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88. Jahrgang.

Bern, den 28. September 1936

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis HO Franken im Jahr, IO Franken im Halbjahr, zasttglich Nachnahme- and PostbesteUangsgeMhr.

Einrncltungsgetllhr. 50 Kappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli A Cie. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung der abgeänderten Art. 13, lit. d, und Art. 82 der Staatsverfassung des Kantons Aargau.

(Vom 21. September 1986.)

Herr Präsident!

Hochgeachtete Herren!

In der Volksabstimmung vom 5. Juli 1986 haben die Stimmberechtigten des Kantons Aargau zwei vom Grossen Eate am 12. März 1986 beschlossene Änderungen der kantonalen Verfassung vom 23. April 1885 angenommen.

Die von der Eevision betroffenen Art. 13, lit. d, und 82 lauten in ihrer bisherigen und in ihrer neuen Fassung wie folgt: Bisheriger Text.

Art. 13.

Unter Vorbehalt der Bestimmungen der Bundesgesetzgebung sind vom Stimmrecht ausgeschlossen : d. Diejenigen, welche vom 20. Altersjahre hinweg für sich oder ihre Familien von den Heimatgemeinden Unterstützung erhalten haben. Dieser Ausschluss hört auf nach Zurückzahlung des empfangenen Betrages, jedenfalls aber nach Verfluss eines Jahres vom Bezug der letzten Unterstützung an gerechnet.

Bundesblatt. 88. Jahrg. Bd. II.

Neuer Text.

Art. 13.

Unter Vorbehalt der Bestimmungen der Bundesgesetzgebung sind vom Stimmrecht ausgeschlossen : d. Diejenigen, welche nach vollendetem 20. Altersjahre infolge eigenen Verschuldens für sich oder ihre Familie die Unterstützung aus der öffentlichen Armenfürsorge in Anspruch nehmen müssen. Der Ausschluss vom Stimmrecht hört nach erfolgter Bückerstattung der empfangenen Unterstützungsbeträge und auf alle Fälle nach Verfluss eines Jahres seit dem Bezug der letzten Unterstützung auf.

Eine Verordnung des Grossen Bates wird das Nähere hierüber bestimmen.

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682 Bisheriger Text.

Art. 82.

Das Armenwesen steht unter der Oberaufsicht des Staates.

Die Fürsorge für die Armen ist Sache der Heimatgemeinden unter Mitwirkung des Staates.

Dieselbe erstreckt sich auf eine zweckmässige Erziehung und Ausbildung armer Kinder und auf Unterstützung arbeitsunfähiger hilfloser Erwachsener. Den Arbeitslosen ist nach Möglichkeit Arbeit zuzuweisen.

Für die Bestreitung der Armenbedürfnisse sind das Armengut, allfällig besondere Stiftungsgüter, das allgemeine Ortsbürgergut und die Steuerkraft der Ortsbürger in Anspruch zu nehmen.

Denjenigen Gemeinden, in welchen für die Bestreitung der Armenbedürfnisse der Bezug von 1% Steuern nicht ausreicht, hat der Staat unter Berücksichtigung der gesamten Steuerverhältnisse und des Bürgernutzens Zuschüsse von % bis % an den noch zu deckenden Mehrbedarf zu leisten.

Der Staat fördert und unterstützt die freiwillige Armenpflege.

Er errichtet oder unterstützt Anstalten für die Erziehung armer, verwahrloster und gebrechlicher Kinder, sowie jugendlicher Verbrecher und Taugenichtse und für Unterbringung armer erwerbsunfähiger Erwachsener.

Über die Armenpflege und deren Organisation, sowie über die Einrichtung der Armenhäuser wird das Gesetz das Nähere bestimmen.

Neuer Text.

Art. 82.

Das Armenwesen steht unter der Oberaufsicht des Staates.

Die Fürsorge für die im Kanton wohnenden Armen ist Sache der Einwohnergemeinden unter Mitwirkung des Staates. Die Fürsorge für die ausserhalb des Kantons niedergelassenen Kantonsbürger übernimmt der Staat.

Der Armenfürsorge liegt die Verhütung und Behebung der Armut ob.

Insbesondere erstreckt sie sich auf eine zweckmässige Erziehung und Ausbildung armer Kinder und auf die Gewährung der zum Lebensunterhalt notwendigen Unterstützung an hilflose Erwachsene. Den Arbeitslosen ist nach Möglichkeit Arbeit zuzuweisen.

Für die Bestreitung der Armenbedürfnisse sind die Armengüter, die Stiftungsgüter zu Armenzwecken, die Überschüsse der Ortsbürgergüter, allfällig weitere für das Armenwesen durch Gesetz bestimmte Einkünfte, die Steuerkraft der Steuerpflichtigen und die Zuschüsse des Staates in Anspruch zu nehmen.

Der Staat fördert und unterstützt die freiwillige Armenpflege.

Er errichtet oder unterstützt Anstalten für die Erziehung armer, verwahrloster und gebrechlicher Kinder sowie jugendlicher Verbrecher und Taugenichtse und für die Unterbringung armer, erwerbsunfähiger Erwachsener.

Über die Durchführung der Armenfürsorge sowie über die Beitragsleistung des Staates an die Gemeinden und die Finanzierung der staatlichen Armenfürsorge bestimmt das Gesetz das Nähere.

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Was die Abänderung des Art. 13, lit. d, der Verfassung anbetrifft, so ist davon auszugehen, dass die Ordnung des Stimmrechts in kantonalen und Gemeindeangelegenheiten Sache der Kantone ist, unter Vorbehalt der durch Art. 43 der Bundesverfassung gezogenen Schranken. Letztere werden weder durch die bisherige noch durch die neue Fassung des Art. 13, lit. d, der Kantonsverfassung berührt. Die Änderung bezweckt eine Milderung der grundsätzlich schon bisher in der Verfassung enthaltenen Bestimmung, wonach ein Bürger im Falle und auf die Dauer der Armengenössigkeit vom Stimmrecht ausgeschlossen wird. Während nämlich bisher diese Wirkung bedingungslos in allen Fällen von Armengenössigkeit eintrat, wird nach der neuen Eegelung der Armengenössige nur dann vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn er infolge eigenen Verschuldens die öffentliche Armengenössigkeit in Anspruch nehmen muss. Eine Verordnung des Grossen Eates wird das Nähere hierüber bestimmen.

Bei Art. 82 handelt es sich um die Änderung grundlegender Bestimmungen bezüglich der Armenpflege. Bisher ruhte die Pflicht der Armenfürsorge im wesentlichen auf der Ortsbürgergemeinde des Heimatortes des zu Unterstützenden. Diese grundsätzliche Eegelung war verankert im Gesetz vom 17. Mai 1804 betreffend das Armenwesen, welches nun im Zusammenhang mit der Eevision des Art. 82 der Verfassung revidiert worden ist. Durch die Neuordnung werden die Armenlasten im wesentlichen von den Ortsbürgergemeinden auf die Einwohnergemeinden übertragen. Die Einwohnergemeinde des 'Wohnortes und diejenige des Heimatortes des Unterstützungsbedürftigen tragen die Unterstützungskosten in einer, nach der Wohndauer abgestuften, durch das Gesetz näher bezeichneten Weise. Der Staat übernimmt die Fürsorge für die ausserhalb des Kantons wohnenden unterstützungsbedürftigen Kantonsbürger und leistet ausserdem den Gemeinden, deren Armenausgaben ein gewisses, im Gesetz festgesetztes Mass überschreiten, Zuschüsse. Sodann bringt die Eevision die weitere Neuerung, dass die Steuerpflicht für das Armenwesen, die bisher einzig auf den Ortsbürgern ruhte, auf alle Steuerpflichtigen des Kantons übertragen wird. Es ist offensichtlich, dass der neue Art. 82 nicht gegen die Vorschriften des Bundes verstösst.

Beide revidierten Verfassungsbestimmungen enthalten somit nichts, was dem Bundesrecht zuwiderlaufen
würde. Wir beantragen Ihnen deshalb, ihnen durch Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfs in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeachtete Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. September 1936.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Meyer.

Der Bundeskanzler: G. Bovet.

684 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Art. 13, lit. d, und 82 der Staatsverfassung des Kantons Aargau.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1986, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst : Art. 1.

Den in der Volksabstimmung vom 5. Juli 1986 angenommenen Abänderungen der A.rt. 13, lit. d, und Art. 82 der Staatsverfassung des Kantons Aargau wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung der abgeänderten Art. 13, lit. d, und Art. 82 der Staatsverfassung des Kantons Aargau. (Vom 21. September 1936.)

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1936

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23.09.1936

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