Bericht des Bundesrates über die Bedrohungslage und die Tätigkeiten der Sicherheitsorgane des Bundes im Jahr 2007 vom 2. April 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten ihnen vorliegenden Bericht gemäss Artikel 27 Absatz 1 Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zur Kenntnisnahme.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. April 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Übersicht In Anwendung von Artikel 27 Absatz 1 Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) orientiert der Bundesrat jährlich oder nach Bedarf die eidgenössischen Räte, die Kantone und die Öffentlichkeit über seine Beurteilung der Bedrohungslage und über die Tätigkeiten der Sicherheitsorgane des Bundes.

Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) forderte im Frühjahr 2007 den Bundesrat auf, die bisherige Praxis der Veröffentlichung des jährlichen Berichts über die innere Sicherheit der Schweiz durch das Bundesamt für Polizei (fedpol) zu prüfen ­ insbesondere, wie eine breitere, politisch bewertete Berichterstattung erfolgen kann, die auch einen vollständigen Überblick über die Aktivitäten der mit der inneren Sicherheit betrauten Bundesstellen gibt.

Der Bundesrat beauftragte am 27. Juni 2007 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), einen Vorschlag über die künftige Anwendungspraxis von Artikel 27 Absatz 1 BWIS zu unterbreiten. Der Bundesrat beschloss am 14. November 2007, dass diese Berichterstattung jährlich für das jeweils zurückliegende Jahr im Rahmen des Geschäftsberichtes, erstmalig für 2008 aber als Sonderbericht erfolgen soll.

Der Bundesrat stellt fest, dass sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und insbesondere durch den Dschihadismus die Bedrohungslage sukzessive verschärft hat. Der Dschihadismus beschränkt sich in der Schweiz hauptsächlich auf Propaganda, Logistik und Finanzierung zugunsten von Gruppierungen, die auf bestimmten Schauplätzen wie etwa dem Irak aktiv sind. Dabei werden die Möglichkeiten des Internets zur Kommunikation, Propaganda, Rekrutierung und Ausbildung immer häufiger genutzt. Islamistisch motivierte Gruppen internationalisieren sich aber unter dem Einfluss der al-Qada vermehrt.

Es bleibt wahrscheinlich, dass sich der ausländische politisch motivierte Gewaltextremismus weiterhin hauptsächlich auf Propaganda, Logistik und Finanzierung zugunsten in der Heimat aktiver Gruppierungen beschränkt. Er hat ein unverändert hohes Gewaltpotenzial, dessen Realisierung in der Schweiz von dramatischen Ereignissen in der Heimat abhängig bleibt.

Der Schweizer Rechts- und Linksextremismus gefährdet die innere Sicherheit der Schweiz lokal und punktuell. Hingegen akzentuierte sich ­ was nicht immer in Zusammenhang mit gewalttätigem
politischem Extremismus stand ­ die Bedrohungslage für die Magistratspersonen; die Anzahl Drohungen gegen Magistraten sowie gegen Parlamentarierinnen und Parlamentarier nahm im vergangenen Jahr zu. Bei den völkerrechtlich geschützten Personen blieb die latente Bedrohungslage generell unverändert, und auch im Bereich der diplomatischen Einrichtungen blieb die Gefährdungslage auf gleich hohem Niveau.

Hinsichtlich der Proliferation, des verbotenen Nachrichtendienstes, der organisierten Kriminalität und der Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen veränderte sich die Lage im Jahr 2007 gegenüber den Vorjahren kaum. Im Bereich Prolifera-

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tion wurde in den vergangenen Jahren das Interesse an Nukleartechnologie in weiten Teilen der Welt deutlich. Dadurch wird sich der Kreis der potenziellen Nuklearstaaten in den nächsten Jahren mit den entsprechenden Konsequenzen für die Kontrollorgane in der Schweiz erweitern. Im Bereich der Cyberkriminalität ist aufgrund technischer Innovationen mit rasch ändernden Bedrohungsformen zu rechnen.

Sofern nicht die Kantone oder andere Bundesstellen zuständig sind, führen gemäss BWIS fedpol, innerhalb von fedpol der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) und der Bundessicherheitsdienst (BSD) die Massnahmen durch. Der DAP und der BSD arbeiten zur Aufgabenerfüllung intensiv mit den Kantonen und anderen in- und ausländischen Stellen zusammen.

Die Sicherheitsorgane des Bundes verrichten ihre Arbeit erfolgreich. Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass seit längerer Zeit die Nachrichtenbedürfnisse für die Lagebeurteilung und Entscheidfindung, aber auch für die rechtzeitige Erkennung verborgener Gefahren nicht mehr ausreichend und dem europäischen Standard genügend befriedigt werden können. Der Bundesrat hat deswegen den eidgenössischen Räten am 15. Juni 2007 seine Botschaft zur Änderung des BWIS (Besondere Mittel der Informationsbeschaffung) vorgelegt.

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Bericht 1

Einleitung

Der Bundesrat orientiert mit vorliegendem Bericht gemäss Artikel 27 Absatz 1 Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120) die eidgenössischen Räte, die Kantone und die Öffentlichkeit über seine Beurteilung der Bedrohungslage und über die Tätigkeiten der Sicherheitsorgane des Bundes im vorangegangenen Jahr 2007. Die Themengebiete der Berichterstattung beziehen sich auf den Regelungsbereich des BWIS. Der Begriff «Bedrohungslage» bezieht sich in diesem Kontext auf Themen der inneren (und damit verwobenen äusseren) Sicherheit im zivilen Bereich, jedoch nicht auf andere, etwa militärische Bedrohungsformen. Analog wird der Begriff «Sicherheitsorgane des Bundes» in diesem Bericht auf diejenigen Bundesstellen bezogen, die mit dem Vollzug des BWIS beauftragt sind, das heisst primär auf den Dienst für Analyse und Prävention (DAP) und den Bundessicherheitsdienst (BSD) im Bundesamt für Polizei (fedpol). Ab Berichtsjahr 2008 wird der Bundesrat diesbezüglich im Rahmen seines jährlichen ordentlichen Geschäftsberichts Bericht erstatten (Bundesratsbeschluss vom 14. November 2007). Er verweist gleichzeitig auf die detaillierte jährliche Lageanalyse von fedpol im «Bericht Innere Sicherheit der Schweiz» und den 2008 erstmals publizierten Tätigkeitsbericht von fedpol.

2

Bedrohungslage

2.1

Bedrohung durch Terrorismus

Der Dschihadismus ist die weltweit feststellbare, dem Terrorismus der al-Qada nahestehende islamistische Strömung. Die Schweiz liegt in der westeuropäischen Gefahrenzone des Dschihadismus, gilt jedoch nicht als primäres Ziel islamistisch motivierter Terroristen, obwohl sie unter Dschihadisten als sogenannter «Kreuzfahrerstaat» bezeichnet wird.

Namentlich in Grossbritannien, Dänemark und Deutschland erkannte man im Berichtsjahr an den operativen Zellen, dass es in Europa das Phänomen des homegrown terrorism (hausgemachter Terrorismus) im Bereich des Dschihadismus gibt und welche Gefahr von ihm ausgeht. In der Schweiz wurden bisher konkrete Vorbereitungshandlungen für Anschläge nicht endgültig nachgewiesen.

Die Gefährdung durch politisch motivierten Terrorismus europäischer Herkunft ging in den letzten Jahren zurück.

2.2

Bedrohung durch Gewaltextremismus

Die Anzahl der der rechtsextremen Szene zuzurechnenden Personen und ihrer Aktivitäten bleibt stabil. Insgesamt war 2007 festzustellen, dass Rechtsextreme aggressiver gegen die Sicherheitsbehörden auftraten und dass sie ihre Aktivitäten häufiger konspirativ organisierten.

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Die linksextreme Szene konzentrierte sich auf den sogenannten Antifaschismus, das heisst in ihrem Verständnis den Kampf gegen das kapitalistische System und die demokratische Staatsordnung, und auf Solidaritätsaktionen zugunsten inhaftierter, ideologisch nahestehender oder propagandistisch instrumentalisierbarer Personen.

Die ausländischen politisch motivierten gewaltextremistischen, namentlich kurdischen, tamilischen und südosteuropäischen Gruppen konzentrieren sich in der Schweiz auf Propaganda, Logistik und Finanzierung zugunsten der Aktivitäten in der Heimat. Sie haben ein unverändert hohes Gewaltpotenzial.

2.3

Zusammenfassende Beurteilung der Bedrohung durch Terrorismus und Gewaltextremismus

Der Dschihadismus ist die derzeit grösste terroristische Gefährdung der inneren Sicherheit der westlichen Länder, während politisch motivierte gewaltextremistische Gruppen schweizerischer oder ausländischer Herkunft die innere Sicherheit der Schweiz derzeit kaum gefährden, hierzu jedoch durchaus Potenzial haben.

Der Dschihadismus konzentriert sich in der Schweiz hauptsächlich auf Propaganda, Logistik und Finanzierung zugunsten von Gruppierungen, die auf bestimmten Schauplätzen wie etwa dem Irak aktiv sind. Dabei werden die Möglichkeiten des Internets zur Kommunikation, Propaganda, Rekrutierung und Ausbildung immer häufiger genutzt. Im vergangenen Jahr war jedoch auch zu beobachten, dass sich islamistisch motivierte Gruppen wie etwa die zur al-Qada im islamischen Maghreb mutierte algerische Groupe salafiste pour la prédication et le combat (GSPC) zunehmend einer internationalistischen Rhetorik im Geiste der al-Qada bedienen.

Noch ist nicht klar, ob dies neben vermehrten Anschlägen gegen ausländische Ziele im Heimatland auch zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit lokalen Zellen in Europa führen wird.

Die Lage bei den ausländischen politisch motivierten gewaltextremistischen, namentlich kurdischen, tamilischen und südosteuropäischen Gruppen ist weiterhin als ruhig, aber gespannt zu beschreiben. Ob es zu Gewalttaten in der Schweiz kommt, bleibt von dramatischen Ereignissen in der Heimat abhängig.

Der Rechts- wie auch der Linksextremismus gefährdet die innere Sicherheit der Schweiz lokal und punktuell.

2.4

Bedrohung von Magistratspersonen, völkerrechtlich geschützter Subjekte und Objektschutz

Die Bedrohungslage für die Magistratspersonen veränderte sich 2007 spürbar. An symbolträchtigen Tagen wie dem 1. Mai oder dem Nationalfeiertag sowie bei weiteren offiziellen und inoffiziellen Terminen der Bundesräte kam es zu unfriedlichen Aktionen. Die Anzahl Drohungen gegen Magistraten sowie gegen Parlamentarierinnen und Parlamentarier nahm in der Berichtsperiode zu, weswegen der Aufwand beim Bundessicherheitsdienst (BSD) für Abklärungen und Analysen erheblich intensiver und umfangreicher wurde. Bei den völkerrechtlich geschützten Personen blieb die latente Bedrohungslage generell unverändert. Internationale Grossveranstaltungen und regionale Konflikte führten immer wieder zu Protesten und Störun2773

gen. Auch im Bereich der diplomatischen Einrichtungen blieb die Gefährdungslage auf gleich hohem Niveau. Der Irakkrieg und der Kampf der USA gegen den Terrorismus liessen keine wesentliche Veränderung der Sicherheitsmassnahmen zu.

Hinsichtlich der Bundesobjekte blieben im Zusammenhang mit politisch heiklen Themen und Entscheidungen die Auswirkungen wie Proteste und Sachbeschädigungen ebenfalls im Rahmen früherer Jahre. Die Bedrohung des zivilen Luftverkehrs durch terroristische Zellen zeigt, dass Verkehrsflugzeuge weiterhin als Mittel zur Durchführung terroristischer Aktionen dienen können.

2.5

Bedrohung durch unkonventionelle Kampfstoffe, Proliferation

Nachrichtendienstlichen Hinweisen zufolge befassen sich islamistische Terrorgruppen mit der Möglichkeit des Einsatzes sogenannter «schmutziger Bomben». Dabei wird mittels konventionellen Sprengstoffs radioaktives Material in die Umwelt verteilt. Obwohl noch kein derartiger Anschlag erfolgte, muss die Gefährdung wegen der zu erwartenden gravierenden Auswirkungen ernst genommen werden.

Deshalb verfügt der Bund über einen entsprechenden Vorsorgeplan, wiewohl auch hier die Schweiz nicht als primäres Ziel der Terroristen zu gelten hat.

Ein Interesse der Proliferationsstaaten gilt allgemein der Schweizer Qualität und besonders einer Anzahl von Firmen aus dem Hochtechnologiesegment. Das Augenmerk der Exportkontrolle gilt vor allem den Dual-use-Gütern, die unter das Güterkontrollgesetz fallen. Im Herbst 2004 startete der DAP das Fahndungs- und Präventionsprogramm Prophylax. Die gezielten Sensibilisierungs- und Präventionsmassnahmen bei potenziell betroffenen Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen zeigen gute Erfolge. Das in den vergangenen Jahren deutlich gewordene Interesse an Nukleartechnologie in weiten Teilen der Welt wird den Kreis der potenziellen Nuklearstaaten in den nächsten Jahren mit den entsprechenden Konsequenzen für die Kontrollorgane in der Schweiz erweitern.

2.6

Bedrohung durch organisierte Kriminalität

Gewisse Formen der organisierten Kriminalität stellen nach wie vor eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Schweiz dar. Insbesondere kriminelle Organisationen aus dem Raum der GUS sowie aus Südosteuropa weisen ein solches Potenzial auf.

Die Schweiz ist zudem auch von organisierter Kriminalität aus anderen Ländern oder Regionen wie namentlich Italien, China und Westafrika betroffen.

Organisierte Kriminalität aus der GUS wird in vielen europäischen Staaten als Bedrohung wahrgenommen. Finanzkräftige Investoren, deren Verwicklung in die organisierte Kriminalität oder deren Zugehörigkeit zu kriminellen Organisationen oft unklar und schwierig zu beweisen sind, sind nach wie vor sehr aktiv und weiten ihren Aktionsradius auf verschiedene Wirtschaftszweige aus. Zwischen einigen dieser kriminellen Organisationen und Nachrichtendiensten aus diesem Raum wurden Formen der Zusammenarbeit festgestellt. In dieser Mischung von finanziellem Potenzial und daraus resultierender Einflussnahme auf Politik und Wirtschaft und den Bezügen zu ausländischen Nachrichtendiensten liegt die besondere Gefahr dieser Strukturen.

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Organisierte Kriminalität aus Südosteuropa ist ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Kriminalität in ganz Europa. In einigen europäischen Staaten scheinen kriminelle Gruppen aus Südosteuropa ihre Aktivitäten zu intensivieren. Die Strukturen der organisierten Kriminalität aus Südosteuropa basieren auf transnationalen Netzwerken, und sie treten vor allem im illegalen Betäubungsmittel-, Waffen- und Menschenhandel in Erscheinung. In den Herkunftsländern verfügen diese Strukturen über sehr gute Verbindungen zu Politik und Gesellschaft. Es bestehen Hinweise, dass sie auch in jenen Ländern, in denen sie ihre kriminellen Aktivitäten entfalten, versuchen, auf Gesellschaft und Wirtschaft Einfluss zu nehmen. In der Schweiz dominieren die kriminellen Gruppen aus Südosteuropa, hauptsächlich Gruppen ethnischer Albaner, den Heroinmarkt.

2.7

Bedrohung durch verbotenen Nachrichtendienst

Spionage erreichte in den letzten Jahren wieder ein grösseres Ausmass. Dieses wird in der Schweiz auch durch den Umstand beeinflusst, dass viele internationale Institutionen hier ihren Sitz haben. Einige Ausländergemeinschaften werden von ihren Herkunftsstaaten ausgeforscht. Die Schweiz als Wirtschafts- und Forschungsstandort ist attraktiv für Wirtschaftsspionage, die auch durch staatliche Akteure mit elektronischen Mitteln betrieben wird. So wurden 2007 die Netzwerke von Schweizer Behörden, von Rüstungsunternehmen oder Firmen mit staatlichen Aufträgen ­ zumeist erfolglos ­ angegriffen.

2.8

Bedrohung durch Cyberkriminalität

Die gezielte staatliche oder private Industriespionage, Dschihadismus im Internet und wirtschaftskriminelle Aktivitäten standen 2007 im Bereich Cyberkriminalität im Vordergrund. Dies gilt auch für die Verbreitung von kinderpornografischem Material im Internet.

Verstärkt wird eine arbeitsteilige Organisation und ein professionelles Vorgehen der Akteure festgestellt. Der Einsatz von Botnetzen (mit Malware infizierte private Computer, die von Dritten ferngesteuert werden) ist das wichtigste Instrument der Wirtschaftskriminellen.

2.9

Bedrohung im Umfeld von Sportanlässen

Die Anzahl der Gewalttäter im Umfeld von Sportanlässen bleibt konstant. In der obersten Fussballliga werden die Spiele der Mehrheit der Mannschaften von gewaltbereiten Fans begleitet. Insgesamt ist in der Schweiz unverändert von etwa 1500­2000 gewaltbereiten Fans auszugehen, darunter 200­300 klassische Hooligans mit hoher Gewaltbereitschaft. Dieser harte Kern der Hooligans ist gut organisiert und sucht hauptsächlich den Kampf gegen andere Hooligangruppen. Dabei fällt auf, dass der Sport zunehmend als Plattform für sportfremde Zwecke benutzt wird.

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3

Tätigkeiten der Sicherheitsorgane des Bundes

3.1

Strukturen, Tätigkeiten und Zusammenarbeit

3.1.1

Struktur des DAP

fedpol führt die Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit durch, soweit diese Aufgaben vom Bund wahrzunehmen und keinem anderen Organ übertragen sind. Innerhalb von fedpol erfüllt der DAP mit insgesamt rund 140 Stellen die Aufgaben des Bundesamtes (Art. 2 Abs. 1 und 2 Verordnung vom 27. Juni 2001 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit VWIS; SR 120.2). Als Inlandnachrichtendienst beschafft der DAP in den Bereichen Terrorismus, gewalttätiger Extremismus, verbotener Nachrichtendienst und Proliferation Informationen und wertet sie aus. Zuständig für die gemäss Artikel 14 BWIS eingeschränkte Beschaffung ist die Abteilung Operationen. Für die Aufarbeitung und Verteilung der Informationen zuständig ist die Abteilung Informationsmanagement und Cybercrime, die unter anderem die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) und den operativen Teil der Melde- und Analysestelle Informationssicherung (MELANI) umfasst. Zuständig für die Auswertung ist die Abteilung Analyse.

Im DAP befinden sich zudem die Zentralstellen für Sprengstoff und Pyrotechnik, für Waffen und für Nonproliferation sowie das Verbindungsbüro, der Ausländerdienst, das Bundeslagezentrum (BLZ) und der Fachbereich Personensicherheitsprüfungen, der im Auftrag der Informations- und Objektsicherheit VBS Abklärungen durchführt.

Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Sicherheit des Landes und den Schutz der Bevölkerung. Sie koordinieren ihre Anstrengungen im Bereich der inneren Sicherheit (Art. 57 Abs. 1 und 2 BV; SR 101). Der Bund unterstützte die Tätigkeiten der Kantone zur Wahrung der inneren Sicherheit im Berichtsjahr mit 8,4 Millionen Schweizer Franken, das heisst mit 84 Stellen, die in den Kantonen für Staatsschutzaufgaben eingesetzt werden.

Übersicht über die Stellen des DAP

Zentralstellen 10%

Ausländerdienst 5%

Stab 5%

Leitung 6% Operationen 18%

Verbindungsbüro 4%

Bundeslagezentrum 7% Analyse 18%

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Infomanagement Cybercrime 27%

3.1.2

Tätigkeiten des DAP

Die BWIS-relevanten Stellen im DAP wurden im Berichtsjahr etwa zu 45 Prozent im Bereich Terrorismus, zu 30 Prozent im Bereich Gewaltextremismus (inklusive Hooliganismus), zu 15 Prozent im Bereich Proliferation und zu 10 Prozent im Bereich verbotener Nachrichtendienst eingesetzt.

Die BWIS-relevanten Meldungen und Erkenntnisse waren zu rund 40 Prozent im Bereich Terrorismus, zu rund 33 Prozent im Bereich Gewaltextremismus, zu rund 17 Prozent im Bereich Proliferation und zu rund 10 Prozent im Bereich verbotener Nachrichtendienst zu verzeichnen. Die Einträge im informatisierten StaatsschutzInformations-System ISIS zu Gewaltpropaganda und Hooliganismus machten zusammen nicht ein halbes Prozent aus. Zum gleichen Zeitpunkt waren rund 260 Personen wegen Gewalttätigkeiten in der Datenbank zur Bekämpfung der Gewalt bei Sportanlässen (Hoogan) erfasst, die während des Berichtsjahres sukzessive in Betrieb genommen wurde. Die Abklärungen von Kobik mündeten in rund 700 Verdachtsdossiers zuhanden der zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Der DAP bereitet sicherheitspolitisch begründete Fernhaltemassnahmen vor und führt sie durch (Art. 2 Abs. 2 VWIS). Im Jahr 2007 wurden 165 Einreiseverbote verfügt, davon 85 Prozent im Zusammenhang mit Gewaltextremismus. Namentlich wurden 17 Einreiseverbote gegen Mitglieder ausländischer Skinheadbands und 117 im Zusammenhang mit dem World Economic Forum in Davos erlassen.

In Anwendung der Artikel 19­21 BWIS führt die nationale Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen im VBS (Departementsbereich Verteidigung, Stab CdA, Informations- und Objektsicherheit) Personensicherheitsprüfungen in Zusammenarbeit mit dem DAP durch. Dieser ist namentlich für die Erhebung der Daten zuständig. Im Jahr 2007 wurden bei der Fachstelle rund 36 000 Personensicherheitsprüfungen bei Bundesangestellten, Armeeangehörigen, Angestellten der Kantone oder Dritten eingeleitet, wovon etwa die Hälfte an den DAP zur vertieften Abklärung weitergeleitet wurden.

Seit 2002 informiert fedpol nebst politischen Entscheidungsträgern in Bund und Kantonen und den Strafverfolgungsbehörden die Öffentlichkeit mit dem jährlichen «Bericht Innere Sicherheit der Schweiz». Politische Entscheidungsträger in Bund und Kantonen sowie die Strafverfolgungsbehörden waren Adressaten eines halben Dutzends weiterer Berichte aus allen
Bereichen des BWIS. Das BLZ unterstützte im Jahr 2007 die Kantone anlässlich des World Economic Forum, des Tages der Arbeit, des G8-Gipfels im deutschen Heiligendamm und der Bundesfeier mit einem nationalen Nachrichtenverbund und einer elektronischen Lagedarstellung. Es erstellte an jedem Werktag einen Lagebericht für die Kantone und die Bundesverwaltung und wöchentlich Lageberichte mit Analysen und Kommentaren für den Gesamtbundesrat, den Vorsteher EJPD, die Kantone und die Bundesverwaltung.

Die Tätigkeiten des DAP werden departementsintern jährlich auf die Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit durch das Inspektorat EJPD überprüft. 2007 betraf dies die Anwendung der Weisung vom 26. August 2004 über die Berichterstattung betreffend die Tätigkeiten zur Wahrung der inneren Sicherheit gemäss BWIS, die Gesamtbeurteilung der Liste der zu beobachtenden Organisationen gemäss Artikel 17 Absatz 3 VWIS und die Datenbearbeitung im neu eingeführten elektronischen Informationssystem Hoogan. Weiter wurden wie jedes Jahr die Fahndungsprogramme und Operationen geprüft. Die GPDel wurde regelmässig über 2777

die Tätigkeiten des DAP und die allgemeine Lageeinschätzung unterrichtet. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) liess sich über die Entwicklung der Datenbank Hoogan orientieren und bearbeitete verschiedene Einsichtsgesuche ins ISIS. Das Bundesverwaltungsgericht überprüfte gemäss Artikel 18 Absatz 2 BWIS in mehreren Fällen die Mitteilung des EDÖB, die er an ISISEinsichtsgesuchsteller gerichtet hatte.

3.1.3

Zusammenarbeit des DAP

Der DAP arbeitet mit in- und ausländischen Partnern zusammen. Im Inland sind dies namentlich die Kantone, die Bundeskriminalpolizei (BKP) und der BSD in fedpol, der Strategische Nachrichtendienst (SND) und der Militärische Nachrichtendienst (MND), beide im VBS, das Grenzwachtkorps (GWK) im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD), die Politische Direktion im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD). Der DAP leistet Beiträge zur Lagebeurteilung und Früherkennung in den Organen der sicherheitspolitischen Führung des Bundesrates (Sicherheitsausschuss, Stab Sicherheitsausschuss und Lenkungsgruppe Sicherheit).

3.1.3.1

Inlandnachrichtendienst und Strafverfolgung

Zur Wahrung der Sicherheit der Schweiz ist sowohl nachrichtendienstliche Prävention als auch Repression durch die Strafverfolgungsbehörden notwendig.

Der DAP ist beauftragt, die Staatsleitungs- und die Polizeiorgane des Bundes und der Kantone frühzeitig über Gefährdungen im Bereich der inneren Sicherheit zu informieren, damit rechtzeitig Abwehrmassnahmen getroffen werden können.

Die Strafverfolgungsorgane des Bundes sind die BKP und die Bundesanwaltschaft.

Bei der Strafverfolgung geht es darum, einen bereits vorhandenen Straftatverdacht und die damit zusammenhängende Frage der individuellen Tatschuld justizförmig zu klären. Anders als der DAP können die Strafverfolgungsbehörden im Zuge ihrer strafrechtlichen Ermittlungen nötigenfalls prozessuale Zwangsmittel anwenden.

In ihrer Eigenschaft als kriminalpolizeiliche Zentralstelle erfüllt die BKP die Aufgabe der repressiven Früherkennung. Ihre Aufgabe ist es, die komplexen und grenzüberschreitenden Phänomene der Schwerstkriminalität, die gemäss Artikel 337 Strafgesetzbuch (StGB) in die Strafverfolgungskompetenz des Bundes fallen, zu erkennen und zu bekämpfen.

DAP und BKP sind verpflichtet, die bei ihnen anfallenden Informationen, welche in den gesetzlichen Aufgabenbereich der anderen Stelle fallen, unverzüglich an diese weiterzugeben, falls nicht die Weitergabe dieser Informationen aus überwiegenden öffentlichen Interessen oder anderen Gründen wie zum Beispiel dem Datenschutz eingeschränkt werden muss oder zu unterbleiben hat.

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3.1.3.2

Zusammenarbeit mit dem Auslandnachrichtendienst

Gemäss Bundesratsbeschluss vom 22. Juni 2005 arbeiten der DAP und der SND in den Bereichen Terrorismus, organisierte Kriminalität und Proliferation seit Anfang 2006 auf drei gemeinsamen Auswertungs- und Analyseplattformen zusammen. Die Plattformen bearbeiten einzelne grössere gemeinsame Analyseprojekte und erstellen jeden Monat gemeinsame oder gegenseitig konsultierte Beiträge zur ordentlichen Lagedarstellung für die Lenkungsgruppe Sicherheit und den Sicherheitsausschuss des Bundesrates. Darüber hinaus werden Anfragen gemeinsamer Partnerdienste fallweise abgeglichen, koordiniert und gemeinsam bearbeitet. Die Plattform Proliferation bearbeitet schwerpunktmässig fallspezifische Abklärungen zugunsten der Arbeitsgruppe Exportkontrolle beziehungsweise von Partnerdiensten.

3.1.3.3

Zusammenarbeit mit dem Ausland

Der DAP arbeitet in Anwendung der Artikel 8 und 17 Absatz 3 BWIS und Artikel 6 VWIS eng mit ausländischen Behörden, die Aufgaben zugunsten der inneren Sicherheit erfüllen, zusammen und vertritt die Schweiz in internationalen Gremien.

Seit vielen Jahren wird der Austausch sicherheitsrelevanter Informationen laufend ausgebaut und intensiviert, sei es auf einer bilateralen oder auf einer multilateralen Basis. Im Einzelnen pflegt der DAP einen kontinuierlichen Nachrichtenaustausch mit Partnerdiensten aus verschiedenen Staaten oder ausländischen Organisationen wie zum Beispiel der UNO und der EU. Er ist auch Mitglied in vier informellen multilateralen Gremien: ­

im Club de Berne, dem europäische Inland- und Sicherheitsnachrichtendienste angehören,

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in der Middle European Conference (MEC), die auch Wege zur Zusammenarbeit mit den wichtigsten zivilen Nachrichtendiensten Südosteuropas ermöglicht,

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in der Counter-Terrorism Group (CTG), zusammengesetzt aus je einem nationalen Dienst aus jedem EU-Staat sowie aus Norwegen und der Schweiz,

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in der Police Working Group on Terrorism (PWGT) der polizeilichen AntiTerroreinheiten aus 28 Ländern.

Die PWGT tagt zweimal, die CTG sechsmal und deren Untergruppen mehrmals pro Jahr. Die Mitgliedschaft des DAP in diesen internationalen Gremien erschliesst der Schweiz für ihre Sicherheit unabkömmliche Informationen. Dies gilt nicht zuletzt für den Austausch von wichtigen Informationen im präventiven Bereich und die sofortige Lagebeurteilung nach wichtigen Ereignissen und Anschlägen.

3.2

Personen- und Objektschutz des BSD

Der BSD sorgt in Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden für den Schutz der Behörden und der Gebäude des Bundes sowie der Personen und Gebäude, für die der Bund völkerrechtliche Schutzpflichten erfüllen muss (Art. 22 Abs. 1 BWIS).

Unter die zu schützenden Personen fallen völkerrechtlich geschützte Personen, 2779

Magistratspersonen des Bundes, Bedienstete des Bundes, die besonders gefährdet sind, sowie die eidgenössischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Ausübung ihres Amtes (Art. 6 Abs. 1 Verordnung vom 27. Juni 2001 über das Sicherheitswesen in Bundesverantwortung; SR 120.72). Für die Beurteilung von Anlässen und die Anordnung der Massnahmen zugunsten der vorgenannten Persönlichkeiten an die für die Schutzmassnahmen zuständigen Polizeikorps stehen insgesamt zwölf Mitarbeitende des Bereichs Personenschutz im Einsatz. Der Bereich Sicherheitsbeauftragte Luftverkehr ist für die Rekrutierung, die Ausbildung und den Einsatz von Sicherheitsbeauftragten an Bord schweizerischer Luftfahrzeuge im internationalen Luftverkehr zuständig. Diese Aufgabe wird von fünf Mitarbeitenden wahrgenommen. Der Dienst für Information und Auswertung Schutz und Sicherheit legt mit seiner Informations- und Analysetätigkeit die Basis für alle Massnahmen und Entscheide des BSD. Diese Aufgabe nehmen vier Mitarbeitende wahr. Schliesslich sind etwa 120 Mitarbeitende (inklusive Bewachungs- und Logendienste sowie Teilzeitangestellte) im Bereich der baulich-technischen und operativen Sicherheit der Gebäude des Bundes im In- und Ausland tätig.

Die Abgeltung der Kantone für die Durchführung von Sicherheitsmassnahmen nach Artikel 28 Absatz 2 BWIS belief sich im Jahr 2007 auf 22 Millionen Franken und wird sich in den kommenden Jahren weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen.

Der Budgetposten ausserordentliche Schutzaufgaben der Kantone und Städte von fedpol wurde für das Jahr 2008 um 10 Millionen Franken auf rund 13,6 Millionen Franken gekürzt. Es handelt sich aber nicht um eine Einsparung, da der Bundesrat am 30. Mai 2007 die finanzielle Zuständigkeit für die Unterstützung der zivilen Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen dem VBS übertragen und für die künftige Abgeltung 10 Millionen Franken vom EJPD ins VBS transferiert hat.

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Beurteilung

Festzuhalten bleibt, dass sich die Bedrohungen der inneren Sicherheit der Schweiz seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und insbesondere durch den Dschihadismus sukzessive verschärft haben. Daran hat sich auch im Berichtsjahr nichts geändert. Zwar kann festgestellt werden, dass die Sicherheitsorgane des Bundes ihre Arbeit erfolgreich verrichten. Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass seit längerer Zeit die Nachrichtenbedürfnisse für die Lagebeurteilung und Entscheidfindung, aber auch für die rechtzeitige Erkennung verborgener Gefahren nicht mehr ausreichend und dem europäischen Standard genügend befriedigt werden können. Der Bundesrat hat deswegen den eidgenössischen Räten am 15. Juni 2007 seine Botschaft zur Änderung des BWIS (Besondere Mittel der Informationsbeschaffung) vorgelegt (07.057, BBl 2007 5037).

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