08.060 Botschaft zur Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» vom 27. August 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» Volk und Ständen mit der Empfehlung zu unterbreiten, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. August 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2006-2315

7521

Übersicht Am 21. September 2007 reichte das Initiativkomitee «Bündnis gegen Kriegsmaterial-Exporte» die eidgenössische Volksinitiative «für ein Verbot von KriegsmaterialExporten» mit 109 224 gültigen Unterschriften ein.

Die Initiative fordert ein Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, besonderen militärischen Gütern und damit zusammenhängenden Immaterialgütern.

Ebenfalls sollen die Vermittlung von und der Handel mit den genannten Gütern an Empfängerinnen und Empfänger im Ausland verboten werden. Ausnahmeregelungen sind vorgesehen für Jagd- und Sportwaffen, für Geräte zur humanitären Entminung und für Güter, die von schweizerischen Behörden vorübergehend ins Ausland ausgeführt werden. Als flankierende Massnahme sieht die Volksinitiative eine maximal zehnjährige Unterstützungspflicht des Bundes zugunsten der von den Verboten betroffenen Regionen und Beschäftigten vor. Ferner verlangt der Initiativtext, dass der Bund internationale Bestrebungen im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle unterstützt und fördert.

Die Frage, wie die Exportkontrollpolitik im Bereich der Rüstungsgüter, namentlich für Kriegsmaterial, auszugestalten ist, wurde in der schweizerischen Öffentlichkeit stets kontrovers diskutiert. Die Forderungen reichten von einer weitgehenden Freigabe der Ausfuhren bis zu deren Totalverbot. Damit stellt jede Regelung eine Gratwanderung zwischen unterschiedlichsten Anliegen und Interessen dar.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass mit der aktuellen und im Vergleich zu anderen Staaten restriktiven Exportkontrollpolitik ein Mittelweg gefunden wurde, um allen involvierten Interessen Rechnung zu tragen. Auf der einen Seite orientieren sich die Bewilligungsentscheide an den zentralen Zielen der schweizerischen Aussenpolitik, das heisst an der Förderung von Sicherheit und Frieden in der Welt, der Wahrung der Menschenrechte und der Förderung der Wohlfahrt. Andererseits werden auch die Interessen der nationalen Sicherheit und der Wirtschaft berücksichtigt.

Mit einer Annahme der Volksinitiative würde der einheimischen wehrtechnischen Industrie die Existenzgrundlage entzogen, da eine wirtschaftliche Produktion in den meisten Fällen vom Zugang zu Exportmärkten abhängt. Mit der Schliessung entsprechender Betriebe würde die Landesverteidigung in Frage gestellt. Die Schweizer Armee wäre für
ihre Rüstung einseitig von anderen Staaten abhängig, wobei im Krisenfall den Bedürfnissen eines neutralen Staates wie der Schweiz geringe Priorität zugemessen würde. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Annahme der Initiative dürften gesamtschweizerisch relativ moderat ausfallen. Durch die konzentrierte räumliche Verteilung wären aber auf regionaler Ebene Probleme zu erwarten.

Das Berner Oberland, die Regionen rund um Emmen, Stans und Kreuzlingen, aber auch die Stadt Zürich wären überdurchschnittlich stark betroffen. Gesamtschweizerisch müsste mit über 5100 betroffenen Beschäftigten gerechnet werden, wobei sich diese Zahl ohne Weiteres verdoppeln könnte, wenn die zu erwartenden negativen Auswirkungen der Verbote auf Produktion und Handel ziviler Güter berücksichtigt werden.

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Die im Initiativtext vorgesehene auf zehn Jahre beschränkte Unterstützungspflicht könnte zusammen mit den Steuer- und Sozialversicherungsausfällen für den Bund Kosten von über einer halben Milliarde Franken verursachen. Die Unterstützungsleistungen könnten keine sofortige Abhilfe schaffen. Bis zum Erlass der für die Umsetzung dieser Verpflichtung notwendigen gesetzlichen Grundlage würde in der entscheidenden ersten Phase nach dem Inkrafttreten der Verbote die erforderliche Unterstützung fehlen.

7523

Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» hat den folgenden Wortlaut: I Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt geändert: Art. 107 Abs. 3 (neu) Er [der Bund] unterstützt und fördert internationale Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle.

3

Art. 107a (neu) 1

Ausfuhr von Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern

Die Ausfuhr und die Durchfuhr folgender Güter sind verboten: a.

Kriegsmaterial einschliesslich Kleinwaffen und leichte Waffen sowie die zugehörige Munition;

b.

besondere militärische Güter;

c.

Immaterialgüter einschliesslich Technologien, die für die Entwicklung, die Herstellung oder den Gebrauch von Gütern nach den Buchstaben a und b von wesentlicher Bedeutung sind, sofern sie weder allgemein zugänglich sind noch der wissenschaftlichen Grundlagenforschung dienen.

Vom Aus- und vom Durchfuhrverbot ausgenommen sind Geräte zur humanitären Entminung sowie Sport- und Jagdwaffen, die eindeutig als solche erkennbar und in gleicher Ausführung nicht auch Kampfwaffen sind, sowie die zugehörige Munition.

2

Vom Ausfuhrverbot ausgenommen ist die Ausfuhr von Gütern nach Absatz 1 durch Behörden des Bundes, der Kantone oder der Gemeinden, sofern diese Eigentümer der Güter bleiben, die Güter durch eigene Dienstleistende benutzt und anschliessend wieder eingeführt werden.

3

Die Vermittlung von und der Handel mit Gütern nach den Absätzen 1 und 2 sind verboten, sofern der Empfänger oder die Empfängerin den Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat.

4

7524

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert: Art. 197 Ziff. 8 (neu) 8. Übergangsbestimmung zu Art. 107a (Ausfuhr von Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern) Der Bund unterstützt während zehn Jahren nach der Annahme der eidgenössischen Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» durch Volk und Stände Regionen und Beschäftigte, die von den Verboten nach Artikel 107a betroffen sind.

1

Nach Annahme der Artikel 107 Absatz 3 und 107a durch Volk und Stände dürfen keine neuen Bewilligungen für Tätigkeiten nach Artikel 107a erteilt werden.

2

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» wurde am 13. Juni 2006 von der Bundeskanzlei vorgeprüft1 und am 21. September 2007 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 5. Oktober 2007 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 109 224 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist2.

Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu keinen Gegenentwurf. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 21. September 2008 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 des Parlamentsgesetzes bis zum 21. März 2010 über die Volksinitiative zu beschliessen.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 2 der Bundesverfassung4: a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Die Initiative ist deshalb als gültig zu erklären.

1 2 3 4

BBl 2006 5575 BBl 2007 7219 SR 171.10 SR 101

7525

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Auslöser der Initiative

Nach der Veröffentlichung der Exportstatistik für Kriegsmaterial für die Berichtsperiode 2005 durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) am 14. Februar 2006 öffentlich bekannt gegeben, dass Handlungsbedarf bestehe und ein generelles Waffenausfuhrverbot angestrebt werden müsse. Die Statistik zeige erstens deutlich, dass die Schweiz umfangreich Länder beliefere, die am sogenannten «Krieg gegen den Terror» beteiligt sind.

Zweitens würden Schweizer Rüstungsbetriebe vom Konflikt im Nahen Osten profitieren, und drittens seien auch «entwicklungsschwache Länder» Empfänger schweizerischer Kriegsmateriallieferungen.

In der Folge hat sich das Initiativkomitee «Bündnis gegen Kriegsmaterial-Exporte» gebildet und die vorliegende Volksinitiative lanciert.

2.2

Geltendes Recht

Die von der Initiative betroffenen Tätigkeiten stehen im Zusammenhang mit zwei Güterkategorien, die in zwei verschiedenen Gesetzen geregelt werden. Kriegsmaterial wird von der Kriegsmaterialgesetzgebung erfasst, die besonderen militärischen Güter sind Gegenstand der Güterkontrollgesetzgebung. Zu beachten gilt, dass mit der noch für das Jahr 2008 geplanten Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstands auch die Waffengesetzgebung von der Volksinitiative tangiert wird. Auf bestimmte Ausfuhren von Feuerwaffen und deren wesentlichen Bestandteilen in einen Staat, der durch eines der Schengen-Assoziierungsabkommen gebunden ist, findet hiernach das sogenannte Begleitscheinverfahren der Waffengesetzgebung Anwendung.

Dieses Verfahren würde nach einer Annahme der Initiative nur noch für bestimmte Jagd- und Sportwaffen gelten, da für alle übrigen Feuerwaffen im Geltungsbereich des Waffengesetzes5 das Aus- und Durchfuhrverbot des Initiativtextes greifen würde.

2.2.1

Kriegsmaterialgesetzgebung

2.2.1.1

Entstehung und Zweck

Eine der beiden von der Initiative betroffenen Güterkategorien ist das Kriegsmaterial. Es untersteht dem Kriegsmaterialgesetz (KMG)6. Als Kriegsmaterial gelten Waffen, Waffensysteme, Munition sowie militärische Sprengmittel und Ausrüstungsgegenstände, die spezifisch für den Kampfeinsatz oder die Gefechtsführung konzipiert oder abgeändert worden sind und die in der Regel für zivile Zwecke nicht verwendet werden. Weiter werden auch Einzelteile und Baugruppen erfasst. Die Kriegsmaterialverordnung (KMV)7 führt in Anhang 1 eine abschliessende Güterliste.

5 6 7

SR 514.54 SR 514.51 SR 514.511

7526

Das KMG trat am 1. April 1998 in Kraft. Es entstand als Antwort auf zwei im Jahr 1990 vom Nationalrat angenommene Postulate, die den Bundesrat zur Prüfung der Erweiterung des Geltungsbereichs des KMG einluden. Nachdem die Volksinitiative «für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» am 24. September 1992 eingereicht worden war, wurde der Entwurf zur Totalrevision als indirekter Gegenvorschlag präsentiert. Die Volksinitiative wurde 1997 an der Urne mit 77,5 % Nein-Stimmen und von allen Ständen abgelehnt.

Das KMG bezweckt, durch die Kontrolle der Herstellung und des Transfers von Kriegsmaterial und der entsprechenden Technologie die internationalen Verpflichtungen der Schweiz zu erfüllen sowie ihre aussenpolitischen Grundsätze zu wahren; dabei soll eine an die Bedürfnisse ihrer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrechterhalten werden können (Art. 1 KMG).

2.2.1.2

Bewilligungspflicht

Der Gesetzeszweck soll mit Hilfe einer doppelten Bewilligungspflicht erreicht werden: Einerseits bedarf die Herstellung, der Handel mit und die Vermittlung von Kriegsmaterial an Empfänger im Ausland einer Grundbewilligung. Damit soll sichergestellt werden, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht den Landesinteressen zuwiderläuft. Andererseits ist für die Ein-, Aus- oder Durchfuhr, die Vermittlung von oder den Handel mit Kriegsmaterial an Empfänger im Ausland eine Einzelbewilligung erforderlich. Ebenso untersteht der Abschluss von Verträgen betreffend die Übertragung von Immaterialgütern, einschliesslich Knowhow, oder die Einräumung von Rechten daran der Bewilligungspflicht. Gegenüber Staaten, die im Anhang 2 der KMV aufgeführt sind, bestehen Erleichterungen: Für die Vermittlung, den Handel und den Technologietransfer nach diesen Staaten ist keine Einzelbewilligung erforderlich. Für die Ausfuhr von Kriegsmaterial wird hingegen immer eine Einzelbewilligung benötigt. Die aufgeführten Länder sind wie die Schweiz Mitglied aller vier internationalen Exportkontrollregimes im Bereich der Kontrolle strategisch sensibler Güter: Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG), Australien-Gruppe (für biologische und chemische Güter), Raketentechnologie-Kontrollregime (MTCR) und Vereinbarung von Wassenaar (für konventionelle Rüstungsgüter und Güter für deren Produktion). In diesen nur politisch bindenden Kontrollregimes diskutieren und koordinieren die teilnehmenden Staaten ihre jeweilige Exportpraxis und einigen sich auf die zu kontrollierenden Güter.

Die Herstellung, die Vermittlung, die Ausfuhr und die Durchfuhr von Kriegsmaterial für Empfänger im Ausland werden bewilligt, wenn dies dem Völkerrecht, den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik nicht widerspricht (Art. 22 KMG). Ausserdem können keine Ausfuhren bewilligt werden, wenn entsprechende Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz8 erlassen worden sind. Für den Entscheid, ob eine Bewilligung für ein Auslandgeschäft zu erteilen sei, sind die folgenden Umstände und Interessen gleichwertig zu berücksichtigen (Art. 5 KMV): ­

8

die Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität;

SR 946.231

7527

­

die Situation im Innern des Bestimmungslandes, namentlich die Respektierung der Menschenrechte und der Verzicht auf Kindersoldaten;

­

die Bestrebungen der Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit;

­

das Verhalten des Bestimmungslandes gegenüber der Staatengemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Völkerrechts;

­

die Haltung der Länder, die sich zusammen mit der Schweiz an internationalen Exportkontrollregimes beteiligen.

Über Gesuche für die Erteilung einer Grundbewilligung entscheidet das SECO nach Anhörung des Bundesamts für Polizei. Über Gesuche für Einzelbewilligungen wie Ausfuhren entscheidet das SECO im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und je nach Inhalt des Gesuchs zusätzlich mit dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) oder dem Bundesamt für Energie. Können sich die beteiligten Stellen über die Behandlung eines Gesuchs nicht einigen, so wird das Gesuch dem Bundesrat zum Entscheid vorgelegt. Ebenso entscheidet der Bundesrat über Gesuche mit erheblicher aussen- oder sicherheitspolitischer Tragweite.

Eine Ausfuhrbewilligung für Lieferungen an eine ausländische Regierung oder an ein für diese tätiges Unternehmen kann ferner nur erteilt werden, wenn sich die Regierung in einer sogenannten Nichtwiederausfuhr-Erklärung verpflichtet, das Kriegsmaterial nicht wieder auszuführen. Lieferungen an ausländische Nichtregierungsstellen können nur bewilligt werden, wenn das Endbestimmungsland die Einfuhr genehmigt oder wenn es bestätigt, dass keine solche Bewilligung erforderlich ist.

Im Sinne einer ­ gesetzlich nicht vorgesehenen ­ Dienstleistung prüft die Verwaltung Voranfragen von Unternehmen auf deren Vereinbarkeit mit den Kriterien nach Artikel 5 KMV. Damit erhalten die Unternehmen im Voraus rechtlich unverbindlich Auskunft über die Erfolgsaussichten eines allfälligen Gesuchs.

2.2.2

Güterkontrollgesetzgebung

Die von der Volksinitiative zusätzlich zum eigentlichen Kriegsmaterial erfassten besonderen militärischen Güter werden durch das Güterkontrollgesetz (GKG)9 geregelt. Es handelt sich um Güter, die für militärische Zwecke konzipiert oder abgeändert worden sind, die aber weder Waffen, Munition, Sprengmittel noch sonstige Kampf- oder Gefechtsführungsmittel sind, sowie um militärische Trainingsflugzeuge mit Aufhängepunkten. Anhang 3 der Güterkontrollverordnung (GKV)10 enthält eine abschliessende Liste der konkret erfassten Güter. Da ein Vorbehalt zugunsten der Kriegsmaterialgesetzgebung besteht, fallen nur diejenigen Güter in den Anwendungsbereich der Güterkontrollgesetzgebung, die nicht Kriegsmaterial sind. Dies gilt beispielsweise für militärische Trainingsflugzeuge, militärische Simulatoren, Nachtsichtgeräte, Wärmebildkameras, Chiffriergeräte und Aufklä9 10

Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG, SR 946.202).

Verordnung über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV, SR 946.202.1).

7528

rungsdrohnen. Verschiedene besondere militärische Güter wie Nachtsicht- oder Chiffriergeräte haben nicht nur militärische Endabnehmer, sondern kommen beispielsweise auch bei der Polizei, beim Zoll oder bei privaten Rettungsdiensten zum Einsatz.

Das GKG ist seit dem 1. Oktober 1997 in Kraft und dient der Kontrolle von DualUse-Gütern sowie von besonderen militärischen Gütern. Es können internationale Abkommen und Kontrollmassnahmen umgesetzt werden, namentlich Entscheide auf der Grundlage des internationalen Chemiewaffenübereinkommens und der vier internationalen Exportkontrollregimes. Dazu kommen allfällige Embargomassnahmen. Die besonderen militärischen Güter ergeben sich aus der Übernahme der sogenannten Munitions List der Vereinbarung von Wassenaar, vorbehältlich der Güter, welche die Schweiz als Kriegsmaterial qualifiziert.

Die Ausfuhr von besonderen militärischen Gütern untersteht einer Bewilligungspflicht. Die Bewilligung wird verweigert, wenn (Art. 6 GKG): ­

die beantragte Tätigkeit internationalen Abkommen oder völkerrechtlich nicht verbindlichen, aber von der Schweiz unterstützten Kontrollmassnahmen widerspricht;

­

entsprechende Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz erlassen worden sind;

­

Grund zur Annahme besteht, dass terroristische Kreise oder das organisierte Verbrechen unterstützt würden;

­

die Vereinten Nationen oder Staaten, die sich zusammen mit der Schweiz an internationalen Exportkontrollmassnahmen beteiligen, die Ausfuhr solcher Güter verbieten und wenn sich an diesen Verboten die wichtigsten Handelspartner der Schweiz beteiligen.

Die GKV konkretisiert diese Kriterien in Artikel 6.

Über Ausfuhrgesuche von grundsätzlicher, insbesondere politischer Tragweite entscheidet das SECO im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen des EDA, des VBS und des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) sowie nach Anhörung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Kommt keine Einigung zustande, entscheidet der Bundesrat auf Antrag des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD).

Bisher gab es noch nie einen solchen Fall.

2.3

Parlamentarische Vorstösse und hängige Vorhaben

Seit Inkrafttreten des KMG wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht, die darauf abzielten, die Kriegsmaterialgesetzgebung zu verschärfen. Im Frühjahr 2007 gab der Nationalrat zwei entsprechenden parlamentarischen Initiativen11 keine Folge. Die Bewilligung einzelner Ausfuhrgesuche hat in der Vergangenheit immer wieder zu parlamentarischen Vorstössen geführt, die vor allem gegen die Ausfuhr von Kriegsmaterial in spezifische Länder gerichtet waren und in Einzel11

05.433 Pa.Iv. Grüne Fraktion vom 22. September 2005: Verschärfung des KMG; 05.434 Pa.Iv. Sozialdemokratische Fraktion vom 28. September 2005: Stärkung von KMG und KMV.

7529

fällen die Aufnahme eines generellen Ausfuhrverbots gegenüber bestimmten Staaten verlangt haben12.

Insbesondere die vier Beschlüsse des Bundesrates vom 29. Juni 2005 betreffend Kriegsmaterialexporte nach Irak, Indien, Pakistan und Südkorea führten zu Kritik an der bundesrätlichen Bewilligungspraxis. Gestützt auf eine Aufsichtseingabe überprüfte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates in der Folge die Rechtmässigkeit der fraglichen Entscheidungen. In ihrem Bericht vom 7. November 200613 kam sie zum Schluss, dass der Bundesrat mit seinen Entscheiden kein Recht verletzt hatte. Hingegen kritisierte sie die Gewichtung einzelner Beurteilungselemente und forderte den Bundesrat nebst anderem auf, die Kriterien für die Erteilung der Ausfuhrbewilligungen zu präzisieren und dabei insbesondere dem Kriterium der Menschenrechtslage im betroffenen Land ein grösseres Gewicht beizumessen.

In seiner Stellungnahme vom 21. Februar 200714 führte der Bundesrat aus, dass er seine bisherige Praxis bei der Berücksichtigung der Menschenrechtssituation im Bestimmungsland, gerade im Vergleich mit der Praxis der EU-Mitgliedstaaten, als ausgewogen beurteile und sie fortzusetzen gedenke. Gleichzeitig hielt der Bundesrat fest, dass im Hinblick auf eine Revision der KMV eine interdepartementale Arbeitsgruppe beauftragt werde, die Bewilligungskriterien zu präzisieren. Mit Beschluss vom 20. Februar 2008 hat der Bundesrat den Bericht der Arbeitsgruppe zur Kenntnis genommen und das EVD beauftragt, einen Entwurf für die Präzisierung von Artikel 5 KMV vorzulegen. Eine Präzisierung könnte in der Form von Ausschlusskriterien abgefasst werden. In Ergänzung zur bestehenden Regelung wären auch Gründe aufgeführt, die einer Bewilligungserteilung in jedem Fall entgegenstünden. Damit würde jegliches Rechtsfolgeermessen der Behörden ausgeschlossen.

Auch im Bereich der besonderen militärischen Güter sind Parlament und Öffentlichkeit seit dem Vorfall in Tschad sensibilisiert. Ein im Jahr 2006 aus der Schweiz nach Tschad exportiertes militärisches Trainingsflugzeug wurde im Widerspruch zu der durch die tschadische Regierung unterzeichneten Endverwendungserklärung für bewaffnete Kampfeinsätze verwendet. Aufgrund dieser Verletzung der durch Tschad eingegangenen Verpflichtungen hat der Bundesrat im April 2008 beschlossen, Sanktionen
gegenüber tschadischen Regierungsvertretern zu ergreifen. Um künftige Risiken einer missbräuchlichen Verwendung durch Abnehmerstaaten zu minimieren, hat der Bundesrat zudem beschlossen, dem Parlament einen Entwurf zur Anpassung der Bewilligungskriterien im GKG zu unterbreiten.

12

13 14

Beispielsweise: 06.3881 Mo. Müller Geri vom 20. Dezember 2006: Kriegsmaterialexporte nach Saudi-Arabien, Pakistan und Indien sofort stoppen; 05.3877 Mo. Gysin Remo vom 16. Dezember 2005: Keine Kriegsmaterialexporte in die USA; 05.3513 Mo.

Sozialdemokratische Fraktion vom 28. September 2005: Stopp der Kriegsmaterialexporte in den Nahen Osten.

BBl 2007 2117 BBl 2007 2137

7530

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Das Initiativkomitee will mit dem Volksbegehren gemäss eigenen Aussagen das «Geschäft mit dem Tod» stoppen. Mit einem Verbot von Waffenausfuhren könne die Schweiz ihrem humanitären Engagement neue Glaubwürdigkeit verleihen und ein starkes Zeichen für eine friedlichere Welt setzen.

Die Schweiz sei wirtschaftlich nicht auf Waffenausfuhren angewiesen. Die Umstellung der Rüstungsbetriebe auf zivile Produktion müsse vorangetrieben werden.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiative enthält vier zentrale Forderungen: ­

Förderung internationaler Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrollen;

­

Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, besonderen militärischen Gütern und damit zusammenhängenden Immaterialgütern;

­

Verbot der Vermittlung und des Handels mit entsprechenden Gütern an Empfänger im Ausland;

­

Unterstützungspflicht des Bundes während zehn Jahren zugunsten der von den Verboten betroffenen Regionen und Beschäftigten.

3.3

Erläuterung des Initiativtextes

3.3.1

Förderung internationaler Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle

Der Initiativtext verlangt, dass der Bund internationale Bestrebungen für Abrüstung und Rüstungskontrolle fördert und unterstützt.

Gemäss dem Initiativkomitee macht dieser «Positiv-Artikel» deutlich, dass die Initiative keine isolationistischen Ziele verfolge, sondern auf eine friedenspolitische Neuausrichtung der schweizerischen Aussenpolitik abziele.

Die Anweisung an den Bund zur Unterstützung und Förderung ist generell gehalten.

Die Bestrebungen werden nicht im Einzelnen präzisiert, und es wird auch nicht vorgeschrieben, in welcher Weise und in welchem Umfang diese Unterstützung zu erfolgen hat. Insoweit handelt es sich um ein aussenpolitisches Ziel, das von der Schweiz seit jeher verfolgt wird (vgl. Aussenpolitischer Bericht 200715, insbesondere Ziff. 3.5).

15

BBl 2007 5531

7531

3.3.2

Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, besonderen militärischen Gütern und damit zusammenhängenden Immaterialgütern

Die Initiative sieht ein generelles Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, besonderen militärischen Gütern und damit zusammenhängenden Immaterialgütern vor.

Das Initiativkomitee hält dafür, dass nur ein vollständiges Verbot der Ausfuhr von militärischen Gütern verhindern könne, dass Schweizer Waffen in kriegerischen Auseinandersetzungen zum Einsatz kommen. Eine restriktivere Bewilligungspraxis reiche nicht aus, da es keine unproblematischen Waffenausfuhren gebe.

Ausgenommen vom Verbot sind Geräte zur humanitären Entminung, damit ­ gemäss den Erläuterungen zum Initiativtext ­ die schweizerischen Bemühungen zur Minenräumung nicht behindert werden. Weiter gilt das Verbot nicht für eindeutig erkennbare Jagd- und Sportwaffen, die in derselben Ausführung nicht auch Kampfwaffen sind, sowie für die zugehörige Munition. Zulässig ist ferner die vorübergehende Waffenausfuhr durch Behörden des Bundes, der Kantone oder der Gemeinden, soweit die Waffen in deren Eigentum verbleiben und nur durch eigene Dienstleistende benutzt werden.

Das Verbot würde im Falle einer Annahme der Initiative sofort in Kraft treten; die Bestimmung ist direkt anwendbar. Dies wird auch mit der im Initiativtext vorgesehenen Übergangsbestimmung verdeutlicht, wonach nach Annahme der Volksinitiative keine neuen Bewilligungen mehr erteilt werden dürften.

3.3.3

Verbot der Vermittlung von und des Handels mit Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern an Empfänger im Ausland

Neben der Aus- und Durchfuhr verbietet die Initiative auch die Vermittlung von und den Handel mit Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern an Empfängerinnen und Empfänger im Ausland.

Vermittlung im Sinne des KMG und des GKG ist die Schaffung der wesentlichen Voraussetzung für den Abschluss von Verträgen oder der Abschluss von Verträgen, wenn die Leistung durch Dritte erbracht werden soll.

Auch dieses Verbot würde im Falle einer Annahme der Initiative sofort in Kraft treten; die Bestimmung ist direkt anwendbar.

3.3.4

Unterstützungspflicht des Bundes

Die Initiative sieht als Übergangsbestimmung eine Unterstützungspflicht des Bundes während zehn Jahren zugunsten der von den Verboten betroffenen Regionen und Beschäftigten vor. Mit dieser befristeten flankierenden Massnahme sollen die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen kompensiert werden.

Der Initiativtext lässt offen, wie die Unterstützungspflicht des Bundes umzusetzen ist. Im Vordergrund dürfte eine finanzielle Unterstützung stehen. Die Bestimmung ist nicht direkt anwendbar und bedarf der konkreten Umsetzung auf Gesetzesstufe.

7532

4

Würdigung der Initiative

4.1

Anliegen der Initiative

4.1.1

Der Beitrag der Schweiz zu Abrüstung und Rüstungskontrolle

Die Stärkung der internationalen Rüstungskontrolle ist ein zentraler Pfeiler der aktuellen schweizerischen Sicherheitspolitik. Die Schweiz verfolgt dabei das Ziel der nationalen und internationalen Sicherheit auf möglichst tiefem Rüstungsniveau.

Sie strebt nichtdiskriminierende und verifizierbare Rüstungskontroll- und Abrüstungsregime an und ratifiziert die ihr offen stehenden multilateralen Vertragswerke.

Sie beteiligt sich ausserdem an der informellen Vereinbarung von Wassenaar, welche Richtlinien für den Transfer von Rüstungs- und Dual-Use-Gütern zum Inhalt hat. Ferner wirkt sie aktiv bei vertrauens- und sicherheitsbildenden Massnahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit.

Entsprechend ihrem humanitären Engagement setzt sich die Schweiz für ein umfassendes Verbot von Personenminen ein. Als einer der ersten Staaten hat die Schweiz 1998 das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Konvention von 1997) ratifiziert. Auch beim internationalen Prozess für ein Teilverbot der Streumunition (Erklärung von Oslo von 2007) gehörte sie zu den ersten sich beteiligenden Staaten und hat im Mai 2008 in Dublin aktiv zur Ausarbeitung eines Abkommens beigetragen.

Die Schweiz setzt einen starken Akzent im Bereich der Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und zählt zu den international wichtigsten Akteuren auf diesem Gebiet. Sie spielte von Anfang an eine bedeutende Rolle bei der Thematisierung negativer Auswirkungen der unkontrollierten Verbreitung von Kleinwaffen auf die menschliche Sicherheit. Die Schweiz hat sich entsprechend bei der Schaffung eines UNO-Instruments zur Identifikation und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen besonders engagiert. Die UNO-Generalversammlung hatte 2003 eine Arbeitsgruppe beauftragt, ein solches internationales Instrument auszuhandeln. Die Expertengruppe unter schweizerischer Leitung erarbeitete in der Folge das Marking und Tracing Instrument zur raschen und zuverlässigen Identifikation und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen, das am 8. Dezember 2005 von der UNOGeneralversammlung angenommen wurde.

Am 12. Mai 2006 hat die Schweiz das Protokoll über explosive Kriegsmunitionsrückstände ratifiziert. Es
handelt sich um das Protokoll V, das Ende 2003 im Rahmen des Übereinkommens vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, angenommen wurde. Um die negativen Auswirkungen von abgefeuerter, aber nicht explodierter Munition auf die Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau eines Landes nach Konfliktsituationen zu vermindern, sieht das Protokoll eine Reihe von Verpflichtungen vor, unter anderem auch eine Räumungspflicht.

Im Juni 2006 führte die Schweizer Regierung zusammen mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in Genf eine Ministerkonferenz zum Thema Waffengewalt und Entwicklung durch. Dabei stimmten 42 Staaten der Geneva Declaration on Armed Violence and Development zu und verpflichteten sich, Mass7533

nahmen zu ergreifen, um die bewaffnete Gewalt, die sich negativ auf die wirtschaftliche und menschliche Entwicklung von vielen Ländern auswirkt, einzudämmen. Bis Sommer 2008 haben über 90 Staaten die Erklärung unterschrieben, und verschiedene andere beabsichtigen, dies bald zu tun. Die Schweiz koordiniert in diesem Rahmen auch die Kerngruppe, die konkrete Massnahmen zur praktischen Umsetzung der Genfer Erklärung ausarbeitet. Der Aktionsplan wurde im Juni 2007 fertiggestellt. Für die Förderung der Anliegen und des Engagements weiterer Staaten wurden verschiedene regionale Treffen durchgeführt. Die Fortschritte bei der Umsetzung der Genfer Erklärung und der regionalen Erklärungen über bewaffnete Gewalt und Entwicklung werden am Ministergipfel im September 2008 in Genf überprüft.

Die Genfer Erklärung ist bis jetzt das umfassendste multilaterale Übereinkommen über die Zusammenhänge zwischen bewaffneter Gewalt und menschlicher Entwicklung.

Die Schweiz hat ein Interesse, dass der internationale Handel mit konventionellen Waffen strenger kontrolliert wird, indem weltweit verbindliche Richtlinien festgelegt und durchgesetzt werden. In diesem Rahmen engagiert sich die Schweiz für einen internationalen Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty, ATT) mit dem Ziel, den weltweiten Handel mit konventionellen Waffen durch verbindliche Regeln einer strengeren Kontrolle zu unterziehen. Der ursprünglich britische Vorschlag wurde im Herbst 2006 als Resolution «Towards an Arms Trade Treaty» in der UNO-Generalversammlung mit 139 Ja-Stimmen (1 Nein-Stimme und 24 Enthaltungen) angenommen. Eine UNO-Regierungsexpertengruppe hat an drei Sessionen bis im Sommer 2008 die Machbarkeit, die Parameter und den Geltungsbereich eines solchen Waffenhandelsvertrages analysiert und wird der Generalversammlung Ende 2008 Bericht erstatten. Die Schweiz war in der Expertengruppe, der 28 Staaten angehören, ebenfalls vertreten.

Die Schweiz engagiert sich folglich bereits heute stark auf regionaler und internationaler Ebene im Bereich Abrüstung und Rüstungskontrolle. Sie wird ihre aktive Rolle fortführen und weiterhin einen aussenpolitischen Schwerpunkt in diesem Bereich setzen.

4.1.2

Verbot der Aus- und Durchfuhr von Rüstungsgütern

4.1.2.1

Schweizerische Exportkontrollpolitik und -praxis

In der Vergangenheit hat sich erwiesen, dass der Bundesrat und die Verwaltung in der Lage sind, einerseits flexibel auf veränderte Situationen zu reagieren, und dass sie andererseits auch aktiv bestrebt sind, die Kontrolle vor allem von Kriegsmaterialausfuhren mit verschiedenen Massnahmen und Instrumenten zu unterstützen und zu stärken. Im Verlauf der Zeit hat sich damit eine Praxis entwickelt, die über die gesetzlichen Minimalvorgaben hinausgeht.

Ein Beispiel ist die Verschärfung der Anforderungen an die NichtwiederausfuhrErklärungen, als im Jahr 2005 bekannt geworden war, dass von der Schweiz in die Vereinigten Arabischen Emirate gelieferte Panzerhaubitzen ­ überschüssiges Kriegsmaterial der Schweizer Armee ­ ohne das Einverständnis der Schweiz nach Marokko wiederausgeführt worden waren. Der Bundesrat hat in der Folge am 10. März 2006 festgelegt, wie mit überschüssigem Kriegsmaterial zu verfahren ist, und eine Präzisierung bezüglich der Nichtwiederausfuhr-Erklärung vorgenommen.

7534

Für Nichtwiederausfuhr-Erklärungen gilt, dass diese in wichtigen Fällen durch eine Note der Regierung des Empfängerstaates untermauert werden müssen. Bestehen Zweifel an der Einhaltung der Erklärung, ist zudem ein Recht auf Inspektion am Empfangsort (Post-Shipment Inspections) auszubedingen.

Die Schweiz hat im Jahr 2005 als eines der letzten europäischen Länder den Export von Kriegsmaterial nach Indien und Pakistan nach der Entspannung im Kaschmirkonflikt wieder freigegeben. Pakistan kann aber bis heute gemäss der schweizerischen Bewilligungspraxis nur mit defensiven Waffen, die sich nicht für den Einsatz gegen die Zivilbevölkerung eignen, beliefert werden, namentlich mit FliegerabwehrSystemen. Als sich Ende 2007 die innenpolitische Situation in Pakistan verschlechterte, reagierte der Bundesrat und suspendierte die entsprechenden Ausfuhrbewilligungen. Die Schweiz war das einzige europäische Land, das nicht nur eingereichte Gesuche auf Eis legte, sondern einen Schritt weiter ging und bereits erteilte Bewilligungen suspendierte. Der Bundesrat erwog damals, dass nach der Verhängung des Ausnahmezustandes durch den Staatspräsidenten Anfang November 2007, begleitet von der Suspendierung der Verfassung, der Absetzung des Obersten Richters und der Abschaffung privater Fernsehstationen, wichtige rechtsstaatliche Kontrollmechanismen ausgeschaltet worden waren. Es bestand die unmittelbare Gefahr einer Eskalation der Lage und einer Zunahme von Menschenrechtsverletzungen. Nach den Wahlen im Februar 2008 und der anschliessenden Regierungsbildung Anfang März hatte sich die Lage so weit entspannt, dass der Bundesrat am 2. April 2008 die entsprechenden Bewilligungen wieder freigab.

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten auferlegt sich die Schweiz beispielsweise auch grosse Zurückhaltung bei der Bewilligung von Kriegsmaterialgeschäften mit der Türkei. Möglich sind Lieferungen von Einzelwaffen an Diplomaten oder von Fliegerabwehr-Systemen. Ähnliches gilt für Ausfuhren in einzelne südamerikanische Staaten, für welche die Schweiz keine Bewilligungen erteilt, da das Risiko einer unkontrollierten Weitergabe an unerwünschte Empfänger relativ gross ist.

Bezüglich Lieferungen nach Staaten des Nahen Ostens hat die Schweiz eine grundsätzlich restriktive Praxis. Exportgesuche für Kriegsmaterial nach Israel
werden abgelehnt, nur die temporäre Ausfuhr zur Bearbeitung wird bewilligt. Für den Irak werden ebenfalls keine Bewilligungen erteilt. Hingegen kann nicht ausgeschlossen werden, dass schweizerische Rüstungsgüter im Rahmen eines Auslandeinsatzes anderer Staaten im Irak verwendet werden. Ein solcher Einsatz steht nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen der Nichtwiederausfuhr-Erklärung, die jede Weitergabe an Dritte ausschliesst. Es gibt keine Möglichkeit, ausländischen Armeen den Einsatz von Schweizer Rüstungsgütern im Ausland zu verbieten. Die Schweiz hat in den vergangenen Jahren verschiedentlich Kriegsmaterialexporte an Staaten bewilligt, welche die gelieferten Güter für Auslandeinsätze im Rahmen von Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats, zum Beispiel in Afghanistan oder im Irak, einsetzen.

4.1.2.2

Statistische Angaben

Im Jahr 2007 erreichten die Kriegsmaterialausfuhren der Schweiz einen Wert von 464,5 Millionen Franken. Dies entspricht einem Anteil von 0,24 % an der gesamten Warenausfuhr aus der Schweiz. Im selben Zeitraum wurden insgesamt 2462 Ausfuhrgesuche eingereicht, davon wurden 2457 Gesuche mit einem Wert von 7535

1,8 Milliarden Franken bewilligt und 5 abgelehnt. Die relativ geringe Anzahl der Ablehnungen erklärt sich einerseits dadurch, dass die schweizerische Bewilligungspraxis in der Industrie bekannt ist. Andererseits bestehen informelle Kontakte und die Möglichkeit, Voranfragen einzureichen. Im Jahr 2007 sind 49 Voranfragen beim SECO eingegangen, wovon 16 für Ausfuhren nach 15 verschiedenen Staaten abschlägig beantwortet wurden. In den meisten Fällen sind Menschenrechtsverletzungen im Empfängerstaat ausschlaggebend für die negative Beurteilung eines Geschäfts.

Für die besonderen militärischen Güter, die der weniger einschränkenden Exportkontrolle des GKG unterstehen, sind keine gesicherten Daten, weder zu den effektiven Ausfuhren noch zu den Bewilligungswerten, vorhanden. Erstens wird beim Zoll die Ausfuhr dieser Güter nicht mit einem statistischen Schlüssel erfasst, weshalb keine gesonderte Exportstatistik erstellt werden kann. Zweitens kann für bestimmte Empfängerstaaten eine ordentliche Generalausfuhrbewilligung beantragt werden, welche die Ausfuhren in diese Länder während einer bestimmten Zeitperiode abdeckt. Seit einigen Jahren werden bei den Unternehmen, denen eine solche Bewilligung erteilt wurde, mittels Umfrage die Exportzahlen erhoben. Es liegen damit einerseits Bewilligungswerte der erteilten Einzelausfuhrbewilligungen, andererseits Exportwerte der Generalausfuhrbewilligungen vor. Im Jahr 2007 wurden für rund 388 Millionen Franken Einzelbewilligungen erteilt. Im selben Jahr wurden besondere militärische Güter im Wert von rund 105 Millionen Franken unter der Generalausfuhrbewilligung aus der Schweiz exportiert.

Die Erfahrung im Bereich Kriegsmaterial zeigt, dass von den erteilten Einzelbewilligungen nicht ohne Weiteres auf die effektiven Ausfuhren geschlossen werden kann. Oft wird eine Ausfuhrbewilligung bereits für Vertragsverhandlungen eingeholt, folglich bevor sicher ist, dass ein entsprechendes Geschäft zustande kommt.

Zudem werden die bewilligten Güter möglicherweise erst im Folgejahr ausgeführt.

Die nachfolgenden statistischen Vergleiche beschränken sich deshalb vorwiegend auf den Bereich Kriegsmaterial.

Veröffentlichungen von Fachinstituten über internationale Vergleichstatistiken sind in der Regel nur beschränkt aussagekräftig. Einerseits werden nicht überall dieselben Waffenkategorien
zugrunde gelegt, andererseits wird mit unterschiedlichsten Schätzungen, Faustregeln und Vergleichsmassstäben gearbeitet. Eine Quelle für quantitative Angaben zu weltweiten Rüstungsexporten sind die Publikationen des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Die Schätzungen dieses Instituts können insofern herangezogen werden, als die Schweiz explizit aufgeführt wird und folglich ihre Ausfuhren denselben Bewertungsmethoden unterzogen wurden wie die globalen Rüstungsexporte. Es zeigt sich, dass der Anteil der Schweiz am weltweiten Rüstungsexportmarkt sehr gering ist und weniger als 1 Prozent ausmacht.

Schweiz im weltweiten Vergleich (in Mio. USD)

Rüstungsexporte global Rüstungsexporte Schweiz Anteil der Schweiz in %

2003

2004

2005

2006

37 716 308 0,82

43 037 345 0,81

39 704 214 0,54

45 628 317 0,70

Quelle: SIPRI Yearbook 2008, Table 7B.1., S. 327

7536

Eine weitere Quelle sind die Berichte des amerikanischen Congressional Research Service (CRS). Die globalen Waffenexporte werden vom CRS beispielsweise für das Jahr 2006 auf 27 Milliarden Dollar16 geschätzt. Der Anteil der Schweiz wird darin nicht aufgeführt, da sie nicht zu den elf grössten Waffenlieferanten der Welt gehört.

Es ist folglich schwierig, die Schweizer Exportzahlen zu diesem globalen Exportwert ins Verhältnis zu setzen. Interessant sind hingegen die Aussagen des CRS zum Anteil internationaler Lieferungen konventioneller Waffen an sogenannte Developing Nations. Gemäss Definition des CRS zählen dazu alle Länder mit Ausnahme von Russland, Japan, Australien, Neuseeland, Kanada, den USA und allen europäischen Staaten.

Anteil der Exporte konventioneller Waffen an Entwicklungsländer (in Prozent)

Exporte global1 Exporte Schweiz2

2003

2004

2005

2006

59,1 22,2

64,6 28,2

69,9 12,7

73,6 15,0

Quellen: 1 CRS Report for Congress, Conventional Arms Transfers to Developing Nations 2 Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

In den Jahren 2003­2006 war über die Hälfte der weltweiten Lieferungen konventioneller Waffen für Entwicklungsländer bestimmt. In der Schweiz liegt der Anteil deutlich tiefer. Im Jahr 2006 machten solche Ausfuhren 15 Prozent der gesamten Kriegsmaterialexporte aus. Dennoch könnte der Eindruck entstehen, dass die Schweiz beachtliche Lieferungen an Entwicklungsländer tätigt. Hierbei ist zu beachten, dass mit der weiten Definition des CRS auch Staaten wie Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate als Entwicklungsländer erfasst werden. Legt man der Schweizer Exportstatistik für Kriegsmaterial hingegen die Staateneinteilung der Weltbank in die Kategorien «niedriges Einkommen», «unteres mittleres Einkommen», «oberes mittleres Einkommen» und «hohes Einkommen» vom Juli 200817 zugrunde, ergibt sich ein anderes Bild.

Kriegsmaterialexporte aus der Schweiz, aufgeteilt nach Einkommenskategorien der Empfängerstaaten (in Prozent)

Niedriges Einkommen Unteres mittleres Einkommen Oberes mittleres Einkommen Hohes Einkommen

2004

2005

2006

2007

0,00 1,25 18,91 79,84

0,02 1,18 8,43 90,37

0,01 1,63 11,62 86,74

8,04 0,72 6,94 84,30

Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

Viele der Staaten in der niedrigen Einkommenskategorie sind auch auf der Liste der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDC), die gemäss 16 17

CRS Report for Congress, Conventional Arms Transfers to Developing Nations 1999­2006, S. 4.

World Bank list of economies (July 2008), www.worldbank.org.

7537

verschiedenen Kriterien der UNO geführt wird. Der relativ hohe Anteil Exporte im Jahr 2007 an Länder, die der niedrigen Einkommenskategorie angehören, erklärt sich durch die Lieferung von Fliegerabwehr-Systemen an Pakistan (vgl. Ziff.

4.1.2.1). Pakistan fällt aber nicht in die Gruppe der Least Developed Countries.

Europa ist der Hauptexportmarkt der schweizerischen Rüstungsindustrie. Entsprechend gross ist der Anteil der Ausfuhren in Länder der Kategorie «hohes Einkommen». Jeweils rund drei Viertel des Gesamtwertes der Kriegsmaterialexporte sind für europäische Staaten bestimmt. In die am wenigsten entwickelten Länder dieser Welt liefert die Schweiz grundsätzlich kein Kriegsmaterial. Es können hingegen Einzelwaffen für private oder sportliche Zwecke bewilligt werden. Als Beispiel können Bewilligungen für Unternehmen und Private für Waffen zum persönlichen Schutz erwähnt werden.

In Bezug auf ausgewählte Länder kann die schweizerische Bewilligungspraxis auch mit derjenigen von Mitgliedern der Europäischen Union verglichen werden. Basis der Exportkontrolle ist wie für die Schweiz die Munitions List der Vereinbarung von Wassenaar. Ein zahlenmässiger Vergleich bietet sich zum Beispiel für Empfängerstaaten an, die in den vergangenen Jahren in der Schweiz kontrovers diskutiert wurden. Als Anknüpfungspunkt für die Auswahl kann ein entsprechender Bewilligungsentscheid des Bundesrates dienen. Diese führen regelmässig zu parlamentarischen Vorstössen.

Von der Schweiz bewilligte Rüstungsexporte 2006 in ausgewählte Länder im Vergleich mit dem Wert erteilter Ausfuhrbewilligungen einzelner EU-Mitgliedstaaten

gerundet in Mio.

Indien Pakistan Südkorea* Türkei* Israel Ägypten Saudi-Arabien Vereinigte Arabische Emirate *

Schweiz

Deutschland

Öster- Frankreich reich

CHF

EUR

EUR

6,1 151,3 <0,1 4,3 0,3 2,5 10,8 128,5

107,9 134,7 161,8 311,7 19,6 16,3 56,9 93,9

0,5 5,1 0,4 0,4 0,5 <0,1 5,1 1,4

Italien

Belgien

Nieder- Schweden lande

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

407,4 217,9 628,9 255,9 89,1 164,1 936,4 2010,5

27,0 22,9 73,6 17,9 1,0 4,3 0,6 338,2

6,4 9,7 1,4 10,0 0,5 <0,1 173,6 18,5

5,3 5,8 3,9 43,7 0,4 0,3 <0,1 1,9

23,8 902,7 3,3 ­ ­ 1,3 0,4 4,6

Die Zahl der Schweiz setzt sich aus den Bewilligungswerten für Kriegsmaterial und den effektiven Exporten für besondere militärische Güter ­ da Generalausfuhrbewilligung möglich ­ zusammen.

Quellen: Schweiz: Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Länder der EU: Amtsblatt der Europäischen Union C 253 vom 26.10.2007

Die bei der Schweiz aufgeführten Werte schliessen sowohl die Exportbewilligungen für Kriegsmaterial als auch die für besondere militärische Güter erteilten Einzelausfuhrbewilligungen mit ein. Aufgrund einer ähnlich starken Rüstungsindustrie bietet 7538

sich ein Vergleich der Schweiz am ehesten mit Belgien und den Niederlanden an.

Schweden ist vor allem interessant, da es sich ebenfalls um einen Staat handelt, der keiner Militärallianz angehört. Schweden hat allerdings entsprechend seiner Fläche auch eine grosse Armee, welche die materiellen Ressourcen benötigt, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten. Die für diesen Zweck sehr starke heimische Rüstungsindustrie erklärt auch den relativ hohen Anteil an Rüstungsexporten. Die Schweiz verfügt traditionsgemäss über eine im Vergleich zur Grösse des Landes und auch im Verhältnis etwa zu Österreich starke Rüstungsindustrie. Das Produkteportfolio ist allerdings eher klein, wobei die jeweiligen Betriebe in ihren Branchen zur Weltspitze gehören und ihre Produkte deshalb in sehr vielen Ländern gefragt sind.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Die Frage, wie die Exportkontrollpolitik im Bereich der Rüstungsgüter, namentlich für Kriegsmaterial, auszugestalten ist, wurde in der schweizerischen Öffentlichkeit seit jeher kontrovers diskutiert. Die Forderungen reichten von einer weitgehenden Freigabe der Ausfuhren bis zu deren Totalverbot. Damit stellt jede Regelung eine Gratwanderung zwischen unterschiedlichsten Anliegen und Interessen dar. Ethische und humanitäre Gründe sprechen für eine weitgehende Beschränkung solcher Ausfuhren, denn bei jedem Export von Rüstungsgütern besteht trotz wirksamer Kontrollmechanismen die Möglichkeit, dass diese in Konflikten Verwendung finden. Die Förderung von Sicherheit und Frieden in der Welt, die Wahrung der Menschenrechte und die Förderung der Wohlfahrt sind zentrale Ziele der schweizerischen Aussenpolitik. Die Rüstungsausfuhrpolitik hat diese Ziele zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Landesverteidigung und damit der eigenen Sicherheit, die eine minimale eigene Rüstungsbasis erfordern. Auch wirtschaftliche Interessen müssen berücksichtigt werden: Die Rüstungsunternehmen bieten Arbeitsplätze an, entwickeln Knowhow in der Spitzentechnologie und gehören zum Forschungsplatz Schweiz. Jeder Lösungsansatz muss einen Mittelweg zwischen diesen Aspekten suchen und einen Kompromiss bei der Abwägung der Interessen finden, die sich in diesem Bereich kreuzen. Sowohl das KMG als auch das GKG tragen diesen teilweise divergierenden Interessen in ausgewogener Art und Weise Rechnung.

4.2.1

Auswirkungen auf die nationale Sicherheit

Eine einheimische wehrtechnische Industrie ist für die nationale Sicherheit wichtig: Im Fall schwerwiegender politisch-militärischer Krisen oder gar eines Krieges ­ also gerade dann, wenn eine gute Ausrüstung und Bewaffnung der Armee wichtiger denn je ist ­ wäre der Nachschub an Rüstungsgütern aus dem Ausland nicht mehr gewährleistet. Ausländische Rüstungsindustrien müssten in erster Priorität die Bedürfnisse ihres Heimstaates und seiner Verbündeten erfüllen; den Bedürfnissen eines neutralen Staates würde aus nachvollziehbaren Gründen weniger Bedeutung zugemessen.

Diese Erkenntnis würde, für sich allein betrachtet, nahelegen, eine wehrtechnische Autarkie anzustreben. Dies war für kleinere Staaten wie die Schweiz aber seit jeher ausgeschlossen, weil der Heimmarkt für eine ökonomische Produktion zu klein ist.

Mittlerweile ist wehrtechnische Autarkie für fast alle Staaten unerreichbar gewor-

7539

den. Aber auch ohne Autarkie anzustreben, stärkt eine einheimische Rüstungsindustrie die nationale Sicherheit.

Erstens sinkt mit dem Ausmass an Selbstversorgung der Grad, zu dem die Schweiz im Krisenfall auf andere Staaten und ausländische Unternehmen angewiesen wäre.

Zweitens stärkt eine einheimische wehrtechnische Industrie die Handlungsfreiheit der Schweiz dadurch, dass sie zu einem gewissen Grad eine einseitige Abhängigkeit durch gegenseitige Abhängigkeiten ersetzt.

Diese Überlegungen stehen hinter dem Passus in Artikel 1 KMG, wonach die Schweiz eine an die Bedürfnisse ihrer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrechterhalten können soll.

Mit dem ­ von der sicherheitspolitischen Lage ermöglichten und von der Ressourcenlage geforderten ­ Übergang zum Aufwuchskonzept für den Fall einer Abwehr eines militärischen Angriffs auf die Schweiz sind diese Überlegungen noch wichtiger geworden. Das mit der Armee XXI explizit eingeführte, früher aber bereits in Teilbereichen de facto angewandte Aufwuchskonzept sieht vor, dass die Armee nicht mehr ständig eine vollständige Fähigkeit für die Abwehr eines militärischen Angriffes aufrechterhält, sondern sich darauf beschränkt, die zu diesem Zweck nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten (savoir-faire) zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Fähigkeitslücken müssen allerdings rechtzeitig geschlossen werden können, wenn sich eine militärische Bedrohung abzeichnet. Dafür ist eine inländische wehrtechnische Industrie wesentlich. Ihre Bedeutung für die nationale Sicherheit ist mit dem Aufwuchskonzept noch gestiegen.

Eine einheimische wehrtechnische Industrie ist zudem auch für normale, nicht auf Krisen bezogene Zwecke nützlich. Vertiefte rüstungstechnische Kenntnisse und Fähigkeiten in der Schweiz tragen dazu bei, Bedeutung und Nutzen neuer Technologien für die Sicherheitsbedürfnisse unseres Landes zu beurteilen. Zudem wird so Systemwissen im Inland erhalten. Dieses Wissen wird in der Betreuungsphase benötigt, die während der in unserem Land besonders langen Nutzungszeit besteht und im Rahmen der Entwicklung von Kampfwerterhaltungs- und Kampfwertsteigerungsprogrammen der Waffensysteme zum Tragen kommt. Der Verlust von sicherheitstechnischem Knowhow würde sich auch bei der Abwicklung von Beschaffungsvorhaben, bei der Ausbildung, der Bereitstellung
und beim Unterhalt von Rüstungsmaterial bemerkbar machen, und es müssten dazu vermehrt ausländische Spezialisten beigezogen werden.

Ein Verbot von Rüstungsexporten würde eine Fortführung der Produktion von Wehrtechnik in der Schweiz verunmöglichen, weil der Bedarf der Schweizer Armee für eine wirtschaftliche Produktion zu gering ist. Wird der Schweizer Rüstungsindustrie der Zugang zu Exportmärkten verschlossen, so werden die entsprechenden Betriebe zum Teil schliessen müssen oder ins Ausland verlagert. Dann wäre die Schweiz im Krisen- und Kriegsfall für ihre Rüstung vollständig und einseitig von anderen Staaten abhängig, und das Aufwuchskonzept müsste revidiert oder gar aufgegeben werden.

7540

4.2.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Der Anteil der Kriegsmaterialexporte an den Gesamtexporten aus der Schweiz betrug im Jahr 2007 0,24 Prozent. Werden zusätzlich die besonderen militärischen Güter berücksichtigt, erhöht sich diese Zahl leicht. Für letztere Güter bestehen bekanntlich keine zollamtlichen Zahlen. Aufgrund der Bewilligungswerte und der Umfrageergebnisse ergäbe sich ein Anteil von maximal 0,49 Prozent an den Gesamtausfuhren 2007. Die Bedeutung und damit auch die Konsequenzen einer Annahme der Initiative könnten demnach gesamtwirtschaftlich als moderat beurteilt werden. Jedoch würden einige Regionen vor allem durch das vorgesehene Exportverbot überdurchschnittlich stark betroffen.

Die schweizerische Rüstungsindustrie ist ein heterogener Industriezweig. Eine grobe Aufteilung zeigt, dass der Hauptteil der Rüstungsbetriebe zur Branche Maschinenbau, die auch die Herstellung von Waffen und Munition erfasst, gezählt werden kann. Ein weiterer beachtlicher Anteil stammt aus dem Luftfahrzeugbau. Weitere Branchen sind beispielsweise die Elektrotechnik, die Chemie und der Handel. Viele Unternehmen stellen neben Rüstungsgütern auch zivile Produkte her oder handeln mit solchen. Weiter sind diese Anbieter von Rüstungsgütern auf Zulieferungen aus dem In- und Ausland angewiesen. Aus diesen komplexen Verflechtungen folgt, dass die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Annahme der Initiative nicht einfach abzuschätzen sind. Aus diesen Gründen wurde eine Studie bei BAK Basel Economics in Auftrag gegeben. Im Mittelpunkt der Studie steht die Quantifizierung der wirtschaftlichen Bedeutung der Produktion von Rüstungsgütern, die für den Export bestimmt sind. Für die Datenerhebung hat das SECO eine Befragung der wichtigsten Rüstungsbetriebe durchgeführt. Deren Ergebnisse hat BAK Basel Economics in die Analyse einfliessen lassen. Die nachfolgenden Angaben sind der Studie entnommen, wobei sie als Untergrenze des berechneten «Impacts» zu betrachten sind.

Es kann zwischen direktem und indirektem Effekt unterschieden werden. Der direkte Effekt gibt an, wie viel Bruttowertschöpfung, Beschäftigung und Einkommen direkt in den Rüstungsbetrieben erzielt werden und welche Steuererträge mit den direkt erzielten Einkommen verbunden sind. Neben diesem direkten volkswirtschaftlichen Effekt kommt es aufgrund der vielfältigen Industrieverflechtung zusätzlich
zu einem indirekten volkswirtschaftlichen Effekt, denn bei den Zulieferanten entstehen ebenfalls Bruttowertschöpfung, Beschäftigung und Einkommen.

Die Bruttowertschöpfung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Wert der erzeugten Waren und Dienstleistungen (Produktionswert) und den für die Produktion benötigten Vorleistungen der Zulieferbetriebe. Diese Differenz dient der Entlöhnung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Die Berechnungen auf der Grundlage der Zahlen 2007 ergeben für den Rüstungsexport eine Bruttowertschöpfung in der Höhe von 485 Millionen Franken. Dabei verhält sich die Verteilung so, dass zwei Drittel direkt in der Rüstungsindustrie und ein Drittel bei den Zulieferanten erwirtschaftet werden.

An der Produktion der exportierten Rüstungsgüter waren im Jahr 2007 direkt und indirekt 5132 Erwerbstätige beteiligt. Etwa 65 Prozent ­ 3335 Personen ­ sind direkt in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Zusätzlich steht die Erwerbstätigkeit weiterer 1797 Personen in anderen Branchen mittelbar im Zusammenhang mit diesen Exporten. Auch zahlreiche Ausbildungsplätze sind darin berücksichtigt.

7541

Der Einkommenseffekt der Rüstungsexporte beläuft sich für das Jahr 2007 auf 307 Millionen Franken. Diese Arbeitnehmereinkommen generieren zusammen mit den Unternehmensgewinnen Steuererträge von Bund, Kantonen und Gemeinden in der Höhe von 44 Millionen Franken.

Eine regionale Betrachtung zeigt, dass sich die Rüstungsexportindustrie überwiegend auf die fünf Kantone Nidwalden, Zürich, Thurgau, Bern und Luzern konzentriert. 86 Prozent der Exporte stammen von Betrieben mit Niederlassung in diesen Kantonen. Dies bedeutet auch, dass ein beachtlicher Teil der Wertschöpfung dort anfällt und sich folglich sowohl bezüglich der betroffenen Unternehmen als auch der Beschäftigten die grössten Auswirkungen der Verbote, wie sie in der Volksinitiative vorgesehen sind, dort zeigen werden. Die genannten Kantone vereinen 282 der 318 Millionen Franken der direkten Bruttowertschöpfung und 2886 der gesamthaft 3335 direkt betroffenen Erwerbstätigen. Im Kanton Zürich ist der mit den Rüstungsexporten verbundene Beschäftigungseffekt mit 944 Beschäftigten am stärksten. In Nidwalden sind mindestens 457 Stellen betroffen. Mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote im Jahr 2007 von 1,2 Prozent und durchschnittlich 246 registrierten Arbeitslosen18 hätte der Kanton Nidwalden zumindest kurzfristig mit einer knappen Verdreifachung der Arbeitslosenzahl zu rechnen. Im Kanton Thurgau könnte sich eine Erhöhung der registrierten Arbeitslosen um mehr als einen Viertel ergeben. Eine Annahme der Initiative würde in einigen Kantonen zu erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen führen, da die Rüstungsindustrie in der Schweiz sich auf wenige Regionen konzentriert.

Wie erwähnt handelt es sich bei den Angaben um eine Untergrenze. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen können aus verschiedenen Gründen höher ausfallen als in den Modellberechnungen von BAK Basel Economics. Viele Rüstungsbetriebe sind beispielsweise auf den Export ausgerichtet. Fehlen die Absatzmärkte im Ausland, so könnte es zu Restrukturierungen oder zu Schliessungen kommen, weil die notwendigen Skalenerträge fehlen oder nicht mehr kostendeckend produziert werden kann. Dies könnte sich ebenfalls auf die Produktion von zivilen oder Dual-UseGütern auswirken und auch in diesem Bereich zu Restrukturierungen oder Schliessungen führen. Damit käme es zwangsläufig zu einem negativen
Effekt bei den indirekt Betroffenen, denn auch Zulieferbetriebe hätten Einbussen hinzunehmen.

Unter Umständen könnten auch Aufträge im zivilen Bereich verloren gehen, da das Vertrauen ausländischer Auftraggeber in die Liefertreue schweizerischer Unternehmen sinken dürfte.

Der Branchenverband Swissmem schätzt, dass unter Berücksichtigung der Nebeneffekte, die durch eine Annahme der Initiative verursacht würden, die Zahl der gesamthaft betroffenen Beschäftigten bei rund 11 000 Personen liegen dürfte. Rund ein Drittel der Unternehmen, die an der Befragung des SECO teilnahmen, gab an, den Betrieb ganz einstellen zu müssen. In einer ähnlichen, aber viel breiter angelegten Umfrage von Swissmem sowohl bei Rüstungsbetrieben als auch bei Zulieferanten ergibt sich, dass gesamthaft rund die Hälfte der Betriebe mit einer teilweisen Einstellung und 10 Prozent mit einer vollständigen Einstellung der Produktion oder Dienstleistung rechnen. Das zeigt aber auch, dass die Möglichkeiten einer sogenannten Rüstungskonversion, das heisst der Umstellung auf zivile Produktion, als gering eingeschätzt werden. Eine Kompensation der Ausfälle könnte nicht erreicht werden.

18

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Lage auf dem Arbeitsmarkt.

7542

Von wirtschaftlicher Bedeutung ist darüber hinaus der Umstand, dass Rüstungsaufträge unter technologischen Gesichtspunkten zu den interessantesten Aufträgen eines Industrieunternehmens zählen. Sie führen immer wieder zu neuen Erkenntnissen und Erfahrungen, die sich auch im zivilen Bereich industriell verwerten lassen.

So haben verschiedene heute im Alltag nicht mehr wegzudenkende Errungenschaften ihren Ursprung im militärischen Anwendungsbereich (zum Beispiel Satellitennavigation GPS). Eine Annahme der Initiative dürfte deshalb zu einem KnowhowVerlust über den rein militärischen Anwendungsbereich hinaus führen. Dessen Quantifizierung ist allerdings kaum möglich.

4.2.3

Auswirkungen auf den Bund

4.2.3.1

Finanzielle Auswirkungen

Unterstützungspflicht des Bundes (Übergangsbestimmung Art. 197 Ziff. 8 Abs. 1 BV) Die in der Initiative vorgesehene Unterstützungspflicht des Bundes bedarf der gesetzlichen Umsetzung. Mit welchen finanziellen Auswirkungen der Bund zu rechnen hat, hängt somit massgeblich von der konkreten Ausgestaltung auf Gesetzesebene ab.

Der Bund müsste gemäss der Übergangsbestimmung während zehn Jahren nach Annahme der Initiative die von den Verboten betroffenen Regionen und Beschäftigten unterstützen. Wie die Unterstützung aussehen wird und wie hoch sie ausfallen wird, läge im Ermessen des Gesetzgebers.

Denkbar sind beispielsweise folgende Kompensationen durch den Bund: ­

kantonale und kommunale Steuerausfälle,

­

erhöhte Sozialhilfekosten,

­

Lohnausfälle der betroffenen Personen (Differenz zu den Leistungen aus Arbeitslosenversicherung oder Sozialhilfe),

­

zusätzliche Mittel für Umschulungsmassnahmen.

BAK Basel Economics hat anhand der im Rahmen der Studie für das Jahr 2007 errechneten wirtschaftlichen Effekte eines Exportverbots für Rüstungsgüter eine grobe Abschätzung der Kosten für die oben erwähnten Leistungen vorgenommen.

Kantone und Gemeinden hätten mit Steuerausfällen in der Höhe von rund 103 Millionen Franken über zehn Jahre hinweg zu rechnen, wobei die Ertragseinbussen im ersten Jahr 21 Millionen Franken betragen würden. Um eine vollständige Kompensation der Lohnausfälle der in der Rüstungsindustrie entlassenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sichern, hätte der Bund in erster Linie die Differenz zur Leistung aus Arbeitslosenversicherung zu tragen. Dies entspräche je nach Lohnersatzquote 20 oder 30 Prozent des versicherten Verdienstes. Insgesamt wäre mit Kosten von rund 60 Millionen Franken zu rechnen. Eine Kompensation der erhöhten Sozialhilfeleistungen dürfte sich auf 65 Millionen Franken belaufen. Für Umschulungsmassnahmen wären zusätzliche Mittel von 19 Millionen Franken aufzuwenden.

7543

Aus den vorstehenden Angaben ergeben sich aus der Unterstützungspflicht des Bundes potenzielle Kosten im Umfang von 247 Millionen Franken.

Denkbar wären ferner weitere Leistungen für besonders betroffene Randregionen, da dort mit einer längeren Dauer der Arbeitslosigkeit zu rechnen ist. Auch die Unterstützung von Projekten mit dem Ziel der Neuansiedlung von Unternehmen könnte hinzukommen. Weiter stellt sich die Frage der Überwälzung von Stilllegungskosten einzelner Unternehmen, die aufgrund der Verbote, insbesondere des Exportverbots, ihren Betrieb einstellen müssten. Speziell in der chemischen Industrie, das heisst in Rüstungsbetrieben, die Schiesspulver, Sprengstoffe und andere pyrotechnische Erzeugnisse herstellen, hätte die notwendige Dekontaminierung erhebliche Kostenfolgen.

Direkte Steuerausfälle für die Eidgenossenschaft Aufgrund des errechneten direkten wirtschaftlichen Effekts eines Exportverbots für Rüstungsgüter konnte BAK Basel Economics auf die zu erwartenden Steuerausfälle des Bundes schliessen. Auf der Basis der Zahlen des Jahres 2007 generieren die Rüstungsexporte bei Bund, Kantonen und Gemeinden insgesamt Steuererträge von 44 Millionen Franken. Berücksichtigt werden die Einkommenssteuern der im Wertschöpfungsprozess involvierten Beschäftigten, die Unternehmenssteuern sowie die Erträge aus der Besteuerung der Grenzgänger (Quellensteuer) und der Mehrwertsteuerbelastung der Vorleistungen infolge unechter Befreiung (taxe occulte).

Dabei fallen 15 Millionen Franken auf die Eidgenossenschaft. Über einen Zeithorizont von zehn Jahren würde dies zu Steuerausfällen von 94 Millionen Franken führen.

Auswirkungen auf die Sozialversicherungen Die Einkommen der Erwerbstätigen im Wertschöpfungsprozess der Rüstungsexportindustrie generieren Beiträge an die Sozialwerke. Die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV), die Invalidenversicherung (IV), die Arbeitslosenversicherung (ALV) und die Erwerbsersatzordnung (EO) hätten zumindest kurz- bis mittelfristig die Konsequenzen der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsverluste zu tragen. Im Falle der ALV wiegt der Effekt doppelt: Einerseits gehen aufgrund der geringeren Beschäftigung die Einnahmen zurück, andererseits steigen die Ausgaben aufgrund der höheren Arbeitslosenzahl. Gemäss der Studie von BAK Basel Economics ist im ersten Jahr mit
Mindereinnahmen von 19,5 Millionen Franken zu rechnen. Im weiteren Zeitverlauf wird dieser Betrag immer geringer, da ein Grossteil der vom Exportverbot betroffenen Erwerbstätigen eine neue Beschäftigung findet. Über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet, würden im Vergleich zum Status quo Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 55 Millionen Franken ausbleiben.

Neben diesen Mindereinnahmen sind die Mehrausgaben auf Seiten der ALV zu bedenken. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Altersstruktur und der durchschnittlichen Bezugsdauer der Lohnersatzleistung ergeben sich im ersten Jahr Ausgaben von 118 Millionen und im zweiten Jahr solche von 17 Millionen Franken.

Die potenzielle Gesamtbelastung der Sozialwerke würde sich folglich in den ersten zehn Jahren nach Annahme der Initiative auf 190 Millionen Franken belaufen.

7544

Höhere Kosten für die Schweizer Armee Tendenziell dürften die Preise für Rüstungsgüter aus der Schweiz steigen, da eine wirtschaftliche Produktion durch den Wegfall der Exportmöglichkeit in Frage gestellt wird. Diese Konsequenz bekäme die Armee sowohl im Rahmen von Beschaffungen als auch beim Betrieb zu spüren.

Bei einer Annahme der Initiative stellt sich zudem für die Schweizer Armee die Frage, was mit überschüssigem Armeematerial zu geschehen hat. Gemäss dem Bundesratsentscheid vom 10. März 2006 ist überschüssiges Kriegsmaterial in erster Wahl an das ursprüngliche Herkunftsland zurück zu verkaufen oder diesem kostenlos zu überlassen. In zweiter Wahl und mit Einverständnis des Herkunftslandes ist das Material unter Beibringung einer Nichtwiederausfuhr-Erklärung an Staaten nach Anhang 2 der KMV zu verkaufen. Ansonsten erfolgt eine Verwertung oder Lagerung in der Schweiz. Eine Liquidation im Sinne dieses Bundesratsentscheides wäre nach Annahme der Volksinitiative nicht mehr möglich: Ein Rückverkauf in das ursprüngliche Herkunftsland scheidet ebenso aus wie ein Verkauf an Staaten nach Anhang 2 der KMV. Es verbliebe einzig die Möglichkeit der Verschrottung in der Schweiz. Dies hätte für die Armee grössere Kostenfolgen oder wäre mit Mindereinnahmen verbunden.

4.2.3.2

Personelle Auswirkungen

Die Bewilligungsbehörde für die betroffenen Güter ist das SECO. Mit einer Annahme der Initiative wäre mit einem Wegfall von sechs Vollzeitstellen zu rechnen. Personal würde weiterhin für die Verfahren bei den von der Initiative ausgenommenen Gütern, insbesondere den Jagd- und Sportwaffen, benötigt. Dies wurde entsprechend berücksichtigt.

Einerseits würden geringere Lohnkosten anfallen, andererseits fielen aber auch Gebühreneinnahmen weg, die für die Deckung des administrativen Aufwands erhoben werden. Das Bewilligungswesen unter dem GKG und damit für besondere militärische Güter ist für die Gesuchstellenden kostenlos. Die Bewilligungen im Bereich Kriegsmaterial sind hingegen gebührenpflichtig, wobei sich die Höhe der Gebühr nach dem Bewilligungswert richtet. In den vergangenen Jahren betrugen die jährlichen Einnahmen rund 1­1,2 Millionen Franken.

4.2.4

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

BAK Basel Economics hat im Rahmen der in Auftrag gegebenen Studie die direkt aus der Rüstungsindustrie anfallenden Steuererträge hinsichtlich ihrer regionalen Verteilung analysiert. Die Kantone Zürich, Nidwalden, Bern, Thurgau und Luzern vereinen rund 86 Prozent der kantonalen und kommunalen Steuern auf sich. Diese fünf Kantone und deren Gemeinden wären folglich bei einer Annahme der Initiative besonders von Steuerausfällen betroffen. Gesamthaft sind für Kantone und Gemeinden Steuerausfälle im ersten Jahr von 21 Millionen und über einen Zeitraum von zehn Jahren von kumuliert 103 Millionen Franken zu erwarten.

Weiter müssen Gemeindebehörden mit erhöhten Sozialhilfeausgaben rechnen. Nach Auslaufen der Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung entsteht für die Entlas7545

senen unter Umständen ein Anspruch auf Sozialhilfe. Geht man vom üblichen durchschnittlichen Unterstützungsbetrag von 15 000 Franken pro Kopf und Jahr aus, ergeben sich unter Berücksichtigung des zu erwartenden Anteils der Wiederbeschäftigung Kosten von 65 Millionen Franken für die ersten zehn Jahre nach Annahme der Initiative. Dabei ist auch zu beachten, dass sich die Kosten nicht gesamtschweizerisch verteilen, sondern besonders konzentriert in einzelnen Gemeinden der Kantone Nidwalden, Zürich, Thurgau, Bern und Luzern anfallen werden. Die meisten Erwerbstätigen der Rüstungsindustrie wohnen in diesen Kantonen.

Es wäre denkbar, die im Initiativtext vorgesehene Unterstützungspflicht des Bundes so auszugestalten, dass der Bund sowohl die Steuerausfälle als auch die Sozialhilfeausgaben der Kantone und Gemeinden auszugleichen hätte. Dies liegt jedoch im Ermessen des Gesetzgebers (vgl. Ziff. 3.3.4). Im entsprechenden Fall würden für die Gemeinwesen kurzfristig keine Nachteile aus den in der Initiative vorgesehenen Verboten entstehen. Jedoch würde an einigen Orten die Standortattraktivität erheblich leiden, wenn Unternehmen, die wichtige Arbeitsplätze schaffen, verschwinden oder redimensionieren. Es müssten mit langfristig wirkenden Massnahmen die Attraktivität der Regionen für andere Unternehmen erhalten und damit auch eine Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte in die Zentren verhindert werden.

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

Das Initiativkomitee will in erster Linie verhindern, dass schweizerische Rüstungsgüter in bewaffneten Konflikten zum Einsatz gelangen. Mit dem von der Initiative vorgesehenen Mittel, einem Ausfuhr-, Durchfuhr, Handels- und Vermittlungsverbot, lässt sich dieses Ziel grundsätzlich erreichen. Es ist zudem denkbar, dass eine solche Massnahme die Glaubwürdigkeit der Schweiz in ihrem humanitären Engagement stärken könnte. Im Vergleich zur geltenden Regelung trägt diese Lösung jedoch nicht allen Interessen gleichwertig Rechnung. Namentlich die Interessen der nationalen Sicherheit und der Industrie bleiben unberücksichtigt.

Schwachpunkt der Initiative ist die geforderte Unterstützungspflicht des Bundes, wofür zuerst eine gesetzliche Grundlage ausgearbeitet werden müsste. Die Auswirkungen der Verbote für Rüstungsgüter werden für die Betroffenen in der ersten Phase nach der Annahme der Initiative akut sein, genau dann, wenn Betriebe und Beschäftigte eben noch nicht auf Bundeshilfe ­ mangels gesetzlicher Grundlage ­ zählen könnten.

Zudem könnten die Folgen einer Annahme der Initiative nicht mit einer rein finanziellen Unterstützung aufgefangen werden. Insbesondere liesse sich der Mangel an attraktiven Arbeitsplätzen in der Industrie und bei wertschöpfungsstarken Dienstleistungen als hauptsächlich strukturpolitische Herausforderung der betroffenen Regionen nicht kompensieren. Die Schliessung von Betrieben als Folge der Annahme der Volksinitiative könnte zu einer Abwanderung hochqualifizierter junger Arbeitskräfte in die Zentren und zu einem beschleunigten Strukturwandel in den betroffenen Regionen führen. Zeitlich beschränkte Hilfspakete zur Abfederung solcher regionaler Strukturbrüche nützen erfahrungsgemäss wenig. Was im normalen Strukturwandel nicht aufgefangen werden kann, geht verloren. Es bleibt offen, in welchem Zeitraum die in der Rüstungsindustrie eingesetzten Ressourcen in anderen Produktionen Verwendung finden könnten und ob es sich dabei um gleich anspruchsvolle Arbeitsplätze handeln würde.

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Schlussfolgerungen

Der Bundesrat kommt aus den dargelegten Gründen zu folgendem Schluss: ­

Die Schweiz wäre für die Gewährleistung der nationalen Sicherheit im Krisen- und Kriegsfall von Zulieferungen aus dem Ausland abhängig. Da den Bedürfnissen eines neutralen Staates wie der Schweiz in der Regel geringe Priorität zugemessen wird, wäre die nationale Sicherheit in Frage gestellt.

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Aufgrund der konzentrierten räumlichen Verteilung der Rüstungsindustrie wären die wirtschaftlichen Auswirkungen in einzelnen Regionen, vor allem im Berner Oberland, in Stans, Zürich, Kreuzlingen und Emmen, besonders stark. Eine Vielzahl attraktiver Arbeitsplätze sowie hervorragendes Knowhow gingen verloren.

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In den ersten zehn Jahren nach Annahme der Initiative könnten für den Bund Mehrkosten von 382 Millionen Franken und Mindereinnahmen in der Höhe von 149 Millionen Franken entstehen (Unterstützungspflicht, Steuerausfälle, Sozialversicherungen). Der effektive Betrag hängt vor allem von der gesetzlichen Umsetzung der geforderten Unterstützungspflicht ab. Der Bund könnte möglicherweise mit weit höheren Kosten konfrontiert werden.

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Die geltende Gesetzgebung erlaubt eine funktionierende Exportkontrolle für Rüstungsgüter, die den Landesinteressen, dem globalen und regionalen Engagement der Schweiz im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie der schweizerischen Wirtschaft Rechnung trägt.

Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.

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