurch ihre Exportfähigkeit wieder herzustellen ; 2) durch den Mangel des Erfindungsschutzes werde die der deutschen Industrie mit Recht vorgeworfene Unsolidität und Unredlichkeit befördert und sei zum Theil dadurch veranlaßt; 3) durch diesen Mangel werde das Ansehen der Deutschen im Auslande und das des Reiches selbst schwer beeinträchtigt.

Die Regierung legte sodann nach Vornahme einer Enquête arn 24. Februar 1877 einen Gesetzentwurf vor, welcher nach einigen Abänderungen vom Reichstag mit großer Mehrheit angenommen wurde.

In den Motiven, welche den Entwurf begleiteten, wurde bemerkt, daß selbst in dem Falle, wenn man die Frage, ob der Erfindungsschutz für die Entwicklung der Industrie von hoher Bedeutung sei, nicht als vollständig entschieden betrachten wollte, dennoch die gesetzliche Reglirung dieses Gegenstandes in Deutschland um so weniger bezweifelt werden sollte, als die großen europäischen Industriestaaten nicht geneigt seien, auf die Institution des Erfindungsschutzes Verzicht zu leisten.

Das Gesetz ist am 1. Juli 1877 im ganzen Reiche in Kraft getreten, und der lange Kampf war beendet.

Gegenwärtig ist in D e u t s c h l a n d der Nutzen des Gesetzes allgemein anerkannt. Es ist jetzt eine Revision desselben im Gange, um diejenigen Verbesserungen vorzunehmen, welche sich seit Inkrafttretung und Anwendung des Gesetzes als zweckmäßig herausgestellt haben, und dabei wird auch die bereits berührte Frage der Reziprozität in Erwägung gezogen werden.

533 Die Enquête, welche in Deutschland wegen dieser Revision vorgenommen worden ist, dehnt sich ausdrücklich auch auf die Frage aus, o b d i e E r t h e i l u n g v o n P a t e n t e n a n A u s länder von der Voraussetzung abhängig zu machen sei, d a ß i n d e m S t a a t e , w e l c h e m s i e a n g e h ö r e n , a u c h dem I n l ä n d e r Patentschutz g e w ä h r t wird.

Das vom deutschen Patentamt herausgegebene ,,Patentblatt" vom 11. August a. c. berichtet hierüber: Im Laufe der Zeit sei der Mangel der Reziprozität mehr hervorgetreten, welcher dadurch entstehe, daß eine Reihe von Staaten, darunter zwei europäische Kulturstaaten (Schweiz und Holland), den Patentschutz bisher überhaupt nicht eingeführt haben, mithin für ihre Angehörigen in Deutschland eines Schutzes genießen, den sie dem Deutschen in ihrem Gebiete versagen. Je erheblicher der Vortheil sei, welcher den Angehörigen der betreffenden Staaten aus dieser Ungleichheit und namentlich daraus erwachse, daß die dortige Konkurrenz .sich der in Deutschland veröffentlichten Erfindungen ohne Entgelt bedienen könne, um so mehr dürfte es sich empfehlen, die Frage, ob der liberale Grundsatz des deutschen Gesetzes auch ferner aufrecht zu erhalten sein werde, einer erneuten Erwägung zu unterziehen. Dieselbe gewinne noch an Bedeutung angesichts der wiederholten an Deutschland ergangenen Einladungen zum Anschluß an die internationale Union zum Schütze des gewerblichen Eigenthums, welcher nach dem gegenwärtigen Inhalt des Unionsvertrages die Verpflichtung zur Beibehaltung jenes Grundsatzes ohne die Bedingung der materiellen Reziprozität involviren würde. -- Wenn nun Deutschland im revidirten Gesetze Ausländern nur im Falle der Reziprozität Erfindungspatente gewährt und sodann der Union beitritt, so wird es die Staaten derselben, welche Erfindungen gesetzlich schützen, bald auf seiner Seite haben. Es ergibt sich dies aus den Verhandlungen der internationalen Konferenzen von Paris und Rom. In welche Lage dann die Schweiz versetzt würde, wenn sie mit einem solchen Gesetze trotz Allem nicht in die Reihe der übrigen europäischen Kulturstaaten getreten wäre, liegt auf der Hand.

Wir erachten es als Pflicht, auch an dieser Stelle den Ihnen mit Botschaft vom 1. Juni a. c. beantragten Zusatz zur Verfassung dringend zu empfehlen; aber nicht etwa deßhalb,
weil wir uns vom Auslande drängen lassen, den Erfindungsschutz einzuführen, sondern nur deßhalb, weil wir diesen im hohen Interesse unserer Industrie und Gewerbe und zwar mit Rücksicht sowohl auf ihre innere Entwicklung als auch auf den Export erachten.

534

Das von der Konferenz berathene und angenommene V o 11z i e h u n g s r e g lem ent zur Konvention ist innerhalb der Grenzen dieser letztern gehalten und bedarf Ihrer Genehmigung nicht; wir enthalten uns deßhalb, hier näher in dasselbe einzutreten. Das Reglement ist den mit den übrigen von der Konferenz in Rom gefaßten und von den Delegirten unterzeichneten Beschlüssen gegenwärtiger Botschaft beigefügt.

Internationale Einregistrirung von Fabrik- und H a n d e l s m a r k e n . Wenn jetzt Jemand seine Marke in andern Staaten schützen lassen will, so ist die besondere Einregistrirung in allen denselben nöthig. Es veranlaßt dies viele Kosten, Korrespondenzen , Verspätungen und Unannehmlichkeiten. Der Industrielle oder Kaufmann ist mit den Vorschriften, welche in den verschiedenen Staaten über die Einregistrirung bestehen, in der Regel nicht bekannt und deßhalb genöthigt, sich an Rechtskundige oder Agenturen zu wenden. Es würde eine große Erleichterung und Kostenersparniß erzielt, wenn die Einregistrirung und Publikation von einer Centralstelle, dem internationalen Bureau für den Schutz des gewerblichen Eigenthums, vorgenommen würde, in der Weise, daß dieselbe alsdann für alle Unionsstaaten ohne Weiteres Gültigkeit hätte. Wer eine im Ursprungsland geschützte Marke in den andern Unionsstaaten schützen lassen wollte, hätte sich nur an jenes Bureau zu wenden, welches das Weitere besorgen würde.

In diesem Sinne hat die Schweiz der internationalen Konferenz in Rom eine Vorlage gemacht, die indessen einem spätem Einverständniß vorbehalten wurde, weil die Delegirten verschiedener Staaten nicht im Besitze von Instruktionen betreffend ein solches Uebereinkommen waren.

Dies sind die Resultate der Konferenz von Rom. Dieselbe hat deutlich gezeigt, daß die Unionsstaaten auf die durch die Konvention von 1883 gesicherten Errungenschaften großes Gewicht legen und nicht zulassen, daß man · die Prinzipien antaste, welche sie aufgestellt hat, es sei denn zum Zwecke ihrer Verbesserung.

Ueber den Berathungen der Konferenz waltete der Geist der Versöhnung: ein Beweis, daß die Konferenz der Konvention von 1883 große Wichtigkeit beilegte. Indem jeder Vorschlag zurückgewiesen wurde, welcher bedeutende Veränderungen beabsichtigte, hat sich die Konferenz darauf beschränkt, einige Bestimmungen der Konvention zu erklären und zu erläutern, um deren Anwendung in den Unionsstaaten zu erleichtern.

535 Die Konferenz von Rom hat zu einem befriedigenden Resultate geführt. Die Konvention vom 20. März 1883 ist durch dieselbe einerseits befestigt, andererseits durch die gefaßten Beschlüsse weiter und den jetzigen Verhältnissen entsprechend ausgebaut worden.

Die Zeit, in welcher die an der Konferenz von Paris im Jahre 1880, vom damaligen französischen Handelsminister, ausgesprochenen gewichtigen Worte : « la question de propriété internationale n'est qu'une question de probité internationale » bei den verschiedenen Nationen im richtigen Verständnisse ihrer wahren Interessen ihre Verwirklichung finden, dürfte nicht mehr ferne liegen.

Indem wir Ihnen die Genehmigung der Zusätze zu Artikel 5 und 10 der internationalen Konvention vom 20. März 1883 beantragen , fügen wir den Entwurf zu einem in diesem Sinne abgefaßten Bundesbeschluß, sowie das Schlußprotokoll der Konferenz von Rom, in welchem die sämmtlichen von derselben gefaßten Beschlüsse enthalten sind, gegenwärtiger Botschaft bei und benutzen gleichzeitig den Anlaß, Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den S.November 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

536 (Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die Ratifikation von Zusätzen zur internationalen Konvention Über den Schutz des gewerblichen Eigenthums.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 5. November 1886, womit derselbe zur Genehmigung die in Rom am 11. Mai "1886 von den Delegirten derjenigen Staaten, welche der internationalen Konvention zum Schütze des gewerblichen Eigenthums beigetreten sind, unter Ratifikationsvorbehalt beschlossenen Zusätze zu dieser Konvention vorlegt, lautend : ,,Zu Artikel 5.

Jeder Staat hat den Sinn, in welchem bei ihm der Ausdruck ,,auszubeuten" zu interpretiren ist, zu bestimmen.

Zu Artikel 10.

1. Jedes Produkt, welches unerlaubter Weise eine unwahre Bezeichnung der Herkunft trägt, kann in sämmtlichen Vertragsstaaten bei der Einfuhr mit Beschlag belegt werden.

Die Beschlagnahme kann sowohl in dem Lande, wo die unwahre Bezeichnung angebracht worden ist, als auch in demjenigen, in welches das Produkt eingeführt wurde, vorgenommen werden.

537 Die Beschlagnahme erfolgt entweder auf Verlangen der Staatsanwaltschaft, oder einer betheiligten Partei, Person oder Gesellschaft, gemäß der internen Gesetzgebung eines jeden Staates.

Die Gerichte jedes Landes haben zu entscheiden, welche Benennungen zu Folge ihres allgemeinen Charakters nicht unter die gegenwärtigen Bestimmungen fallen.

Die Behörden sind im Falle von Transit zur Beschlagnahme nicht verpflichtet.

2. Eine betrügerische Absicht, in dem in Alinea l des Artikels 10 der Konvention vorgesehenen Falle, liegt nicht vor, wenn nachgewiesen wird, daß diese Bezeichnung im Einverständniß mit dem Fabrikanten, dessen Name den importirten Produkten beigesetzt ist, angebracht worden ist.

Die gegenwärtigen Zusat/artikel sollen ratifizirt und die Ratifikationen innert Jahresfrist oder wenn möglich früher in Rom ausgewechselt werden.

' Sie werden einen Mouat nach der Auswechslung der Ratifikationen in Kraft treten und die gleiche Dauer wie die Konvention haben ; tt beschließt: 1. Den von der internationalen Konferenz in Rom am 11. Mai 1886 beschlossenen Zusätzen zu Artikel 5 und 10 der Konvention über den Schutz des gewerblichen Eigenthums wird hiemit die Genehmigung ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

41

538

Internationale Konferenz der

Union zum Schütze des gewerblichen Eigenthums.

JRom,

1886.

Protokoll.

Die auf den 29. April 1886 nach R o m zusarnmenberufene internationale Konferenz der Union zum Schütze des gewerblichen Eigenthums unterbreitet nach Beendigung ihrer Arbeiten den Regierungen derjenigen Staaten, welche sich an ihr vertreten ließen, die Zusatzartikel zu der am 20. März 1883 in P a r i s abgeschlossenen Konvention und das Reglement für die Vollziehung derselben, welche lauten wie folgt:

Zusatzartikel zu

der am 20. März 1883 in Paris abgeschlossenen Konvention.

Zu Artikel 5.

Jeder Staat hat den Sinn, in welchem bei ihm der Ausdruck ^auszubeuten" zu interpretiren ist, zu bestimmen.

539 Zu Artikel 10.

1. Jedes Produkt, welches unerlaubter Weise eine unwahre Bezeichnung der Herkunft trägt, kann in sämmtlichen Vertragsstaaten bei der Einfuhr mit Beschlag belegt werden.

Die Beschlagnahme kann sowohl in dem Lande, wo die unwahre Bezeichnung angebracht worden ist, als auch in demjenigen, in welches das Produkt eingeführt wurde, vorgenommen werden.

Die Beschlagnahme erfolgt entweder auf Verlangen der Staatsanwaltschaft, oder einer betheiligten Partei, Person oder Gesellschaft, gemäß der internen Gesetzgebung eines jeden Staates.

Die Gerichte jedes Landes haben zu entscheiden, welche Benennungen zufolge ihres allgemeinen Charakters nicht unter die gegenwärtigen Bestimmungen fallen.

Die Behörden sind im Falle von Transit zur Beschlagnahme nicht verpflichtet.

2. Eine betrügerische Absicht, in dem in Alinea Ì des Artikels 10 der Konvention vorgesehenen Falle, liegt nicht vor, wenn nachgewiesen wird, daß diese Bezeichnung im Einverständniß mit dem Fabrikanten, dessen Name den importirten Produkten beigesetzt ist, angebracht worden ist.

Die gegenwärtigen Zusatzartikel sollen ratiflzirt und die Ratifikationen innert Jahresfrist oder wenn möglich früher in Rom ausgewechselt werden.

- Sie werden einen Monat nach der Auswechslung der Ratifikationen in Kraft treten und die gleiche Dauer wie die Konvention haben.

540

Reglement für die

Vollziehung der am 20. März 1883 in Paris abgeschlossenen Konvention.

I. Erklärende Bestimmungen.

1. Um den Bürgern und Unterthanen der vertragschließenden Staaten nach Maßgabe von Art. 3 der Konvention gleichgestellt werden zu können, müssen die Bürger und Unterthanen von nicht zur Union gehörenden Staaten, welche, ohne daselbst zu wohnen, auf dem Territorium eines Unionsstaates industrielle oder kommerzielle Etablissemente besitzen, ausschließliche Besitzer dieser Btablissemente sein, daselbst durch einen Generalbevollmächtigten vertreten sein, und im Streitfalle sich ausweisen, daß sie daselbst ihre Industrie oder ihren Handel in Wirklichkeit und ununterbrochen betreiben.

2. Im Verhältniß zu den in Europa liegenden Staaten werden als ,,überseeische Länder" (Art. 4) angesehen die außereuropäischen Staaten, welche nicht Uferstaaten des Mittelmeeres sind.

II. Beitritt neuer Staaten zur internationalen Union.

Wenn ein neuer Staat der Union beitritt, so wird das Datum der Note, durch welche dem schweizerischen Bundesrathe sein Beitritt angezeigt wird, als dasjenige des Eintrittes des betreffenden Staates in die Union angesehen, es sei denn, daß seine Regierung ein späteres Beitrittsdatum bezeichne.

541

III. Gebiet der Union.

Als zur internationalen Union zum Schütze des gewerblichen Eigenthums gehörig werden betrachtet : (Die verschiedenen Verwaltungen werden dem internationalen Bureau ein Verzeichniß ihrer Territorien, Kolonien oder Besitzungen übermitteln, welche der Union schon durch den Umstand, daß das Mutterland derselben beigetreten, angehören.)

IV. Bescheinigung des gesetzlichen Schatzes.

1. Um ihren. Angehörigen den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken im ganzen Gebiete der Union zu sichern, verabfolgt ihnen die Verwaltung des Ursprungslandes eine Bescheinigung, daß die betreffenden Marken im Ursprungslande deponirt seien.

2. Die amtliche Beglaubigung dieser Bescheinigungen wird nicht verlangt.

3. Jedes Begehren, welches die Ausdehnung eines Erfindungspatents auf andere Unionsstaaten bezweckt, soll von einem geschriebenen oder gedruckten Exemplar der Besehreibung der Erfindung und der Zeichnungen (wenn solche vorhanden sind), wie sie in dem Lande, wo das erste Begehren gestellt wurde, hinterlegt worden sind, begleitet sein.

Diese Kopie muß durch die Spezialamtsstelle für gewerbliches Eigenthum dieses letzteren Landes beglaubigt werden-

T. Anskunftsertheilung durch das internationale Bureau.

1. Das internationale Bureau ist gehalten, den verschiedenen Verwaltungen unentgeltlich diejenige Auskunft zu ertheilen, welche dieselben über Erfindungspatente und Fabrik- und Handelsmarken von ihm verlangen könnten.

2. Die gleiche Auskunft ist auch gegen eine Gebühr von l Fr. für die verlangte Auskunft den im Gebiete der Union niedergelassenen Privaten zu ertheilen.

542 Diese Gebühr kann in Postmarken der vertragschließenden Staaten erlegt werden, und zwar für die Staaten, welche nicht den Franken als Münzeinheit haben, auf folgender Basis : Brasilien . . . .

8t. Domingo (Rep.)

Spanien . . . .

Großbritannien . .

Guatemala . . .

Norwegen . . .

Niederlande . . .

Portugal . . . .

Schweden . . .

Salvador . . . .

l Franken = 400 Reis; l ,, = 20 Centos de peso; l ,, = l Peseta; l ,, =10 Pence; l ,, = 20 Centos de peso; l ,, = 8 0 Oere; l ,, · = 5 0 Cents; l ,, = 200 Reis; l ,, = 8 0 Oere; l ,, = 20 Centos de peso.

3. Die Verwaltungen der verschiedenen obgenannten Staaten nehmen die Postmarken ihrer Länder, welche das internationale Bureau als Auskunftsgebühren erhalten hat, zu den im vorhergehenden Paragraphen angegebenen Ansätzen an.

VI. Temporärer Schutz für Erfindungen, Zeichnungen, Modelle und Marken, welche auf internationalen Ausstellungen figuriren.

1. Der in Artikel 11 der Konvention vorgesehene temporäre Schutz besteht in einer Prioritätsfrist von mindestens sechs Monaten, vom Tage der Zulassung des Gegenstandes zur Ausstellung an gerechnet, innert welcher eine vom Berechtigten nicht autorisirte Schaustellung, Veröffentlichung oder Verwendung der Erfindung, Zeichnung des Modells oder der Marke denjenigen, welcher den genannten temporären Schutz erworben hat, nicht verhindern kann, das Begehren um Ertheilung oder Bewilligung eines zur Sicherung des definitiven Schutzes im ganzen Gebiete der Union nöthigen Patentes oder Depots zu stellen.

Jeder Staat hat das Recht, die genannte Frist auszudehnen.

543 2. Der obgenannte temporäre Schutz ist nur dann wirksam, wenn während seiner Dauer ein Begehren um Ertheilung eines Patentes oder Bewilligung eines Depots in der Absicht gestellt wird, dem Gegenstande, den es betrifft, den definitiven Schutz in einem der Vertragsstaaten zu sichern.

3. Die im Artikel 4 der Konvention angeführten Prioritätsfristen sind von denjenigen, um welche es sich im ersten Alinea des gegenwärtigen Artikels handelt, unabhängig.

4. Die patentirbaren Erfindungen, denen gemäß dem gegenwärtigen Artikel der provisorische Schutz gewährt worden ist, sollen dem internationalen Bureau zur Kenntniß gebracht und im offiziellen Organe des genannten Bureau veröffentlicht werden.

VII. Statistik.

1. Vor Ende des ersten Semesters jedes Jahres übermitteln die Verwaltungen der Union dem internationalen Bureau folgende statistische Angaben über das verflossene Jahr : a. Erfindungspatente.

1) Anzahl der verlangten Patente; 2) Anzahl der ertheilten Patente; 3) Bezügliche Einnahmen.

b. Industrielle Zeichnungen oder Modelle.

1) Anzahl der deponirten Zeichnungen oder Modelle; 2) Anzahl der einregistrirten Zeichnungen oder Modelle; 3) Bezügliche Einnahmen.

c. Fabrik- und Handelsmarken.

1) Anzahl der deponirten Marken; 2) Anzahl der eingetragenen Marken ; 3) Bezügliche Einnahmen.

544

2. Für die Statistik der Erfindungspatente, Fabrik- und Handelsmarken, industriellen Zeichnungen und Modelle (Artikel 6 des Schlußprotokolles) kann das internationale Bureau diejenige Klassifikation wählen, welche ihm als die geeignetste erscheint.

TIII. Inkrafttreten des gegenwärtigen Reglements.

Das gegenwärtige Reglement ist -in möglichst kurzer Frist zu vollziehen.

Yon der Konferenz ausgesprochener Wunsch.

Die Konferenz hat außerdem bezüglich des Artikels 2 der Konvention vom 20. März 1883 folgenden Wunsch ausgesprochen : Diejenigen Staaten, welche zur Union gehören und noch nicht Gesetze über alle Zweige des industriellen Bigenthums besitzen, sollen beförderlichst ihre Gesetzgebung auf diesem Gebiete vervollständigen.

Das Gleiche gilt auch für die Staaten, 'welche später der Union beitreten.

Zur Urkunde dessen haben die von ihren respektiven Regierungen zur internationalen Konferenz nach Köm delegirten Unterzeichneten das gegenwärtige Protokoll aufgestellt und demselben ihre Unterschriften beigefügt.

So geschehen zu R o m , den 11. Mai 1886.

Für Deutschland : Für die Vereinigten Staaten Dr. Stüve.

von Nordamerika: Für Belgien: J. B. Stallo.

DuJeux.

^

,,

, ..

Für Brasilien : . .

....

Für Frankreich : _, . . _ Comte du Tour.

Für Spanien : Comte de Rascon.

Für Großbritannien:

J. Lopez Netto.

K

Luis M. de Larra.

Bme Spottorno.

. ... , C. Nicolas.

H. Reader Lack.

J. H. G. Bergne.

545

Für Italien: Ubaldino Peruzzi.

Antoine Monzilli.

Oreste Lattes.

Remy Trincheri.

, Für Luxemburg: S .

Spedener.

Für Mexiko: Sanchez Azcona.

Für Norwegen: Comte Hamilton.

Für Paraguay : E. Renazzi.

Für die Niederlande: Westenberg.

George Snyder v. W.

Für Portugal: E. de Souza Prego.

Für Rumänien: A- C. Plagino.

Für Serbien: .. ... . ... .

M. Christlich.

Für Schweden : Comte Hamilton

Für die Schweiz: Bavier.

Dr Willi.

Für Tunis: M ichel Pelletier.

Für Uruguay: P. Antonini Diez.

546

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1879 über den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken.

(Vom 9. November 1886.)

Tit.

Am 23. Juni 1886 hat der schweizerische Nationalrath folgende, von der Genfer Deputation am 19. Juni gì. J. eingebrachte Motion erheblich erklärt: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, der Bundesversammlung den Entwurf eines, die Anbringung von Ortsnamen betreffenden Zusatzartikels zum Bundesgesetz vom 19. Dezember 1879 über Fabrik- und Handelsmarken vorzulegen."

Wir haben die Ehre, hiemit diesem Auftrage nachzukommen, indem wir gleichzeitig die Gelegenheit benutzen, noch einige weitere Zusätze zum erwähnten Gesetze vorzuschlagen, deren Wünschbarkeit im Verlaufe seines Bestehens sich herausgestellt hat. Wir halten es für zweckmäßig, der Uebersichtlichkeit wegen die Motivirung unserer Vorlage in einige, durch die Verschiedenheit der Materie gebotene Kapitel zu zerlegen.

I. Falsche Bezeichnung der Herkunft.

(Artikel l, litt. A, E, G, H, J, K des Gesetzesentwurfs.)

Den direkten Anlaß zu obiger Motion gab die Erfahrung, daß in der Uhrenindustrie mit Namen von P r o d u k t i o n s c e n t r e n ,

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Ratifikation von Zusätzen zur internationalen Konvention über den Schutz des gewerblichen Eigenthums.

(Vom 5. November 1886.)

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Bundesblatt

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Jahr

1886

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

47

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.11.1886

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521-546

Page Pagina Ref. No

10 013 280

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