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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über eine Petition von Vincent Girard und anderen eingebürgerten ewigen Einwohnern von Port-Valais, betreffend Einkaufsgebühren und Bürgernuzungen.

Ci

(Vom 27. Oktober 1873.)

Tit.!

Unterm 16. Juli a. c. wurde uns von dem Nationalrath eine Petition von Vincent Girard und neun anderen E i n w o h n e r n von PortValais, Kts. Wallis, zur Berichterstattung Übermacht. Nachdem die faktischen Verhältnisse durch unser Justiz- und Polizeidepartement näher festgestellt worden, sind wir in der Lage, diesem Auftrage hiemit nachzukommen.

Die Patenten zählen zu den ewigen Einwohnern und Heimathlosen der Gemeinde Port-Valais. Sie sind am 21. Mai 1872 in dieser Gemeinde eingebürgert worden und sollen nun die Einkaufssumme bezahlen, welche von dem Burgerrath auf Fr. 2200 festgesezt und infolge Reklamation der Potenten von dem Departemente des Innern des Kantons Wallis am 6. August 1872 auf Fr. 1100 reduzirt wurde.

Gegen diesen Entscheid hätten die Petenten noch an den Staatsrath rekurriren können; sie hätten dann aber ihre Vermögensverhältnisse näher darlegen und nachweisen müssen, daß die Ein-

261 kaufssumme nicht im Verhältniß stehe zu den zu erwartenden Nuzungen aus den Bürgergütern. Sie ließen jedoch die hicfür eingeräumte Frist unbenuzt verstreichen, und gelangen nun an die Bundesversammlung mit dem Gesuche, es möchte diese verfügen, daß ihnen der volle und ganze Genuß der Burgernuzungen von Port-Valais u n e n t g e l d l i c h zu gewähren sei, in Betracht, daß sie nur in sehr bescheidenen Verhältnissen leben und in diesem Momente die Bezahlung nicht leisten könnten.

Man braucht dieses Petitum nur zu eröffnen, um sogleich zu erkennen, daß die Bundesversammlung nicht darauf eintreten kann.

Einen gesezlichen Anspruch können die Petenten natürlich nicht geltend machen. Sie bemühen sich auch nicht, ihr Gesuch näher zu begründen. Sie müssen wohl selbst einsehen, daß der Wortlaut des Art. 4 des Bundesgesezes vom 3. Dezember 1850 und des gleichlautenden Art. 5 des Gesezes des Kantons Wallis vom 3. Juni 1870 ihnen direkt entgegensteht. Hienach können die nach Maßgabe dieser Geseze eingebürgerten Personen aus der Thatsache ihrer Einbürgerung nicht den Anspruch ableiten, daß ihnen auch sogleich ein Antheil an dem allfällig vom Gemeindegut durch Ueberlassung oder Zutheilung unmittelbar herfließenden Bürgernuzen gewährt werden müsse. Vielmehr geben beide Geseze diesen Personen nur das Recht, in diese direkten Burgernuzungen sich einzukaufen, und es gewähren jene Geseze im Interesse der beförderlichen Ausgleichung aller Verschiedenheiten innerhalb einer Gemeinde den eingebürgerten Personen nicht unwesentliche Erleichterungen, indem sie ihnen den Eintritt in jene direkten Nuzungen um die Hälfte der gewöhnlichen Einkaufssurnme garantirt, oder wenn eine solche Einkaufssumme nicht schon festgesezt ist, um einen durch die betreffende Kantonsbehörde besonders festzustellenden Betrag, welcher aber die Hälfte des Kapitalwerthes des zu erwerbenden Bürgernuzens nicht übersteigen darf.

Da nun das Gesez des Kantons Wallis nicht, wie es in einigen andern Kantonen geschehen ist, die Einbürgerung mit e i n e m Schlage in das volle Bürgerrecht verfügt, sondern den Einkauf in die direkten Nuzungen in der vom Geseze vorgesehenen Weise vorbehalten hat, und da dieser Vorbehalt in Uebereinstimmung mit dem Bundesgeseze steht, so können auch die Petenten für die Bezahlung der entsprechenden Einkaufssumme angehalten
werden.

Die Kompetenz zur Ausmittelung dieser Summe steht nach Art. 4 des Bundesgesezes lediglich bei den kantonalen Behörden, und der Erlaß derselben kann von der Bundesversammlung nicht verfügt werden. Es könnte dieses nur durch die Gemeinde, oder in der

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Weise geschehen, daß die Bundesversammlung den erforderlichen Betrag den Petenten aus der Bundeskasse schenken wurde, was aber ohne Zweifel unterbleiben wird.

Diesem kurzen Berichte über die Hauptsache haben wir nur noch Weniges beizufügen bezüglich einiger Bemerkungen, welche die Petenten einfließen lassen, obgleich sie nicht zur Sache gehören.

Zunächst sind sie offenbar mit der Größe der Einkaufssumme nicht zufrieden und fügen bei, daß sie' wiederholt um die Gunst nachgesucht haben, die Zahlung in einigen jährlichen Raten leisten zu dürfen, allein man habe sie keiner Antwort gewürdigt. Es liege der Grund offenbar darin, daß die Burgerschaft gemäß einem Beschluß vom 13. Mai 1873 die Absicht habe, särnrntiiche bürgerlichen Liegenschaften für immer unter sich zu vertheilen.

Wir haben bereits hervorgehoben, daß die Feststellung der Einkaufssumme den kantonalen Behörden zusteht, und fügen hier noch bei, daß gegen bezügliche Entscheide nicht an die Bundesbehörden rekurrirt werden kann, weil jene Kompetenz durch das Bundesgesez den kantonalen Behörden übertragen ist. In dieser Beziehung hätten also die Petenten ihre Gründe gegen den Entscheid des Departernentes des Innern bei dem Staatsralhe geltend macheu sollen.

Das Departement des Innern des Kantons Wallis spricht sich übrigens dahin aus, daß die Einkaufssumme von Fr. 1100 nicht zu hoch sein könne, wenn man in Betracht ziehe, daß das Vermögen der Gemeinde Port-Valais nach dem kantonalen Steuerregister auf Fr. 389,718 ansteige. Der Burgerrath von Port-Valais glaubt sogar, es wäre auch die Einkaufssumme von Fr. 2200 nicht zu hoch gewesen, und fügt bei, es sei im Jahre 1871 eine Familie dergleichen Kategorie gegen Baarzahlung dieser Summe sofort, in den Genuß der Burgergüter eingesezt worden, gleicK den alten Bürgern. Die Bürgerschaft habe daher für die Einbürgerung aller andern Heimatlosen die gleiche Summe beibehalten und das Departement des Innern habe sie nur infolge des Gesuches um Bewilligung do- Vertheilung eines Theiles der Immobilien zu vollem Eigenthum unter die Korporationsgenossen auf die Hälfte reduzirt.

Diese leztere Ansicht wird jedoch von dem Departement des Innern als irrig bezeichnet, indem es seinen Entscheid dahin präzisirt, daß die von ihm fixirte Summe auf Grundlage der Totalität der bürgerlichen Einkünfte berechnet sei, und daß daher der Staatsrath keine Vorwegnahme oder Vertheilung bürgerlicher Guter durch die alten Burger bewilligen könnte, ohne die Einkaufssumme von

263 Fr. 1100 verhältnißmäßig zu reduziren, was übrigens nicht geschehen werde, weil der Staatsrath beschlossen habe, 1er Bürgerschaft von Port-Valais keinerlei Vertheilung zu bewillig en.

Hiemit ist also jede Besorgniß der Petenten gehoben.

Was die Gestattung von jährlichen Ratenzahlungen betrifft, so haben wir von jeher dieses System zu verhindern gesucht, indem aus solchen Verhältnissen eine Menge von Ungleichheiten und Verwiklungen entstehen müssen. Uebrigens haben wir u äs hierüber näher ausgesprochen in dem Berichte an die Bundesversammlung über die Petition der ewigen Einwohner von St. Maurice und PortValais, betreffend ihre Einbürgerung, vom 23. Februar 1872 (Bundesblatt 1872, Bd. I. S. 369 und 370). Wir beziehen uns auf die dort entwikelten Gesichtspunkte, deren Wiederholung hier um so eher unterbleiben kann, als dieser Punkt nicht in Frage liegt.

Wir schließen diesen Bericht mit dem Antrage, es sei auf das Gesuch der Petenten nicht einzutreten.

B e r n , den 27. Oktober 1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ceresole.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Frage wegen Verlegung des Beginns der ordentlichen Session auf eine geeignetere Zeit.

(Vom 29. Oktober 1873.)

Tit.!

· Durch Beschluss der Bundesversammlung vom 16/19. Juli d. J.

wurde der Bundesrath beauftragt, ,,Bericht und Antrag vorzulegen über die Frage, ob es nicht möglich wäre, den Art. l des Bundesgesezes über den Geschäftsverkehr zwischen dem Nationalrathe und dem Ständerathe vom 22. Dezember 1849 dahin zu revidiren, daß der Beginn der ordentlichen Session der Bundesversammlung auf eine geeignetere Zeit als bisher verlegt werde."

Der Bundesrath, indem er dem erhaltenen Auftrage hiemit nachkommt, gibt sich die Ehre, Ihnen in Nachfolgendem das Er.

gebniß seiner Untersuchung über die angeregte Frage zu unterbreiten.

Der Zusammentritt der gesezgebenden Räthe ist durch verschiedene Bestimmungen geregelt. Während die Bundesverfassung in ihrem Art. 75 darüber lediglich vorschreibt: ,,Die beiden Räthe versammeln sich jährlich ein Mal ,,zur ordentlichen Sizung an einem durch das Reglement ,,festzusezenden Tage.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über eine Petition von Vincent Girard und anderen eingebürgerten ewigen Einwohnern von Port-Valais, betreffend Einkaufsgebühren und Bürgernuzungen. (Vom 27. Oktober 1873.)

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15.11.1873

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