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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verlängerung des Bundesbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (Vom 12. März 1948)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bundesbeschluss vom 23. Juni 1943 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (A. S. 59, 855), dessen Laufzeit bis Ende 1946 ging, ist durch Bundesbeschluss vom 30. August 1946 (A. S. 62,1055) in seiner Wirksamkeit bis zum 81. Dezember 1948 verlängert worden. Wir beehren uns hiemit, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss vorzulegen, der die Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1943 erneut verlängert und damit die einstweilige Fortführung der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen auf der bisherigen Grundlage ab 1. Januar 1949 ermöglicht.

I

Unter Hinweis auf das in den bundesrätlichen Geschäftsberichten und in der «Volkswirtschaft» über die Handhabung des Bundesbeschlusses Gesagte, sei zunächst festgestellt, dass der Bundesrat seit Bestehen des Bundesbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen bis Ende 1947 insgesamt 114 Beschlüsse gefasst hat, wodurch Gesamtarbeitsverträge allgemeinverbindlich erklärt wurden. Darunter befanden sich 49 voll ausgebaute Gesamtarbeitsverträge und 65 Abmachungen über Teuerungszulagen.

Die Kantonsregierungen ihrerseits haben in der gleichen Zeitspanne durch 130 Beschlüsse Allgemeinverbindlicherklärungen ausgesprochen, wobei aber auf Vorträge über Teuerungszulagen nur 12 Beschlüsse fallen. Das Jahr 1946 bezeichnete bisher den Höhepunkt, indem der Bundesrat 33 und die Kantone 32 Allgemeinverbindlicherklärungen aussprachen. 1947 ist ein gewisser Bück-

1214 gang eingetreten (Bundesrat 16, Kantone 17 Beschlüsse), und es kam auch zu einzelnen Abweisungen, doch ist zu beachten, dass die reinen Teuerungszulagen-Abkommen nur eine geringe Bolle spielten und die Allgemeinverbindlicherklärung sich in der Hauptsache auf voll ausgebaute Verträge bezog. Das Jahr 1947 war im weitern dadurch charakterisiert, dass der Bundesrat auf Grund der Autotransportordnung am 11. Februar 1947 eine besondere, sich auf Gesamtarbeitsverträge für Chauffeure beziehende Verordnung erliess, gestützt auf welche am 18.*Dezember 1947 ein Gesamtarbeitsvertrag für das Autotransportgewerbe allgemeinverbindlich erklärt wurde, der das bis jetzt umfangreichste Vertragswerk, darstellt.

Nimmt man noch dazu, dass im laufenden Jahr 1948 auch schon eine Eeihe von Verträgen die Allgemeinverbindlichkeit erhielten, so darf wohl gesagt werden, dass heute das Interesse an der Einrichtung der Allgemeinverbindlicherklärung unvermindert ist. Das liegt übrigens in der wachsenden Bedeutung des Gesamtarbeitsvertragswesens überhaupt begründet. Der Allgemeinverbindlicherklärung mit Ablauf des Jahres 1948 die Eechtsgrundlage entziehen, hiesse eine im Gange befindliche organische Entwicklung willkürlich abbrechen. Ein solches Vorgehen wäre um so weniger am Platee, als durch die am 6. Juli 1947 erfolgte Annahme der revidierten Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung Volk und Stände den Allgomeinverbindlicherklärungen eine ausdrückliche verfassungsmässige Grundlage gegeben haben (Art. 34ter, lit. c). Auf eine vom Volkswirtschaftsdepartement vorgenommene Umfrage hin haben denn auch sämtliche Kantone (soweit sie sich überhaupt äusserten) sowie die Spitzenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich die einstweilige Beibehaltung der Institution befürwortet.

II

Obwohl alles dafür spricht, dass auch nach dem 31. Dezember 1948 Gesamtarbeitsverträge sollen allgemeinverbindlich erklärt werden können, so bestehen doch Bedenken, dieser Institution bereits die endgültige Form zu geben und sie als dauernde Einrichtung der Bundesgesetzgebung einzuverleiben.

Sicher hat sich das Verfahren unter der Herrschaft des Verlängerungsbeschlusses vom 30. August 1946 weiterhin konsolidiert. Man sieht heute auch klarer, nach welchen Eichtungen eine Bereinigung der bestehenden Vorschriften und ein allfälliger Ausbau der Institution zu erfolgen hätte. Indessen brachten gerade die letzten Jahre verschiedene Schwierigkeiten, mit denen man sich im Verfahren auf Allgemeinverbindlicherklärung auseinanderzusetzen hatte und die sich um das Problem Preis-Lohn gruppieren. Vereinzelt musste Gesamtarbeitsverträgen die Allgemeinverbindlicherklärung versagt werden, weil bestimmte Lohnansätze über das durch die Teuerung gebotene Mass hinausgingen, ohne dass unterdurchschnittliche Vorkriegslöhne vorlagen. Es kam ferner gelegentlich zu Differenzen wegen der Nichtberücksichtigung von Verbänden durch die Vertragsparteien. Hinzu tritt, dass man bis jetzt mit der neuen Institution

1215 Erfahrungen nur in einer dem Gesamtarbeitsvertragswesen allgemein recht günstigen Wirtschaftsperiode sammeln konnte. Berücksichtigt man ferner, dass das Gesamtarbeitsvertragsrecht im ganzen ohnehin mit der Zeit eingehender gesetzlich geregelt werden sollte und die Allgemeinverbindlicherklärung in diesen Bereich gehört, so erscheint es erst recht angezeigt, mit der endgültigen Ordnung des Kechts der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen noch etwas zuzuwarten. Auch der Umstand, dass bei dem in Vorbereitung befindlichen Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Arbeit im Handel und in den Gewerben ein sich an das Verfahren für die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen anlehnendes System zur Schaffung von Verordnungsrecht geprüft wird, lässt es nicht geraten erscheinen, schon jetzt den Bundesbeschluss vom 23. Juni 1943 durch ein unbefristetes Bundesgesetz zu ersetzen.

Dieser Auffassung, dass eine gemeinsame Eegelung des Gesamtarbeitsvertragswesens und der Allgemeinverbindlicherklärung in einem einzigen Erlass angestrebt werden sollte und dass daher eine nochmalige Verlängerung der Laufzeit des gegenwärtig geltenden Bundesbeschlusses ohne eingreifende Änderungen das zweckmässigste wäre, haben sich im grossen und ganzen auch die Kantone und Spitzenverbände der Wirtschaft angeschlossen. Es wurden allerdings diese und jene Wünsche laut, doch können sie grösstenteils bei der Handhabung der bestehenden Vorschriften berücksichtigt werden. Soweit vereinzelt eigentliche Eevisionsvorschläge eingingen, sind sie im Zusammenhang mit dem später kommenden Aufbau der dauernden Eegelung zu prüfen. Es empfiehlt sich nicht, heute nur gewisse Einzelpunkte herauszugreifen; wenn einmal die geltenden Vorschriften revidiert werden, soll dies gesamthaft geschehen.

III Wenn wir demnach dazu gelangen, Ihnen eine nochmalige Verlängerung der Wirkungsdauer des in seinem Wortlaut unverändert bleibenden Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1943 vorzuschlagen, so wissen wir wohl, dass dieser Beschluss und die sich darauf gründende Praxis noch verbesserungsfähig sind.

Die den Erlass anwendenden Organe werden gut beraten sein, wenn sie ihn nach wie vor mit einer gewissen1 Zurückhaltung und insbesondere unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Wirtschaft sowie der besondern Struktur unseres
Verbandswesens anwenden. Bei dieser Gelegenheit darf allerdings die Feststellung gemacht werden, dass Klagen von Aussenseitern wegen der Handhabung allgemeinverbindlich erklärter Verträge äusserst selten sind. Der Bundesrat oder die Kantonsregierungen mussten bis jetzt auch nie von der ihnen gegebenen Befugnis einer zwangsweisen Änderung oder Aufhebung von Allgemeinverbindlicherklärungen Gebrauch machen.

Was die Frage betrifft, für wie lange die Eegelung von 1943 beibehalten werden soll, ist zu bedenken, dass schon angesichts vordringlicherer legislatorischer Aufgaben die Gesetzgebung über die Gesamtarbeitsverträgo wohl nic'ht

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bereits in nächster Zeit in Angriff genommen werden kann. Anderseits ist die gegenwärtig geltende Ordnung und die darauf aufgebaute Praxis immerhin in einem Masse befriedigend, dass es sich ohne weiteres rechtfertigt, die Verlängerungsperiode nicht zu kurz zu bemessen. Wir möchten daher vorschlagen, die Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1943 diesmal um fünf Jahre, d. h. bis zum 81. Dezember 1958, zu verlängern. Sollte sich jedoch schon vorher eine Totalrevision, d. h. der Einbau in ein Gesamtarbeitsvertragsgesetz, ermöglichen lassen, könnte der Verlängerungsbeschluss einfach entsprechend früher ausser Kraft gesetzt werden.

Wir empfehlen Ihnen somit, den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die nochmalige Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1943 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen gutzuheissen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 12. März 1948.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Celio

Der Bundeskanzler: Leimgruber

1217 (Entwurf)

Bimdesbeschluss übet

die nochmalige Verlängerung des Bundesbeechlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. März 1948, beschliesst :

Art. l Die Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 28. Juni 1948*) über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen wird bis zum 31. Dezember 1953 verlängert.

Art. 2 Der Bundesrat wird beauftragt, die Bekanntmachung dieses Beschlusses gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veranlassen.

Er setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesbeschlusses fest.

*) A. S. 69, 855.

7850

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1948

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5423

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18.03.1948

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