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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 4. Mai 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Deucher.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers: Schatzmann.

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Friedrich M o s e r , von Seedorf, gew. Infanterierekrut.

(Vom 4. Mai 1886.)

Tit.

Der Rekurrent Friedrich Moser hat schon im November 1885 an die Bundesversammlung ein Begnadigungsgesuch gerichtet. Unserer diesbezüglichen Botschaft vom 1. Dezember 1885 entnehmen wir zur Feststellung des Sachverhalts und Begründung unseres Antrages Folgendes: Friedrich Moser, von Seedorf bei Aarberg, Landarbeiter, Infanterierekrut, geb. 1864, wurde am 1.Juni 1885 vom Kriegsgericht der ID.. Division wegen mehrfacher Diebstähle zu folgender Strafe verurtheilt:

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1) zu 15 Monaten Zuchthaus; 2) zu zweijähriger Einstellung im Aktivbürgerrecht nach verbüßter Strafe; 3) zur Kassation; 4) zur Entschädigung an die bestohlenen sechs Kameraden für die entwendeten Beträge; 5) zu den Kosten nach Art. 395 St. G. B., welche bestimmt wurden auf Fr. 103.

Der Thatbestaud ist folgender: Während der diesjährigen Rekrutecschule Nr. l in der Kaserne Beundenfeld Bern wurden zu verschiedenen Zeiten Diebstähle verübt, und zwar zum Nachtheil der Rekruten Sutter, Hildbrand, von Därligen (Fr. 5), Stärnpfli, Moritz, von Bern (Fr. 2), Bohnenblust, August, von Aarburg (Fr. 5), Bangerter, Bendicht, von Seedorf, bei Aarberg (Fr. 5), Stauffer, Christian, von Eggiwyl (Fr. 10), und Nydegger, Johann, von Guggisberg (Fr. 5). Auch Langhans, Ernst, von Bern, beklagte sich über den Verlust von Fr. 15-20 aus seinem Portemonnaie, konnte aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er dieselben verloren oder ob sie ihm gestohlen worden seien.

Die Untersuchung, die sofort nach gemachter Anzeige eingeleitet wurde, blieb resultatlos, da jeglicher Anhaltspunkt in Betreff der Thäterschaft fehlte, bis endlich am 15. Mai der Verdacht sich auf den Rekruten Friedrich Moser, von Seedorf, lenkte, der am gleichen Tage, Morgens, ungefähr 4 Uhr, bei einer Rundreise im Zimmer und Untersuchung verschiedener nicht ihm gehöriger Kleidungsstücke von seinem Zimmerkameraden Kohler, Paul, von Bern, ertappt wurde. Nach des Letztern Aussage soll Moser zu wiederholten Malen hinter der das Zimmer theilenden Wand hervorgekommen sein und jedes Mal ein paar Hosen oder ein Gilet eines Andern untersucht haben. Kohler hielt nun den Verdächtigen an, und auf seine Frage, was er da thue, bekam er die Antwort, er komme soeben vom Abtritt. Jedoch konnte Kohler in seinem Verdacht auf eine unrechte Handlung nur bestärkt werden, da gerade in jüngster Zeit verschiedene Diebstähle begangen worden waren, deren Thäter nicht ermittelt werden konnte, und in diesem Augenblick Moser nicht so angekleidet war, wie man sich anzukleiden pflegt, um nach dem Abort zu gehen.

Am Morgen erfolgte die Anzeige von dem Vorgefallenen, und Moser wurde in Untersuchung gezogen. Er läugnete zuerst Alles und wollte seinem Kameraden mit dem angeblichen Kleideruntersuchen nur einen Streich gespielt haben. Später gestand er die

497 Diebstähle zu, gab aber der Sache den Anschein eines erzwungenen, unwahren Geständnisses. Einer seiner Kameraden habe ihm gerathen, ,,gerade Jaa zu sagen, damit die Sache ein Ende nehme, auch habe er es in dem Arrestlokal nicht mehr aushaken können.

Endlich legte er ein unumwundenes Geständniß sämmtlicher Diebstähle ab, modifizirte dasselbe aber gleich wieder und wollte nur Entwendungen zum Nachtheil der Kameraden Stauffer, Nydegger und Sutter begangen haben. Auf Antrag des Oberauditors wurde die Anklage auch auf die Entwendungen zum Nachtheil von Bohnenblust, Stampili und Bangerter ausgedehnt. Am 18. Mai, Abends 88/4 Uhr, entwich Moser aus seinem Arrestlokal und entschuldigte sein Entweichen nach baldig erfolgter Einbringung damit, daß er nicht unschuldig in Haft sitzen wolle.

Es kam am 1. Juni zur Hauptverhandlung. Die Geschwornen erklärten den Angeklagten der in Frage stehenden sechs Diebstähle im Gesammtbetrag von Fr. 32 schuldig und ebenso des unerlaubten Verlassens des Instruktionsdienstes, und das Gericht verhängte die Eingangs erwähnten Strafen.

Nach unserm Antrag und in Anbetracht unter Anderai, daß Moser damals von seiner Strafe noch kaum sechs Monate verbüßt hatte, hat die Bundesversammlung am 15. Dezember 1885 sein Gesuch zur Zeit abgewiesen.

In einem neuen Gesuche, vom 28. März 1886, wendet sich Moser an die Bundesversammlung mit der Bitte um Erlaß der noch ausstehenden Freiheitsstrafe.

Da der Petent bis zur nächsten Session der Bundesversammlung bereits mehr als 12 Monate, also mehr als */e seiner Strafe, verbüßt haben wird, und in Erwägung, daß laut Zeugniß des Verwalters der Strafanstalt, in welcher er sich befindet, sein Betragen ein gutes ist, beantragen wir, dem Friedrich Moser den noch ausstehenden Theil der ihm auferlegten Zuchthausstrafe in Gnaden zu erlassen, unter Aufrechthaltung der andern vom Kriegsgericht der III. Division am 1. Juni 1885 gegen ihn ausgesprochenen Strafen.

B e r n , den 4. Mai 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers : Schatzmann.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Friedrich Moser, von Seedorf, gew. Infanterierekrut. (Vom 4. Mai 1886.)

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05.06.1886

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