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Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen

der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien.

(Vom 23. Juli 1873.)

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft und Seine Majestät der Kaiser aller Persischen Staaten, gleich sehr von dem aufrichtigen Wunsche beseelt, zwischen der Schweiz und Persien freundschaftliche Verkehrsbeziehungen herzustellen, haben sich bewegen gefunden, dieselben durch einen den Bürgern und Unterthanen der beiden Länder gleich vorteilhaften Freundschaftsund Handelsvertrag nachhaltig zu befestigen. Zu diesem Zweke haben sie zu ihren Bevollmächtigten bezeichnet:

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn Johann Konrad K e r n , seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der französischen Republik, und Seine Majestät der Kaiser aller Persischen Staaten: den Herrn General Nazare Aga, seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der französischen Republik, welche nach Auswechslung ihrer, in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die folgenden Artikel vereinbart haben: Artikel 1.

Vom heutigen Tage an soll zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und allen Schweizerbürgern, einerseits, und dem

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'Kaiserreich Persien' und allen persichen Unterthanen, andererseits, aufrichtige Freundschaft und ein beständiges gutes Einvernehmen walten. .

' A r t i k e l 2.

. . : . 'Die Botschafter, bevollmächtigten Minister und andern diplomatischen Agenten, welche jede der beiden hohen Vertragsparteien für gut. finden sollte zu der andern abzuordnen und bei derselben zu unterhalten, werden, sie selbst wie das gesammte Personal ihrer Mission, in den beiden betreffenden Ländern so empfangen und behandelt werden, wie die Botschafter, bevollmächtigten Minister ·und andern diplomatischen Agenten der meistbegünstigten Nationen in den beiden betreffenden Ländern empfangen und behandelt werdet), und sollen dort in kllen Punkten die gleichen Vorrechte und 'Immunitäten genießen.

A r t i k e l 3.

Die Bürger oder die Unterthanen der beiden hohen Vertragsparteien, -- .Reisende, Handelsleute, Gewerbtrcibende und andere, es mögen dieselben auf dem Gebiete des einen oder des andern Staates herumreisen oder wohnen, sollen von den Landesbehörden und ihren eigenen Agenten respektirt und wirksam beschüzt, und in allen Beziehungen so behandelt werden,i wie es die Bürger oder die Unterthanen der meist begünstigten Nation sind: Sie können gegenseitig in den einen und den andern Staat Waaren und Erzeugnisse aller Art einführen, sie verkaufen, umtauschen, kaufen, sie nach jedem Orte auf dem Gebiete des einen und des andern Staates transportiren.

Jedoch sind die Bürger und Unterthanen des einen und des andern Staates, welche sich mit dem innern Handel abgeben sollten, den Gesezen des Landes, wo sie Handel treiben, unterworfen.

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A r t i k e l 4.

Die Waaren, welche von den respektiven Bürgern und Unterthanen der ' beiden hohen Vertragsparteien ein- oder ausgeführt werden, haben in dem einen oder andern Staate, sei es bei der Einfuhr oder der Ausfuhr, nur die gleichen Gebühren zu bezahlen, welche die von den Kaufleuten und Unterthanen der meistbegünstigten Nation eingeführten und ausgeführten Waaren und Erzeugnisse bei der Einfuhr und der Ausfuhr im einen und andern.

S41 Staate bezahlen, und es darf keine Ausnahmstaxe unter irgend welchem Namen oder Vorwand im einen wie im andern Staate gefordert werden.

A r t i k e l 5.

Die Prozesse, Anstände und Streitigkeiten, welche im Kaiserreiche Persien zwischen Schweizerbürgern sich erheben sollten, werden ganz dem Urtheile und Entscheide des schweizerischen Agenten oder Konsuln überwiesen, welcher in der Provinz, wo diese Prozesse, Anstände und Streitigkeiten sich erheben, oder in der nächstgelegenen Provinz residirt. Er wird darüber naeh den schweizerischen Gesezen entscheiden.

Die Prozesse, Anstände und Streitigkeiten, welche in Persien zwischen Schweizerbürgern und persischen Unterthanen entstehen, sind vor das persische Gericht, den ordentlichen Richter in solchen Angelegenheiten, an dem Orte zu bringen, wo ein schweizerischer Agent oder Konsul residirt, und es sind dieselben in Gegenwart eines Angestellten des schweizerischen Agenten oder Konsuls zu erörtern und nach Billigkeit abzuurtheilen.

Die Prozesse, Anstände und Streitigkeiten, welche in Persien zwischen Schweizerbürgern und Unterthanen anderer fremder Mächte entstehen, sind durch Vermittlung ihrer respektiven Agenten oder Konsuln abzuurtheilen und auszutragen.

In der Schweiz sind die persischen Unterthanen ebenfalls, in allen ihren Streitigkeiten, sei es unter sich, sei es mit Schweizern oder Ausländern, nach demjenigen Modus zu beurtheilen, welcher in der Schweiz gegenüber den Unterthanen der meistbegünstigten Kation angenommen ist.

Angelegenheiten strafrichterlicher Natur, bei welchen Schweizerbürger in Persien oder persische Unterthanen in der Schweiz kompromittirt erscheinen sollten, sind in der Schweiz und in Persien nach dem Modus abzuutheilen, wie er in den beiden Ländern gegenüber den Unterthanen der meistbegünstigten Nation angenommen ist.

A r t i k e l G.

Im Falle des Ablebens eines Bürgers, beziehungsweise Unterthans auf dem Gebiete des einen oder des andern Staates soll dessen gesammter Nachlaß der Familie oder den Associés des Verstorbenen, wenn er solche hat, übergeben werden. Hatte der Bundesblatt. Jahrg. XXV. Bd. IV.

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·542 'Verstorbene weder Verwandte noch Associés, so ist sein Nachlaß im einen wie im andern Lande dem Agenten oder Konsuln der 'Nation, welcher der verstorbene Bürger oder Unterthan angehörte, 'in Verwahrung zu geben, damit dieser davon den angemessenen Ge' brauch mache, gemäß den Gesezen und Uebangen seines Landes.

A r t i k e l 7.

Zum Schuze ihrer Bürger, beziehungsweise Unterthanen und ihres Handels, und zur Förderung guter und billiger Verkchrsbe' Ziehungen zwischen den Bürgern und Unterthanen der beiden Staaten, behalten sich die zwei hohen Vertragsparteien die Befugniß vor, je drei Konsuln zu ernennen.

Als Residenzorte für die Schweiz werden Teheran, BenderBouchir und Tauris bezeichnet. Die persische Regierung kann für ihre Konsuln in der Schweiz die Residenzorte wählen.

Die Konsuln der beiden hohen Vertragsparteien werden gegenseitig auf dem Gebiete des einen oder des andern Staates, wo sie residiren, diejenige Achtung, Vorrechte und Immunitäten genießen, wie sie im einen und andern Staate -den Konsuln der meistbegünstigten Nation zu Theil werden.

Die diplomatischen Agenten und die Konsuln der Schweiz werden weder öffentlich noch geheim die persischen Unterthanen .beschüzen.

Die diplomatischen Agenten und die Konsuln Persiens werden weder öffentlich noch geheim die Schweizerbürger beschüzen.

Diejenigen Konsuln der beiden vertragschließenden Regierungen, ·welche im einen und andern Staate sich mit Handel abgeben, sollen, was ihr diesfàlliges Geschäft betrifft, den nämlichen Gesezen und den nämlichen Gebräuchen unterworfen sein, wie ihre den gleichen Bändel treibenden Landsleute.

A r t i k e l 8.

Gegenwärtiger Frcundschafts- und Handelsvertrag, befestigt durch das Band aufrichtiger Freundschaft und des Vertrauens, das die beiden Staaten verbindet, wird mit Hilfe Gottes von der einen und der andern Seite während zwölf Jahren, vom Tage des Austausches der Ratifikationen an, getreulich beobachtet und aufrecht erhalten werden. Wenn aber ein Jahr vor dem Ablauf der fest-

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gesezten Frist keine der beiden hohen Vertragsparteien der andern offiziell die Absi* ht mitgetheilt, von dem Vertrage zurükzutreten, so bleibt derselbe verbindlich bis zum Ablaufe eines Jahres nach dein Tage, wo die eine oder andere der hohen Vertragsparteien denselben aufgekündet haben wird, gleichviel zu welchem Zeitpunkte diese Erklärung stattfinden mag.

A r t i k e l 9.

Gegenwärtiger Vertrag ist zu ratifiziren und die Ratifikationen, desselben sind in Paris innerhalb eines Jahres oder wenn thunlich, vorher auszutauschen.

Zur Urkunde dessen haben die betreffenden Bevollmächtigten der beiden hohen Vertragsparteien gegenwartigen Vertrag unterzeichnet und demselben ihr Wappensiegel beigedrükt.

Doppelt gefertigt zu Genf, den drei und zwanzigsten Juli ein tausend achthundert drei und siebeuzig (den acht und zwanzigsten Djamadi des Jahres 1290 von der Hegira).

(L. S.) (Gez.) Kern.

(L. S.) (Gez.) Nazare Aga.

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Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien. (Vom 23. Juli 1873.)

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Jahr

1873

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13.12.1873

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539-543

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