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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Genehmigung des Betriebsvertrags über die Bahnstrecke Bouveret - St. Gingolf.

(Vom 30. März 1886.)

Tit.

Mit Schreiben vom 24. Februar d. J. hat die Direktion der schweizerischen Westbahnen und des Simplon dem Eisenbahndepartement den der gegenwärtigen Botschaft in beglaubigter Abschrift angefügten Vertrag übersandt, mit dem Gesuch, die Genehmigung desselben im Sinne von Art. 40 des Eisenbahngesetzes veranlassen zu wollen.

Laut diesem Vertrag wird die Gesellschaft der französischen Paris-Lyon-Mittelmeerbahn den Betrieb auf der 4 057 m. langen Bahnstrecke übernehmen, welche von der Landesgrenze bei St. Gingolf bis Bouveret, im Anschluß an die französische Linie BellegardeThonon-St. Gingolf, von der Gesellschaft der schweizerischen Westbahnen und des Simplon gebaut worden ist und gleichzeitig mit dem französischen Theilstück Thonon-St. Gingolf im Juni d. J. dem Betrieb übergeben werden soll, in dem Umfange, daß die ParisLyon-Mittelmeerbahn mit ihren Lokomotiven und ihrem Personal den Fahrdienst besorgen soll, wogegen das Wagenmaterial in einem von den Gesellschaften bereits festgestellten Verhältniß (je zur Hälfte, unter periodischer Ausgleichung) zu liefern ist (Art. 5).

Für den Zugsdienst sind die Réglemente der französischen Gesellschaft maßgebend, ebenso deren Signalordnung. Im Bahnhof zu Bouveret dagegen gilt das schweizerische Signalreglement. Die

415 Unterhaltung und Bewachung der Linie auf Schweizergebiet ist Aufgabe der Gesellschaft der Westbahnen und des Simplon, der auch die Ausübung der Bahnpolizei im Streckendienst zusteht; in den Zügen wird die Bahnpolizei von den Organen der Paris-LyonMittelmeerbahn, aber, soweit schweizerisches Gebiet in Betracht kommt, auf Grund der hierseitigen Réglemente besorgt (Art. 6,12).

Soweit die ordentliche Dieustführung es verlangt, kann die ParisLyon-Mittelmeerbahn dem Bahnhofvorstand in Bouveret Instruktionen direkt zugehen lassen ; im Uebrigen ist dieser von der schweizerischen Verwaltung abhängig und ist ihm im Bahnhof auch das französische Personal unterstellt, soweit der Stationsdienst es erheischt (Art. 12). Wenn eine Gesellschaft die Versetzung eines Angestellten der andern Verwaltung verlangt, so muß diesem Begehren entsprochen werden (Art. 13). Die sämmtlichen Installationen in Bouveret werden von der West- und Simplonbahngesellschaft erstellt; soweit sie ausschließlich der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn dienen, hat diese die Erstellungskosten mit 5 °/o Zuschlag für allgemeine Unkosten zu bezahlen; an die Erstellungskosten der den gemeinsamen Bedürfnissen dienenden Anlagen trägt die Paris-LyonMittelmeerbahn die Hälfte bei. Soweit dieser Gesellschaft das Recht der Benutzung zusteht, liegt ihr auch die Bedienung und Unterhaltung ob. Die Vergütung der Baukosten erfolgt in 25 Annuitäten ; die Verpflichtung zur Zahlung dieser würde aufhören , wenn die Suisse Occidentale et Simplon den Vertrag kündigen, aber bis zur vollständigen Zahlung der Baukosten fortdauern , wenn die Auflösung des Vertrags von der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn verlangt werden sollte. Indessen würden auch im letztern Falle die Unterhaltungskosten an die Suisse Occidentale et Simplon übergehen (Art. 15), in deren Eigenthum die Installationen also in jedem Fall verbleiben.

Hinsichtlich der Beförderung von Personen und Gütern ist im Art. 1 bestimmt: 1) daß für den Personenverkehr zwischen Bellegarde und St. Maurice kein Wagenwechsel sein soll ; 2) daß fürdie Relationen Bellegarde-St. Maurice auch eine direkte Gepäckabfertigung stattfinden werde, mit Vorbehalt der weitern Ausdehnung des direkten Verkehrs nach Maßgabe des eintretenden Bedürfnisses; 3) daß die Uebergabe und resp. der Umlad von Gepäck und Gütern in Bouveret zu bewerkstelligen sei, wobei ·-- wie auf den andern schweizerisch-französischen Uebergangsstationen -- die Güter der Unikartirung unterliegen.

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Jede der beiden Gesellschaften bezieht die tarifmäßigen Gebühren bis zur Landesgrenze, welche das beiderseitige Bahneigenthum scheidet. Dagegen bezahlt die Suisse Occidentale et Simplem der französischen Gesellschaft die in Art. 16 angegebene Entschädigung für die Besorgung des Zugs- und Traktionsdienstes auf dem schweizerischen Parcours.

Endlich wird die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn in Bouveret ihre Angestellten für die Besorgung des ihr daselbst obliegenden Dienstes, sowie einen Repräsentanten haben, welchem ihre Vertretung zusteht (Art. 2).

Die übrigen Vertragsbestimmungen betreffen die Uebergabe der Güter und die Behandlung der Reklamationen (Art. 3), die nähern Bestimmungen über die gegenseitige Benutzung des Rollmaterials (Art. 4), die Bedingungen, unter denen die Materialzüge und Bahnwagen der Suisse Occidentale et Simplon auf der Vertragsstrecke zirkulären dürfen (Art. 7 und 8), die Hülfeleistung in Unfällen (Art, 9) und die Tragung der Folgen der Unfälle (Art. 14), die Verpflichtung zur Aufstellung eines ineinandergreifenden Fahrplans (Art. 10), den Manövrirdienst in Bouveret (Art. 11). Streitigkeiten sollen durch ein Schiedsgericht erledigt werden (Art. 18). Deiganze Vertrag endlich ist einer beiden Gesellschaften zustehenden Kündigung auf sechs Monate unterstellt (Art. 17).

"Wir konstatiren, daß der Vertrag nichts enthält, was den eisenbahugesetzlichen oder den konzessionsmäßigen Vorschriften widersprechen würde, und daß von diesem Standpunkt aus Einwendungen nicht erhoben werden können.

Der Vertrag entspricht ferner der in Art. 4 des Staatsvertrags vom 27. Februar 1882 (Amtl. Samml. n. P. VI, 553), wodurch die Verbindung der Bisenbahn von Bouveret über St. Gingolf nach Thonon gestattet worden ist, aufgestellten Forderung, daß die Strecke, welche zwischen der schweizerischen und der französischen Grenzstation liegt, von einer und derselben Gesellschaft oder Verwaltung betrieben werden solle. Mit Rücksicht auf den daselbst angebrachten Vorbehalt, daß die hierüber zwischen den Gesellschaften anzustrebende Verständigung der Genehmigung der vertragschließenden Staaten unterstellt werden solle, war der Vertrag auch in der Richtung zu prüfen, ob er mit den besondern Bestimmungen des Staatsvertrags zu vereinbaren sei. Wir können uns auch hier nur in bejahendem Sinne aussprechen. Er enthält keine Bestimmungen, welche mit denen des Staatsvertrags nicht in Einklang zu bringen wären.

417 Immerhin werden in den üblichen Vorbehalt der Haft des Konzessionsinhabers für die Erfüllung der gesetzlichen und konzessionsmäßigen Verpflichtungen auch da, wo der Betriebsübernehmer vertraglich an dessen Stelle getreten ist, die Stipulationen des Staatsvertrags mit einzubeziehen sein.

In diesem Sinne, und da auch die Regierung des Kantons Wallis zu Einwendungen sich nicht veranlaßt gesehen hat, beantragen wir die Genehmigung des nachstehenden Beschlußentwurfs.

Wir benutzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 30. März 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

{Entwurf)

Bnndesbeschluß betreffend

die Genehmigung des Betriebsvertrags über die Bahnstrecke Bouveret - St. Gingolf.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht a. einer Zuschrift der Direktion der schweizerischen Westbahnen und der Simplonbahn vom 24. Februar 1886 und des derselben beigelegten Vertrags betreffend den Betrieb auf der Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. II.

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Bahnstrecke Bouveret - St. Gingolf, vom 4. Dezember 1885 und 4. Februar 1886; b. einer Botschaft des Bundesrathes vom 30. März 1886, beschließt: 1. Dem zwischen der Gesellschaft der schweizerischen Westbahnen und des Simplem einerseits und der französischen Gesellschaft Paris-Lyon-Mittelmeer anderseits abgeschlossenen Vertrag über den Betrieb der Bahnstrecke Bouveret - St. Gingolf wird die Genehmigung ertheilt, unter dem Vorbehalt, daß die Gesellschaft der schweizerischen Westbahnen und des Simplon hinsichtlich aller aus der Konzession, aus den eisenbahngesetzlichen Vorschriften und dem Staatsvertrag über die Verbindung der Eisenbahn von Bouveret nach Thonon herzuleitenden Verpflichtungen auch da behaftet bleibt, wo in Folge des Vertrags die französische Gesellschaft thatgächlich an die Stelle der ersteren getreten ist.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Schreiben des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Petition der Eheleute Hauser-Benner, von Böttstein (Aargau), in Hurden-Freienbach (Schwyz), betreffend Ausweisung aus dem Kanton Schwyz.

(Vom 21. Mai 1886.)

Tit.

Gegen unsern Beschluß vom 16. März 1886, durch welchen wir den Rekurs der aargauischen Eheleute H a u s e r in Hürden, Gemeinde Freienbach, Kantons Schwyz, betreffend Entzug der Niederlassung, ais unbegründet abgewiesen haben, wenden sich die Rekurrenten mit schriftlicher Eingabe vom 26. April 1886 an die Bundesversammlung, indem sie das Begehren stellen: Sie,Tit., möchten in theilweiser Abänderung des bundesräthlichen Beschlusses und einer Schlußnahme der Regierung des Kantons Schwyz vom 24./29. März 1886 verfügen, es sei ihnen (den Patenten) behufs Liquidation ihrer Liegenschaft in Hürden ein Termin von sechs Monaten a dato (26. April) einzuräumen und bis dahin, d. h. bis 26. Oktober 1886, die Ausweisung zu sistiren.

Die Petenten führen zur Begründung dieses Begehrens an, daß sie in Hürden Grundeigentum besitzen, das nicht von heute auf morgen veräußert werden könne; es bedürfe unter den gegenwärtigen Verhältnissen hiezu geraumer Zeit, wenn ihnen nicht ein bedeutender Schaden zugefügt werden solle.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Genehmigung des Betriebsvertrags über die Bahnstrecke Bouveret - St. Gingolf. (Vom 30. März 1886.)

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29.05.1886

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