Richtlinien über die Mindestanforderungen an ein Datenschutzmanagementsystem (Richtlinien über die Zertifizierung von Organisation und Verfahren) vom 16. Juli 2008

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte, gestützt auf Artikel 11 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19921 über den Datenschutz (DSG) und auf Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung vom 28. September 20072 über die Datenschutzzertifizierungen (VDSZ), erlässt folgende Richtlinien:

1. Zweck Diese Richtlinien legen die Mindestanforderungen fest, die ein Datenschutzmanagementsystem (DSMS) erfüllen muss, damit Organisation und Verfahren nach Artikel 4 VDSZ zertifiziert werden können.

1

Sie bezwecken, ein Modell für die Einrichtung, Umsetzung, Durchführung, Überwachung, Überprüfung, Instandhaltung und Verbesserung eines DSMS zu liefern.

2

3

Sie decken alle Organisationsarten ab.

2. Definitionen Zusätzlich zu den Definitionen der Kapitel 3.1­3.16 der Norm ISO/IEC 27001:20053 bedeuten die folgenden Ausdrücke:

1 2 3

a.

Konformitätsmanagement: koordinierte Tätigkeiten einer Organisation mit dem Ziel, die für sie geltenden gesetzlichen und reglementarischen Voraussetzungen, insbesondere diejenigen betreffend Datenschutz, einzuhalten;

b.

Beurteilung der Nichtkonformität: gesamter Prozess der Analyse und der Bewertung der Nichtkonformität;

c.

Analyse der Nichtkonformität: die systematische Auswertung von Informationen mit dem Ziel, die Ursachen der Nichtkonformität zu identifizieren und die Nichtkonformität einzuschätzen;

SR 235.1 SR 235.13 «Informationssicherheits-Managementsysteme ­ Anforderungen», unter Lizenz auf Papier oder als PDF erhältlich bei www.iso.org.

2008-1896

7237

Richtlinien über die Mindestanforderungen an ein Datenschutzmanagementsystem

d.

Bewertung der Nichtkonformität: Prozess, in dem die eingeschätzte Nichtkonformität mit den festgelegten Kriterien verglichen wird, um die Bedeutung der Nichtkonformität zu bestimmen (leichte oder erhebliche Nichtkonformität);

e.

Behandlung der Nichtkonformität: Verfahren zur Auswahl und Umsetzung von Massnahmen zur Beseitigung einer Nichtkonformität4.

3. Realisierung Ein DSMS genügt den Mindestanforderungen, wenn es die bestehenden internationalen Normen erfüllt, insbesondere die Norm ISO 27001, die nach Absatz 2 auszulegen und im Sinne von Abschnitt 4 zu ergänzen oder abzuändern ist.

1

Die Anforderungen der Norm ISO 27001 betreffend das Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) sind wie folgt zu übernehmen: Einerseits ist anstelle des Begriffs Informationssicherheit (IS) der Begriff Datenschutz (DS) einzusetzen, andererseits ist Anhang A der Norm ISO 27001, der dem Inhaltsverzeichnis der Norm ISO/IEC 27002:20055 entspricht, durch die in Abschnitt 5 aufgeführten Ziele und Massnahmen zu ersetzen.

2

4. Umsetzung (Mindestanforderungen) Das durch die Organisation aufgestellte DSMS muss mindestens die in der Norm ISO 27001 aufgeführten Mindestanforderungen enthalten und gleichzeitig die folgenden datenschutzrechtlichen Aspekte berücksichtigen:

4

5

a.

Generell gilt, dass der Begriff der (Nicht-)Konformität in Bezug auf die Datenschutzvoraussetzungen systematisch denjenigen der Informationssicherheitsrisiken ergänzt. Somit ergänzt die Konformitätsanalyse die in der Norm ISO 27001 vorgesehene Risikoanalyse, wobei jede Nichtkonformität auszuschliessen ist.

b.

Spezifisch sind bei der Erstellung eines DSMS die folgenden Ziffern der Norm ISO 27001 wie folgt auszulegen: 4.2.1. a. Der Anwendungsbereich und die Grenzen des DSMS sind nach Artikel 4 Absatz 1 VDSZ zu definieren; 4.2.1. b. Die DSMS-Leitlinie entspricht der Datenschutzpolitik nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a VDSZ;

Alternativ kann eine Nichtkonformität auch vermieden werden, indem beispielsweise auf die betreffende Bearbeitung verzichtet wird. Eine Nichtkonformität darf hingegen weder akzeptiert noch übertragen werden.

«Leitfaden für das Informationssicherheits-Management», unter Lizenz auf Papier oder als PDF erhältlich bei www.iso.org.

7238

Richtlinien über die Mindestanforderungen an ein Datenschutzmanagementsystem

4.2.1. d 1. Insbesondere sind die Werte der Art Datensammlungen (Art. 3 Bst. g DSG) und deren Eigentümer, vorliegend also der Daten inhaber (Art. 3 Bst. i DSG), zu bestimmen; 4.2.1. g. Die in Abschnitt 5 aufgeführten eigentlichen Datenschutzziele und -massnahmen sind als Bestandteil dieses Prozesses auszuwählen, insoweit sie diese Anforderungen erfüllen können; 4.3.1. j6. Die Dokumentation des DSMS muss mindestens die Liste der nicht angemeldeten Datensammlungen (vgl. Abschnitt 5 Buchstabe h Ziffer 2) beinhalten.

5. Ziele und Massnahmen Bei der Erstellung des DSMS müssen folgende Ziele und Massnahmen7 erfüllt sein:

6 7

a.

Rechtmässigkeit (Art. 4 Abs. 1 DSG) 1. Rechtfertigungsgründe (Art. 13 DSG) 2. Gesetzliche Grundlage (Art. 17, 19 und 20 DSG) 3. Datenbearbeitung durch Dritte (Art. 10a Abs. 1 DSG)

b.

Transparenz 1. Treu und Glauben (Art. 4 Abs. 2 DSG) 2. Erkennbarkeit (Art. 4 Abs. 4 DSG) 3. Informationspflicht (Art. 7a Abs. 1 DSG)

c.

Verhältnismässigkeit 1. Verhältnismässige Bearbeitung (Art. 4 Abs. 2 DSG)

d.

Zweckbindung (Art. 4 Abs. 3 DSG) 1. Zweckbestimmung / Zweckänderung (Art. 3 Bst. i DSG) 2. Nutzungsbeschränkung

e.

Datenrichtigkeit 1. Datenrichtigkeit (Art. 5 Abs. 1 DSG) 2. Berichtigung von Daten (Art. 5 Abs. 2 DSG)

f.

Grenzüberschreitende Datenbekanntgabe (Art. 6 Abs. 1 DSG) 1. Angemessener Schutz (Art. 6 Abs. 2 DSG) Zusätzlicher Buchstabe zur Norm ISO 27001.

Die aufgeführten Ziele und Massnahmen stammen aus dem «Leitfaden für das Datenschutz-Management» (der Text kann unter www.edoeb.admin.ch eingesehen werden) und wurden entsprechend übernommen. Der Massnahmenkatalog ist nicht abschliessend und einer Organisation ist es freigestellt, zusätzliche Ziele oder Massnahmen zu berücksichtigen. Die Ziele und Massnahmen dieses Katalogs müssen bei der Durchführung des DSMS als Bestandteil des Prozesses ausgewählt werden. Der «Leitfaden für das Datenschutz-Management» enthält Umsetzungsempfehlungen und Leitlinien betreffend die besten Praktiken und dient als Unterstützung der vorgeschlagenen Massnahmen. Dieser Leitfaden entspricht der Norm ISO 27002 («Leitfaden für das InformationssicherheitsManagement»). Die 9 ausgewählten Ziele entstammen direkt aus dem DSG und die 20 dazugehörigen Massnahmen sind analog zur Norm ISO 27002 strukturiert.

7239

Richtlinien über die Mindestanforderungen an ein Datenschutzmanagementsystem

g.

Datensicherheit (Art. 7 DSG) 1. Datenvertraulichkeit 2. Datenintegrität 3. Datenverfügbarkeit 4. Datenbearbeitung durch Dritte (Art 10a Abs. 2 DSG)

h.

Registrierung der Datensammlungen (Art. 11a Abs. 1 DSG und Art. 12b Abs. 1 VDSG) 1. Anmeldepflicht (Art. 11a Abs. 2 et 3; Ausnahmen Art. 11a Abs. 5 Bst. e und f DSG) 2. Liste der nicht angemeldeten Datensammlungen (Art. 12b Abs. 1 Bst. b VDSG)

i.

Auskunftsrecht und Verfahren 1. Auskunftsrecht betreffend eigene Daten (Art. 8 Abs. 1 DSG) 2. Rechtsansprüche und Verfahren (Art. 15 und 25 DSG)

6. Inkrafttreten Diese Richtlinien treten am 1. September 2008 in Kraft.

16. Juli 2008

Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter: Hanspeter Thür

7240