902 die Adda bei Cololzio und der Gallerie (Tunnel, 300 Meter) bei Airuno, schreiten vorwärts; sie wurden im October 1872 angefangen und man hat Recht zu glauben, daß sie im Juli oder spätestens im August dieses Jahres vollendet sein werden.

In einigen Monaten werden in Como zwei große in Zürich gebaute neue Salon-Dampfschiffe der ,,Società Italiana di Navigazione a vapore dei laghi" vom Stapel laufen, deren Concurrenz direkt und indirekt von wohlthätigen Folgen für das reisende Publikum sein wird, welches selten Anlaß gehabt hatte, den Dienst der bisherigen, ohne Concurrenz dastehenden Gesellschaft zu loben.

# S T #

Bericht des

Schweiz. Konsuls in Barcelona (Hrn. Johannes Hohl von Trogen) über das Jahr 1872.

(Vom 14. März 1872.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit.!

Es.ist unmöglich, über die allgemeine Lage Spaniens und besonders der Provinzen von Catalonien zu berichten, ohne die Politik, resp. die politischen Vorfälle zu berühren, da diese sozusagen die einzige Ursache der Krisis sind, die seit langer Zeit alle Entwickelung von Handel und Industrie verhindert.

Die ersten Monate des Jahres 1872 waren vielversprechend ; seit vielen Jahren zum ersten Mal hatten fast alle Provinzen wäh-

903 rend des Winters sich anhaltenden Regenwetters zu erfreuen ; die Ernteaussichten waren in Folge dessen allgemein glänzend, was schon auf Handel und Industrie einen sehr günstigen Einfluß ausübte, indem auch zu gleicher Zeit die constitutionelle Monarchie von Amadeo I. sich anscheinend consolidirte und gegründete Hoffnung vorhanden war, daß das vielbewegte Land endlich wieder einmal Frieden im Innern und damit die Mittel erlangen würde, durch ungestörte Arbeit in Feld und Fabriken den zerrütteten Wohlstand wieder herzustellen. Es sollte aber anders kommen.

Im Laufe des Monats April bildeten sich in den Bergen Catalonien's carlistische Banden, denen aber in der ersten Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, weil sie schlecht organisirt und nicht zahlreich waren. Nach wenigen Wochen schon gestaltete die Sachlage sich ernster; die Banden vermehrten und organisirten sich; unterstützt von der Landbevölkerung und der Geistlichkeit brachten sie es bald dahin, den Truppen Widerstand leisten zu können, sie dehnten ihre Streifzüge auf andere Provinzen und bis in die Nähe der größern Städte aus; die Eisenbahnlinie von Barcelona nach Zaragoza, die doppelte Linie von Barcelona nach G-erona, mußte ihre Fahrten einstellen, weil die fanatischen Vertheidiger des Absolutismus jeden Tag die Schienen aufrissen und Brücken sprengten.

Nun endlich entschloß sich die Regierung energisch einzuschreiten; der Präsident derselben Sagasta legte den Cortes ein Ausnahmsgesetz vor (unter Anderai die Aufhebung der constitutionellen Garantien enthaltend), welches von demselben mit großer Mehrheit votirt wurde, und welches nach allgemeiner Ansicht seine Wirkung nicht verfehlt hätte. Der König verweigerte indessen das erwähnte Gesetz zu unterschreiben und berief das Ministerium Ruiz Zorilla, welches ohne außerordentliche Gesetze den Aufstand zu bewältigen versprach.

Das Versprechen wurde nicht gehalten, im Gegentheil machten die Insurgenten bedeutende Fortschritte, organisirten sich in Compagnien und Bataillone mit strenger Disciplin, bildeten nun Abthcilungen von 600--2000 Mann mit guten Waffen. Obschon sie nach jedem Angriff der Regierungstruppen das Feld räumten, erlitten sie doch nie eine bedeutende Niederlage und wurden auch nicht verfolgt.

Den ganzen Sommer hindurch, Herbst und Winter, wurde nun dieser Guerilla-Krieg
geführt; in dieser ganzen Zeit mit wenig Unterbruch waren die Verbindungen von Barcelona mit dem übrigen Spanien zu Lande ganz oder theilweise abgeschnitten ; die Eisenbahnen wurden zwar immer wieder hergestellt, aber die Carlisten hatten allen Eisenbahnangestellten mit Todesstrafe gedroht, wenn sie sie wieder irn activen Dienst antreffen würden, eine Drohung, die mehrere Mal auf barbarische Weise ausgeführt wurde und in Folge dessen diese Leute sich weigerten, den Dienst zu thun.

904

Wie sehr eine Fabrik-, Handel- und Hafenstadt unter solchen Zuständen zu leiden hat, ist leicht zu ermessen. Ein großer Verlust trifft auch die Inhaber von Eisenbahn-Obligationen, welche, wie vorauszusehen ist, den Jahreszins einbüßen müssen; für hiesigen Platz ist dieser Ausfall eine Calamität, umsomehr, da auch die Actien der catalonischen Eisenbahnen beinahe insgesainmt in den Händen der Barceloneser sind, welche bis jetzt ohne Ausnahme noch keinen Procent Dividenden gegeben haben, da auch auf zukünftige Dividenden nicht mehr gehofft wird, sind diese Papiere werthlos. Die kleinern Ortschaften des Innern haben noch mehr zu leiden als die Hauptstadt; die Carlisten verlangen im Namen ihres Königs die Steuern, die sie durch gewaltthätige Mittel eintreiben. Die ganze spanische Polizei, Guardia civil (Gensdarmerie), Carabineros etc. sind seit Anfang des Aufstandes concentrili und das Land sich selbst überlassen. Die Räuberbanden können ungestört und ungestraft ganze Ortschaften, Diligencen, Posten, Eisenbahnzüge plündern und berauben, wie dies auch mit schreckenerregender Frequenz vorkommt. Der besitzende Theil der Bevölkerung ist nach den größern Städten geflohen und nur die arme Classe ist zurückgeblieben.

Die schlimmen Folgen dieser traurigen Lage werden erst itn Laufe des folgenden Jahres (1873) in ihrer ganzen Ausdehnung zu Tage treten.

Die Ausfuhr von Landesproducten weist folgende Zahlen auf: Exportirt durch den Hafen von Barcelona: ' Olivenöl .

.

.

Kilogr. 2,021,000 Mandeln .

.

.

,, 688,000 Haselnüsse .

.

.

,, 140,000 Rothweine .

.

. Hektoliter 686,000 Weiße Weine .

.

,, 43,000 Baumwollen-Gewebe .

Kilogr.

206,000 Wollen,, .

,, 24,000 Seiden,, .

,, 7,000 Leinen,, .

,, 186,000 Mineral .

.

.

,, 1,024,000 Exportation durch den Hafen von Tarragona : Wein .

.

.

. Hektoliter 422,000 Branntwein .

.

.

· ,, 36,000 · Haselnüsse .

.

.

Kilogr. 9,615,000 Mandeln .

.

.

,, 118,000 Olivenöl .

.

.

,, 359,000 Johannisbrod .

.

,, 730,000

905 Kork in Stücken und Pfropfen, ein sehr wichtiger Exportartikel, wird in den kleinen Seehäfen St. Felin de Guixols, Paiamo's, Roses und andern mehr verschifft, aber ist es nicht möglich, genaue statistische Angaben darüber zu erhalten. Die Weine gehen größtentheils nach Süd- und Central-Amerika, Gewebe aller Arten .nach den spanischen Colonien, ebenso Olivenöl, Mandeln und Haselnüsse hingegen nach England. Die Weinernte, die etwas weniger als mittelmäßig ausfiel, ausgenommen, war das Resultat aller Ernten ein sehr erfreuliches zu nennen. Die Provinzen von Arragonien, Castilien und Andalusien haben nach mehreren Jahren zum ersten Male das übrige Spanien mit Getreide versorgen können, so daß keines importirt werden mußte.

Die Minen sind in Catalonien nicht von Bedeutung; einige Steinkohlenoruben werden ausgebeutet, aber die schönsten und O O 7 besten Lager bleiben unbenutzt aus Mangel an Eisenbahnen und Straßen, die schon seit vielen Jahren projectirt sind, aber nicht ausgeführt werden.

Die Einfuhr durch die Douane von Barcelona vom 1. Januar bis 31. Dezember 1872 stellt sich für die Hauptartikel wie folgt: Rohe Baumwolle.

Von New-Orléans und Mobile Ballen 43,029 ,, Charleston und Savannah 19,610 n 24,674 ,, Cuba und Puerto-Rico .

V) ,, Brasilien 38,500 V) Syrma und Salonique 28,833 11 2 Marseille und Cette 21,778 v> 1,055 Liverpool und London .

fi 467 Spanien ·n zusammen

Ballen 177,946

Steinkohlen Petroleum .

Häute Farbholz Zucker Cacao Café .

Stockfisch .

Baumwollgarn bis Nr. 35 .

vonNr. 36 aufwärts gezwirnt Hanf

Kilogr. 142,048,000 3,548,000 3,365,000 4,240,000 5,942,000 1,465,000 343,000 5,265,000 488 101,000 21,000 904,000

906

Leinengarn .

.

.

Wolle Baumwollen-Gewebe .

.

Leinen,, 'Wollen,, Seiden,, .

.

Goldene Uhren (Taschenuhren") Silberne ,,

.

.

.

.

.

Kilogr.

,, ,, ,, ,, ,, · Stücke ,,

2,452,000 539,000 134,000 94,000 187,000 15,000 3477 9186

Mit Ausnahme der Uhren, die wahrscheinlich in ihrer Gesammtzahl Schweizer-Fabrikat sind, ist es unmöglich anzugeben, inwieweit die schweizerische Industrie bei obigen Zahlen betheiligt ist. Die schweizerischen Fabricate werden nach Marseille oder Cette spedirt, dort verschifft und hier zusammen mit den französischen, englischen und deutschen Waaren als ausländische Waareu declarirt. Das Gleiche ist der Fall mit den Producten, welche Spanien nach der Schweiz liefert. Eine Statistik wird nur bei der Schifffahrt geführt.

Man kann genau wissen, was direct nach England, America etc.

verschifft worden ist, aber Alles was via Marseille oder Genua nach Frankreich, Italien, Deutschland, Oesterreich, der Schweiz etc.

exportirt wird, ist en bloc aufgeführt.

Die Transactioncn zwischen den beiden Ländern sind nicht bedeutend; von spanischen Producten werden Wein und Kork direkt nach der Schweiz versandt; auf indirektem Wege, via London, wahrscheinlich auch Südfrüchte, was nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden kann.

Die Schweiz liefert von ihren Fabricaten: Mousseline und Broderien, gedruckte Baumwollentücher in feinern Qualitäten, Seidenstoffe, Seidenbänder, Uhren, Strohgeflechte und Käse. Von etwelcher Wichtigkeit ist nur die Einfuhr von Mousselines, Broderien und Uhren. In gedruckten und rohen Baumwollentücher liefert die inländische Industrie die billigen Sorten für den großen Consum.

In Seidenstoffen wird der größte Theil von Lyon bezogen, aber auch in dieser Branche macht die spanische Industrie große Fortschritte und ist es immer schwieriger, gegen dieselben anzukommen, ümsomehr, da der Eingangszoll, Fr. 18 per Kilo, immer noch sehr hoch ist.

In der Gesammtheit der Ein- und Ausfuhr ist, im Vergleich mit vorigem Jahr,> kein Unterschied von BedeutungO zu bemerken.

O Im Jahre 1872 sind in den Hafen von Barcelona eingelaufen : .Spanische Kriegsschiffe .

.

23 Ausländische ,, .

.

8

907 Kauffahrteischiffe .

.

. 5359 mit 611,000 Tonnengehalt Von letzteren kommen auf: Spanien 4651 ,, 374,000 ,, Ausland 708 ,, 237,000 ,, Diese vertheilen sich auf die verschiedenen Länder wie folgt: Nordamerika .

.

3 Schiffe Oesterreich .

.

.

10 ,, Deutschland 55 ,, Dänemark .

.

.

19 ,, Frankreich .

.

95 ,, Griechenland .

.

13 ,, Holland .

.

.

10 ,, England .

.

. 169 ,, Italien .

.

.208 ,, Schweden u. Norwegen 84 fl Portugal .

.

.

4 ,, Rußland .

.

.

33 ,, Argentinische Republik 5 ,, Der Zolltarif ist unverändert geblieben.

In Folge der politischen Wirren sind keine neuen Straßen und Eisenbahnen erbaut worden; die Arbeiten der im Bau begriffenen Eisenbahnen sind unterbrochen und auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Die Linie von Gerona nach der französischen Grenze, für deren Vollendung keine spanische Gesellschaft die nöthigen Geldmittel auftreiben konnte, sollten von zwei französischen Gesellschaften Chemin de fer du Midi und Crédit Mobilier, an die Hand genommen werden. Die bezüglichen Unterhandlungen hatten einen günstigen Verlauf, und sind dem Abschluß nahe, es ist aber nicht anzunehmen, daß unter gegenwärtigen Verhältnissen die genannten Gesellschaften die Arbeiten aufnehmen werden.

Die Bank von Barcelona hat ihren Actionären für 1872 13 °/o Dividenden bezahlt; der niedrigste Disconto der Bank vom ganzen Jahr war 4 °/o, der höchste 10 °/o. Neue Geldinstitute haben sich keine eebildet, die bestehenden Creditanstalten sind von wenig Bedeutung; ihre Operationen beschränken sich auf Incasso und Discontirung von Platzwechseln. Für Notenemission ist nur die Bank von Barcelona ermächtigt, welche durchschnittlich für ca. 23 Mili. Franken in Circulation hat. Diese Noten haben immer den vollen Werth, jedoch nur in den catalonischen Provinzen. Spanien hat keine Staatsbank und die Noten von ,,Banco de Espana"- werden nur in Madrid und auf denjenigen Plätzen, wo Filialbanken errichtet worden sind, angenommen.

O

7

O

908 Bis jetzt hat Spanien kein Papiergeld und folglich kernens Zwangscours und kein Agio; aber aus dem gleichen Grunde sind auch die Transactionen zwischen den verschiedenen Provinzen seht' schwierig in Bezug auf den Rembours. Baarsendungen werden theils wegen Unsicherheit, theils wegen zu großen Spesen selten gemacht und da Postanweisungen in Spanien nicht existiren, so sind die Coursschwankungen im Lande selbst sehr bedeutend. So z. B. können Wechsel auf Madrid kurze Sicht gegenwärtig in Barcelona nur zu 97'/2 placirt werden und auf andere Plätze je nach den Verhältnissen zwischen 97 à 99.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß seit langen Jahren.

Schwindler und Industrieritter aller Länder auch Barcelona zu ihrem Wirkungskreis auserwählt haben; von hier aus wenden sich dieselben mit Aufträgen an englische, deutsche, französische und Schweizer Häuser unter verschiedenen spanischen, französischen und schweizerischen Firmen (denn leider sind auch Schweizer dabei) und wenn dieselben auf hiesigem Platz auch schon seit 10 à 15 Jahren allgemein bekannt und entlarvt sind, so gibt es dennoch immer wieder Schweizerfabrikanten, die denselben Waarensendungen machen und ihnen zum Opfer fallen; der Verlust trifft sie nicht allein, sondern alle soliden, ehrliehen hiesigen Häuser, -welche die gleichen Artikel führen; die Schwindler verkaufen zur Hälfte Preis und arbeiten in allen Branchen. Es ist unbegreiflich und unverzeihlich, mit welchem Leichtsinn gewisse Fabrikanten und Kaufleute in die Falle gehen; wenn sie sich vorher in Barcelona bei irgend einem spanischen oder ausländischen Hause, oder bei irgend welchem Konsulate erkundigen würden, könnten sie die Wahrheit erfahren, aber wahrscheinlich begnügen sie sich, an diejenigen Firmen zu schreiben, die von den Industrierittern als Referenzen aufgegeben werden und unter einer Decke stecken. Mit den spanischen Gesetzen hält es schwer die Leute den Gerichten zu überliefern, weil der Prozeß, welcher gegen sie durchgeführt werden muß, bedeutende Spesenauslagen erfordert, welche bei geringer Aussicht auf Erfolg nicht' gern riskirt werden. Die genannte Bande ist übrigens auch auf Alles vorbereitet, sie wissen bei Zeiten zu verschwinden, um bald unter anderer Firma wieder aufzutauchen; es bleibt daher nichts Anderes übrig, als den ganzen schweizerischen Jlandelsstand zu warnen und die größte Vorschrift zu empfehlen.

909-

# S T #

Bericht des

Schweiz. Konsuls in Liverpool (Hrn. Chs. Forget von Genf) über das Jahr 1872.

(Vom 17. März 1873.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit. !

Der Geschäftsgang ist im Jahre 1872 durch keinerlei politische Befürchtung beunruhigt worden und nahm der Handel im Allgemeinen einen enormen Aufschwung, wie aus nachstehender Uebersicht der gesammten Ein- und Ausfuhr von Produkten und Waaren, Verglichen mit jener der Vorjahre, ersichtlich ist.

1868. 1869. 1870.

Einfuhr (in Millionen £) . 219 217 243 Gesammtausfuhr .

. 165 174 182 inbegriffen : Steinkohlen .

.

5 5 5 Eisen .

.

.

14 18 22

1871.

278 205 6 24

1872.

292 235 9 33

Es werden absichtlich diese beiden Artikel speziell angeführt, weil sie im Laufe des Jahres ganz außerordentlichen Preisschwankungen unterworfen waren.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Schweiz. Konsuls in Barcelona (Hrn. Johannes Hohl von Trogen) über das Jahr 1872. (Vom 14. März 1872.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1873

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

44

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.10.1873

Date Data Seite

902-909

Page Pagina Ref. No

10 007 890

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.