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Bericht und Antrag der

nationalräthlichen Kommission, betreffend die Nationalrathswahlen im 39. und 40 eidg. Wahlkreis (Tessin) vom 19. October 1873.

(Vom 8. November 1873.)

Tit.!

Mit Begleitschreiben vom 5. November abhin übermittelte Ihnen der Bundesrath die Verbalprocesse und übrigen Acten, betreffend die am 19. October im 39. und 40. eidgenössischen Wahlkreis (Tessin) stattgefundenen Nationalrathswahlen.

Sie haben dieselben zu näherer Prüfung und Erwahrung der Wahlen an die diesfalls noch bestehende Kommission gewiesen, die sich anmit die Ehre gibt, über ihren Befund nachfolgenden kurzen Bericht zu erstatten.

Im 39. Wahlkreis (jenseits des Monte Cenere) wurden in allen Gemeinden abgegeben 10,785 Stimmzettel; die a b s o l u t e M e h r h e i t betrug demnach 5393.

Davon erhielten Stimmen: Herr Advokat Carl B a t t a g l i n i von Cagiallo 5581, d. h. 188 Stimmen über die absolute Mehrheit; Herr Maximilian Magatti von Lugano 5 4 4 4 , d. h. 51 Stimmen über die absolute Mehrheit.

Für das dritte zu wählende Mitglied hatte sich in dem Wahlgange vom 19. October keine absolute Mehrheit ergeben.

352 Im 40. W a h l k r e i s (diesseits des Monte Cenere) wurden am 19. October in Allem 9814 Stimmzettel abgegeben; die absolute Mehrheit betrug also 4908 Stimmen.

Davon erhielten Stimmen: Herr Advokat Martin P e d r a z z i n i von Campo 5214, d. h. 306 Stimmen über das absolute Mehr5 Herr Carl V o n m e n t l e n aus Bellinzona 5149, d. h. 241 Stimmen über das absolute Mehr.

Da sich in diesem Wahlkreis für die übrigen Kandidaten ebenfalls kein absolutes Mehr ergeben hatte, so wurde auch hier für die Wahl eines dritten Mitgliedes ein neuer Wahlgang erforderlich, der dann für beide Wahlbezirke durch Dekret des Staatsraths vom 28. October auf S o n n t a g , den 2. N o v e m b e r , angeordnet wurde.

In Folge der Wahlergebnisse des ersten Wahlgangs proklamirte der Staatsrath unterm 26. October die Herren Battaglini, M a g a t t i , P e d r a z z i n i und V o n m e n t l e n als Mitglieder des Nationalraths für die Wahlperiode von 1872 auf 75 und machte hievon dem Bundesrath die übliche Anzeige.

In seinem Begleitbericht vom 3. November bemerkte der Staatsrath unter Anderai, ,,daß das Wahlergebniß nach seiner Ansicht keinen hinreichenden Grund zur Invalidirung der Wahlen biete, und daß es ihm scheine, es seien dieselben im Allgemeinen regelmäßig vor sich gegangen."

Die Gemeindebehörden, fährt der Staatsrath fort, die zum ersten Male die Wahlen geleitet haben, hätten die Sache im Ganzen ordentlich ah Hand genommen und besorgt. Da, wo von denselben Fehler begangen worden oder Unregelmäßigkeiten mindern Belangs unterlaufen, oder wo wegen Uebertretungen von Vorschriften Seitens der Wähler Klagen erhoben worden seien, da habe die Regierung Untersuchungen angeordnet und werde die Fehlenden zu gebührender Verantwortung und Strafe ziehen.

Die Klagen und Beschwerden, welche gegen die Gültigkeit der Wahlen eingegangen sind, hält Ihre Commission mit dem Staatsrath von Tessin keineswegs so beschaffen, daß dieselben die Cassation der Wahlen rechtfertigen könnten. Läßt sich auch leicht begreifen, daß alte, eingerostete Mißbräuche und mannigfaltige Wahlumtriebe bei den Wahlverhandlungen vom 19. October im Kanton Tessin nicht plötzlich verschwunden sein werden, so scheint doch diesmal das Gebahren der sich bekämpfenden Parteien vor und währsnd derselben kein solches gewesen zu sein, daß dadurch das Ergebniß der Wahlen unsicher gemacht oder gefälscht worden wäre, tfnd selbe nicht als der Ausdruck des Willens der Mehrheit der Wähler betrachtet werden könnten.

353 So vermochte Ihre Kommission: 1) der ganz allgemein gehaltenen Beschwerde des RegierungsStatthalters von Lugano vom'17. October, daß die Klerikalen vor dem Wahltage im ,,Casino federale"1 eine Art Wa,hlagitationscentrurn aufgeschlagen hätten, zu welchem und aus welchem unter Empfangnahme von Wein und Geld die Wähler hin- und hergegangen seien ; 2) der 'Beschwerde des Regierungs-Statthalters von Elenio vom 14. October, ' dahingehend, daß der Pfarrer von Leontica in einem Oktavgottesdienst seine Pfarrkinder für den glücklichen Ausgang der eidgenössischen Wahlen habe beten lassen, und daß im Bezirk die Wahlagenten der Klerikalen hin- und hergewandert seien, um für ihre Partei Stimmen zu werben, .

kein entscheidendes Gewicht beizulegen, weil diese Beschwerden über Umtriebe, Ungehörigkeiten und Ungesetzlichkeiten im 39. Wahlbezirk vor dem Wahltag theils vag und allgemein gehalten und nicht mit Thatsachen belegt, theils an sich unwichtig und ohne Bedeutung erscheinen.

Nachfolgende Beschwerden beziehen sich auf Erscheinungen, die vorzugsweise w ä h r e n d und n a c h den Wahlverhandlungen namentlich im 40. Wahlbezirk stattgefunden haben sollen : 1) Ingenieur J. B o r d o n z o t t i von Croglio beschwert sich mit Eingabe vom 20. October, daß man in seinem Wahlzirkel unleserliche Stimmzettel in Rechnung gebracht, und ein gewisser Abbé Vanoni, welcher bei der am 20. October stattgehabten Wahl eines Mitgliedes des Großen Raths n i c h t mitgestimmt, dagegen bei den Nationalrathswahlen am 19. October sein Stimmrecht ausgeübt, obwohl 'er das 22. Altersjahr nicht erreicht habe.

2) Der R e g i e r u n g s - S t a t t h a l t e r von Locamo berichtete am 22. October den Staatsrath, daß Bewohner des Thaies Verzasea, welche doppelte Wohnsitze haben, in mehreren Gemeinden zugleich ihre Stimme abgegeben hätten,. und also mehrere Mal gezählt worden wären. Am 30. October ließ der gleiche Statthalter weitere Beschwerden an den Staatsrath abgehen, wie z. B., es seien in Frascia 2 Stimmzettel mehr gefunden worden, als die Gesammlzahl der Stimmenden betragen habe; in Gezza-Verzasea seien um ll'/z Uhr die Stimmzettel schon verlesen und verifizirt gewesen ; ebenso in Savertezza, wo ein Wähler, der um 12 Uhr eingetroffen sei, nicht mehr habe stimmen können. Priester hätten hier, in Riva Piana u. s. w., die Wahlurnen
umschwirrt; die liberalen Kandidaten seien von den Klerikalen verleumdet worden ; ein Kandidat der Klerikalen habe sich in einem Cirkular bei den Wählern selbst anempfohlen und dergl.

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3) Advokat Benigno Antognini protestirte mit Eingabe d. d.

Bellinzona 28. October, Namens der ,,Società federale Ticinese," bei dem Staatsrath gegen jede Handanlegung an die Pakete der Stimmzettel, die aus den Wahlgemeinden eingegangen, indem die Verifikation derselben nicht dem Staatsrathe, sondern ausschließlich dem Nationalrath zustehe --, eine Verwahrung, die der Staatsrath unberücksichtigt ließ und nach Maßgabe des Bundesgesetzes nicht berücksichtigen durfte.

4) Johann M o l o mit 7 Querelbetheiligten erheben sich in einer Eingabe d. d. Bellinzona 2. November gegen die Richtigkeit des Wahlproclama der Regierung: Sie behaupten, die StimmenÜbersicht sei darin unrichtig, unvollständig und ungesetzlich angegeben; viele Wahlgemeinden -- im 40. Wahlkreis -- seien unregelmäßig abgehalten worden; doppelte Stimmgebung habe namentlich im Verzascathal und im Kreis Navegna stattgefunden ; Stimmzettel seien willkürlich anerkannt und verworfen worden. Im ganzen 40. Wahlkreis habe der Clerus auf die freie Stimmgebung der Bürger Einfluß und Pression geübt.

Was nun zunächst alle in dieser zweiten Categorie von Beschwerden enthaltenen Angaben von d o p p e l t e n S t i m m g e b u n g e n , v o n w i l l k ü r l i c h a n e r k a n n t e n o d e r v e r w o r f e n e n Stimmz e t t e l n betrifft, so hält der Staatsrath dafür, daß mit Ausnahme von 9 Stimmen im Kreis Locamo, welche verdächtig erscheinen und worüber Untersuchung waltet, die übrigen denunzirten Erscheinungen theils nicht erwiesen, theils auf das Wahlresultat keinen entscheidenden Einfluß ausgeübt haben. In der That sind die gewählten Kandidaten, zumal jene im 40. Wahlkreis, mit einer solchen Mehrheit der Stimmenden aus der Wahlurne hervorgegangen, daß etliche 10 Stimmzettel plus oder minus das Hauptresultat der Wahlen nicht zu alteriren vermag.

Was endlich die Klagen anbelangt: Der Staatsrath habe die Wahlprozesse mit den Stimmzettelpaketen nicht untersuchen und verifiziren dürfen: der am 19. October stimmende Abbé Vanoni sei nicht stimmfähig gewesen, weil er das 22. Altersjahr nicht erreicht habe :, die Liberalen seien von den Klerikalen verleumdet worden ; ein Kandidat habe sich selbst empfohlen und dergl., so liegt theils die Grundlosigkeit und Nichtigkeit dieser Klagen, theils der Mangel an Kenntniß der Gesetze, den einzelne Beschwerdesucher
beurkunden, so sehr auf flacher Hand, daß air das keinen rechtlichen Grund zur Cassation der vorliegenden Wahlverhandlungen bieten kann.

Ihre Kommission gelangt daher, Tit., einstimmig zu dem Beschlussesantrag:

355 . Der N a t i o n a l r a t h, nach Einsicht und Prüfung der mit Begleitschreiben des Bundesraths vom 5. November übermittelten Verbalprozesse, betreffend die am 19. October im 39. und 40. eidgenössischen Wahlkreise stattgefundenen Nationalrathswahlen, sammt den eingegangenen Wahleinsprachen und den bezüglichen Berichten des Staatsraths und der Regierungs-Statthalter des Kantons Tessin; erwägend; daß die Beschwerden und Einsprachen, welche gegen die Wahlverhandlungen in den genannten Wahlkreisen vorgebracht worden, theils nicht begründet, theils nicht von solcher Natur und Bedeutung sind, daß dieselben eine Cassation der beschwerdeten Wahlverhandlungen rechtfertigen könnten ; beschließt: Es seien die Wahlen der Herren Battaglini, Magatti, P e d r a z z i n i uni V o n m e n t l e n zu Mitgliedern des Nationalraths in dem 39. und 40. Wahlkreise als gültig anerkannt und die gegen die bezüglichen Wahlverhandlungen vorn 19. October erhobenen Einsprachen als nicht begründet abgewiesen.

B e r n , den 8. November 1873.

Hochachtungsvoll.

Namens der Kommission, Der Berichterstatter:

Hungerbühler.

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Botschaft des

Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Errichtung der Stelle eines Eisenbahnstatistikers.

(Vom 10. November 1873.)

Tit.!

Die Bundesversammlung hat unterm 24. Juli 1868 den Beschluß gefaßt, daß dem eidgenössischen statistischen Bureau die jährliche Ausarbeitung und Publikation der Statistik über den Betrieb der Eisenbahnen der Schweiz zu übertragen und demselben zu diesem Behufe ein Extrakredit von Fr. 4000 zu eröffnen sei.

In unserer Botschaft vom 2. Juli 1873, betreffend die Leistungen und Hilfsmittel des eidgenössischen statistischen Bureau, haben wir darauf aufmerksam gemacht, daß es zwekmäßig und im Interesse einer geordneten und wenig kostspieligen Verwaltung sein dürfte, für solche Gebiete, für welche der Bund bereits eigene Verwaltungsorgane besizt, wie Handel und Zölle, Posten und Telegraphen und das Eisenbahnwesen, die bezügliche Statistik von diesen selbst bearbeiten zu lassen.

Infolge dessen ist der oberwähnte {Kredit von Fr. 4000 für das Jahr 1874 nicht mehr auf das Bü 'get des statistischen Bureau getragen, hingegen aus den in unserer Botschaft vom 8. September

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht und Antrag der nationalräthlichen Kommission, betreffend die Nationalrathswahlen im 39. und 40 eidg. Wahlkreis (Tessin) vom 19. October 1873. (Vom 8.

November 1873.)

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Jahr

1873

Année Anno Band

4

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51

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.11.1873

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351-356

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