Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 23. November 2007 betreffend Rüstungsbeschaffung im VBS Stellungnahme des Bundesrates vom 14. März 2008

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates hat ihren Bericht betreffend Rüstungsbeschaffung im VBS am 23. November 2007 verabschiedet und zur Veröffentlichung freigegeben. Wir nehmen dazu nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. März 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-0444

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Stellungnahme 1

Allgemeine Feststellungen

Der Bericht der GPK-N zeigt das schwierige Umfeld von Rüstungsbeschaffungen exemplarisch auf. Er bietet die Chance, bestehende Prozesse zu hinterfragen und allenfalls aufgezeigtes Optimierungspotenzial umzusetzen.

Er zeigt aber auch auf, in welchen Bereichen das Verbesserungspotenzial ausgeschöpft ist und wo auf politischer Ebene Handlungspotenzial besteht.

Die Empfehlungen der GPK-N weisen in prägnanter Weise auf die unterschiedlichen Interessen und Schwerpunkte im Bereich der Rüstungsbeschaffung hin; politische, sicherheitspolitische, betriebswirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen widersprechen sich teilweise bzw. müssen jeweils sorgsam aufeinander oder auf die effektiven Bedürfnisse der Armee zur geforderten Leistungserbringung abgestimmt werden. Dies erfordert einen konstruktiven Dialog und ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten und Interessierten.

Der Bundesrat nimmt die von der GPK-N geäusserten Anliegen zur Kenntnis.

Zusammenfassend kann zu den Empfehlungen Folgendes festgehalten werden: ­

Empfehlung 7 ist mit der Überprüfung der Rüstungspolitik durch den Bundesrat vom Frühjahr 2007, der Vereinbarung TUNE+ vom 2. Mai 2007 sowie mit der Armeematerialverordnung des VBS vom 6. Dezember 2007 (VAMAT; SR 514.20), die seit dem 15. Dezember 2007 in Kraft ist, bereits realisiert.

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Die Empfehlungen 3, 5 und 6 sind u.a. Gegenstand der laufenden Totalrevision des öffentlichen Beschaffungsrechts bzw. sollen im Rahmen dieser Revision vertieft geprüft werden.

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Empfehlung 4 ist im Zuge der schrittweisen Umsetzung des Querschnittsprojekts 5, Beschaffung (QSP 5 Beschaffung), im Rahmen der Verwaltungsreform 05/07 vorgesehen und wird phasenweise realisiert.

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Die Empfehlungen 1, 2 und 8 müssen noch detailliert geprüft werden. Ein Bericht dazu kann bis zum 31. Dezember 2008 erwartet werden.

Der Bundesrat geht abschliessend davon aus, dass die legitimen Sicherheitsinteressen der Schweiz von den politischen Verantwortungsträgern im Rahmen der Diskussion des vorliegenden Berichts entsprechend berücksichtigt werden und dass dem verfassungsmässigen Auftrag der Armee die notwendige Beachtung geschenkt wird.

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Stellungnahme des Bundesrates zu den Empfehlungen

2.1

zu Empfehlung 1, «Strategie für die Rüstungsbeschaffung»

Nebst dem eigentlichen Beschaffungsrecht stützt sich die Rüstungsbeschaffung auf die Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS vom 29. November 2002. Die Rüstungspolitik des Bundesrates wurde im Jahre 2006 überprüft und von ihm im Frühjahr 2007 bestätigt. Es bestehen somit bewährte strategische Vorgaben in Bezug auf sicherheitsrelevante Aspekte, an denen sich die Rüstungsbeschaffung orientiert.

2.1.1

Berücksichtigung aussen- und sicherheitspolitischer Interessen im Rahmen der Rüstungsbeschaffung

Die Schweiz hat ihre internationale Kooperationsstrategie im Zuge der Umsetzung des Grundsatzes «Sicherheit durch Kooperation» auch im Verteidigungsbereich in den letzten Jahren mit ausgewählten Partnerstaaten ausgebaut und gefestigt. Die einzelnen Kooperationsprojekte werden dabei im Vorfeld jeweils einer Opportunitätsprüfung durch die Direktion für Sicherheitspolitik (DSP) unterzogen. Darüber hinaus bestehen in diesem Zusammenhang enge, institutionalisierte Kontakte zum EDA und zum Bundesamt für Justiz (BJ), die bei der Erarbeitung völkerrechtlicher Verträge permanent eingebunden sind. Das Parlament wird über diese Kooperationstätigkeiten vom Bundesrat jährlich informiert.

Diese gesamtschweizerische Kooperationsstrategie widerspiegelt sich in der materiellen Ausrüstung der Armee.

Was die Berücksichtigung von aussenpolitischen Interessen betrifft, so ergibt sich ein ähnliches Bild:Die von der Schweiz ratifizierten WTO-Bestimmungen sehen explizit den globalen Wettbewerb basierend auf sachbezogenen Vergabekriterien vor. Während im Bereich des Exports von Rüstungsgütern aussenpolitische Überlegungen durchaus Sinn machen, bringt die aufwändige Ausarbeitung einer Rüstungsimportstrategie keine gesamtpolitische Optimierung. Die Handlungsfreiheit des Bundesrates in diesem Bereich soll ­ mit Blick auf die Veränderung aussenpolitischer Konstellationen ­ erhalten bleiben.

Eine weitere Einengung der beschaffungsrechtlichen Rahmenbedingungen würde darüber hinaus in gewissen Fällen entweder den verfügbaren Markt bzw. die Handlungsfähigkeit der Beschaffungsstelle einschränken, die Beschaffungen verteuern oder die Qualität des zu beschaffenden Gutes vermindern. Dies liefe den sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz sowie dem Wirtschaftlichkeitsprinzip zuwider. Insgesamt bedarf die Empfehlung der GPK-N somit einer umfassenden Güterabwägung.

Der Bundesrat anerkennt das Bedürfnis der Berücksichtigung von aussen- und sicherheitspolitischen Interessen im Rahmen der Rüstungsbeschaffung. Er ist der Auffassung, dass die Anliegen der GPK-N im Rahmen der übergeordneten Interessen bei Rüstungsbeschaffungen näher zu prüfen sind.

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2.2

zu Empfehlung 2, «Explizite Strategie bei den Beschaffungsprozessen unter Berücksichtigung differenzierter Warengruppen-Strategien»

Die Technologisierung im Bereich Rüstungsgüter sowie mögliche Überschneidungen der Warengruppen bzw. mögliche Mehrfacheinreihungen von Produkten, insbesondere im Bereich der Dual-Use-Güter, erschweren eine entsprechende Strategiedifferenzierung. Das Anliegen der GPK-N ist vom Bundesrat erkannt, muss aber auf seine Umsetzbarkeit hin näher geprüft werden.

2.3

zu Empfehlung 3, «Wahl des Vergabeverfahrens», sowie zu Empfehlung 6, «Rechtsschutz»

Das Beschaffungsrecht weist eine sehr hohe Regelungsdichte auf. Die Freiräume für die Verwaltung sind somit äusserst beschränkt. Der Gesetzgeber hat diese Freiräume im Rahmen übergeordneter Interessen bewusst ausgestaltet. Die Beschränkung des Rechtsschutzes im Bereich der Verordnung ist das Resultat einer Güterabwägung des Gesetzgebers; nationale Sicherheitsinteressen werden gegenüber Privatinteressen höher gewichtet.

Auch bezüglich Wirtschaftlichkeit gemäss den Vorgaben des Finanzhaushaltgesetzes wird im Bereich der Beschaffung von militärischen Gütern mit dem dafür vorgesehenen Einladungsverfahren Rechnung getragen.

Ein internationaler Vergleich zeigt, dass die Schweiz mit dem Einladungsverfahren im Ausnahmebereich wesentlich wettbewerbsfreundlicher ist als andere europäische Staaten und damit neue Entwicklungen in der EU mit der Einführung der heutigen Regelung bereits vorweggenommen hat.

Im Rahmen der laufenden Totalrevision der Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen wird den Fragen der Verfahrenswahl und des Rechtsschutzes grosse Beachtung geschenkt. Es wird in diesem Zusammenhang auf die anstehende Vernehmlassung und die damit verbundene politische Diskussion verwiesen. Das Parlament wird sich im Rahmen der Beratung der Revision des Beschaffungsrechts ebenfalls vertieft mit den von der GPK-N aufgeworfenen Fragen auseinandersetzen können.

2.4

zu Empfehlung 4, «Statistik der Beschaffungen»

Das Querschnittsprojekt Nr. 5/Beschaffung ist eines von 9 laufenden Verwaltungsreformprojekten des Bundes. Die beiden zentralen Beschaffungsstellen armasuisse und BBL haben gemäss der Verordnung vom 22. November 2006 über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens des Bundes (Org-VoeB; SR 172.056.15) den Auftrag, die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen im Rahmen zentraler und dezentraler Beschaffungsmodelle zu optimieren. Künftig sollen Doppelspurigkeiten im bundesinternen Beschaffungswesen vermieden und eine einfachere Beschaffungsorganisation mit verbesserter Ressourcenplanung gewährleistet werden. Daraus ergibt sich eine massive Straffung der heute 40 Beschaffungsstellen des Bundes.

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Die heute z.T. fehlende Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen wird durch die Schaffung einer bundesweiten Beschaffungstatistik merklich verbessert werden.

Diese Statistik wird von der Eidgenössischen Finanzverwaltung in Koordination mit den Beschaffungsämtern ab 2008 bundesweit schrittweise eingeführt.

Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der GPK-N betreffend die Beschaffungsstatistik und stellt fest, dass dieses Anliegen mit den im Rahmen des QSP-5 getroffenen Massnahmen umgesetzt wird.

2.5

zu Empfehlung 5, «Transparenz der Verfahren und der Bewertungskriterien»

Die Gewichtung und entsprechende Priorisierung der Bewertungskriterien sind bereits heute gesetzlich vorgegeben. Nach dem Beschaffungsrecht ist eine Änderung der Bewertungskriterien zulässig, wenn diese allen Anbietern rechtzeitig mitgeteilt wird. Die Sensibilisierung in diesem Bereich wird von den Beschaffungsstellen im Zuge regelmässiger Schulungen laufend vorangetrieben.

Darüber hinaus wird dem Transparenzerfordernis im Rahmen der Beantwortung von parlamentarischen Vorstössen sowie zahlreichen Berichten von Revisionsorganen laufend Rechnung getragen.

Der Bundesrat anerkennt das Transparenzbedürfnis der GPK-N bezüglich der Bewertungskriterien und unterstützt dieses. Die von den Beschaffungsstellen eingeleiteten diesbezüglichen Massnahmen sind zu priorisieren; im Rahmen der laufenden Totalrevision BoeB/VoeB soll vertieft geprüft werden, ob weiteres Optimierungspotenzial besteht.

2.6

zu Empfehlung 7, «Berücksichtigung der Kostendimension bei der Ausarbeitung der Pflichtenhefte und bei den Evaluationen»

Bei der Ausarbeitung der Pflichtenhefte müssen spezifische Kundenbedürfnisse, die lange Nutzungsphase der Systeme, die Technologieentwicklung sowie die laufende Erweiterung des Auftrags der Armee bzw. deren Umbau berücksichtigt werden.

Diese können bei der Festlegung der Pflichtenhefte nicht immer vorausgesehen werden, sie können in der Praxis aber Kostenfolgen nach sich ziehen.

2.6.1

Zusammenspiel der Hauptakteure

Das Zusammenspiel zwischen dem Auftraggeber (Planungsstab der Armee), der Auftragnehmerin (armasuisse) sowie dem Systemnutzer (Teilstreitkräfte bzw. Organisationseinheiten Direktunterstellte des CdA) ist einerseits historisch bedingt und andererseits Ausdruck der politisch gewollten Verantwortungsteilung, die sich organisatorisch im VBS niederschlägt. Es handelt sich letztlich um ein System von «checks and balances», das in der neuen Armeematerialverordnung (VAMAT) bzw.

der VBS-Vereinbarung TUNE+ umfassend und detailliert abgebildet wird. Diese Vereinbarung bildet auch die Aussenbeziehungen im Rahmen des Ablaufs der 3695

Rüstungsbeschaffung ab, sodass Kontakte zur Industrie von der zuständigen Verwaltungseinheit, der armasuisse, rechtzeitig und zielführend hergestellt werden können.

Der Bundesrat teilt die Auffassung der GPK-N betreffend die Berücksichtigung der Kostendimension bei der Ausarbeitung der Pflichtenhefte. Das Zusammenspiel der Akteure betreffend koordinierte Aussenkontakte weist ebenfalls Verbesserungspotenzial auf. Der Bundesrat geht davon aus, dass im Rahmen der laufenden Etablierung von TUNE+ das von der GPK-N aufgezeigte Optimierungspotenzial in diesen Bereichen ohne weitere Zusatzmassnahmen rasch verwirklicht werden kann.

2.7

zu Empfehlung 8, «Berücksichtigung der Kostendimension auf der Ebene von Management und Controlling»

Die in TUNE+ bzw. in der VAMAT definierte Rollenteilung sieht vor, dass Beschaffungsprojekte in einem vereinbarten Projektauftrag festgehalten werden. Die klaren projektspezifischen Vorgaben betreffen den Ressourcenbedarf, die Kosten und Termine usw. Wesentliche Controllingbereiche wurden darüber hinaus in den letzten Jahren im Zuge der laufenden Aus- und Weiterbildungen aktiv ausgebaut, beispielsweise das Projektmanagement bzw. Projektcontrolling.

Der Bundesrat teilt die Auffassung der GPK-N, dass die im VBS eingeleiteten Kostenoptimierungsmassnahmen auf Verbesserungen hin zu überprüfen sind. Das Potenzial der bestehenden Systeme und Massnahmen auf der Ebene Management und Controlling soll im Rahmen der Möglichkeiten besser ausgenutzt werden.

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