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An Seine Excellenz Herrn Milan Boghitchévitch, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister S. M. des Königs von Serbien, in "Wien.

Herr Minister !

Ew. Excellenz beehre ich mich zur Kenntniß zu bringen, daß der Bundesrath mich beauftragt hat, mit Bezug auf die Verfolgung und Auslieferung von Personen, die eines Verbrechens gegen einen Souverän und dessen Familienglieder sich schuldig gemacht haben, folgende Erklärung Ihnen mitzutheilen : ,,Nach diesseitiger Auffassung ist es ein Irrthum, zu glauben, es verweigere die Schweiz die Auslieferung derjenigen Personen, die sich eines Verbrechens gegen einen Souverän oder seine Familienglieder schuldig gemacht haben.

,,Weder der Text der Auslieferungsverträge noch diesseitige Entscheide rechtfertigen eine solche Annahme.

,,Alle unsere Verträge verpflichten uns zur Auslieferung in den Fällen von Mord, Meuchelmord oder Vergiftung, ohne daß in B e z u g auf die P e r s o n , gegen welche das Verbrechen begangen wird, irgend ein Unterschied gemacht

51 wäre. Der Königsmörder steht auf der gleichen Linie, wie der Mörder eines jeden Menschen.

,,"Allerdings machen die Verträge einen Vorbehalt in Bezug auf die N a t u r des V e r b r e c h e n s , indem sie bei politischen Verbrechen die Pflicht zur Auslieferung ausschließen, und es ist klar, daß dieser Vorbehalt auch zutreffen kann, wenn es sich um ein gegen die Person eines Souveräns begangenes Verbrechen handelt. Daraus folgt nun aber keineswegs, daß die Schweiz ein jedes gegen einen Souverän begangenes Verbrechen von vornherein als ein politisches ansehe und unter allen Umständen die Auslieferung verweigere. Nie ist weder von einer politischen noch von einer richterlichen Behörde eine derartige Folgerung aus den Verträgen gezogen worden.

,,Diese Behörden werden immer im einzelnen Fall untersuchen, ob einem Verbrechen die politische Qualifikation zukomme oder nicht.

,,Nach diesen Grundsätzen wird es der Schweiz immer möglich sein, ihre Pflicht gegen die übrigen Staaten zu erfüllen. Weiter kann sie aber nicht gehen. Sie kann von der Regel, welche für die politischen Verbrechen allgemein und überall gilt, nicht eine Ausnahme machen, die stets nur für den Mitkontrahenten und nie für sie selbst zur Anwendung kommen könnte."1 Gleichzeitig benutze ich diesen Anlaß etc W i e n , den 28. November 1887.

Der schweizerische Minister: (sig.)

A. 0. Aepli.

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Note.

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Bundesblatt

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Feuille fédérale

In

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Jahr

1888

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

02

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.01.1888

Date Data Seite

50-51

Page Pagina Ref. No

10 013 807

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