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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das zweite Volksbegehren betreffend Rückkehr zur direkten Demokratie (Vom 29. Juli 1948) ..

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Im Anschluss an unsern Bericht vom 27. Februar 1948 über das Volksbegehren vom 23. Juli 1946 für die Bückkehr zur direkten Demokratie (BB1.

1948, Bd. I, S.1054 ff.) beehren wir uns, zum zweiten Volksbegehren Stellung zu nehmen, das vom gleichen Initiativkomitee vier Tage später, d. h. am 27. Juli 1946, eingereicht worden und mit 54 552 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist (vgl. Bericht vom 3. September 1946, BEI. 1946, Bd. III, 8.-35). Es hat folgenden Wortlaut: Die unterzeichneten Schweizerbürger verlangen gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung die Aufnahme nachfolgender Bestimmungen in die Bundesverfassung: Übergangsbestimmung zu Artikel 89bis.

Alle vor Annahme des Artikels 89bis als dringlich erklärten Bundesbeschlüsse sowie der Bundesbeschluss vom SO. August 1939 über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität (Vollmachtenbeschluss) treten mit den gestützt darauf erlassenen oder sie abändernden gesetzlichen Bestimmungen spätestens am 20.. August 1947 ausser Kraft.

I.

1. Wir haben bereits in unserem Bericht vom 27. Februar 1948 dargetan, dass es rechtlich nicht zulässig sei, beide Initiativen miteinander zu behandeln, obwohl zwischen ihnen ein enger Zusammenhang besteht, dass vielmehr gerade dieser Zusammenhang die gleichzeitige Behandlung verbietet. Artikel 15 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Eevision der Bundesverfassung (VE G) bestimmt nämlich: «Sind in bezug auf die nämliche Materie eine Mehrzahl

981 von Initiativbegehren bei der Bundeskanzlei eingereicht worden, so ist zunächst das ersteingereichte Begehren durch die Bundesversammlung zu behandeln und zur Volksabstimmung zu bringen.» «Die übrigen Begehren werden in der Beihenfolge ihres Eingangs je nach Erledigung des früher eingereichten behandelt.» Im vorliegenden Fall besteht nun kein Zweifel darüber, dass die beiden Initiativen «die nämliche Materie» betreffen. Denn die zweite nimmt ausdrücklich Bezug auf die erste und beschränkt sich darauf, für die von jener vorgeschlagenen materiellen Bestimmungen das Übergangsrecht aufzustellen. Der gleichzeitigen Behandlung beider Initiativen steht also die formelle Vorschrift des Artikels 15 entgegen.

Diese Bestimmung will allerdings nicht verhindern, dass in der Diskussion der Eäte und ihrer Kommissionen über die erste Initiative auf die Tatsache Bezug genommen wird, dass über den gleichen Gegenstand eine zweite Initiative zustande gekommen ist; auch ihr Inhalt kann besprochen und es können Vergleiche zwischen beiden angestellt werden. Das kann für die richtige Erörterung der ersten Initiative sogar nötig sein. Dagegen stellt sich die Frage, ob es zulässig sei, dass der Bundesrat seinen Antrag mit Botschaft publiziert, bevor die erste die Volksabstimmung passiert hat oder sonst erledigt ist. Wir glauben das bejahen zu dürfen. Denn jener Artikel 15 will lediglich verhindern, dass die Mitglieder der beiden Eäte und die stimmberechtigten Bürger zu den in der zweiten Initiative aufgestellten Begehren Stellung nehmen müssen, bevor sie wissen, ob diejenigen der ersten in der Volksabstimmung angenommen sind oder nicht. Die Kenntnis des Schicksals der ersten Initiative ist für die Stellungnahme zur zweiten immer von Bedeutung, wenn beide denselben Gegenstand betreffen, ihn aber in verschiedener Weise regeln wollen. Das zeigt sich besonders deutlich in folgendem Beispiel: Angenommen, die erste Initiative verlange eine Befristung der dringlichen Bundesbeschlüsse auf ein Jahr, die zweite aber eine solche von drei Jahren. In einein solchen Falle handelt es sich nicht bloss darum, zu verhindern, dass beide Initiativen gleichzeitig angenommen werden, so dass man nicht wüsste, was nun gelten soll. Hiefür könnte ein Ausweg etwa in der Weise gefunden werden, dass Stimmzettel, welche beide Initiativen annehmen,
im Gesetz als ungültig bezeichnet würden (vgl. Artikel 12, Absatz 8, des Gesetzes). Vielmehr kommt es auch darauf an, den Räten und den stimmberechtigten Bürgern die Möglichkeit zu einer verschiedenen Stellungnahme zu geben, je nachdem die erste Initiative angenommen oder abgelehnt wird. Bringt man nämlich beide gleichzeitig zur Abstimmung, so ist es denkbar, dass beide abgelehnt werden, während bei einer sukzessiven Abstimmung eine von ihnen angenommen würde.

Auch im vorliegenden Falle hängt die Stellungnahme zu der zweiten Initiative von der Kenntnis des Schicksals der ersten insofern ab, als die Annahme der zweiten keinen Sinn hat, wenn die erste abgelehnt wird. Deshalb empfiehlt es sich für die beiden Eäte und ihre Kommissionen, definitive Beschlüsse über die zweite Initiative erst zu fassen, wenn ihnen das Ergebnis der Volksabstimmung über die erste bekannt ist. Der vorherigen Publikation der Bundesblatt. 100. Jahrg. Bd. II.

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Botschaft zur zweiten Initiative stehen diese Überlegungen aber nicht entgegen.

2. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die vorliegende zweite Initiative nur eine Übergangsbestimmung zu den Vorschriften, welche durch die erste eingeführt werden sollen, aufstellen will. Das geht aus ihrer Überschrift «Übergangsbestimmung zum Artikel SO1318» -- der noch gar nicht existiert -- wie aus dem Text des Vorschlages mit aller Deutlichkeit hervor. Die Annahme der ersten Initiative durch Volk und Stände ist zur Voraussetzung für die gültige Entstehung der zweiten gemacht worden. Auch sachlich bildet die Inkraftsetzung der in der ersten vorgeschlagenen materiellen Kegelung die nötige Grundlage für diese Übergangsbestimmung; ohne jene hätte letztere keinen rechten Sinn. Eechtlich ist sie an die Bedingung geknüpft, dass die erste angenommen werde. Man könnte sich sogar fragen, ob eine derart bedingte Initiative überhaupt gültig sei. Bejaht man das aber, so inuss sie doch in dem Moment als hinfällig betrachtet werden, wo feststeht, dass die Bedingung nicht eintreten kann. Sie ist dann -- wie wir bereits in unserem früheren Bericht feststellten -- gegenstandslos. In diesem Falle kann sie weder von den eidgenössischen Bäten behandelt noch der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet werden, weil nach dem Wegfallen der Bedingung, von der die Unterzeichner ihre Zustimmung abhängig gemacht haben, eben keine gültige Initiative vorliegt.

Die Feststellung freilich, ob die zweite Initiative in diesem Sinne als bedingt zu gelten habe und ob die Bedingung weggefallen sei, wird Sache der beiden Räte sein. Denn in ihre Kompetenz fällt der Entscheid darüber, ob eine Initiative gültig zustande gekommen ist (Artikel 8 und Artikel 5, Absatz 4, VRGr).

Stellen sie die Ungültigkeit in einem Beschlüsse fest, so kann die Initiative abgeschrieben werden. Nur wenn die erste Initiative in der Volksabstimmung angenommen wird, muss auch die zweite behandelt und dem Volk und den Ständen vorgelegt worden.

II.

Kann die vorliegende Initiative zur Annahme empfohlen werden ? Mit der Prüfung dieser Frage könnte der Bundesrat nach den obigen Ausführungen zuwarten, bis das Ergebnis über die erste feststeht; im Falle ihrer Ablehnung in der Volksabstimmung könnte er sich in seinem Bericht auf die Feststellung beschränken, dass
die zweite Initiative hinfällig und die Erörterung ihrer sachlichen Berechtigung unnötig geworden sei. Da aber in der nationalrätlichen Kommission für die erste Initiative der Wunsch geäussert worden ist, dass diese Botschaft schon vorher vorgelegt werde, und da diese auch für die Stellungnahme zur ersten Initiative abklärend wirken kann, soll im folgenden das Volksbegehren selbst einer nähern Prüfung unterzogen werden.

1. Zunächst in bezug auf die Fassung des Textes.

Nach der Initiative hätten gewisse Erlasse spätestens am 20. August 1947 ausser Kraft treten sollen. Da dieser Zeitpunkt aber schon vorbei ist, könnte man die Frage aufwerten, ob nicht die Erreichung des Zweckes unmöglich,

983 die Initiative also hinfällig geworden sei. Verneint man das, so kommt wohl nur die rückwirkende Aufhebung der Erlasse auf jenen Zeitpunkt in Betracht.

Es bedarf indessen kaum näherer Ausführungen darüber, dass diese Lösung zu einer unbeschreiblichen Rechtsverwirrung, zu grossen Unbilligkoiten und zu einer schweren Erschütterung der Wirtschaft und der Rechtssicherheit führen müsste, die nicht zu verantworten wären. Dieser Schwierigkeit, die allerdings erst nachträglich eingetreten ist -- obschou die Einhaltung der Frist von Anfang an als fast unmöglich erschien --, könnte freilich in einem Gegenvorschlag durch Festsetzung eines späteren Zeitpunktes Rechnung getragen werden. Wären die Begehren der Initiative aber mit dieser Korrektur empfehlenswert ?

Verlangt wird die Ausserkraftsetzung «aller vor Annahme des Artikels 89>»s als dringlich erklärten Bundesbeschlüsse sowie des Bundesbeschlusses vom 30. August 1939 über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufredithaltung der Neutralität (Vollmachtenbeschluss) -- mit den gestützt darauf erlassenen oder sie abändernden gesetzlichen Bestimmungen». Diese Formulierung der vorgeschlagenen Übergangsbestimmung zu Artikel 89TM ist jedoch -- wie sich bei näherem Zusehen ergibt --- höchst unklar und entbehrt der innern Konsequenz.

Unklar ist es schon, welche dringlichen Bundesbeschlüsse ausser Kraft gesetzt werden sollen. Nach dem Wortlaut der Initiative sind es alle vor Annahme des Artikels 89bls erlassenen. Dass die bereits aufgehobenen nicht betroffen würden, versteht sich von selbst. Gemeint wären demnach die dringlichen Bundesbeschlüsse, die heute noch in Kraft stehen, sowie solche, die allenfalls künftig bis zur Annahme des Artikels 89b1s erlassen werden. Dieso werden aber ausnahmslos betroffen. Eine Ausnahme gilt nicht einmal für Bundesbeschlüsse, die unbestrittenermassen zeitlich dringlich waren, bei denen also kein Zweifel darüber besteht, dass sie in voller Übereinstimmung mit der Verfassung erlassen worden sind. Die in Aussicht genommene neue Verfassungsbestimmung (Artikel 89bls) würde damit rückwirkende Kraft in dem Sinne erhalten, dass alle seit 1874 erlassenen und noch geltenden dringlichen Bundesbeschlüsse ohne weiteres dahinfallen. Das Begehren geht also über eine gewöhnliche Rückwirkung hinaus. Denn selbst solche dringliche Bundesbeschlüsse,
die mit dem neu vorgeschlagenen Artikel 89bls nicht im Widersprach stehen, sollen ungültig erklärt werden. Für ein derartig wahlloses Aufräumen mit allem, was den Namen eines dringlichen Bundesbeschlusses trägt, ist ein berechtigtes gesetzgeberisches Motiv nicht einmal dann erkennbar, wenn man von der Annahme ausgeht, dass einzelne Bundesbeschlüsse dringlich erklärt worden seien, ohne dass zeitliche Dringlichkeit gegeben war. Dass solche Fälle -- abgesehen vom Notrecht -- überhaupt vorgekommen sind, seitdem in der Verfassung die nötige Korrektur angebracht wurde, ist übrigens -- wie sich schon aus unserem früheren Berichte ergibt -- nicht dargetan worden. Jedenfalls ist festzustellen, dass die Initiative in diesem Punkte das Kind mit dem Bade ausschütten würde.

984 Das Volksbegehren erwähnt die Notrechtsbeschlüsse der Bundesversammlung nicht allgemein, sondern nur einen einzelnen von ihnen. MUSS man daraus schliessen, dass die andern weiterbestehen können, oder soll das gleiche Schicksal sie treffen wie die dringlichen Bundesbeschlüsse? Nach der herrschenden sowohl in der Praxis wie in der Theorie anerkannten Auffassung sind Notrechtsbeschlüsse etwas anderes als die dringlichen Bundesbeschlüsse des Artikels 89 der Bundesverfassung. Bei ihnen wird zwar das Referendum ebenfalls nicht zugelassen. Jedoch ist hier nicht die zeitliche Dringlichkeit das Entscheidende ; die Bechtfertigung liegt in diesem Falle vielmehr in etwas anderem, nämlich im Staatsnotstand. Wo aber ein solcher besteht, d. h. wo eine schwere, ernste Gefährdung der Existenzbedingungen des Staates nur durch einen Beschluss abgewendet werden kann, der dem Beferendum entzogen ist, kann kein Zweifel darüber sein, dass es nicht nur das Recht der Behörden, sondern ihre Pflicht ist, den Staat, seme Unabhängigkeit, seine Freiheit und damit die Freiheit und die demokratischen Eechte der Bürger auf diesem Wege durch die Not der Zeit zu retten. Von diesem Standpunkt ausgehend, haben denn auch die beiden Bäte in solchen Fällen (insbesondere bei den beiden Beschlüssen vom 30. August 1939 und 6. Dexember 1945 betreffend Erteilung von Vollmachten an den Bundesrat) ihren Beschluss absichtlich nicht mit der Dringlichkeitsklausel versehen, um klar zu unterscheiden zwischen den dringlichen Bundesbeschlüssen, die zur ordentlichen Gesetzgebung gehören, und dem ausserordentlichen Becht, dem Notrecht. Allerdings haben sie diese.Unterscheidung nicht immer durchgeführt, sondern gelegentlich Notrechtsbeschlüsse, d. h.

Beschlüsse, die für die Abwendung einer schweren und ernsten Gefährdung der Existenzbedingungen des Staates unvermeidlich waren und daher ohne Bücksicht auf die zeitliche Dringlichkeit hätten gefasst werden können, mit der Dringlichkeitsklausel versehen und die Ausschaltung des Beferendums mit der sachlichen Dringlichkeit begründet. Dadurch entstand der Anschein des Missbrauchs der Dringlichkeitsklausel in Fällen, wo es der zeitlichen Dringlichkeit gar nicht bedurfte, da der Notstand allem schon genügende Begründung war. 'Richtiger wäre es gewesen, in solchen Fällen die Dringlichkeitsklausel wegzulassen
und sich nur auf die sachliche Dringlichkeit zu berufen. Das ist zwar oft geschehen. Aber auch da wurde eingewendet, das Beferendum hätte nur bei zeitlicher Dringlichkeit ausgeschaltet werden dürfen. Soweit jedoch der Notrechtscharakter des Beschlusses gegeben war -- und das traf in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu --, war dieser Einwand nicht berechtigt.

Unbestritten ist hingegen wohl, dass zwischen dringlichen Bundesbeschlüssen und Notrechtsbeschlüssen ein Unterschied besteht. Die Initiative scheint denn auch -- nach ihrem Wortlaut zu urteilen -- zwischen beiden Arten von Beschlüssen zu unterscheiden. Denn sie nennt neben den dringlichen Bundesbeschlüssen einen Notrechtsbeschluss speziell, nämlich denjenigen betreffend die Erteilung ausserordentlicher Vollmachten an den Bundesrat, und zwar unter Verwendung des Wortes «sowie» (französisch «ainsi que»). Das lässt darauf schliesäen, dass sie die Notrechtserlasse nicht zu den dringlichen Bundes-

985 beschlüssen rechnen will, und dass daher nur der besonders genannte von der Initiative betroffen werden soll. Bei dieser Lösung muss aber -- falls sie wirklich gewollt wäre -- auffallen, dass sogar jene Notrechtserlasse, die ohne zeitliche Dringlichkeit ins Verfassungsrecht eingegriffen haben, Unangefochten bleiben, wogegen selbst die zeitlich dringlichen Bundesbeschlüsse, die der Verfassung zweifellos entsprechen, ausser Kraft gesetzt werden sollen. Ausserdem würden Zweifel darüber entstehen, ob Bundesbeschlüsse, die mit der Dringlichkeitsklausel versehen sind, auch dann darunter fallen, wenn sie Notrechtserlasse darstellen, ' Falls man jedoch weitergehen und die Notrechtserlasse ebenfalls allgemein beseitigen wollte, so inüsste man das im Text zum Ausdruck bringen. Damit könnte zwar der erwähnte Widerspruch behoben werden; inhaltlich würde die Initiative dadurch aber wegen ihrer Auswirkungen noch weniger annehmbar.

Überdies wäre diese Massnahme nur eine Halbheit, da neue Notrechtsbeschlüsse immer wieder gefasst werden könnten.

Auch bei dem besonders genannten Bundesbeschluss betreffend die Übertragung ausserordentlicher Vollmachten an den Bundesrat besteht Unklarheit.

Nach dem Wortlaut der Initiative bezieht sich diese nur auf den «Bundesbeschluss vom 80. August 1989 über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität (Vollmaehtenbeschluss)». Soll sie also nicht gelten für den Bundesbeschluss vom 6. Dezember 1945 über den Abbau der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates (A. S. 61, 1049), der denjenigen vom Jahre 1989 abgeändert hat ? Das ist nicht anzunehmen, denn die Aufhebung dieses Beschlusses allein hätte geringe Bedeutung, da seine wichtigeren Bestimmungen bereits aufgehoben und durch den Beschlusa vom Jahre 1945 ersetzt sind. Es ist ein offenbarer Mangel der Initiative, wenn sie über diese wichtige Frage Unklarheit bestehen lässt.

Am wenigsten Klarheit herrscht darüber, welche weitern Erlasse ausser Kraft treten sollen. Die Worte «mit den gestützt darauf erlassenen oder sie abändernden gesetzlichen Bestimmungen», mit denen sie in der Initiative umschrieben werden, können in der Tat sehr verschiedenes bedeuten. Einmal fragt es sich, worauf die gesetzlichen Bestimmungen, die ausgeschaltet werden sollen, gestützt sein müssen. Fest steht nur soviel,
dass die auf den Bundesbeschluss vom 30. August 1989 gestützten dazu gehören. Unsicherheit besteht aber schon darüber, ob auch jene gemeint sind, die sich auf den Beschluss vom Jahre 1945 über den Abbau der Vollmachten gründen. Das dürfte davon abhängen, ob auch dieser letztere Beschluss selbst ausser Kraft treten soll oder nicht. Ferner ist nicht ganz klar, ob die auf die dringlichen Bundesbeschlüsse gestützten Erlasse ebenfalls dazu gerechnet werden. Der deutsche Text spricht für die Verneinung, da das Wort «darauf» sich im Zweifel nur auf das unmittelbar vorausgehende Subjekt bezieht, d. h. auf den sog. Volhnachtenbeschluss (besser «Ermächtigungsbeschluss») vom Jahre 1939. Nach dem französischen Text aber scheint die ausdehnende Interpretation richtiger zu

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sein, weil hier Bezug genommen -wird auf «ces arrêtés» (in der Mehrzahl). Diese letztere Auslegung dürfte richtiger sein.

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Weiterbestehen keimten hingegen -- sonderbarerweise -- die alten Notrechtsbeschlüsse des Bnndesrates, d. h. solche, die sich auf die Vollmachten des Jahres 1914 stützen, sowie diejenigen, die auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (A. S. 49, 811) und des Bundesbeschlusses vom 29. September 198fi über wirtschaftliche Notmassnahmen (A. S. 52, 749) gefasst worden sind. ' Ähnliche Schwierigkeiten bereiten die Worte «oder sie abändernden» gesetzlichen Bestimmungen. Es fragt sich nämlich, welcher Erlasse Abänderung gemeint ist. Scheinbar bezieht sich dieser Passus auf die eben besprochenen Erlasse, d. h. auf den Ermächtigungsbeschluss 1939, eventuell auf denjenigen von.'1945, eventuell auch auf die - dringlichen Bundesbeschlüsse. Es spricht .aber manches dafür, dass nicht die Abänderung des Ermächtigungsbeschlusses getroffen werden soll, sondern nur die Abänderung jener Erlasse, die gestützt auf ihn ergangen sind. Überdies stellt sich die Frage, ob der abändernde Erlass als ganzer dahiufallen soll oder nur, soweit er eine Abänderung enthält. Die Worte «oder sie abändernden» schaffen also Verwirrung. Anderseits haben sie keinen positiven. Wert. Denn, entweder erfolgte die Abänderung wiederum durch einen dringlichen Bundesbeschluss oder auf dem Wege des Notrechts, und dann fällt sie ohnehin unter die Aufhebungsvorschrift; oder sie geschah auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung; in diesem Falle sollte sie aber nicht aufgehoben werden.

Endlich fragt es sich, was unter den «gesetzlichen Bestimmungen» («dispositions légales») zu verstehen ist, welche gestützt auf die erwähnten Beschlüsse erlassen worden sind oder sie abändern. Dem strikten Wortlaut nach wären nur eigentliche Gesetze, nicht auch andere Erlasse gemeint. Das wäre aber höchst widerspruchsvoll. Warum sollten gerade die durch Gesetz aufgestellten und vom Volke -- vielleicht sogar ausdrücklich -- bestätigten Vorschriften aufgehoben werden und nur diese, während die .andern (z. B. Bundesratsheschlüsso) unangefochten bleiben? Das wäre nicht «Bückkehr zur direkten Demokratie», eher das Gegenteil davon. Ausserdein gibt es gar keine Bundesgesetze, die gestützt
auf den Ermächtigungsbeschluss oder einen dringlichen Bundesbeschluss erlassen worden sind. In diesem Punkte wäre die Initiative also nicht nur widerspruchsvoll, sondern auch wirkungslos. Dagegen gibt es allerdings Bundesgesetze, welche Vollmachtenbeschlüsse des Bundesrates abändern. Für die Ausserkraftsetzung dieser vom Volke genehmigten Erlasse, welche einen Teil des Notrechts durch ordentliches Recht ersetzen, lassen sich aber keine Bechtfertigungsgründe finden. Es kommen noch andere Unklarheiten hinzu. So fragt sich z.B., ob die Initiative auch kantonale Erlasse, die sich auf den erwähnten Grundlagen aufbauen, beseitigen will.

Eine Lösung, die mit dein Titel der Initiative BÖ. sehr in Widerspruch gerät, kann unmöglich dem wirklichen Willen der Initianten entsprechen. Es

987 musa daher angenommen werden, dass es sich um eine ungenaue Formulierung handelt. Vielleicht glaubte man, mit den Worten «gesetzliche Bestimmungen» alle Vorschriften zu treffen, die nicht auf der Stufe des Verfassungsreehts stehen. Diese Worte wären dann also nicht im gesetzestechnischen, sondern in einem weiteren, populären Sinne zu verstehen. Inhaltlich würde das aber ebenfalls zu weit gehen, da es keinen guten Sinn hat, vom Volke anerkannte Gesetze ohne besondere Veranlassung einfach aufzuheben. Gemeint könnten demnach nur jene Erlasse sein, die -- entgegen dem Wortlaut -- nicht in Form eines Gesetzes oder einer Verfassungsvorschrift erlassen sind. Es ist jedoch klar, dass eine nachträgliche «Korrektur» des Textes, auf den sich die Unterzeichner gestützt haben, nicht in Frage kommen kann. Denn gemäss Artikel 8 des Bundesgesetzes ist der Initiativentwurf «so wie derselbe lautet» zur Volksabstimmung zu bringen. Der Text muss also unverändert zur Volksabstimmung gebracht werden, und er würde im Falle der Annahme in dieser Form in die Verfassung aufgenommen. Dass ein solcher Verfassungstext nur Verwirrung stiften könnte, bedarf keiner weiteren Begründung. Aber selbst abgesehen von den Worten «gesetzliche Bestimmungen», auf die ein guter Teil der Widersprüche zurückgeht, bleiben der Unklarheiten so viele, dass die Initiative schon aus diesen Gründen, ohne Rücksicht auf die materiellen Auswirkungen, schlechthin unannehmbar ist.

2. Ebenso unannehmbar ist das Volksbegehren wogen seiner materiellen A u s w i r k u n g e n . Um das zu erkennen, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, welche Erlasse auf Grund der Initiative sofort ausser Kraft treten müssten. Das hängt allerdings zu einem wesentlichen Teil von der Auslegung des vorgeschlagenen Textes ab.

a. Jedenfalls müssten alle dringlichen Bundesbeschlüsse, die seit dem Jahre 1874 gefasst worden sind und noch in Geltung stehen, dahinfallen.

Dazu gehören namentlich die folgenden: BB vom 2. Heumonat 1875 betreffend Leistungen der Stadt Bern an den Bundessitz (A. S. l, 598); BB vom 19. Dezember 1912 betreffend Errichtung eines Bundesamts für Sozialversicherung (A. S. 28, 802); BB vom 22. Dezember 1914 betreffend Änderung des Tarifgesetzes der Bundesbahnen (A. S. 30, 678); BB vom 18. Februar 1921 betreffend Abänderung des Zolltarifs (A. S, 37,129);
BB vom 16. April 1921 betreffend Beteiligung an der Hotel-Treuhand-Gesellschaft (A. S. 37, 309) ; BB vom 8. Juli 1932, 13. April 1933 und 22. Juni 1934 betreffend Errichtung einer eidgenössischen Darlehenskasse (A. S. 48, 337; 49, 251; 50, 496); BB vom 13. April 1933 betreffend Beteiligung des Bundes an der Diskontbank

in Genf (A. S. 49, 255); BB vom 8. Dezember 1988 betreffend Beteiligung des Bundes an der Volksbank (A. S. 49, 975);

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BB vom 29. September 1934 betreffend passiver Luftschutz (A. S. 50, 666); BB vom 29. September 1934 betreffend Kreditkassen mit Wartezeit (A. S.

50, 668); BB vom 18. März 1937 betreffend Pestungsgebiete (A. S. 53, 162); BB vom 6. Aprü 1939 betreffend Förderung des Ackerbaues (A. S. 58, 419); BB vom 22. Juni 1945 und 30. September 1938 betreffend Transport von Personen und Sachen mit Motorfahrzeugen (A. 8.61, 404; 56, 1299); BB vom 5. Oktober 1945 betreffend Anleihensgläubiger von Körperschaften des öffentlichen Eechts (A. S. 61, 825); BB vom 21. Dezembor 1945 und 22. Dezember 1938 betreffend Finanzordnung (A. 8.61, 1110; 54, 953); BB vom 3. Oktober 1947 betreffend Teuerungszulagen an das Bundespersonal für 1948 (A. S. 63, 1076); BB vom 8. Oktober 1947 betreffend Teuerungszulagen zu den Militärpensionen (A. 8.63, 1082); .

BB vom 8. Oktober 1947 betreffend Teuerungszulagen an Eentner der SUVA und an Bentenbezüger aus der Versicherung des militärischen und zivilen Arbeitsdienstes (A. 8. 63, 1081); BB vom S.Oktober 1947 betreffend Milderung der Notlage in den Trockengebieten (A. S. 63, 1088).

Die vorstehend erwähnten Beschlüsse sind alle mit der Dringlichkeitsklausel versehen und fallen daher unter den formellen Begriff der dringliehen Bundesbeschlüsse. Materiell stellen einzelne derselben (z. B. die Finanzordnung) zweifellos Notrecht dar. Mehrere sind von grosser Tragweite, so dass von ihrer sofortigen Aufhebung schwere Nachteile in wirtschaftlicher, finanzieller oder politischer Hinsicht zu befürchten wären. So würde das zweifellos zutreffen beim vorzeitigen Dahinfallen der Finanzordnung der Jahre 1938 und 1945.

Diese soll Zwar innerhalb kurzer Frist durch das ordentliche Becht ersetzt werden; bis dahin ist sie aber unentbehrlich. Ferner erwähnen wir z. B. die Abänderungen des Zolltarifs, auf denen der heutige Zolltarif zum grosseii Teil beruht, die Autotransportordnung, deren Wegfall die Sanierung des Transportwesens schwer schädigen müsste, die Aufhebung der eidgenössischen Darlehenskasse, des Bundesamtes für Sozialversicherung, des passiven Luftschutzes, sowie den Wegfall von Vorschriften über die Festungsgebiete und über die Leistungen der Stadt Bern an den Bundessitz. Von den aufgehobenen Bundesbeschlüssen müssten die meisten durch neue ersetzt werden. Bei vielen wäre die zeitliche Dringlichkeit
zweifellos gegeben, so dass ein dringlicher Bundesbeschluss zulässig wäre; bei andern wären neue Vollraachtenbesehlüsse vielleicht der einzige Ausweg aus einer Notlage des Staates, Es kann aber nicht behauptet werden, dass damit -- insbesondere mit der Ersetzung dringlicher Bundesbeschlüsse durch Vollmachtenbeschlüsse des Bundesrates -- die demokratischen Volksrechte besser gewahrt würden.

989 b. Von der Interpretation der Initiative hängt es ab, ob die beschränkten Vollmachten dahiiifallen sollen, die dem Bundesrat auf Grund des Bundesbeschlusses vom Jahre 1945 (A. 8,61, 1049) zustehen. Obwohl der Bundesrat von ihnen heute kaum mehr Gebrauch macht, um neue Materien zu regeln, ist der Zeitpunkt doch noch nicht gekommen, sie gänzlich fallen zu lassen. Ihre vorläufige Beibehaltung ist namentlich wichtig, um den Übergang vom Notrecht zur ordentlichen Eechtssetzung zu erleichtern (vgl. die Ausführungen der Botschaft vom 1. Juni 1945 betreffend den Abbau der Vollmachten, BEI. 1945, Bd. I, S- 693 ff.). In einer Eeihe von Fällen liegen bereits Entwürfe von Bundesgesetzen vor, welche einen Notrechtserlass ersetzen sollen ; mit einzelnen von ihnen haben sich die Bäte schon befasst; in andern Fällen sind wenigstens Vorarbeiten vorhanden. Es sei erinnert z. B. an die Gesetzesentwürfe über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes, über die Anleihonsgläubigergemeinschaft, über Teilrevision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes, über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, über die Lohnund Verdienstersatzordnung, über Arbeitslosenversicherung, über die Arbeit in Handel und Gewerbe, über den Zolltarif, über Transport auf Eisenbahnen und Schiffen und über Transport von Personen und Sachen mit Motorfahrzeugen, an den Entwurf eines Bundesbeschlusses über den Solidaritätsfonds in der Schifflistickerei sowie an die Vorlage zur Neuordnung des Finanzhaushalts.

Wie die Erfahrung zeigt, können der Abbau und der Übergang zum normalen Eecht nicht von einem Tag auf den andern vollzogen werden. Es braucht hiefür nicht nur viel Arbeit und Sorgfalt, sondern namentlich Zeit. In der Zwischenzeit muss aber zum mindesten die Möglichkeit gegeben sein, Notrechtserlasse ganz oder teilweise zu erneuern oder an neue Verhältnisse anzupassen, will man nicht schwere Nachteile in Kauf nehmen. Selbst eine Verschärfung getroffener Massnahmen kann sich ausnahmsweise als unvermeidlich erweisen.

Die gänzliche Streichung der Vollmachten wäre daher verfrüht und besonders im Hinblick auf die noch immer bestehenden internationalen Spannungen in der Wirtschaft und in der Politik unklug.

G. Wie oben (8. 6f.) ausgeführt wurde, will die Initiative möglicherweise auch alle geltenden Vollmachtenbeschlüsse des Bundesrates aufbeben.
Von den ca. 600 auf Grund der Vollmachten vom Jahre 1989 und vom Jahre 1945 gefassten Bundesratsbeschlüssen standen am 81. März 1948 (nach einer gedruckten Zusammenstellung) deren 118 in Kraft. Von diesen sollen im folgenden nur einige der wichtigeren erwähnt werden.

Vor allem sind jene Vollmachtenbeschlüsse des Bundesrates zu nennen, auf denen die Erhebung von Bundessteuern beruht (nämlich: Wehrsteuer, zusätzliche Wehrsteuer, neues Wehropfer, Warenumsatzsteuer, Luxussteuer, Verrechnungssteuer und Abzugseteuer auf Leistungen aus Lebensversicherung).

Die auf Grund dieser Erlasse erhobenen Steuern haben bis Ende 1947 einen Ertrag von ca. 3,4 Milliarden Franken ergeben (wovon ca. 0,3 Milliarden Franken den Kantonen auszurichten waren, während für das Jahr 1948 ein, solcher von ca. 700 Millionen Franken budgetiert ist (wovon ca. 100 Millionen

990 Franken an die Kantone fallen werden. Vgl. BB1. 1948, Bd. I, 8. 820 und 426 ff.). Mit der Neuregelung der Pinanzordnung werden sie allerdings dahinfallen; bis dahin kann aber auf sie nicht verzichtet werden.

Ferner erwähnen wir: BEB vom 9. April 1941 über die Seeschiffahrt unter der Schweizerflagge, auf dem unser Seerecht beruht; BEB vom 27. Dezember 1946 über die Zertifizierung schweizerischer Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten; BEB vom 7. September 1945 über die Auskunftspflicht auf Grund der Vor. Schriften betreffend Sperre und Anmeldung ausländischer Vermögenswerte in der Schweiz ; BEB vom 11. November 1941 über Änderung der Vorschriften über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts; BEB vom 7. März 1947 über Änderungen der fremdenpolizeilichen Eegelung; BEB vom 8. März 1946 betreffend Lockerimg der Beschränkungen für die Neugründung von Zeitungen, Zeitschriften usw.; BEB vorn 7. März 1947 betreffend Abbau von Bestimmungen zum Schutz der verfassungsmässigen Ordnung sowie derjenige vom 27. Februar 1945; BEB vom 3. Juli 1942 über. Errichtung eines Fonds zur Deckung von Neutralitätsverletzungsschäden an den in dor Schweiz gegen Feuer versicherten Objekten; BEB vom 28. März 1947 betreffend ausserordentliche Massnahmen auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes;.BEB vom 7. September 1943 über den Schutz schweizerischer Stauanlagen; BEB vom 2. Juni 1944 betreffend Vermehrung der armeetauglichen Motorlastwagen; BEB vom 20. August 1945 betreffend Festungsgebiete; BEB vom I.Oktober 1940 über die Ausdehnung des Ackerbaues; BEB vom 8. November 1944 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegs- und Nachkriegszeit, durch den vier Bundesbeschlüsse ersetzt worden sind; eine Eeihe von Bundesratsbeschlüssen, auf denen die Versorgung des Landes mit Getreide beruht, und auf die sich auch die Eationierung von Lebensmitteln stützte (Beschlüsse vom 17. Oktober 1939, 15. November 1940 und 29. Dezember 1947); die Bundesratsbeschlüsse, welche die Überwachung der Ein- und Ausfuhr im Interesse der Landesversorgung ermöglichen, insbesondere der bezügliche BEB vom 22. September 1989; BEB vom 25. Juni 1940 über die Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer mit technischen Bc-hstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten;

99Ï zahlreiche Bundesratsbeschlüsse, welche die Preiskontrolle auf verschiedenen Gebieten regeln, namentlich der BEB vorn 1. September 1939 über die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung; BEB vom 19. Januar 1940 über Massnahinen gegen die Bodenspekulation und Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter; BEB vom 15, Oktober 1941 betreffend Massnahinen gegen die Wohnungsnot (Mieterschutz) ; BEB vom 20. Dezember 1946 über Bewilligungspflicht zur Eröffnung und Erweiterung von Gasthöfen, mit Abänderung vom 29. Juni 1948; BEB vom 28. Dezember 1940 über die Portsetzung der Hilfsmaßnahmen für das schweizerische Hotelgewerbe; Bundesratsbeschlüsse über Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge (insbesondere BEB vom 14. Juli 1942, mit Abänderungen und Ergänzungen); mehrere Bundesratsbeschlüsse betreffend die Lohn- und Verdienstersatzordnung; .

BEB vom 80. Mai 1941 über die vorläufige Neuordnung der Bezüge und der Versicherung des Bundespersonals; verlängert bis Ende 1949; die Bundesratsbeschlüsse vom 81. Oktober 1941 und 27. Februar 1942 betreffend Abänderung des Bundesgesetzes über das Münzwesen ; BEB vom 16. Juni 1942 über Massnahinen zur Erhöhung der Produktion der Wasserkraftelektrizitätsworke ; EBB vom 24. März 1947 über die Erhebung von Taxzuschlägen bei den Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungen.

Es würde zu weit führen, hier für jeden einzelnen dieser Beschlüsse die Gründe anzuführen, aus denen er vorderhand noch beibehalten werden muss, und die Folgen seiner vorzeitigen Aufhebung darzutun. Vielmehr dürfte es genügen, ganz allgemein auf die nachteiligen Auswirkungen hinzuweisen, die eintreten müssten, wenn die speziell genannten und alle andern noch geltenden Vollmachtenbeschlüsse des Bundesrates mit einem Schlag ausser Kraft gesetzt würden (nähere Ausführungen hierüber finden sich übrigens bereits in der Botschaft vom 1. Juni 1945 betreffend den Abbau der Vollmachten, BB1.1945, Bd. I, S. 698 ff.). Man kann wohl ohne Übertretung sagen, dass der Staat dadurch in eine schwere Notlage versetzt würde, deren gefährlichsten Wirkungen nur durch neue Notrechtserlasse begegnet werden könnte. Der Bundesrat hätte dann nur die Wahl, entweder den Ereignissen tatenlos zuzusehen oder die aufgestellten Schranken bewusst zu durchbrechen.

Wie immer man also die Initiative
auslegen mag, in jedem Falle würde ihre Annahme zu schweren Erschütterungen, der Wirtschaft und der Eechtsordnung, ja zu einer ernstlichen Gefährdung derselben und vielleicht sogar des Staates selbst führen, Vor einem solchen gefährlichen Spiel muss der Bundesrat

992 eindringlich warnen. Er lehnt die Initiative auch aus materiellen Gründen ab.

Dies um so mehr, als der Abbau des ausserordetithchen Hechts schon heute zu einem erheblichen Teil durchgeführt ist, wie im folgenden noch näher dargetan werden soll.

3. Die Ausarbeitung eines Gegenvorschlages käme nur in Frage, wenn eine Änderung des gegenwärtigen Bechtszustandes nötig wäre, und wenn in einem «die nämliche Materie beschlagenden» Gegenentwurf (Artikel 10 des Bundesgesetzes) eine bessere Lösung gefunden werden könnte. Das ist indessen nicht der Fall.

Die der Initiative zugrunde liegende Tendenz ist zwar insoweit zu begrüssen, als sie darauf gerichtet ist, das Notrecht so rasch als möglich abzubauen und, wenn nötig, durch ordentliches Becht zu ersetzen. Aus dem "Wesen des Nol> rechts ergibt es sich, dass dieses nur für die Zeit der Not gelten soll. Selbst da, wo es sich bewährt hat und seine Bestimmungen für die ordentlichen Zeiten unerläßlich erscheinen, muss daher dem stimmberechtigten Bürger Gelegenheit gegeben werden, zu ihnen Stellung zu nehmen. Der Bundesrat hat das schon in der erwähnten Botschaft vom 1. Juni 1945 betont. Es kann aber nicht behauptet werden, dass es hiefür einer Verfassungsrevision bedürfte/Bezüglich des Abbaues der Volhnachtenbeschlüsse bestimmt bereits der Bundesbeschhiss vom G.Dezember 1945 das Nötige, indem Artikel 5 sagt: «Die gestützt auf Artikel 8 des Bundesbeschlusses vom 30. August 1939 getroffenen Massnahmen hat der Bundesrat ganz oder teilweise- aufzuheben oder einzuschränken, sobald die Verhältnisse es erlauben. Nur solche Massnahmen dürfen aufrechterhalten bleiben, die noch unumgänglich notwendig sind.» «Die Bundesversammlung kann diejenigen Massnahmen bezeichnen, deren Aufhebung oder Beschränkung sie verlangt.» Diesem Zwecke dienen namentlich die Vollmachtenberichte des Bundesrates. Sollten auch diese .Vorschriften als ungenügend empfunden werden, so besteht die Möglichkeit einer Abänderung des Bundesbeschlusses.

Jedenfalls aber wäre durch die Aufnahme derartiger Bestimmungen in dio Verfassung nichts gewonnen. Auch den Abbau des auf Bundesbeschlüssen beruhenden Notrechts haben die beiden Bäte in der Hand. Die heutige Fassung des Artikels 89 der Bundesverfassung dürfte daher genügen.

Tatsächlich ist denn auch das Notrecht schon heute, obwohl wir noch immer unter
ausserordentlichen Verhältnissen leben, zum grossen Teil weggefallen. So stehen von den 22 seit dem Jahre 1939 ergangenen dringlichen Bundesbeschlüssen heute nur noch 7 in Kraft. Davon wird einer (betreffend die Gläubigergenwinschaft) demnächst durch ein Bundesgesetz ersetzt; vier weitere (betreffend Teuerungszulagen und betreffend die Notlage in Trockengebieten) sind auf Ende dieses Jahres befristet ; für die beiden andern (die Autotransportordnung und die Finanzordnung) ist die Überführung in die ordentliche Gesetzgebung eingeleitet.

Von den früheren Bundesbeschlüssen, die dem Beferenduin nicht unterstellt wurden, gilt heute nur noch ein kleiner Teil. Soweit sie Notrecht enthalten.

993 sollen sie so bald als möglich aufgehoben oder durch ordentliches Becht ersetzt werden. Bei den andern hingegen wäre eine vorzeitige Aufhebung jedenfalls dann nicht begründet, wenn zeitliche Dringlichkeit gegeben war. Es bleiben also nur noch Bundesbeschlüsse des ordentlichen Eechts, die ohne zeitliche Dringlichkeit dem Referendum entzogen worden sind, sofern es solche überhaupt gibt. Von den heute noch geltenden Bundesbeschlüssen dürfte jedenfalls keiner von Bedeutung dazu gehören, dessen Aufhebung nicht schon vorbereitet ist.

Auch .die Vollmachtenbeschlüsse des Bundesratea sind zu einem grossen Teil bereits abgebaut. Die Vollmachtenberichte und die stark reduzierte Zahl de? geltenden Beschlüsse zeigen deutlich, dass der Bundesrat sich ernsthaft um die Normalisierung bemüht. Seine Vollmachtenbeschlüsse befassen sich vorwiegend mit der Aufhebung oder einer Lockerung früherer Erlasse oder mit einer kurzfristigen Erneuerung im Hinblick auf die baldige Aufhebung. Namentlich aber ist die Ersetzung von Notrecht durch ordentliches Becht in vollem Gange. Für den sofortigen Übergang zum ordentlichen Becht fehlt es weder an Vorschriften noch am guten Willen, sondern an den tatsächlichen Voraussetzungen.

Eine bessere Methode des Abbaues als die bisher angewendete, welch letztere sich übrigens schon beim Abbau des Notrechts des ersten Weltkrieges im allgemeinen bewährt hat, ist bisher nicht vorgeschlagen worden. Auch wir sind nicht in der Lage, eine solche vorzuschlagen. Bei jedem einzelnen Erlasä hegen besondere Verhältnisse vor und sind eine Beihe spezieller Umstände zu berücksichtigen. Man kann daher nicht durch einen Federstrich eine grössere Zahl von Erlassen beseitigen, ohne den Verhältnissen Zwang anzutun. In manchen Fällen kommt die Aufhebung eines Erlasses vernünftigerweise überhaupt nicht in Frage, solange nicht für einen Ersatz gesorgt ist (so z. B. beim Finanzhaushalt) ; in andern ist nur ein sukzessiver Abbau möglich ; in allen Fällen aber gilt es, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Nur die individuelle Behandlung jedes einzelnen Erlasses gibt die Möglichkeit, solchen Besonderheiten Bechnung zu tragen und berechtigte Interessen zu schützen, wie wir bereits in der Botschaft vom 1. Juni 1945 (BEI. 1945, Bd. I, S. 694) näher ausgeführt haben. Eine Verfassungsbestimmung könnte aber diese
Differenzierung nicht vornehmen, da es nicht möglich ist, die Umstände vorauszusehen, welche der Aufhebung noch entgegenstehen können.

Unter solchen Umständen muss von der Aufstellung eines Gegenvorschlages abgesehen werden. Dem Abbau des Notrechts soll aber auch in Zukunft die volle Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Da die endgültige Stellungnahme zu der vorliegenden Initiative davon abhängig ist, ob die erste Initiative (vom 23. Juli 1946) in der Volksabstimmung angenommen oder abgelehnt wird, unterbreiten wir Ihnen folgende zwei Eventualvorschläge :

994 1. Für den Fall, dass die erste Initiative in der Volksabstimmung abgelehnt wird, empfehlen wir Ihnen, in einem Bundesbeschluss festzustellen, dass die vorliegende zweite Initiative hinfällig geworden ist und dem Volk und den Ständen nicht zur Abstimmung vorgelegt wird; 2. für den Fall, dass die erste Initiative von Volk und Ständen angenommen wird, empfehlen wir Ihnen, die vorliegende zweite Initiative dem Volk und den Ständen mit dem Antrag auf Verwerfung und ohne Gegenvorschlag vorzulegen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 29. Juli 1948.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Celio Der Vizekanzler: Ch. Oser

995

(Entwurf zum ersten Vorschlag)

Bundesbeschluss übet

das zweite Volksbegehren betreffend Rückkehr zur direkten Demokratie Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in das zweite "Volksbegehren vom 27. Juli 1946 betreffend Eückkehr zur direkten Demokratie und in einen Bericht des Bundesrates vom 29. Juli 1948 sowie in einen Bericht des Bundesrates vom betreffend Feststellung des Ergebnisses der Volksabstimmung vom gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung und Artikel 5 und 8 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung, beschliesst:

Art. l Das zweite Volksbegehren vom 27. Juli 1946 betreffend Eückkehr zur direkten Demokratie hat folgenden Wortlaut: «Die unterzeichneten Schweizerbürger verlangen gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung die Aufnahme nachfolgender Bestimmungen in die Bundesverfassung : .Übergangsbestimmung zu Artikel 89Ws.

Alle vor Annahme des Artikels 89bls als dringlich erklärten Bundesbeschlüsse sowie der Bundesbeschluss vorn 30. August 1989 über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität (Vollmachtenbeschluss) treten mit den gestützt darauf erlassenen oder" sie abändernden gesetzlichen Bestimmungen spätestens am 20. August 1947 ausser Kraft.'» Art. 2 Es wird festgestellt, dass das vorliegende zweite Volksbegehren gegenstandslos und hinfällig geworden ist, da das erste Volksbegehren vom 23. Juli 1946, von dessen Annahme durch Volk und Stände es abhängig gemacht wurde, in der Volksabstimmung vom abgelehnt worden ist.

Das zweite Volksbegehren wird daher dem Volk und den Ständen zur Abstimmung nicht vorgelegt.

996 (Entwurf zum zweiten Vorschlag)

Bundesbeschluss Über

das zweite Volksbegehren betreffend Rückkehr zur direkten Demokratie

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht in das zweite Volksbegehren vom 27. Juli 1946 betreffend Bückkehr zur direkten Demokratie und in einen Bericht des Bundesrates vom 29. Juli 1948 sowie in einen Bericht des Bundesrates vom betreffend Feststellung des Ergebnisses der Volksahstimmung vom gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung und Artikel 5 und 8 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung, beschliesst:

Art. l .

Das zweite Volksbegehren vom 27, Juli 1946 betreffend Bückkehr zur direkten Demokratie hat folgenden Wortlaut : «Die unterzeichneten Schweizerbürger verlangen gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung die Aufnahme nachfolgender Bestimmungen in die Bundesverfassung: Übergangsbestimmung zu Artikel 89bis.

Alle vor Annahme des Artikels 89bis als dringlich erklärten Bundesbeschlüsse sowie der Bundesbeschluss vom SO. August 1939 über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität (Vollmachtenbeschluss) treten mit den gestützt darauf erlassenen oder sie abändernden gesetzlichen Bestimmungen spätestens am 20. August 1947 ausser Kraft.» '

Art. 2

Es wird festgestellt, dass das vorliegende zweite Volksbegehren, das von der Annahme des ersten Volksbegehrens vom 28. Juli 1946 durch",Volk und

997

Stände abhängig gemacht wurde, gültig geworden ist, nachdem das erste Volksbegehren in der Volksabstimmung vom angenommen wurde.

Das zweite Volksbegehren wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Art. 3 Dem Volke und den Ständen wird die Verwerfung des zweiten Volksbegehrens beantragt.

Art. 4 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

8082

Bundesblatt.

100. Jahrg. Bd. II.

68

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das zweite Volksbegehren betreffend Rückkehr zur direkten Demokratie (Vom 29. Juli 1948)

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1948

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30

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5497

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.07.1948

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