07.429 Parlamentarische Initiative Sanierung von belasteten Kugelfängen Fristverlängerung bis 2012 Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 27. Oktober 2008

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

27. Oktober 2008

Im Namen der Kommission Der Präsident: Toni Brunner

2008-2944

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Übersicht Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Umweltschutzgesetzes geht auf eine im März 2007 von Nationalrat Jakob Büchler eingereichte parlamentarische Initiative zurück, welche verlangt, dass die für eine Kostenbeteiligung des Bundes erforderliche Frist für die Sanierung von Schiessanlagen bis 2012 verlängert wird.

Nach geltendem Umweltschutzgesetz werden solche Abgeltungen gewährt, wenn nach dem 1. November 2008 keine Geschosse mehr ins Erdreich dringen. Diese Frist kann durch die Stilllegung der Anlagen oder die Umrüstung auf künstliche Kugelfänge eingehalten werden.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Frist für die Gewährung von Bundesbeiträgen zu verlängern und dabei zwischen Kugelfängen in Grundwasserschutzzonen, in denen Antimon ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt, und Kugelfängen in Zonen, in denen sie ein kleineres Umweltrisiko bedeuten, zu unterscheiden. In den Grundwasserschutzzonen soll die Frist bis 2012, in allen anderen Zonen bis 2020 verlängert werden.

Diese Unterscheidung soll die betroffenen Kreise ermutigen, mit der Sanierung der Kugelfänge fortzufahren, damit sich die Situation bei Ablauf der neuen Frist nicht mehr gleich präsentiert wie heute. Gleichzeitig soll so auch verhindert werden, dass durch eine zu kurz bemessene Frist die beschränkten personellen und finanziellen Mittel der Behörden absorbiert werden und dann bei dringenderen Altlastensanierungen fehlen.

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Bericht 1

Ausganglage

1.1

Parlamentarische Initiative

Am 23. März 2007 reichte Nationalrat Jakob Büchler eine parlamentarische Initiative ein, welche verlangt, die Frist für die Gewährung von Bundesbeiträgen zur Sanierung von Schiessanlagen bis 2012 zu verlängern. Nach geltendem Recht werden solche Abgeltungen gewährt, wenn nach dem 1. November 2008 keine Geschosse mehr ins Erdreich dringen. Das heisst, dass bis zu diesem Datum die Anlage entweder stillgelegt wird oder auf künstliche Kugelfänge umgerüstet sein muss.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates hat an ihrer Sitzung vom 23. Oktober 2007 die parlamentarische Initiative vorgeprüft und mit 22 Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen, ihr Folge zu geben.

Dieser Beschluss wurde gestützt auf Artikel 109 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG)1 der zuständigen Kommission des anderen Rates vorgelegt. Am 23. November 2007 stimmte die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates dem Beschluss ihrer Schwesterkommission mit 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu.

Nachdem die Kommissionen beider Räte der parlamentarischen Initiative Folge gegeben hatten, arbeitete die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates gestützt auf Artikel 109 Absatz 1 ParlG einen Erlassentwurf aus.

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (hiernach: die Kommission) hat diese Gesetzesänderung an ihren Sitzungen vom 8. Januar 2008 und 8. April 2008 beraten.

Am 8. April 2008 nahm die Kommission einstimmig einen Vorentwurf an und gab ihn darauf in die Vernehmlassung.

Die Kommission hat den Gesetzesentwurf ohne Änderung am 27. Oktober 2008 einstimmig angenommen.

Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) unterstützt.

1.3

Vernehmlassungsergebnisse

Die Vernehmlassung wurde am 16. April 2008 eröffnet und dauerte bis zum 16. Juli 2008. Bis zu diesem Datum gingen 40 Stellungnahmen ein. Die Gruppe der Vernehmlassungsteilnehmenden besteht aus 2 politischen Parteien, den 26 Kantonen 1

SR 171.10

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und der Schweizerischen Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK), 3 Gemeindeverbänden, 1 Gemeinde, 3 Wirtschaftsverbänden, 2 Schiesssportverbänden, der Schweizerischen Offiziersgesellschaft sowie 1 Umweltverband.

Die überwiegende Mehrheit stimmt einer Fristverlängerung zu, allerdings gehen die Meinungen zur Ausgestaltung dieser Verlängerung auseinander. Während 26 Vernehmlassungsteilnehmende eine Staffelung der Frist über 2012 hinaus begrüssen, möchten 9 Kantone und die BPUK für sämtliche Anlagen nicht über die Frist von 2012 hinausgehen, da eine zu lange Frist ihrer Meinung nach falsche Zeichen setzen würde und die heute aktiven Gemeinden damit schlecht belohnt würden. 4 Vernehmlassungsteilnehmende fordern gar eine kürzere Frist als 2012.

Was die Pauschalabgeltung betrifft, so stimmen 33 von 40 Vernehmlassungsteilnehmenden dieser grundsätzlich zu. 5 davon allerdings nur, wenn bei nachweisbar höheren Sanierungskosten ein individueller Abgeltungssatz von 40 % zum Tragen käme. Die Kantone und die BPUK unterstützen die vorgeschlagene Pauschalabgeltung von 8000 Franken/Scheibe mit grosser Mehrheit (22 Stände). 5 dieser Kantone wollen allerdings, dass sich die Abgeltung auf alle je beschossenen Scheiben bezieht, also auch auf heute stillgelegte. Lediglich 7 Vernehmlassungsteilnehmende, darunter 4 Kantone, lehnen eine Pauschalabgeltung völlig ab.

2

Grundzüge der Vorlage

In der Schweiz gibt es ca. 6000 Kugelfänge bei Schiessanlagen. Diese weisen dermassen hohe Metall-Belastungen auf, dass sie umweltrechtlich als Altlasten zu bezeichnen sind und somit saniert werden müssen. Weniger als 2000 dieser Kugelfänge sind heute noch in Betrieb. Bei diesen ist eine Altlastensanierung aber nur dann sinnvoll, wenn nach der Sanierung nicht weiter in den Boden geschossen wird.

Durch Umrüstung auf so genannte künstliche Kugelfangsysteme kann dies erreicht und damit ein weiterer Schiessbetrieb ermöglicht werden. Diese Sanierungen sind in den nächsten rund 25 Jahren entsprechend ihrer Umweltgefährlichkeit schrittweise durchzuführen. Aus technischen Gründen ist es oft notwendig und aus finanziellen Überlegungen zudem sinnvoll, gleichzeitig mit der Umrüstung auch die Altlastensanierung durchzuführen.

Das Umweltschutzgesetz (USG)2 sieht in Artikel 32e Absatz 3 Buchstabe c vor, dass die Kantone bei der Altlastensanierung dieser Kugelfänge generell Abgeltungen des Bundes von 40 % der anrechenbaren Kosten erhalten. Im Rahmen der USGRevision von 20053 wurde die Frist für die Umrüstung oder Stilllegung als Abgeltungsvoraussetzung auf den 1. November 2008 festgesetzt. Damit wollte das Parlament ermöglichen, dass auch die im Rahmen der Lärmsanierungen Ende 90iger-Jahre stillgelegten Kugelfänge in den Genuss von Bundesabgeltungen für Altlastenmassnahmen gelangen.

In der Zwischenzeit ist man in weiten Kreisen zur Auffassung gelangt, dass ein Anreiz geschaffen werden soll, den Eintrag von Blei und Antimon durch das Schiesswesen in den natürlichen Untergrund möglichst weitgehend zu vermeiden.

Hierzu müssten die heute noch betriebenen ca. 2000 Kugelfänge umgerüstet oder 2 3

SR 814.01 AS 2006 2677 2680

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stillgelegt werden. Viele Kantone und Gemeinden sind nun der Ansicht, dass die im USG gesetzte Frist bis 1. November 2008 aus verschiedenen Gründen dafür nicht ausreicht. Die langen Entscheidungswege bei vielen Schützenvereinen, zu knappe Budgettermine in den Gemeinden und absehbare Engpässe bei den zurzeit einzigen zwei Herstellern von künstlichen Kugelfangsystemen sind die am häufigsten genannten Hindernisse.

Obwohl die Notwendigkeit einer Fristverlängerung unbestritten ist, wurde auch die Befürchtung geäussert, dass die angelaufenen Aktivitäten mit einer blossen Fristerstreckung um vier Jahre ins Stocken geraten könnten und sich die Situation im Jahr 2011 noch gleich präsentieren wird wie heute. Schliesslich besteht auch die Gefahr, dass durch eine zu kurz bemessene Frist die beschränkten personellen und finanziellen Mittel bei Kantonen und Bund absorbiert werden und dann bei wesentlich dringenderen Altlastensanierungen fehlen.

Damit bei der Altlastensanierung Prioritäten gesetzt werden können, beantragt die Kommission, die Frist für die Gewährung von Bundesbeiträgen für Grundwasserschutzzonen bis 2012 zu verlängern, für alle anderen Zonen bis 2020.

3

Erläuterungen zu den beantragten Änderungen

Art. 32e Abs. 3 Bst. c USG Die Umrüstung und Sanierung der Kugelfänge ist zwar absolut notwendig, deren Realisierung ist im Vergleich zu anderen Umweltanliegen aber nicht bei allen Schiessanlagen von höchster Dringlichkeit. Eine hohe ökologische Dringlichkeit für die Stilllegung oder Umrüstung von Kugelfängen besteht primär in Grundwasserschutzzonen. Vor allem grössere Mengen des sehr mobilen und giftigen Halbmetalls Antimon, welches den Geschossen mit 5 % beigemischt wird, gefährdet nahe gelegene Trinkwasserfassungen stark. Hier ist eine rasche Umrüstung oder Stilllegung bis 2012 angezeigt (Ziff. 1 von Bst. c). Davon wären ca. 10­20 % aller Kugelfänge (d.h. 200­400 Standorte) betroffen.

Die übrigen Anlagen ausserhalb der Grundwasserschutzzonen stellen ein kleineres Umweltrisiko dar und eine Umrüstung oder Stilllegung bis 2020 wird dem Gefährdungspotenzial gerecht (Ziff. 2 von Bst. c). Oft besteht hier vor allem eine Gefährdung der Bodenfruchtbarkeit in eng begrenzten Bereichen. Wie bisher können diese Gefahren aber vorübergehend mit Nutzungsbeschränkungen gebannt werden.

Mit diesem gestaffelten Vorgehen bestünde somit genügend Zeit, den Weiterbetrieb bzw. die Stilllegung für alle Anlagen geordnet zu planen und vorerst mit einer überschaubaren Anzahl Objekte die Umrüstung bis 2012 an die Hand zu nehmen. Es ist davon auszugehen, dass bei sich entwickelndem Bedarf auch die heute knappen Kapazitäten bei den Lieferanten von künstlichen Kugelfangsystemen zunehmen, insbesondere wenn ein längerfristiges und planbares Auftragsvolumen in Aussicht steht. Die in der ersten Staffel gesammelten Erfahrungen kämen dann dem Hauptteil der Anlagen in der zweiten Staffel zugute. Schliesslich bleibt den Kantonen daneben genügend Kapazität für die Bewältigung dringenderer Altlastensanierungen.

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Art. 32e Abs. 4 USG Da es sich oft lohnt, die Sanierung gleichzeitig mit der Umrüstung durchzuführen, sollte der Aufwand für das Abgeltungsverfahren des Bundes möglichst klein sein.

Eine Pauschalabgeltung wie das USG dies bereits heute für die Katastererstellung vorsieht, würde eine deutliche Entlastung bei Bund und Kantonen bringen. Nach bisherigen Erfahrungen der Verwaltung bei der Gewährung von Abgeltungen kostet die Altlastensanierung bei 300-Meter-Anlagen durchschnittlich 19 000 Franken pro Scheibe. Dabei streuen die Kosten beim Grossteil der Sanierungen zwischen 13 000 und 23 000 Franken pro Scheibe. Keine Sanierung kostete weniger als 9000 Franken/Scheibe. Eine Pauschalabgeltung von 8000 Franken/Scheibe würde im Schnitt dem Abgabesatz von 40 % entsprechen.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Umrüstung auf künstliche Kugelfänge kostet ca. 4000 Franken/Scheibe, bei einer durchschnittlichen Anlage von 8 Scheiben also ca. 30 000 Franken/Anlage.

Geht man davon aus, dass von den noch betriebenen Anlagen mindestens 1500 weiterbetrieben werden sollen, so kostet die Umrüstung schweizweit um die 50 Millionen Franken. Diese Kosten müssen vollumfänglich von den Gemeinden getragen werden, denn der Bund sieht hierfür keine Abgeltungen vor.

Die altlastentechnische Sanierung kostet bei einer durchschnittlichen Anlage mit 8 Scheiben rund 150 000 Franken. Für die Sanierung der bisher stillgelegten ca.

4000 Kugelfänge entstünden damit schweizweit Kosten von 600 Millionen Franken.

Die mit einer nochmaligen Fristerstreckung dazukommenden bis zu 2000 Anlagen würden also Kosten von 300 Millionen Franken verursachen. Diese Kosten müssten zu 60 % von den Verursachern (Schützenvereine, Gemeinden, Landbesitzer, Kantone, Armee) und zu 40 % vom Bund getragen werden.

Diese neuen Kosten von bis zu 120 Millionen Franken bringen den «Altlastenfonds» des Bundes an sein Limit, müssten doch jährlich zusätzliche 5­10 Millionen Franken bereitgestellt werden. Diese Ausgaben können nur gedeckt werden, wenn auch tatsächlich alle Abgaben von den Deponien beigebracht werden können und die Ausgaben für die Altlastenmassnahmen strikt auf das gesetzlich Notwendige beschränkt werden.

4.2

Vollzugstauglichkeit

Mit einer pauschalen Abgeltung von 8000 Franken pro Scheibe wird sichergestellt, dass die Gewährung von Abgaben an die Sanierung von Schiessanlagen für Bund und Kantone mit einem minimalen Vollzugsaufwand erfolgt. Die Vorlage ist deshalb vollzugstauglich.

Im Vollzug ergibt sich allerdings nach Ablauf der aktuell gültigen Frist vom 1. November 2008 eine Unsicherheit. Solange die vorgesehene Fristverlängerung nicht beschlossen und in Kraft gesetzt ist, kommen Anlagen, welche am 1. November 2008 nicht umgerüstet oder stillgelegt waren, nicht in den Genuss von Bundesabgeltungen.

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5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Sanierung von Altlasten ist in allen europäischen Staaten zu einer dringenden Aufgabe geworden. Eine ganze Reihe Länder hat deshalb seit Ende der 80iger-Jahre staatliche Finanzierungsinstrumente zur Förderung von Altlastensanierungen eingeführt, wie z.B. Österreich, Frankreich, Belgien, Schweden, Grossbritannien oder Finnland. Häufig basieren diese Finanzierungsinstrumente auf der in der EU-Deponierichtlinie vorgesehenen Deponieabgabe zur Reduktion der Abfallablagerung; sie sind damit mit dem schweizerischen Modell vergleichbar. Generell ist die Schweiz mit der vorgesehenen durchschnittlichen Abgabe von ca. 10 /Tonne abgelagertem Abfall im europäischen Vergleich sehr moderat. Spezielle Abgeltungsvoraussetzungen für Schiessanlagen kennen andere europäische Staaten nicht.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stützen sich auf Artikel 74 der Bundesverfassung4, welcher den Bund verpflichtet, Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen und lästigen Einwirkungen zu erlassen und dafür zu sorgen, dass solche Einwirkungen vermieden werden.

Diese Verfassungsbestimmung bildet eine ausreichende Grundlage für den Erlass der vorgeschlagenen Gesetzesvorschriften.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegende Gesetzesänderung führt keine Delegationsnormen zum Erlass von gesetzesvertretendem Verordnungsrecht ein.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 22 Absatz 1 ParlG erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes.

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