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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Abschluß einer Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Königreich Italien über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausübung.

(Vom 29. Juni 1888.)

Tit.

Gleichzeitig mit den Verhandlungen, die zu der am 24. Marx 1884 von Ihnen ratiftzirten Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche über die gegenseitige Zulassuug der an der Grenze domizilirt Medizinalpersonen zur Berufsausübung geführt haben, fand auch ein Meinungsaustausch über den nämlichen Gegenstand zwischen uns und der k. italienischen Regierung statt, führte aber damals zu keinem Ergebniß, weil letztere dun Inhalt einer derartigen Uebereinkunft als ihren Landesgesetzen zuwiderlautend erklärte und zudem bemerkte, daß das Bedürfniß, die Materie vertraglich zu regeln, in ihrem Staate sich bis dahin nicht fühlbar gemacht habe.

Durch Note vom 27. Juni vorigen Jahres ist die italienische Gesandtschaft jedoch auf dio Angelegenheit zurückgekommen und hat erklärt, ihre Regierung sei nach erneuter Prüfung der Sache nunmehr bereit, in Verhandlungen einzutreten und eine Uebereinkunft nach Analogie derjenigen von 1884 zwischen der Schweiz und Deutschland, jedoch unter Vorbehalt der Aufstellung einiger Abänderungen, abzuschließen.

Diese Abweichungen sollten darin bestehen, daß in der abzuschließenden Uebereinkunft die Grenzgemeinden, in denen die beidseitigen Medizinalpersonen zur Ausübung ihres Berufes befugt sein

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sollten, uamentlich angeführt würden. Ferner sollte eine Bestimmung Aufnahme finden, wonach den Aerzten, Wundärzten, Thierärzten und Hebammen gestattet würde, die Grenze auch abseits von den Zollstraßen, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht, zu Fuße, zu Pferde, oder im Wagen zu überschreiten.

Die Regierungen der betheiligten Grenzkantone Graubünden, Wallis und Tessin, über den Vorschlag der italienischen Gesandtschaft zur Vernehmlassung eingeladen, erklärten sich grundsätzlich mit dem Abschluß einer derartigen Uebereinkunft einverstanden.

Nur wünschte diejenige von Tessin von der Aufstellung eines Verzeichnisses der Grenzgemeinden in der Konvention Umgang genommen zu sehen, indem durch andere Vorschriften der letztern hinlänglich dafür gesorgt sei, daß die Zone der beidseitigen Grenzpraxis von den betheiligten Medizinalpersonen nicht zu weit ausgedehnt werde.

Auf diese Rückäußerungen der drei Kantonsregierungen haben wir beschlossen, auf den Vorschlag der italienischen Regierung einzutreten, und unsern Gesandten in Rom mit den nöthigen Vollmachten und entsprechenden Instruktionen für die Vertragsunterhandlungen ausgerüstet.

Aus letztern ist nun der Entwurf hervorgegangen, den wir Ihnen im Anschluß zu unterbreiten die Ehre haben.

Wie aus ihm ersichtlich, hat die italienische Regierung ihre Forderung nach namentlicher Aufzählung der beidseitigen Grenzgemeinden fallen gelassen, und der Inhalt der vorliegenden Uebereinkunft enthält nur zwei nennenswerthe Abweichungen von demjenigen der Konvention mit dem deutschen Reiche.

Diese bestehen darin, daß 1) in Art. 3 den Bledizinalpersonen untersagt ist, mit den Grenzgemeinden des Nachbarlandes besondere Verträge über ausschließliche Behandlung von Kranken abzuschließen, -- wodurch die Medizinalpersonen des Nachbarlandes, die den nämlichen Beruf ausüben, von der Thätigkeit in demselben in den derartige Verträge abschließenden Gemeinden ausgeschlossen werden könnten -- und 2) daß der Art. 4 von den Medizinalpersonen, welche nach Inhalt der Uebereinkunft ihre Berufsthätigkeit über die Grenze des Nachbarlandes ausdehnen wollen, das stete Beisichtragen eines amtliehen Ausweises zu ihrem Berufe verlangt.

Da wir in diesen Vorschriften nicht etwas Unbilliges zu erblicken vermögen und uns im Uebrigen der ganze Inhalt des Entwurfs den Interessen unserer Grenzbevölkerung zu dienen scheint, so stehen wir nicht an, Ihnen die Gutheißung der Uebereinkunft zu beantragen.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 29. Juni 1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hertenstein.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die am 28. Juni 1888 mit dem Königreich Italien abgeschlossene Uebereinkunft Über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur BerufsausUbung.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht: 1) der am 28. Juni 1888 in Bern zwischen der Schweiz und dem Königreich Italien abgeschlossenen Uebereinkunft, 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 29. Juni 1888, beschließt: 1. Die genannte Uebereinkunft wird in Form und Inhalt genehmigt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Uebereinkunft zwischen

der Schweiz und Italien betreffend die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnenden Medizinalpersonen zur Berufsausilbung.

(Abgeschlossen am 28. Juni 1888.)

Der Bundesrath der Schweizerischen Eidgenossenschaft und

Seine Majestät der König von Italien haben es für nützlich befunden, gegenseitig die in der Nähe der Grenze wohnhaften Aerzte, Wundärzte, Thierärzte und Hebammen zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit zu ermächtigen, und haben zum Zweck des Abschlusses einer hierauf bezüglichen Uebereinkunft zu Bevollmächtigten ernannt : Der Bundesrath der Schweizerischen Eidgenossenschaft : Herrn Bundesrath Numa D r o z, Vorsteher des Departements des Auswärtigen, und Seine Majestät der König von Italien : den Herrn Baron August P e i r o l e r i , seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der schweizerischen Eidgenossenschaft ; welche, auf Grund der ihnen ertheilten Vollmachten, über folgende Artikel übereingekommen sind:

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Artikel 1.

Die schweizerischen Aerate, Wundärzte, Thierärzte und Hebammen, welche in der Nähe der italienisch-schweizerischen Grenze wohnhaft sind, sollen das Recht haben, ihre Berufsthätigkeit in den italienischen, in der Nähe der Grenze gelegenen Orten in gleichem Maße, wie ihnen dies in der Heimat gestattet ist, auszuüben, vorbehaltlich der im Artikel 2 enthaltenen Beschränkung; und umgekehrt sollen unter gleichen Bedingungen die italienischen Aerzte, Wundärzte, Thierärzte und Hebammen, welche in der Nähe der italienisch-schweizerischen Grenze wohnhaft sind, zur Ausübung ihrer Berufsthätigkeit in den schweizerischen, in der Nähe der Grenze gelegenen Orten befugt sein.

Artikel 2.

Die vorstehend bezeichneten Personen sollen hei der Ausübung ihres Berufs in dem anderen Lande zur Selbstverabreichung von Arzneimitteln an die Kranken, abgesehen >on dem Falle drohender Lebensgefahr, nicht befugt sein.

Artikel 3.

Die Personen, welche in Gemäßheit des Artikels l in den in der Nähe der Grenze gelegenen Ortschaften des Nachbarlandes ihren Beruf ausüben, sind nicht befugt, sich dort dauernd niederzulassen, noch mit Gemeinden des andern Landes besondere Verträge über ärztliche Besorgung abzuschließen, noch ein Domizil zu begründen, es sei denn, daß sie sich der im dortigen Lande geltenden Gesetzgebung und namentlich einer nochmaligen Prüfung unterwerfen.

Artikel 4.

Es gilt als selbstverständlich, daß die Aerzte, Wundärzte, Thierärzte und Hebammen des einen oder des andern der beiden Länder, wenn sie von der ihnen im Artikel l dieser Uebereinkunft zugestandenen Befugniß Gebrauch machen wollen, sich bei der Ausübung ihres Berufs in den

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Grenzortschaften des anderen Landes den dort geltenden Gesetzen und Administrativvorschriften zu unterwerfen und insbesondere, so oft sie darum angegangen werden, sich durch einen ihnen von der zuständigen Kantonsregierung' oder dem Präfekten der italienischen Provinz ausgestellten Ausweis über ihre Befugniß zur Berufsausübung zu rechtfertigen haben.

Artikel 5.

Die genannten Medizinalpersonen dürfen die Grenze zu jeder Tages- und Nachtstunde, zu Fuß, zu Pferd oder in einem Wagen, und selbst auf Wegen überschreiten, die abseits von den Zollstraßen liegen ; unter dem Vorbehalt jedoch, daß sie keine Waaren mit sich führen, die dem Eingangszoll unterworfen sind.

Bei Ueberschreitung der Zolllinie unterliegen sie der Untersuchung durch die Zollwächter, jedoch ohne gehalten zu sein, sich auf das Zollbureàif zu begeben, es sei denn, daß sie zollpflichtige Gegenstände auf sich haben.

Artikel 6.

Die gegenwärtige Uebereinkunft soll zwanzig Tage nach ihrer beiderseits erfolgten Promulgation in Kraft treten und bis sechs Monate nach dem Tage in Kraft bleiben, an welchem sie von einer der vertragschließenden Parteien aufgekiindet wird. Sie soll ratifizirt und die Ratifikationen sollen sobald als möglich ausgewechselt werden.

In Kraft dessen haben die beidseitigen Bevollmächtigten diese Uebereinkunft unterzeichnet und derselben ihre Siegel beigedrüekt.

In zweifacher Ausfertigung vollzogen zu B e r n , den 28. Juni 1888.

(L. S.) (Sig.) Droz.

(L. S.) (Sig.) A. Pciroleri.

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07.07.1888

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