#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

40. Jahrgang. IV.

Nr. 40.

# S T #

8. September 1888.

Gutachten betreffend

die Errichtung einpr schweizerischen Milchsversuchsstation die Errichtung einer schweizerischen Milchversuchsstation

Im Auftrage des Schweiz. Landwirthschaftsdepartement erstattet von

Müller, Abtheilungschef des Departements, und

Dr. F. Schaffner, bernischer Kantonschemiker.

An das schweizerische Landwirthschaftsdepartement l Hochgeachteter Herr Bundesrath!

Sie beehrten die Unterzeichneten mit dem Auftrage, die Frage der Errichtung einer oder mehrerer Centralstellen für Milchwirthschaft im Sinne einer vom Nationalrath in dessen Sitzung vom 17. Dezember 1887 erheblich erklärten Motion des Herrn Nationalrath Häni und Mitunterzeichner zu begutachten.

Es sollen namentlich die Aufgaben, welche an derartige Anstalten zu stellen sind, genau bezeichnet und die Hülfsmittel angegeben werden, welche zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich sind.

Ferner sollen wir die Frage beantworten, ob eine oder mehrere derartige Anstalten auf Grund des Artikels 27 der Bundesverfassung Bundesblatt. 40. Jahrg. Bd. IV.

4

selbstständig vom Bunde gegründet werden sollen, entweder in Verbindung mit dem eidgenössischen Polytechnikum oder an andern Orten, oder ob von Kantonen zu gründende derartige Anstalten auf Grundlage des Artikels 4 des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884 betreffend Förderung der Landwirtschaft unterstützt werden sollten.

Um uns die Lösung dieser Aufgaben zu erleichtern, wurden wir ferner beauftragt, einige Anstalten landwirthschaftlich-wissensehaftlicher Forschung in Deutschland und Holland zu besichtigen.

Wir besuchten zu diesem Zwecke die landwirtschaftlichen Versuchsstationen in Darmstadt, Wageningen (Holland), Halle, Göttingen und München, ferner die landwirthschaftliche Hochschule zu Berlin und die landwirtschaftlichen Institute der Universitäten zu Königsberg, Halle und Göttingen, sowie die landwirthschaftliche Centralschule Weihenstephan bei Freising.

Indem wir uns im Uebrigen auf unsern Reisebericht berufen, wiederholen wir hier nur, daß in Deutschland nicht nur keine Anstalten bestehen, welche sich ausschließlich mit wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft beschäftigen, sondern, daß es dort überhaupt keine staatlichen Institute gibt, welche sich nur mit der Versuchsthätigkeit befassen. Mit den vorgenannten Versuchsstationen ist die Kontrolthätigkeit verbunden, eine Aufgabe, welcher bei uns die agrikultur-chemische Untersuchungs- und die Samenkontroistation in Zürich al? eidgenössische Institute obliegen. -- Neben den Untersuchungs- und Kontroiarbeiten werden an diesen Anstalten je nach der Neigung des Vorstandes und je nach den Bedürfnissen der betreffenden Landesgegend verschiedenartige Versuche ausgeführt. Mit solchen in milchwirthschaftlicher Richtung beschäftigen sich hauptsächlich die Rijksproefstation in Wageuingen unter der Leitung des Herrn Prof. Dr. A. Mayer und in hervorragender Weise die Centralversuchsstation für das Königreich Bayern in München unter Herrn Prof. Dr. F. Soxhlet.

Die landwirtschaftlichen Institute der Hochschulen und Universitäten verfolgen selbstverständlich in erster Linie Lehrzwecke.

Solchen dienen die Laboratorien, die Sammlungen, die Stallungen und Sennereien, wo solche vorhanden sind und auch die Versuchsfelder. Daneben werden theils rein wissenschaftliche, theils wissenschaftlich-praktische Versuche gemacht, deren
Gegenstand ebenso wie bei den Versuchsstationen die Neigung oder besondere Befähigung der Versuchsansteller oder das zunächst liegende Bedürfniß der Landesgegend bestimmt. Das letztere bedingt selbstverständlich auch bis zu einem gewissen Grade die Richtung der Lehrthätigkeit. Mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit wird der

51 Milchwirtschaft an den Universitäten K ö n i g s b e r g (Prof. Dr.

F l e i s c h m a n n ) , H a l l e (Prof. Dr. K i r c h n e r ) und an der landwirtschaftlichen Centralschule W e i h e n s t e p h a n ( S t e l l w a a g) gewidmet, indem diesen drei Hochschulen besondere Sennereihetriebe zur Verfügung stehen.

Es mag auffallen, daß wir nicht auch die Milchversuchsstation in K i e l besucht haben. Allein über diese Anstalt liegen ausführliche gedruckte Berichte vor, so auch eine mit Plänen versehene eingehende Beschreibung derselben von Herrn E. de Vevey von Freiburg, welcher im abgelaufenen Jahre eine Reise dorthin unternahm. Aus diesen Schriftstücken scheint hervorzugehen, daß die Anstalt in Kiel mehr dem entspricht, was wir bei uns unter einer Molkereischule verstehen.

Wenn wir im Auslande nicht das fanden, was bei uns angestrebt werden will, so bot unsere Reise und namentlich die Besprechung mit den als wissenschaftliche Autoritäten bekannten Leitern der besuchten Anstalten, den Herren Professoren: Dr. P.

W a g n e r in D a r m s t a d t , Dr. A. M a y e r in W a g e n i n g e n , Geheimer Regierungsrath Dr. S e t t e g a s t , Dr. L e h m a n n und Dr. W i t t m a c k in B e r l i n , Dr. F l e i s c h m a n n in K ö n i g s berg, Dr. M ä r c k e r , Geheimer Regierungsrath Dr. J u l i u s K ü h n und Dr. K i r c h n e r in H a l l e , Dr. H e n n e b e r g , Dr. T o l i e n s und Dr. D r e c h s l e r in G ö t t i n g e n , Dr. F. S o x h l e t und Dr. F e s e r in M ü n c h e n so viel Belehrung und Anregung, daß wir glauben, den Zweck unserer Sendung, so weit dies bei der kurzen uns zu Gebote gestandenen Zeit möglich war, erreicht zu haben.

Die Aufgaben einer milchwirthschaftlichen Anstalt.

Um dieselben bezeichnen zu können, müssen wir untersuchen, was wir auf milchwirthschaftlichem Gebiete h a b e n und was uns auf demselben noch f e h l t .

Die geographischen, topographischen und klimatologischen Verhältnisse, vorab die zahlreichen und ergibigen atmosphärischen Niederschläge, welche durchschnittlich vielleicht das Dreifache derjenigen Deutschlands betragen, sowie vielfach auch die Natur des Bodens, weisen unsere Landwirtschaft vorzugsweise auf den Futterbau und die damit nothwendig verbundene Viehzucht und Milchwirthschaft an. Diese Betriebsrichtung wird in neuester Zeit noch schärfer bedingt durch die veränderte Lage des Weltmarktes, welcher den früher bedeutenden Getreidebau auf das Notwendigste

52

einzuschränken räth und den ehemals noch eine gewisse Rolle spielenden Handelsgewächsbau schon seit einigen Jahren unrentabel erscheinen läßt.

Die schweizerische Landwirthschaft hat sich denn auch von jeher diesen Verhältnissen angepaßt und trotz ihrer Schwerbeweglichkeit in neuerer Zeit sich fast vollständig auf die Viehzucht und Milchwirthschaft verlegt, wie durch die Ergebnisse der eidgenössischen Viehzählungen und durch die Zollstatistik unwiderlegbar nachgewiesen werden kann.

Was die Erzeugnisse der Milchwirthschaft betrifft, so stehen unsere besseren Mulchen sowohl in E m m e n t h al er-, als in G r e y e r z e r - und in den sogen. S b r i n z- oder S p a l e n k ä s e n immer noch in ihrer Art unerreicht da. Die K ä s e f a b r i k a t i o n hat sich auf diese Höhe auf rein empirischem Wege geschwungen, wenn sie auch in den letzten Jahrzehnten nach Kräften durch die rastlose Thätigkeit des verstorbenen Herrn Direktor S c h a t z m a n u unterstützt worden ist. -- Ein intelligenter, rühriger, kapitalkräftiger H a n d e l s s t a n d ist stets bestrebt, das bereits eroberte, den ganzen Erdball umfassende Absatzgebiet sich zu sichern und es zu erweitern.

Die Fabrikation der k o n d e n s i r t e n M i l c h ist in Europa bekanntlich von der Schweiz ausgegangen, und es ist zu hoffen, daß dieser Industriezweig, trotz der großen Schwierigkeiten, die sich demselben entgegenstemmen, dem Lande ' ungeschmälert erhalten bleibe.

Seit im In- und Auslande die feinere Butter auch entsprechend höher bezahlt wird, hat sich die früher sehr vernachläßigte B u t t e r f a b r i k a t i o n qualitativ derart gehoben, daß das schweizerische Brzeugniß auf den Märkten zu Paris und London bereits im vordem Range steht.

In den letzten Jahren sind nun auch M o l k e r e i s c h u l e n entstanden, welche die H e r a n b i l d u n g t ü c h t i g e r K ä s e r , die V e r b r e i t u n g der r a t i o n e l l s t e n F a b r i k a t i o n und der b e s t e n E i n r i c h t u n g e n und A p p a r a t e bezwecken. Die K ä s e r e i e x p e r t i s e n und S t a l l u n t e r s u c h u n g e n haben in den meisten Kantonen Eingang und Anklang gefunden; sie sind vielleicht die erfolgversprechendsten Mittel, um den allgemeinen Stand der Milchwirthschaft zu heben.

Es ist gut, wenn der Bund alle diese Bestrebungen
der Kantone und Vereine unterstützt und nach Möglichkeit fördert. Dagegen kann es nicht Aufgabe einer eidgenössischen Anstalt sein, sich in diese Arbeiten zu theilen. Wollte eine solche sich die Heranbildung von Käsern zum Ziele setzen, so würde sie den kantonalen Molkerei-

53

schulen eine unnütze Konkurrenz machen; ebenso wenig ist deren Konkurrenz auf dem Gebiete des Wanderlehrwesens und der milchwirthschaftlichen periodischen Literatur, oder auf dem der gewöhnlichen Käserei- und Stallinspektionen nöthig. Die Erweiterung des Absatzgebietes oder die Erforschung der Handelskonjunkturen muß ausschließlich Sache der interessirten Kreise bleiben, welche in dieser Beziehung -- wie schon oben bemerkt -- Hervorragendes geleistet haben. Eine eidgenössische Anstalt könnte da mit dem besten Willen nicht viel, wahrscheinlich gar nichts helfen. Die Bewegungen des Verkehrs können nur diejenigen Personen unmittelbar fühlen, welche selbst handelnd inmitten desselben sich befinden. Außerhalb dieses Kreises Stehende können nur nachträglich die vollendeten Thatsachen erfahren und registriren.

Was uns f e h l t und wofür der Bund sorgen könnte, ja sorgen sollte, das sind tüchtige, praktisch und theoretisch gleich ausgebildete M i l c h t e c h n i k e r , als Leiter und Lehrer der kantonalen Molkereischulen, als Käsereiexperten und Wanderlehrer.

Es fehlt uns eine gut eingerichtete, mit tüchtigen Kräften versehene Stelle, welche sich die w i s s e n s c h a f t l i c h e F o r s c h u n g auf dem Gebiete der Milchwirthschaft zur Aufgabe macht.

Trotz der hohen Stufe, auf welcher die Technik der Käserei bei uns steht, sind die wissenschaftlichen Grundlagen dieses Gewerbes nur spärlich erforscht. Die Gelehrten sind noch nicht einmal einig über die K o n s t i t u t i o n der E i w e i ß s u b s t a n z der M i l c h , über d i e chemischen V o r g ä n g e b e i d e r L a b f e r m e n t w i r k u n g , über d e n R e i f u n g s p r o z e ß i n b a k t e r i o l o g i s c h e r , c h e m i s c h e r u n d p h y s i k a l i s c h e r Beziehung, über d i e E i n f l ü s s e d e r F ü t t e r u n g u n d H a l t u n g d e r M i l c h t h i e r e a u f d i e e i n z e l n e n M i l c h b e s t a n d t h e i l e , über d i e Einflüsse diverser Krankheiten und Medikamente auf die Q u a l i t ä t der Milch.

Alles das sind Fragen, welche noch auf eine definitive, endgültige Antwort harren, und welche desshalb auf streng wissenschaftlichem Wege erforscht und daher als Aufgaben einer eidgenössischen Anstalt bezeichnet werden müssen.

Wir wollen indeß nicht verschweigen, daß eine wirksame Förderung
unserer Fettkäserei durch derartige Arbeiten nicht unbedingt und unmittelbar vorausgesagt werden darf, und daß namentlich Herr Prof. Dr. Soxhlet glaubte, von rein wissenschaftlichen Untersuchungen dürfe man sich für die Praxis nicht zu viel versprechen.

54

Wenn Jemand berechtigt ist, sich in dieser Beziehung pessimistisch zu äußern, so ist es gewiß Herr Prof. Dr. Soxhlet. Es ist zuzugeben, daß nicht alle Untersuchungen zu dem gewünschten Ziele führen, daß sogar nach Herrn Geh. Regierungsrath Prof. Dr.

Julius Kühn von zehn Versuchen meistens neun mißlingen und daß vielleicht die meisten und größten Entdeckungen auf den Gebieten des menschlichen Wissens entweder dem Zufall oder selbstlosem Forschen und weniger der auf praktische Ziele hingerichteten Arbeit zu verdanken sind. Andrerseits müssen wir aber auch wiederholen, was besonders Herr Dr. Feser, Professor an der Thierarzueischule in München und Mllchkonsulent für das Königreich Bayern, betonte, daß man auf dem Felde der Milchwirthschaft mit der wissenschaftlichen Forschung eigentlich erst vor ganz Kurzem begonnen habe und daß ganze große Gebiete desselben sozusagen noch vollständig brach liegen.

Die größte Schwierigkeit bietet unsern tüchtigsten Käsern z. B.

stets die G ä h r u n g der Käse. Die meisten Fehler der Haodelskäse sind unrichtiger Gährung zuzuschreiben.

Wenn wir nun bedenken, daß die Milch, direkt vom Euter in sterilisirte Glasgefässe gemolken und nachher vor dem Zutritt der freien Luft bewahrt, in ihren Bestandtheüen unverändert sich aufbewahren läßt, ferner, daß 10 bis 15 Minuten lang gekochte, d. h. sterilisirte Milch, wieder abgekühlt und mit Hülfe von Kohlensäure und Lab zum Gerinnen gebracht, einen Käse liefert, welcher -- wie dies ein Versuch in Zollikofen im Herbst 1887 bewiesen hat -- keine Gährungserscheinungen zeigt und daher, wenigstens im Innern, ebenfalls unverändert bleibt, so liegt der Schluß nahe, daß die Ursache der Gährung der Milch sowohl als des Käses von außen in erstere hineingelangten Gührungserregern zuzuschreiben ist, welche bakteriologisch erforscht werden müssen und, einmal gründlich studirt, gewiß auch zweckmäßig beherrscht werden können. Herr Prof. Dr. v. Nencki in Bern schreibt darüber an den Mitunterzeichneten, Dr. Schafler : ,,In höflicher Erwiderung Ihrer Anfrage glaube ich meine Ansicht zunächst dahin äußern zu sollen, daß ich den obligatorischen Unterricht fn der Bakteriologie an einer solchen Centralschule fürMilchwirthschal't lür durchaus nothwendig erachte. Von der Einführung der bakterioiogischen Untersuchungsmethoden in das Milch- und
Molkereiwesen sind wesentliche Fortschritte zu erwarten. Ein Lehrer, der an solcher Centralstelle für dieses Fach zu wirken hätte, müßte mit den bakteriologischen Untersuchungsmethoden, wie sie durch Koch und seine Schule ausgebildet wurden, vollkommen vertraut sein.

Der Unterricht hätte zu bestehen aus Vorträgen über Gährungs-

55 chemie, sodann aus praktischen, dem Molkereiwesen angepaßten bakteriologisuhen Kursen, um die Zöglinge mit den Untersuchungsmethoden , sowie der Handhabung der Apparate vertraut zu machen." -- Unter den Aufgaben einer schweizerischen milchwirthschaftlichen Versuchsstation möchten wir daher die bakteriologische Forschung in den Vordergrund stellen.

Direkt der Praxis nützlich wird die Anstalt durch die P r ü f u n g von Labpräparaten und sonstigen Molkereihülfss t o f f e n , ferner durch P r ü f u n g u n d B e g u t a c h t u n g d e r v e r schiedenen Untersuchungsmethoden der Milch und i h r e r P r o d u k t e , sowie d e r dazu zu v e r w e n d e n d e n A p p a rate, endlich d u r c h K o n s u l t a t i o n e n .

Die Milch und die milchwirthschaftlichen Erzeugnisse der Schweiz stellen große Werthe dar. Der jährliche Export davon wird auf über 40 Millionen Franken geschätzt. Diese Werthe könnten durch eine allgemeine Verbesserung in der Art der Erzeugung und Behandlung der Milch und in der Fabrikation der Milchprodukte ganz gewiß bedeutend gesteigert werden, weil dadurch die Schmackhaftigkeit und wohl auch die Haltbarkeit dieser Erzeugnisse sich erhöhen ließe.

Die Milch muss -- als ein Produkt aus dem Futter der Kühe -- in noch nicht genügend bekannter Weise in der Quantität und in noch fast ganz unbekannter Weise in der Qualität durch dieses Futter beeinflußt werden.

Das Gewicht des Futters der Milchkühe, auf Trockensubstanz berechnet,beläuft sich auf mindestens das Doppelte des Gewichtes der Milch und sein Werth übersteigt den Werth der letztern.

Die neuere Fütterungslehre, welche wir gerade den deutsehen Versuchsstationen verdanken, lehrt uns, daß unsere Hausthiere nicht nur ein bestimmtes Quantum Futter bedürfen, sondern daß die einzelnen Nährstoifgruppen desselben, so namentlich Eiweiß, Fett und Kohlehydrate, in einem bestimmten -- je nach der verlangten Leistung verschiedenen, aber für jede Leistung ziemlich beständigen -- Verhältniß zu einander vorhanden sein müssen, wenn mit den geringsten Mitteln der höchste Ertrag erzielt werden soll. Jeder Ueberschuß eines Nährstoffes im Futter über das nützliche Verhältniß hinaus bedeutet V e r s e l i w en dun g oder M i n d e r e r t r a g oder b e i d e s zusammen.

Welche Verschiedenheit bietet aber unser sogenanntes natürliches Futter, von der fetten Grüllenwiese und der Hausmatte in der Nähe der Gehöfte und Ortschaften bis zur magern Berghalde

56 und Allmend, -- von den massenhafte Erträge liefernden Kleegrasmischungen bis zum Sauerheu unserer Möser?!

Ueber die Zusammensetzung und die Verdaulichkeit dieser verschiedenartigsten Heu- und Grassorten wissen wir so viel wie gar nichts. Auf die Ergebnisse deutscher Untersuchungen auf diesem Gebiete dürfen und können wir nicht abstellen. Wenn wir etwa das auf dem Heimweg durchfahrene Vorarlberg ausnehmen, so haben wir auf unserer weiten Reise nichts gesehen, was mit unserem Mattengras und Mattenheu verglichen werden könnte, ganz abgesehen von der Vegetation unserer Alpen. Der grüne, von Wassergräben durchschnittene Teppich der Marschen Hollands und Norddeutschlands ist etwas ganz Anderes als unsere Wässermatten und Baumgärten.

Wir geben uns Mühe, durch zweckmäßige Anlage, Behandlung und Düngung die Futtererträge unserer Wiesen und Felder zu vermehren, aber über die zweckmäßige Verwendung dieser Erträge, um mittelst des Viehes den h ö c h s t e n Nutzen daraus zu ziehen, wissen wir nur Empirisches. Bestehen ja noch zwischen den Landwirthen Widersprüche darüber, in welchem Stadium der Vegetation das Gras gemäht, wie dasselbe gedörrt und aufbewahrt werden müsse, Widersprüche, denen man in der Praxis fast täglich begegnen kann.

Neben dem Heu und Gras verwendet unsere Landwirtschaft jährlich über 16,000 Bahnwagenladungen Kraftfutter (s. Furrer's Volkswirthsehaftslexikon der Schweiz, III. Halbband, pag. 139 und ff.)

Ueber den Einfluß dieser Futtermittel auf die Qualität der Milch laufen die widersprechendsten und abenteuerlichsten Gerüchte, dio wohl größtentheils von der unrichtigen Anwendung dieser in der modernen Landwirtschaft unentbehrlichen Surrogate herzuleiten sind.

Ein zweites Produkt des Futters bilden die festen und flüssigen Exkremente der Thiere, welche laut Furrer's Volkswirthschaftslexikon (II. Halbband, pag. 456 und ff.) alljährlich einen Werth von mindestens 150 Millionen Franken und nach Prof. Dr. Krämer einen solchen von mindestens 180 Millionen Franken repräseotiren.

Es ist festgestellt worden, daß bei gewöhnlicher, anscheinend sehr guter Aufbewahrung die Trockensubstanz des aus den Exkrementen dargestellten Düngers schon nach 12 Wochen um mehr als 25°/o, und der werthvollste Bestandtheil desselben, der Stickstoff, welcher im Handelsdünger mit circa Fr. 1. 50 per kg. und noch
höher bezahlt wird, in 15 Wochen um 22,5 % sich verminderte. Dieser Verlust trifft nicht nur -- wie man etwa glauben möchte -- die Privatwirthschaft, sondern zum größten Theile auch das National-

5T vermögen. Bedeutende Autoren wollen den Stickstoffverlust des Mistes mit Gypsstreuen verhindern , Andere behaupten ebensoautoritär, der Gyps vermehre diesen Verlust.

Die Abnahme des Getreidebaues und der Weide und damit verbunden die Zunahme des Viehstandes und der Stallfütterung^ bewirkten ein stetiges Steigen der Preise der Streuematerialien.

Sehr viele Bauern verwenden ein Viertheil des Ertrages ihrer Thiereund noch mehr für Beschaffung von Stroh und Streue, um damit mehr Dünger zu gewinnen, während andere mindestens ebenso einsichtige Landwirthe Sparsamkeit in der Verwendung von Streuematerial empfehlen und dasselbe nur soweit angewendet wissen wollen, als das Wohlbefinden der Thiere dadurch bedingt wird.

In neuerer Zeit empfiehlt man, den frischen Mist möglichst bald auf die Wiesen zu bringen, einestheils um Verluste an Pflanzennährstoffen zu vermeiden, andrerseits um einen möglichst raschen Umsatz des großen Düngerkapitales zu erzielen. Durch diese einfache, k e i n e G e l d a u s l a g e n beanspruchende Maßregel sind die Erträge von Gütern in wenigen Jahren fast verdoppelt, jedenfalls in auffallender Weise vermehrt worden. Dennoch sieht man landauf, landab halb- und ganzjährige Miststöcke vor den Scheunen.

So wären noch eine Menge kontroverser Fragen, die Gewinnung,, Behandlung und Verwendung des festen Stalldüngers betreffend, zu nennen, über die bis jetzt Niemand authentische Auskunft gegeben hat.

Ueber die Behandlung und Verwendung der G ü l l e , dieser Düngerspezialität unseres Landes, liegt ebenfalls noch sehr Viele» im Dunkeln. Welches Wasser soll zur- Güllebereitung verwendet werden? Wie ist den Stickstoffverlusten der Gülle vorzubeugen?

Wie verhält es sich in dieser Beziehung mit dem Zusatz von Schwefelsäure und Eisenvitriol? Erweisen sich diese Stoffe als schädlich für die Milchwirthschaft, wie so vielfach ohne irgend eine Prüfung behauptet wurde? Wie verhindert man das Auftreten der schädlichen, sogenannten ,,Güllenfloraa ? Wie werden die Gülle und der Mist durch die Witterung beeinflußt? u. s. w.

Die Beantwortung aller dieser und noch einer Menge anderer Fragen dürfen wir nicht von ausländischen Veruchsstationen erwarten. Wir haben darauf hingewiesen, daß wir meistens anderes Futter haben und daß diß Gülle eine Form der Düngerverwendung ist, welche unser Land als
besondere Eigentümlichkeit beanspruchen darf.

Die Fragen über Behandlung und Verwendung des Stalldüngers sind in den Ländern und Gegenden nicht so akut, wo die Thiere

58 den ganzen Sommer auf die Weide gehen, wie in Norddeutschland und Holland, wo der Wintermist nie ausreicht, die vielen Getreide-, Kartoffel- und Rübenfelder gehörig zu düngen, und wo das Stroh, dessen man im Sommer nicht bedarf, im Winter hinreichend vorhanden ist.

Eine schweizerische \'ersuchsstation aber m u ß sich mit diesen Aufgaben beschäftigen. Vereine, Privaten und landwirtschaftliche .Schulen können dieselben nicht befriedigend lösen. Hier sind fortwährend große, sich jährlich auf viele Millionen belaufende Verluste, wenn nicht vollständig zu verhindern, so doch ganz bedeutend zu vermindern.

Bei der Milchwirthschaft gehen keine Erzeugnisse zu Grunde; es wird schließlich Alles konsumirt und sogar die schlechte Ausschußwaare manchmal im Inlande zu höhern Preisen verkauft, als sie vom Auslande für Primawaare erzielt werden. Es handelt sich somit da nur um Wertherhöhung. -- Bei den Fütterungs- und Düngungsfragen sind jährlich -- wir wiederholen es -- Millionen zu retten.

Zu dieser Untersuchungs-, Forschungs- und Versuchsthätigkeit kommt dann noch die Eingangs und in erster Linie erwähnte Heranbildung von Vorständen und Lehrern von Molkereischulen und von Käserei-Experten, beziehungsweise Milchtechnikern.

Damit der theoretische Unterricht nachhaltig befruchtend wirke, ist es nöthig, daß die Studirenden der Milchwirthschaft mit den praktischen Arbeiten der Käserei und der Viehbehandlung vollständig vertraut und darin einigermaßen geübt sind. Ferner ist es kaum möglich, daß die Leiter und Lehrer der Molke.reischulen, sowie die Käserei- und Stall-Experten ihrer Aufgabe mit Erfolg obliegen können, wenn sie nicht auf dem Gebiete der Agrikulturchemie, der Thier- und Pflanzenphysiologie, der Thierproduktionslehre und der landwirtschaftlichen Betriebslehre beschlagen sind, mit andern Worten, wenn sie nicht eine allgemeine landwirtschaftliche, wissenschaftliche Bildung besitzen.

Weder diese landwirtschaftliche noch die praktische Vorbildung kann durch die in Aussicht genommene schweizerische Anstalt gegeben werden. Die Praxis ist ausschließlich nur im Stalle und in der Käserei zu erlangen, und für die wissenschaftliche Ausbildung ist die landwirtschaftliche Schule des Polytechnikums da. Ob es möglich ist, am Polytechnikum für derartige Studirende kürzere Kurse einzurichten, ob bei guter allgemeiner Bildung ausnahmsweise auch die Abiturienten von landwirtschaftlichen Anstalten und Winterschulen zugelassen werden könuen, entzieht sich unserer

59 Beurtheilung. Dagegen scheint es uns möglich, daß die praktische Befähigung durch Arbeiten in Käsereien und in Ställen während der Schulferien in hinlänglichem Maße erzielt werden könnte.

An der eidg. Versuchsanstalt würde dann Unterricht, ertheilt: a. in der Chemie in - ihrer Anwendung auf die Milch und die Milchprodukte und mit Berücksichtigung der milch wirthschaftlichen Untersuchungsmethoden ; b. über die Herstellung der Butter, der verschiedenen Käsesorten, des Milchzuckers, der gegohrnen Milch u. s. w. ; c. in der Bakteriologie; ·d. in praktischen Uebungen in chemischen und bakteriologischen Untersuchungen, und e. in der milchwirthschaftlichen Betriebslehre.

Da die milchwirthschaftlichen Arbeiten der Studirenden im Laboratorium -- ohne der Oberleitung des Anstaltsvorstandes entzogen zu sein -- von einem besondern Assistenten geleitet und beaufsichtigt werden können, so würde dem Direktor wöchentlich etwa zufallen: 5--6 Stunden theoretischer Unterricht und lk bis l Tag für Exkursionen.

Die Studirenden würden erhalten wöchentlich : 5--6 Stunden theoretisch-milchwirthschaftlichen Unterricht; 2--3 ,., bakteriologischen Unterricht; 2 ,, milchwirthschaftliche Betriebslehre; J /2 bis l Tag Exkursionen und 4--5 Stunden täglich Uebungen und praktische Arbeiten im Laboratorium.

Die Dauer des Unterrichtes müßte mindestens zwei Semester betragen.

Wir rekapituliren die Aufgaben, welche imlchwirthschaftlichen Centralstellen, oder sagen wir lieber landwirtschaftlichen Versuchsstationen, in unserem Lande vorab zu stellen wären, wie folgt : 1. Unterricht an praktisch und theoretisch vorgebildete Studirende: a. in der Chemie und Physik (Maschinenlehre) in ihrer Anwendung auf das ganze Gebiet der Milchwirtschaft ; b. in der Bakteriologie ; (a und b verbunden mit praktischen Uebu*gen im chemischen und bakteriologischen Laboratorium und in der Behandlung neuer Apparate und Maschinen) ; c. in der milchwirthschaftlichen Betriebslehre.

60

2. Untersuchungs- und Forschungsarbeiten: a. über die Eiweißsubstanzen der Milch; b. über die chemischen Vorgänge bei der Labfermentwirkung; c. über den Reifungspvozeß des Käses und die Ursachen desselben ; d. über Einflüsse auf den Reifungsprozeß in bakteriologischer, chemischer und physikalischer Beziehung mit besonderer Berücksichtigung der vorkommenden Käsefehler; e. über die Einflüsse der Fütterung und Haltung der Milchthiero auf die einzelnen Milchbestandtheile; f. über die Einflüsse verschiedener Krankheiten und Medikamente auf die Qualität der Milch; g. Prüfung von Labpräparaten und sonstigen Molkereihülfsstoffen ; h. Milch-, Butter- und Käseuntersuchungen sowohl zu Versuchsals zu Unterrichtszwecken ; i. Prüfung und Begutachtung der verschiedenen Untersuchungsmethoden und der dazu zu verwendenden Apparate; k. Untersuchungen über die Zusammensetzung der verschiedenen einheimischen Gras- und Heusorten, über den Einfluß, welchen der Zeitpunkt des Schnittes, die verschiedene Behandlung beim Dörren und Aufbewahren (Braunheu, Einsäuern etc.)

auf diese Zusammensetzung hat; 1. Untersuchungen der gebräuchlichen Kraftfuttermittel und über den Einfluß der Aufbewahrung und Zubereitung (Auflösen, Brechen, Quetschen etc.) auf die Qualität derselben und indirekt auch auf die Milch ; m. Versuche über die Ausnützung der verschiedenen einheimischen und zugekauften Futterarten bei Milch- und Mastvieh, über deren Einfluß auf Quantität und Qualität der Milch und des Fleisches; n. Untersuchungen und Versuche betreffend die Gewinnung, Zusammensetzung, Behandlung und Verwendung des festen und flüssigen Stalldüngers; Einfluß der Witterung auf den Stalldünger und die Gülle; Untersuchungen über den Einfluß des Düngers auf die Vegetation und damit indirekt auf Milch und Fleisch; o. Untersuchungen über die Zusammensetzung, den Einfluß und die Bedeutung verschiedener Streuematerialien in Bezug auf den Dünger und auf das Wohlbefinden der Thiere.

61

Die Beschäftigung mit diesen eigentlich nationalen Aufgaben würde eine wesentliche Lücke im Gebiete der landwirtschaftlichen Forschung ausfüllen und für unser Land mit der Zeit von größter Tragweite sein.

Sollte dieses Programm die Zeit und die Kraft der diese Anstalten leitenden Organe nicht erschöpfen, was wir allerdings nicht voraussetzen, so wäre denselben eine ähnliche Thätigkeit zu empfehlen, durch welche Prof. Dr. Märcker in Halle so einschneidend auf den landwirtschaftlichen Betrieb der Provinz Sachsen eingewirkt hat. Wir meinen die Anregung und Unterstützung von Düngungs- und Kulturversuchen bei den praktischen Landwirthen (s. unsern Reisebericht nebst Beilagen). Bekanntlich- muß jeder Bauer durch Versuche seinem Boden die Antwort auf die Frage ablauschen : Welches Düngmittel habe ich nothwendig und welches bezahlt sich am besten? Die Anleitung zu derartigen Versuchen muß aber von durchaus berufener Seite ausgehen, wenn die Antwort richtig ausfallen soll. In Bezug auf die Kulturversuche würden wir die Hackfrüchte, besonders die Kartoffel, und namentlich den bei uns ziemlich vernachläßigten und doch in einem gewissen Maße stets nothwendigen Getreidebau als Versuchsgegenstände vorab empfehlen. Je ungünstiger die Konjunkturen für ein nothwendiges Betriebsobjekt liegen, desto größere Mühe muß man sich geben, -dasselbe möglichst ertragreich zu gestalten.

Die Hülfsmittel, welche zur Lösung dieser Aufgaben nöthig sind, zerfallen in materielle und in personelle.

1. In materieller Beziehung bedarf eine Versuchsstation: a. L o k a l i t ä t e n für chemische und bakteriologische V e r s u c h e und für den U n t e r r i c h t : 2--3 Laboratoriumsräume für den Vorstand und den oder die Assistenten, l Praktikantenlaboratorium mit wenigstens 6 Arbeitsplätzen, l Raum für besondere chemische Arbeiten, 1 Bureau, zugleich Audienzzimmer, für den Vorstand, l Auditorium, l Waagzimmer, l Bibliothekzimmer,

62

l--2 Lokale für die Sammlung, l Raum für Apparate und Gläser, l Waschküche zum Reinigen der Gläser etc., Keller, Holz- und Kohlenräume; ?» b. eine M o l k e r e i e i n r i c h t u n g : l Käsküche zum Käsen und Buttern, l Lokal für die Entgegennahme" der Milch, l Lokal zum Aufrahmen, l Kässpeicher, l Käskeller, l Lokal für den Dampfkessel und Motor, zugleich für das Laboratorium dienend ; c. eine V e r s u c h s s t a l l u n g ; ein Stall für 10--12 Stück Großvieh, der eventuell zu vergrößern oder zu verkleinern wäre, dessen Temperatur regulirt und welcher ventilirt werden kann, Räumlichkeiten für Futter und Streuematerial, eine Centesimalwaage zum Wagen von Vieh und von Lasten j, d. W o h n r ä u m l i c h k e i t e n für den Vorstand und wenn möglich für einen Assistenten.

Ungeachtet der vielfach schon ausgesprochenen entgegengesetzten Meinung halten wir, gestützt auf die oben angeführten Erwägungen und Konsultationen von Fachautoritäten, die sub b, c und d erwähnten Anlagen für durchaus nothwendig, auch für den Fall, daß die Aufgaben der Anstalt wesentlich beschränkt und speziell auf das rein Milchwirthschaftliche eingeengt werden wollten.

Sämmtliche vorgenannten Autoritäten haben uns ausnahmslos dringend angerathen, einen Versuchsstall und eine kleinere, aber möglichst gut eingerichtete Käserei mit der milchwirlhschaftlichen Versuchsanstalt zu verbinden. Der Stall sei absolut nöthig, wenn man den Einfluß verschiedener Futtermittel auf die Qualität der Milch studiren und wenn man über die Qualität der zu den Versuchen verwendeten Milch sicher sein wolle. Eine ständige Versuchsstelle könne für größere exakte Versuche sich weder auf die Ställe der Landwirthe oder der landwirtschaftlichen Schulen, noch auf Käsereien verlassen, welche nicht während der Versuche unter fortwährende Aufsicht des Vorstandes oder eines Assistenten gestellt werden können. Eigene Lokalitäten seien auch deßwegen absolut nöthig -- das hoben namentlich die Herren J. Kühn, Kirchner und Fleischmann hervor --, weil viele mit aller Vor- und Umsicht angelegte Versuche -- nach Kühn 9/io, vide oben -- miß-

62 längen, bis einer den gehofften Erwartungen entspreche. Es müßte aber das Vertrauen in die Leitung und das Institut rasch untergraben, wenn diese mißlungenen Arbeiten stets an die große Glockegehängt würden.

Die fortwährende Ueberwachung der im Gange befindlichen.

Versuche sei ferner nur möglich, wenn der Vorstand in unmittelbarer Nähe der Versuchsanstalt oder in derselben wohne, was auchin der That bei allen von uns besichtigten Versuchsstationen der Fall ist.

Es ist nicht nöthig, daß für den Versuchsstall komplizirte Einrichtungen oder Apparate beschafft werden. Auch ist kein Gutsbetrieb und damit auch keine ständige Viehhaltung in Aussicht genommen. Die Versuchsthiere können ad hoc gekauft oder gemiethet und die Kosten durch günstige Ausnutzung der Konjunkturen möglichst reduzirt werden. Das Futter wird je nach Bedürfniß gekauft oder auf eigens hiefür gepachteten Versuchsgrundstücken, erzielt. Dagegen wäre ein in der Nähe der Anstalt gelegenes V e r s u c h s f e l d sehr nützlich, wenn nicht nothwendig.

Die Käserei muß nicht in beständigem Betriebe sein, wenn diesnicht im ökonomischen Interesse der Anstalt liegt.

2. Das Personal müßte b e s t ä n d i g bestehen aus einem D i r e k t o r mit einem A s s i s t e n t e n als Stellvertreter und einem D i e n e r .

Dazu kämen dann z e i t w e i l i g nach Bedürfniß l--2 Assistenten, l Käser, l Melker und die nöthigen Tagelöhner. Für dieBaukosten nebst Inventur und Anlagen würden kaum weniger al» Fr. 200,000 -und für den Betrieb jährlich circa Fr. 25,000 in Aussicht zu nehmen sein (Prof. Dr. Soxhlet).

Wo sollen solche Anstalten errichtet werden und durch wen?

Entsprechend dem Wortlaut der nationalräthlichen Motion haben wir bis jetzt bei Behandlung des Gegenstandes den Plural gebraucht, d. h. die Möglichkeit vorausgesetzt, daß mehrere milchwirtschaftliche Forschungsanstalten in Aussicht genommen werden, können.

Die Darstellung der Aufgaben, welche an derartige Institute zu stellen sind, und der Hülfsmittel, welcher dieselben bedürfen,, wird aber hinreichend gezeigt haben, daß die Gründung von m e h r

4

als e i n e r A n s t a l t n i c h t s n ü t z t . Wir wollen ein Institut .schaffen, welches der wissenschaftlichen Forschung und dem hohem milchwirthschaftlichen Unterricht dienen soll. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sind wie letztere selbst i n t e r n a t i o n a l und werden rasch Gemeingut nicht nur der dabei Interessirteu e i n e s V o l k e s , sondern derjenigen a l l e r V ö l k e r .

Der Unterricht, von dem wir sprechen, wird kaum von vielen Studirenden unseres Landes genossen werden, weil das Bedürfniß nach wissenschaftlich gebildeten Milchtechnikern, wenn auch ein d r i n g e n d e s , so doch immerhin ein b e s c h r ä n k t e s bleiben wird. Wir sehen daher voraus, daß dieser Unterricht zeitweilig ·eingestellt werden muß, wenn nicht das Ausland davon Gebrauch macht, was wir weder wünschen noch verbieten möchten.

Auch die Sprachverschiedenheit unseres Landes kann uns nicht ·veranlaßen, unsere Ansicht zu ändern, denn für die Forschung ist dieselbe ohne Bedeutung, und' für den Unterricht wird man bei Besetzung der Lehrstellen hierauf möglichste Rücksicht nehmen müssen. Es ist übrigens nur von Vortheil, wenn eine Veranlaßung mehr gegeben wird, daß die Bürger unseres Landes auch dessen Sprachen kennen lernen; namentlich die Bestrebungen auf landend milch wirtschaftlichem Gebiete können dabei nur gewinnen.

Die Hülfsmittel, welcher eine ihrer Aufgabe gewachsene Anstalt bedarf, sind derart, daß wahrscheinlich kein Kanton im Stande wäre, dieselben allein aufzubringen. Wir haben da weniger die nöthigen G e l d m i t t e l im Auge als die l e i t e n d e n P e r s ö n l i c h k e i t e n . Die Geldmittel könnten mit Hülfe des Bundes wohl beschafft werden. Sobald aber der Bund mehrere derartige Anstalten unterstützen müßte, wären seine Ausgaben größer, als wenn er selbst die Gründung und Fortführung einer einzigen übernimmt.

Die Hauptschwierigkeit liegt in der P e r s o n e n f r a g e . Ueberall hat man uns darauf aufmerksam gemacht, daß von einer Forschungsstation nichts Ersprießliches zu erwarten sei, wenn nicht ein tüchtiger Vorstand hiefür gewonnen werdender wissenschaftliche Befähigung mit der Kenntniß der landwirtschaftlichen Bedürfnisse verbinde und das unumgänglich nöthige Forschertalent und den Forschereifer besitze. Während man genug Aasistenten zu außerordentlich
billigen Bedingungen finde, welche befähigt seien, bestimmte, ihnen zugewiesene wissenschaftliche Arbeiten auszuführen, seien eigentliche Forscher, welche im Stande sind, eine Versuchsstation, wie die beabsichtigte, mit Erfolg zu leiten, außerordentlich selten. Alle Fachautoritäten, mit welchen wir in Berührung kamen, riethen uns deßhalb ausnahmslos und eindringlich, n u r e i n e

65 C e n t r a l a u s t a i t in Aussicht zu nehmen, um nicht Mittel und Kräfte nutelos zu zersplittern.

Es bleibt somit kein anderer Weg, als die U e b e r n a h m e d e r A n s t a l t d u r c h d e n B u n d , auf Grund des Art. 27 der Bundesverfassung.

Bei Besprechung der O r t s f r a g e bemerken wir von vornherein, daß ein Institut wie dasjenige, dessen Programm wir in kurzen Zügen gezeichnet nahen, annähernd selbstständig organisirt sein wird; gleichwohl erscheint es wtinschbar, dasselbe an einem Orte zu errichten, wo auch sonst höhere wissenschaftliche Institute bestehen. Bis jetzt bewerben sicli Z ü r i c h und B e r n urn den Sitz, und es erübrigt uns nur noch kurz, die Vortheile, welche die eine oder die andere dieser beiden Städte bietet, in Erwägung zu ziehen, immerhin mit dem Zugeständniß, daß auch andere Rücksichten und wohl auch die Opfer mitsprechen und den Ausschlag geben können, welche die eine oder andere Bewerberin dem Bunde bieten wird.

In Z ü r i c h wäre das milchwirthschaftliche Institut, wenn nicht in Verbindung, so doch in Berührung mit der technischen Hochschule unseres Landes und könnte der gleichen Aufsicht und Verwaltung wie die letztere selbst unterstellt werden. Der Leiter und Vorstand der Station hätte stets Fühlung rnit den Lehrern der landwirthschaftlichen Abtheilung, was das Geben und Nehmen von Anregungen ungemein fördert. Derselbe könnte selbst als Lehrer am Polytechnikum auf einen weitern Kreis wirken, wie denn auch sämmtliche Vorstände der von uns besuchten deutschen Versuchsstationen, mit einziger Ausnahme des Herrn Prof. Dr. P. Wagner in Darmstadt, ordentliche Professuren an den betreffenden Hochschulen bekleiden. Mancher Studirende hätte Anlaß, sich mit der Milchwirthschaft zu befassen, der sich vielleicht nicht entschließen würde, deßwegen noch ein besonderes Institut -/.u besuchen. Die Organisation des Unterrichtes würde wahrscheinlich erleichtert, wenn das milchwirthschaftliche Institut in Zürich oder in dessen Nähe wäre, weil wenigstens ein Tbeil dieses Unterrichtes an beiden Anstalten parallel gegeben werden könnte, was Zeitgewinn für die Studirenden bedeutet. In Zürich könnten ferner die vorhandenen reichen Sammlungen des Polytechnikums an milehwirthschaftlichen Gcräthen, Modellen und Präparaten benutzt werden.

Für B e r n spricht dessen
centrale Lage im eigentlichen Gebiete der hochentwickelten Fettkäserei. Eine innige Fühlung mit der Praxis und rasche Beschaffung des Materials für Molkereiverversuche wäre hier wohl leichter möglich als irgendwo, und für Bundesblatt.

40. Jahrg. Bd. IV.

5

66 Exkursionen würde sich in der Nähe schon ein ergiebiges Feld vorfinden. Als Vorzug für Bern gilt auch die Möglichkeit, den Unterricht in der Bakteriologie in dem vorzüglich ausgestatteten Institute der dortigen Universität zu genießen, und vielleicht auch, daß die ambulatorische Klinik der Berner Thierarzneischule eher geeignet ist, Material an kranker Milch etc. zu liefern, als die Thierarzneischule Zürich, welche sich mehr in einem industriellen Centrum befindet.

Eine Reihe von Vorzügen, welche beide vorgenannten Städte gemein haben, welche aber andern, nicht mit Hochschulen oder landwirthschaftlichen Schulen versehenen Orten abgehen würden, glauben wir übergehen zu dürfen.

Zum Schlüsse geben wir uns der Hoffnung hin, daß ein Institut, wie das vorgezeichnete, den Bedürfnissen unseres Landes entsprechen, demselben zum Segen gereichen und deßhalb bald vom Bunde iiTs Leben gerufen werde.

Genehmigen Sie, Herr Bundesrath, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 27. Juli

1888.

Dr. P. Schaffer,

Müller,

Kantonschemiker.

Abtheilungschef des Schweiz. Landwirthschafts-Departements.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Gutachten betreffend die Errichtung einer schweizerischen Milchsversuchsstation.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1888

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

40

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.09.1888

Date Data Seite

49-66

Page Pagina Ref. No

10 014 090

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.