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Bericht der

nationalräthlichen Kommission betreffend Fristverlängerung für die Broyethalbahn.

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(Vom 20. Dezember 1872.)

Tit. !

Die Broyethalbahn berührt das Gebiet von drei Kantonen: Bern, Freiburg und Waadt, und es erhoben sich bereits beim ersten Auftreten des Projekts dieser Bahn Schwierigkeiten von Seite der Freiburger Regierung. Die Broyethalbahngesellschaft musste sich an die Bundesbehörden wenden, um gestüzt auf das Bundesgesez von 1852 die Zwangskonzession auf Gebiet des Kantons Freiburg zu erlangen.

Der Bundesrath sezte durch seinen Beschluss vom 18. Juli 1871 die Frist für den Finanzausweis und den Beginn der Arbeiten fest, indem er gleichzeitig dem Komite der Broyethalbahn die Zwangskonzession auf Freiburger Gebiet ertheilte.

Die durch die Kantone Waadt und Bern ertheilten Konzessionen wurden ebenfalls genehmigt.

In Folge dés Beschlusses vom 18. Juli 1871 wurde eine Uebereinkunft zwischen dem Broyethalbahnkomite und dem Kanton Freiburg abgeschlossen, durch welche die Bedingungen betreffend die freiburgische Konzession festgestellt werden.

32 Diese Uebereinkunft datirt vorn 20. Oktober 1871, die Ratifikation des Grossen Raths vom 17. November 1871 und die Ratifikation des Bundesraths vom 11. Dezember 1871, welches Datum den Beginn der 12 Monate fixirt, welche der Broyethalbahngesellschaft für den Ausweis der Finanzmittel und den Beginn der Arbeiten eingeräumt wurden.

Verschiedene im Berichte des Bundesraths aufgeführte Umstände versezten die Broyethalbahngesellschaft in die Notwendigkeit, eine.

Verlängerung der mit dem 11. Dezember 1872 ablaufenden Frist um 6 Monate nachzusuchen.

Dieses Gesuch wurde unterm 25. September 1872 gestellt.

Indern die Gesellschaft in ihrer- Zuschrift anzeigt, dass sie in vielen Punkten des Konzessionsaktes ihren Obliegenheiten nachgekommen, sezt sie die Gründe auseinander, welche sie in die Urlmöglichkeit versezten, auf derr 11. Dezember 1872 alle erforderlichen Nachweise zu leisten : 1) Da die Linie das Gebiet von drei Kantonen berührt, so mussten verschiedene Fragen mit den betreffenden Kantonen debattirt werden, was neue und zeitraubende Studien erheischte. ' 2) Da das Broyethalkomite erst vor einigen Monaten den Bau der Transversal-Linie von Freiburg-Payerne-Yverdon, deren Konzession übrigens von der Regierung von Freiburg freiwillig ertheilt worden, übernommen hat, so wurden natürlich neue Unterhandlungen unerlässlich, und es mussten in.Folge aller dieser Umstände weitere Verzögerungen eintreten.

Der Bundesrath übermittelte dieses Gesuch vom 25. September den Regierungen der drei Kantone, mit der Einladung, sich diesfalls auszusprechen.

Der Kanton Waadt hat mit Zuschrift vorn 19./2l. Oktober seine volle Zustimmung ertheilt; Bern und Freiburg verlangten Zeit, um sich an die betreffenden Grossen Räthe zu wenden. Der Grosse Rath von Bern gab sodann durch Beschluss vom 19. November eine bejahende Antwort in Bezug auf die Verlängerung der Frist um 6 Monate.

Der Kanton Freiburg; dagegen theilte dem Bundesrathe mit O O Zuschrift vom 30. November die Gründe mit, aus welchen der Grosse Rath dieses Kantons, ohne eirre definitive Bestimmung zu treffen (indem er den Staatsrath zu Unterhandlungen ermächtigte), es nicht für angemessen erachtet hat, dem Beispiele der Kantone Waadt und Bern zu folgen, indem er dafür hielt, dass die Artikel 3,

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4 und 5 der Konzession nicht beobachtet worden seien (diese Artikel enthalten die Hauptbestimmungen dos Vertrags vom 20. Oktober 1871).

Der Staatsrath seinerseits, im Einklänge mit, dein Grossen Rathe, erklärt, dass er keine Fristverlängerung annehmen könne, und dass, insbesondere gestüzt auf Artikel 5 des Konzessionsaktes, der Kanton Frei burg wieder in seine Rechte eingetreten sei: -- dass die beO sagte Konzession vollständig aufgekündet sei, wesshalb er sich vollkommen entbunden erklärt sowohl gegenüber dem Bundesrathe, als dem Broyethalbahnkomite.

Die Regierung von Freiburg fügt bei: weit entfernt, den Bau dieser das eigene Kantonsgebiet berührenden Linien hindern zu wollen, sei er vielmehr entschlossen, die Linie herzustellen, wenn nicht selbst, so doch durch Verständigung sei es mit der gegenwärtigen Gesellschaft, sei es mit jeder andern; mit dem Bemerken, dass die Regierung bereits ernste Anerbietungen in Händen habe.

Der Bundesrath prüfte die Erklärungen des Kantons Freiburg sorgfältig, hielt dieselben jedoch für nicht begründet. Gestüzt auf den Artikel 11 des Bundesgesezes vom 28. Juli 1852, erklärt er sich für vollkommen kompetent, die verlangte Fristverlängerung zu gewähren. Da übrigens die Kantone Bern und Waadt ihre unbedingte Zustimmung ertheilt, so haben sie damit die Begründetheit der vorn Broyekomite angerufenen Argumente anerkannt, Argumente, deren Richtigkeit Freiburg nicht bestreitet, und die eindringlich genug sprechen, um den Bundesrath zu veranlassen, die 6 verlangten Monate zu gewähren. Was die Finanzfragen .betrifft, sohat die Broyegesellschaft ihm bereits den Finanzausweis für das ganze Unternehmen übersandt, und kündigt er an, dass er denselben einer ernsten Prüfung unterwerfen werde.

Ihre Kommission wird nun, nachdem sie Ihnen in Kürze die in dieser Frage vorhandenen gegenseitigen Stellungen dargelegt hat, Ihnen die Gründe mittheilen, welche sie veranlasst haben, Ihnen einstimmig die Annahme der Anträge des Bundesrathes vorzuschlagen.

Der Staatsrath von Freiburg hat unterm 10. dies an das Broyekomite ein sein- einlässliches Schreiben gerichtet, worin er hervorhebt, dass die Broyegesellschaft ihre Verpflichtungen nicht gehalten habe und insbesondere ihm nicht die hinreichenden vertragsmässigen Garantien gebe.

In einem unterm 16. diess an Ihre Kornmission eingegebenen Berichte bestreitet die Regierung von Freiburg die Kompetenz des

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Bundesrathes; sie hält ihre Berechtigung, selbst zu bauen, gemäss Artikel 17 des Gesezes vom 28. Juli 1852, aufrecht, und erklärt durch dieses Anerbieten, dass, da die Broyegesellschaft am 11. diess ihre Pflicht nicht erfüllt hat, ihrem Dahinfalle auf Freiburger Gebiet nichts mehr entgegensteht.

Vorerst müssen wir Ihnen bemerken, dass wir uns mit den finanziellen Bemerkungen von Freiburg nicht zu befassen haben ; es ist diess eine Frage, welche nach Genehmigung des Fristverlängerungsgesuchs (wenn demselben entsprochen wird) behandelt werden wird, wie die Uebereinkunft vom 20. Oktober, welche nach der vom Bundesrathe ertheilten Konzession abgeschlossen worden ist.

Wir halten mit dem Bundesrathe dafür, dass diese Frage von der uns heute beschäftigenden getrennt werden muss. Wir haben einfach O O zu prüfen, ob der Bund zur Verlängerung der Konzession kompetent sei.

In erster Linie bestreitet die Regierung von Freiburg diese Kompetenz unter Berufung auf Artikel 3 der Bundesverfassung, also lautend : ,,Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränetät nicht ,,durch die Bundesverfassung beschränkt ist, und üben als solche ,,alle Rechte aus, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sind" In zweiter Linie behauptet sie, es sei der Eidgenossenschaft in Sachen der Eisenbahnen von der Kantonalsouveränetät nur ein Aufsichtsrecht über die von den Kantonen bewilligten Konzessionen übertragen worden, welches sich auf die Artikel 21, 28 und 29 stüze.

Drittens anerkenne Artikel 1. des Gesezes vom 28. Juli 1852 im Grundsaz dieses Recht der Kantone, allein Eisenbahnkonzessionen für ihr Gebiet zu ertheilen.

Hierauf kann Ihre Kommission nur dadurch antworten , dass sie ihrerseits Gesezesstellen anruft, welche die Regierung von Freiburg nicht zu kennen scheint.

In der That, wenn auch die Bundesverfassung im Artikel 3 die Souveränetät der Kantone gewährleistet, so finden wir doch im Artikel 17 des Eisenbahngesezes vom 28. Juli 1852 folgende Bestimmung, welche der Argumentation der freiburgischen Regierung peremptorisch entgegensteht : ,,Wenn ein Kanton die Bewilligung zur Erstellung einer im ,,Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Theils derselben ,,liegenden Eisenbahn auf seinem Gebiete verweigert, ohne selbst

35 ,,die Erstellung derselben vorzunehmen, oder wenn er sonst den ,,Bau oder den Betrieb einer solchen Bahn irgendwie in erheblichem ^Maasse erschweren sollte, so steht der Bundesversammlung das ,,Recht zu, nach Prüfung aller hiebei in Betracht kommenden Ver,,hältnisse massgebend einzuschreiten und von sich aus das Erforderliche zu verfügen.11 Angesichts dieses Artikels kann man doch gewiss die Bundeskompetenz nicht in Zweifel ziehen. Es findet sich in demselben nur eine Stelle, welche auf den ersten Blik für die freiburgische Auffassung zu sprechen scheint, diejenige nämlich, welche vom Staatsbau spricht: aber heute kann jene Regierung dieses Recht nicht mehr in Anspruch nehmen, sie hätte dies eben gleich Anfangs thun sollen, bevor noch etwas angefangen und von der einen oder andern Seite Verpflichtungen übernommen waren. Ein solches System, welches einem Staate gestattet, mit einer Gesellschaft zu contrahiren, die aus sehr plausiblen, vielleicht selbst aus Gründen höherer Gewalt zur festgesezten Zeit alle von ihr eingegangenen Bedingungen nicht erfüllen könnte, und der also jegliche Art von Rekurs benommen wäre, scheint uns unzulässig. Denn nicht allein würde man " ihr durch Zurttkziehung der Konzession, mit Rüksicht auf die gehabten Ausgaben, sondern auch durch Konfiskation der Bürgschaftssumme einen enormen Schaden verursachen. Es läge in diesem System eine solche Ungerechtigkeit, dass dasselbe, wenn es in unsere Gesezgebung eingeführt würde, die Entwiklung unserer Eisenbahnen schwer gefährden würde.

Die Eidgenossenschaft hat eine Zwangskonzession und die Frist eines Jahres für den Beginn der Arbeiten bewilligt ; sie hätte sehr wohl eine längere Frist von l*/2 oder 2 Jahren bewilligen können; dass sie dies nicht gethan, kann aber doch unmöglich ein Grund sein, ihr das Recht zu benehmen, neuerdings eine Frist von sechs Monaten zu bewilligen; denn, wenn die Bundesversammlung ganz> gegen unsere Erwartung Freiburg Recht gäbe, so würde sie dadurch die erste Konzession vom 18. Juli 1871 verurtheilen.

Ebenso spricht auch Artikel 11 des Bundesgesezes vom 28. Juli 1852 für die bundesräthliche Auffassung, welcher also lautet : ,,Es ist jeweilen im einzelnen Falle eine Frist anzusezen, binnen ,,welcher der Anfang mit den Erdarbeiten für die betreffende Bahn,,unternehmung gemacht und zugleich genügender
Ausweis über die ,,gehörige Fortführung der leztern geleistet werden soll u. s. w."

Der Bund hat also die behauptete Kompetenz, in jedem speziellen Falle eine Frist anzusezeu, und es besteht für ihn keine Verpflichtung, niemals eine Fristverlängerung gewähren zu dürfen. Wenn.

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eine solche bestünde, wie viele Eisenbahnunternehmungen wären dadurch in unserm Lande schon aufs Spiel gesezt worden ? Es bestehen übrigens hiefür bereits zahlreiche Präzedenzfälle, und selbst heute legt uns der Bundesrath zwei derartige Begehren vor, welche unserer Ansicht nach von Seite der betreffenden Kantone keinen Anstand veranlassen werden.

Auch Art. 5 des Vertrags, welchen der Kanton Freiburg ebenfalls anruft, spricht zu seinen Ungunsten, da er den § 2 desselben zu erwähnen vergisst, also lautend : ,,Läuft diese Frist aus, ohne dass die oben genannten Be,, dingungen erfüllt werden, so fällt, w e n n n i c h t e i n e V e r l a n g e ,, r u n g d e r s e l b e n b e w i l l i g t w i r d , die Konzession von selbst ,,dahin ; in diesem Falle fallt die oben erwähnte Kaulion von 70,000 ,,Franken dem Staat anheim."

Offenbar sprechen die Worte: ,, w e n n n i c h t e i n e F r i s t v e r l ä n g e r u n g b e w i l l i g t wird", welche von der Freiburger Regierung in den Vertrag aufgenommen sind, mit Rüksicht auf den ersten Paragraphen von Art. 5 zu deren Ungunsten, denn sobald man eine Fristverlängerung als möglich annimmt, wird man doch sicherlich dem Bundesrath, welcher die ursprüngliche Konzession ertheilt hat, die Kompetenz nicht abstreiten wollen, eine Fristverlängerung für dieselbe zu bewilligen !

In der Einleitung zum genannten Vertrage heisst es endlich von den Delegirten der beiden Parteien : ,,handelnd auf Grund der Vollmachten ihrer Auftraggeber, ausgestellt unterm 12. August 1871, mit Rüksicht auf den Bundes,,beschluss vom 18. Juli 1871, welcher durch diesen Akt vorbehalten wird, wurde Folgendes vereinbart, etc., etc" Also noch ein weiterer Beweis zu Gunsten der bundesräthlichen Auffassung, insofern die Kontraheuten ja, im Einverständniss den Akt unterzeichnet haben, durch welchen der Bundesbeschluss vom 18. Juli 1871 vorbehalten wird!

* Was den zu Gunsten des Staatsbaus angerufenen Artikel 4 des neuen Eisenbahngesezes betrifft, so verweisen wir auf das oben Gesagte, dass nämlich jene Anrufung unstatthaft ist, indem dieselbe bei dem ersten Begehren um die Zwangskonzession hätte stattfinden tollen.

Aus all' diesen Motiven beantragt Ihnen Ihre Kommission einstimmig die Annahme des bundesräthlichen Beschlussentwurfes.

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Wir sind überzeugt, dass Sie mit dieser Annahme nur die gegenwärtig in Kraft bestehende Eisenbahngesezgebung unparteiisch anwenden, und wir wollen diesen Bericht nicht schliessen, ohne den Wunsch zu äussern, in Bälde die drei betheiligten Kantone in vollständigem Einverständnisse über eine Frage von so hohem öffentlichen Interesse für unser Land handeln zu sehen.

Bern, 20. Dezember 1872.

Im Namen der Kommission des Nationalrathes, Der Berichterstatter : M. Vautier.

N o t e . Obiger Antrag wurde angenommen, vorn Nationalrath am 20.,.

vom Ständerath am 23. Dezember 1872.

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Bericht der nationalräthlichen Kommission betreffend Fristverlängerung für die Broyethalbahn. (Vom 20. Dezember 1872.)

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18.01.1873

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