08.412, 08.413, 08.414, 08.415 Parlamentarische Initiativen Extranet. Zugang für Fraktionssekretariate zu Unterlagen kommissionseigener Geschäfte Bericht des Büros des Nationalrates vom 18. September 2008

Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung der Parlamentsverwaltungsverordnung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

18. September 2008

Im Namen des Büros Der Präsident: André Bugnon

2008-2382

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Seit dem 1. Januar 2008 werden die Kommissionsprotokolle und -unterlagen auf einem geschützten Informatiksystem (Extranet) zugänglich gemacht (vgl. Art. 6a der Parlamentsverwaltungsverordnung, ParlVV, SR 171.115, Revision vom 6. Oktober 2006). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionssekretariate haben umfassende Zugriffsrechte auf Kommissionsprotokolle und -unterlagen, welche einen Erlassentwurf, eine parlamentarische Initiative, eine Standesinitiative, eine Motion im Zweitrat, eine Petition oder einen Bericht (ohne jene der Oberaufsicht) betreffen (vgl. Art. 6a Abs.2 Bst. d in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 ParlVV).

Die Freisinnig-demokratische Fraktion, die Sozialdemokratische Fraktion, die Grüne Fraktion und die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei haben in der Frühjahrssession gleichlautende parlamentarische Initiativen eingereicht, welche verlangen, dass die Fraktionssekretariate auch die Protokolle und Unterlagen zu kommissionseigenen Geschäften der Legislativkommissionen erhalten.

Dieses Begehren stützt sich auf die frühere, allerdings uneinheitliche Praxis, vor der Einführung des Extranets, wonach die Fraktionssekretariate ­ entgegen der rechtlichen Regelung ­ auch viele Protokolle und Unterlagen zu kommissionseigenen Geschäften der Legislativkommissionen erhalten haben.

Die Verwaltungsdelegation hat am 9. Mai 2008 im Sinne einer Übergangslösung beschlossen, dass die Fraktionssekretariate in der Regel je ein Exemplar der Unterlagen und Protokolle zu den kommissionseigenen Geschäfte der Legislativkommissionen erhalten, bis die beiden Räte über die vier parlamentarischen Initiativen entschieden haben und eine Revision in Kraft treten kann.

Die beiden Büros haben am 28. beziehungsweise am 29. August 2008 dem Anliegen der Fraktionen zugestimmt und den parlamentarischen Initiativen Folge gegeben.

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Grundzüge der Vorlage

Der Entwurf sieht vor, dass die Fraktionssekretariate grundsätzlich Anspruch auf alle Kommissionsprotokolle und -unterlagen der Legislativkommissionen und der Büros haben. Zur Zeit haben 34 Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter Zugriff im Extranet. Sie haben gemäss Artikel 62 des Parlamentsgesetzes (ParlG) das Amtsgeheimnis zu wahren. Die vorgeschlagenen Änderungen sprechen nur von den Kommissionsprotokollen. Gemäss Artikel 8 ParlVV gelten die vorgeschlagenen Regelungen auch für die Kommissionsunterlagen.

Der Entwurf nimmt zudem Rücksicht auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Vertraulichkeit und den Geheimnisschutz. Diese verlangen, dass besonders sensible Daten nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich gemacht werden. Die Kommissionspräsidentin oder der Kommissionspräsident kann daher auf eine Zustellung oder Bereitstellung für die Fraktionssekretariate verzichten, wenn dies durch überwiegende private oder öffentliche Interessen gerechtfertigt ist.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 6 Abs 4 Einleitungssatz Die Zugriffsrechte der Fraktionen werden neu in einem separaten Artikel geregelt (vgl. Art. 6b des Entwurfs). Aus diesem Grund werden die Fraktionssekretariate im Einleitungssatz nicht mehr erwähnt. Die Mitglieder beider Räte erhalten weiterhin nur auf Wunsch die Protokolle und Unterlagen in den in Artikel 6 Absatz 4 aufgelisteten Fällen.

Art. 6b (neu)

Zugriffsrechte der Fraktionssekretariate im Extranet

Der Entwurf sieht in Absatz 1 Buchstabe a vor, dass die Fraktionssekretariate wie bisher alle Kommissionsprotokolle und -unterlagen erhalten, welche Erlassentwürfe, parlamentarische Initiativen, Standesinitiativen, Motionen im Zweitrat, eine Petition oder einen Bericht (ohne jene der Oberaufsicht) betreffen (vgl. Art. 6 Abs. 4 ParlVV).

In Absatz 1 Buchstabe b wird die Forderung der vier Fraktionen verankert, wonach die Fraktionssekretariate auch Zugriff auf die kommissionseigenen Geschäfte der Legislativkommissionen erhalten. Unter den Begriff kommissionseigene Geschäfte fallen all jene Geschäfte, welche keine offizielle Geschäftsnummer haben und nur in der Kommission traktandiert sind. Es handelt sich insbesondere um Protokolle und Unterlagen zu folgenden Geschäften oder Themen: Konsultationen in aussenpolitischen Angelegenheiten (vgl. Art. 152 ParlG), Konsultationen zu Verordnungsentwürfen (vgl. Art. 151 ParlG), Aussprachen innerhalb der Kommission, wie beispielsweise über ihre Arbeitsweise, Aussprachen oder Informationen mit dem Bundesrat oder Bundesverwaltung usw. Der Verweis auf die Geschäftsreglemente ermöglicht auf eine Aufzählung der einzelnen Kommissionen zu verzichten und regelt trotzdem klar, welche Kommissionen betroffen sind. Es sind dies die Aussenpolitischen Kommissionen, die Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur, die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit, die Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie, die Sicherheitspolitischen Kommissionen, die Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen, die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben, die Staatspolitischen Kommissionen, die Kommissionen für Rechtsfragen und die Kommission für öffentliche Bauten des Nationalrates.

Das Büro des Nationalrates beantragt weiter, die Forderung der vier Fraktionen auf die Protokolle und Unterlagen der Büros auszudehnen (Art. 6b Abs. 1 Bst. c des Entwurfs). Es vertritt die Auffassung, dass beispielsweise die Protokolle und Unterlagen der Büros, welche die Sessionsplanung, die Jahresplanung oder die Zuteilung der Geschäfte an die Kommissionen betreffen für die Vorbereitungsarbeiten der Fraktionssekretariate sehr wichtig sind.

In Absatz 2 wird die geltende Regelung übernommen, wonach die Fraktionssekretariate die Protokolle und Unterlagen in Papierform erhalten, soweit sie
elektronisch nicht verfügbar sind. Umfangreiche Unterlagen werden weiterhin sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form zur Verfügung gestellt (vgl. Art. 8 Abs. 2 ParlVV).

In Absatz 3 des Entwurfs ist vorgesehen, dass es die Aufgabe der Kommissionspräsidentin oder des Kommissionspräsidenten ist, auf die Zustellung oder Bereitstellung der Protokolle über kommissionseigene Geschäfte zu verzichten, wenn dies durch 8221

überwiegende private oder öffentliche Interessen gerechtfertigt ist. Diese Aufgabe nimmt gestützt auf Artikel 9 ParlVV für die Protokolle und Unterlagen der Büros die Präsidentin oder der Präsident wahr. Überwiegende öffentliche Interessen liegen beispielsweise vor, wenn die Bekanntgabe die Wirksamkeit von wichtigen Massnahmen vereiteln könnte, die innere Sicherheit sowie die Verfolgung und Verhütung von Straftaten oder eine disziplinarische Untersuchung gefährdet, wichtige Wirtschaftsinteressen des Bundes beeinträchtigt, die Verhandlungen mit ausländischen Staaten oder Organisationen gefährdet, wichtige Interessen im Rahmen der Landesund Gesamtverteidigung vereitelt (vgl. auch Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 1. März 2001, BBl 2001 3526). Überwiegende private Interessen liegen vor, wenn eine Massnahme zum Schutze der Persönlichkeit oder aus Rücksicht auf ein hängiges Verfahren getroffen wird. Beispielsweise eine Kommission, welche eine Aussprache führt über die Art und Weise wie ein Präsident oder eine Präsidentin eine Kommission leitet oder die Beratungen im Büro über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ein Ratsmitglied.

Die Protokolle und Unterlagen zu den Gesuchen um Aufhebung der Immunität sind für die Mitglieder der Kommissionen für Rechtsfragen und für eine begrenzte Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdienste auf Extranet zugänglich (Art. 6a Abs. 2 ParlVV) sofern die Kommissionspräsidentin oder der Kommissionspräsident nicht auf die elektronische Bereitstellung verzichtet (Art. 6a Abs. 4 ParlVV). Die Fraktionssekretariate haben keinen Zugriff auf diese Unterlagen (vgl. Art. 6b Entwurfs), da die Immunitätsfälle nicht in Artikel 6 Absatz 4 ParlVV aufgelistet sind und es sich auch nicht um kommissionseigene Geschäfte handelt. Gründe dafür sind der Persönlichkeitsschutz und die Tatsache, dass die Unterlagen zum Teil aus Dossiers laufender Strafverfahren stammen.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Bereitstellung der Dokumente im Extranet für die Legislativkommissionen basiert auf einem weitgehend automatisierten Verfahren. Der von den vier Fraktionen verlangte Zugang hat zur Folge, dass dieser automatisierte Prozess angepasst werden muss. Die Ausdehnung der Zugriffsrechte auf die Fraktionssekretariate und insbesondere die Ausnahmeregelung führt zu Änderungen im System, welche mit personellen und finanziellen Folgen verbunden sind.

Der Projektaufwand wird geschätzt auf ca. 32 Tage für externe Dienstleistung, d.h.

ca. 40 000 Franken (1200 Fr. Tagesansatz) und ca. 53 Tage interne Personalressourcen. Die Aufwandschätzung basiert auf der Erweiterung des Zugangs auf die Dokumente, welche ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens im Extranet bereitgestellt werden. Die Änderung/Umstellung für einen rückwirkenden Zugang auf die Dokumente hätte noch bedeutend höhere finanzielle und personelle Auswirkungen zur Folge. Da die Fraktionssekretariate die Unterlagen aufgrund der Ausnahmeregelung in Papierform erhalten, wird dies als unverhältnismässig erachtet.

Der Betriebsaufwand wird sich vor allem in personeller Hinsicht auswirken. Bereits bei der Konzipierung des Extranets wurde darauf hingewiesen, dass die Bereitstellung der Dokumente im Extranet für den Kommissionendienst zu einem Zusatzaufwand führt. Man erwartete aber, dass längerfristig der Aufwand für den Papierversand und die Papierverteilung reduziert werden und so der Zusatzaufwand für das Extranet kompensiert werden könnte (vgl. Bericht des Büros des Nationalrates vom 8222

1. September 2006, BBl 2006 7534). Bis jetzt ist keine Entlastung spürbar. Im Gegenteil, der von den Fraktionen geforderte Zugang wird nochmals zu einem zusätzlichen Aufwand für die Kommissionssekretariate führen.

Da mehrere Dienste der Parlamentsdienste und eine externe Dienstleistungsfirma betroffen und zu koordinieren sind, dauert die Durchführung des Projekts nach dem Beschluss der beiden Räte über die Änderung der ParlVV sechs Monate.

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Rechtliche Grundlagen

Das Parlamentsgesetz regelt in Artikel 47 den Grundsatz der Vertraulichkeit der Kommissionssitzungen. Der Zugang zu den vertraulichen Kommissionsprotokollen und -unterlagen ist auf Verordnungsstufe geregelt (vgl. Parlamentsverwaltungsverordnung Art. 6 ff.).

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