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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Vollziehung von Rogatorien.

(Vom 21. Juni 1886.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Im Rechtsverkehr zwischen den schweizerischen und deutsehen Justizbehörden hat sich die Unsicherheit in der Frage, ob und welche Gebühren und Kosten aus Anlaß der Vollziehung von Rogatorien gefordert werden können, oft fühlbar gemacht. Es scheint, daß die kantonalen Behörden nach sehr verschiedenen Grundsätzen verfahren.

In der That bestehen für die Civilsachen keine Vorschriften, welche diesfalls Regel bilden würden und zugleich für die Behörden beider Staaten verbindlich wären. Der Art. 12 des Ausliefeningsvertrages vom 24. Januar 1874 (Amtl. Samml. n. P. I, 82) bezieht sieh nur auf das Strafrecht; die Uebereinkunft vom 21. Mai 1867 betreffend die gegenseitige Vollziehung von Urtheilen und Ersuchschreiben in bürgerlichen Rechtssachen (Amtl. Samml. IX, 185) ist nur zwischen dem Kauton Aargau und dem Großherzogthum Baden anwendbar, und durch die Erklärungen vom 1. und 13. Dezember 1878 (Amtl. Samml. n. F. III, 661) ist bloß die Möglichkeit des direkten Verkehres zwischen den schweizerischen und den deutschen Gerichtsbehörden vereinbart worden.

Die kais. Deutsche Regierung hat nun den Vorschlag gemacht, über dea Bezug der Gebühren und Auslagen, welche aus Anlaß der civilprozessualischen Rechtshülfe entstehen, eine beiderseits verbindliche einheitliche Norm zu vereinbaren, dahin gehend, daß gegenseitig der Grundsatz der Unentgeltlichkeit anerkannt werden soll, in dem Sinne, daß nur Ersatz der Baarauslagen für Zeugen

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und Sachverständige gefordert werden könnte, wogegen für Gerichtsund Stempelgebühren, Citationen, Porti, Telegramme etc. nichts vergütet würde.

Dieser Antrag steht wesentlich in Uebereinstimmung mit Art. 21 des Vertrages über die civilrechtlichen Verhältnisse mit Frankreich vom 15. Juni 1869 und mit den auf die Vollziehung von Rogatorien in Strafsachen bezüglichen Bestimmungen der Auslieferungsverträge.

Es wäre daher auch ein Staatsvertrag mit dem Deutschen Reiche über das in Frage liegende Verhältniß denkbar. Indeß ist die kais. Deutsche Regierung der Ansicht, daß der Austausch identischer Erklärungen genügen würde, um die Uebereinstimmung in verbindlicher Weise zu konstatiren.

Da wir jedoch eine solche Erklärung nur mit Ermächtigung sämmtlicher Kantone ausstellen können, so richten wir die Anfrage an Sie, ob Sie uns diese Ermächtigung geben, oder die ohne Zweifel wünschbare Regulirung dieser Angelegenheit auf dem Wege eines förmlichen Vertrages gewärtigen wollen.

Indem wir Ihrer gefälligst beförderlichen Antwort entgegensehen , benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 21. Juni 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Vollziehung von Rogatorien. (Vom 21. Juni 1886.)

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1886

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26.06.1886

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904-905

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