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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch A'on Albert Giger, von Romoos, (Entlebuch), gewes. Hufschmied-Rekrut der Kavallerie.

(Vom 26. November 1886.)

Tit.

Albert Gig e r, von R o m o o s , Entlebuch, geb. 1865, Hufschmied, welcher vom Kriegsgericht der V. Armeedivision wegen Diebstahls verurtheilt worden ist, reicht ein Begnadigungsgesuch bei der Bundesversammlung ein.

Die Umstände, welche seine Verurtheilung herbeiführten, sind folgende: Giger machte als Hufschmied-Rekrut die III. Kavallerieschule in Aarau mit. Während die Truppe am 14. August 1886 sich beim Baden befand, entwendete Giger einem seiner Kameraden das Portemonnaie aus den Beinkleidern. Die sofort auf Begehren des Bestohlenen angeordnete Untersuchung veranlaßte Giger, auf den man Verdacht hatte, den Diebstahl einzugestehen. Es wurde konstatirt, daß das auf 80 Rp. gewerthete Portemonnaie Fr. 60. 50 enthielt, und zudem einen Schlüssel, zu 25 Rp. geschätzt. Bei seiner Verhaftung war Giger noch im Besitze von Fr. 54. 75, welche sofort dem Kläger eingehändigt wurden ; später konnte auch der Rest der gestohlenen Summe zurückerstattet werden.

Das am 18. August in Aarau funktionirende Kriegsgericht der V. Armeedivision verurtheilte den Angeklagten ohne Zuzug von Geschwornen :

1026 1) zu 12 Monaten Zuchthaus; 23 zur Kassation im Sione des Art. 9 des eidgenössischen Militärstrafgesetzes ; 3) zur Einstellung im Aktiv bürgerrech t auf die Dauer von zwei Jahren ; 4) zum Sehadenersatz und zu den Kosten.

Giger reichte dem Kriegsgericht ein Begnadigungsgesuch ein, welches dem Bundesrathe in empfehlendem Sinne überwiesen wurde.

In seinem Berichte vom 20. August sprach sich der Großrichter der V. Division folgendermaßen über dasselbe aus: ^Nach den Bestimmungen des Art. 133 des Militärstrafgesetzes werde der ausgezeichnete Diebstahl bestraft: ,,a. mit Gefängniß von 6 Monaten bis auf l Jahr, oder Zuchthaus bis auf 4 Jahre, wenn der Werth des Gestohlenen nicht mehr als Fr. 40 betrage; ,,b. mit Zuchthaus bis auf 6 Jahre, wenn der Werth über Fr. 40 steige und nicht mehr als Fr. 200 ausmache.

,,Der Art. 6 des Gesetzes statuire, daß die Zuchthausstrafe nicht weniger als l Jahr dauern dürfe.

,,Aus den Verhandlungen habe sich ergeben, daß der Verurtheilte im Momente der That den Inhalt des Portemonnaie nicht gekannt habe. Es habe daher nicht in seiner Absicht gelegen, Fr. 60 zu stehlen, sondern ein Portemonnaie sich anzueignen, dessen Inhalt ihm nicht bekannt war.

,,Hätte dieses letztere Fr. 40 statt Fr. 60 betragen, so wäre das Gericht befugt gewesen, das Minimum der im Art. 133, litt, a, vorgesehenen Strafe, d. h. eine Gefängnißstrafe von 6 Monaten, zu verhängen, und es hätte dasselbe mit Rücksicht einerseits auf das vorliegende Gestandniß, und anderseits auf die erfolgte vollständige Schadloshaltuog des Klägers keinen Anstand genommen, dieses Strafminimum in Anwendung zu bringen.

,,Das Kriegsgericht finde es hart, daß wegen des zufälligen Mehrwerthes des Portemonnaie-Inhaltes eine Verdopplung des Strafmaßes und noch dazu eine Verschärfung desselben durch die Folgen der Kassation ausgesprochen werden müsse, weßhalb das Gesuch der Gnade des Bundesrathes empfohlen werde."

Auf das Gutachten des Oberauditors und den Antrag des Militärdepartements, sowie in Anbetracht der Auseinandersetzungen des Großrichters der V. Division reduzirte der Bundesrath mit Beschluß vom 27. August die Strafe auf 6 Monate.

1027 Sich auf sein gutes Verhalten im Zuchthaus und tiefe Bereuung des Verbrechens berufend, reicht nun Giger mit Zuschrift vom 16. November bei Ihrer h. Versammlung das Gesuch um nochmalige Herabsetzung der Strafe auf 3 Monate ein.

Bin Grund gesetzlicher Natur hindert, diesem Gesuche zu entsprechen. Der Art. 428 des Militärstrafgesetzes schreibt nämlich vor, daß bei Freiheitsstrafen (Zuchthaus oder Gefängniß) die Bundesversammlung nur die Hälfte der Strafzeit erlassen könne.

Abgesehen jedoch hievon, halten wir dafür, daß keine Motive für eine weitere Herabsetzung des Strafmaßes sprechen, indem das Gericht nur das Minimum der Strafe verhängt und der Bundesrath in Ausübung seines Begnadigungsrechts dieses Minimum bereits um die Hälfte herabgesetzt hat.

Wir beantragen daher, auf vorliegendes Gesuch nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 26. November 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des J. H. Kaufmann, von Wildhaus (Kts. St. Gallen).

(Vom 30. November 1886.)

Tit.

Johann Heinrich K a u f m a n n von Wildhaus (St. Gallen), geb. 1863, Soldat des Füsilierbataillons Nr. 79, ist durch das Kriegsgericht des Kantons St. Gallen wegen zweifachem Diebstahl verurtheilt worden.

Am 8. Oktober 1885 nach Entlassung des Bataillons aus dem Dienst entwendete Kaufmann einem Wirthe in Goßau eine Anzahl silberne Löffel und ein Portemonnaie , im Werthe von zusammen Fr. 74. 50, und am darauffolgenden Tage, als er noch in Uniform stand, einem Wirthe in Flawyl eine auf Fr. 15. 80 geschätzte Uhr sammt Kette.

Nach den Bestimmungen des Art. 210 des eidg. Militärstrafgesetzes wurde die Angelegenheit dem Kriegsgericht des Kantons St. Gallen überwiesen, welches am 20. November 1885 den Kaufmann a. zu einer Zuchthausstrafe von 11/2 Jahren ; b. zur Kassation ; c. zum Verlust des Aktivbürgerrechts für die Dauer von vier Jahren verurtheilte.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch von Albert Giger, von Romoos, (Entlebuch), gewes. HufschmiedRekrut der Kavallerie. (Vom 26. November 1886.)

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01.12.1886

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