08.013 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Bern, Glarus, Wallis und Neuenburg vom 30. Januar 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Bern, Glarus, Wallis und Neuenburg mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. Januar 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2007-2753

1417

Übersicht Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Die Gewährleistung wird erteilt, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht. Erfüllt eine kantonale Verfassungsbestimmung diese Anforderungen, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie eine dieser Voraussetzungen nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Bern: ­

Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung;

­

Justizreform;

­

Umsetzung der Strategie für Agglomerationen und regionale Zusammenarbeit;

im Kanton Glarus: ­

Einführung von Stimmrechtsalter 16;

­

Verfassungsgrundlage für eine Haftung nach Bundeszivilrecht;

­

Kantonalisierung des Sozial- und Vormundschaftswesens;

­

innerkantonale Entflechtungen von Aufgaben und Finanzströmen;

im Kanton Wallis: ­

Gemeindewahlen;

im Kanton Neuenburg: ­

Aufsicht über die Justizbehörden;

­

Volksinitiative und Referendum;

­

Wählbarkeit der Ausländerinnen und Ausländer.

Die Änderungen entsprechen Artikel 51 der Bundesverfassung; sie sind deshalb zu gewährleisten.

1418

Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Bern

1.1.1

Kantonale Volksabstimmungen vom 24. September 2006 und 17. Juni 2007

Die Stimmberechtigten des Kantons Bern haben in der Volksabstimmung vom 24. September 2006 der Änderung der Artikel 3, 5, 6, 68 und 93 (Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung) mit 159 757 Ja gegen 114 196 Nein sowie Änderungen der Artikel 97 und 99 der Kantonsverfassung (Justizreform) mit 200 649 Ja gegen 71 214 Nein zugestimmt.

In der Volksabstimmung vom 17. Juni 2007 haben die Stimmberechtigten des Kantons Bern einem neuen Artikel 110a der Kantonsverfassung (Umsetzung der Strategie für Agglomerationen und regionale Zusammenarbeit) mit 158 411 Ja gegen 39 595 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2007 ersucht der Regierungsrat des Kantons Bern um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung

Bisheriger Text Art. 3 Abs. 2 2 Er [der Kanton] ist in Amtsbezirke und Gemeinden gegliedert.

Art. 5 Abs. 1 1 Dem Berner Jura, bestehend aus den Amtsbezirken Courtelary, Moutier und La Neuveville, wird eine besondere Stellung zuerkannt. Diese soll es ihm ermöglichen, seine Identität zu bewahren, seine sprachliche und kulturelle Eigenart zu erhalten und an der kantonalen Politik aktiv teilzunehmen.

Art. 6 Abs. 2 und 3 2 Die Amtssprachen sind a. im Berner Jura das Französische, b. im Amtsbezirk Biel das Deutsche und das Französische, c. in den übrigen Amtsbezirken das Deutsche.

3 Kanton und Gemeinden können besonderen Verhältnissen, die sich aus der Zweisprachigkeit des Kantons ergeben, Rechnung tragen.

Art. 68 Abs. 1 Bst. c 1 Dem Grossen Rat dürfen nicht gleichzeitig angehören c. das Personal der kantonalen Zentral- und Bezirksverwaltung, Art. 93 Bezirksverwaltung 1 Die Amtsbezirke sind Verwaltungseinheiten des Kantons. Sie werden durch das Gesetz bezeichnet.

2 Für jeden Amtsbezirk wählen die Stimmberechtigten eine Regierungsstatthalterin oder einen Regierungsstatthalter. Das Gesetz kann in grossen Amtsbezirken eine besondere Organisation vorsehen.

1419

3 Die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter erfüllen in ihren Amtsbezirken insbesondere die folgenden Aufgaben. Sie a. vertreten den Regierungsrat; b. überwachen den ordnungsgemässen Gang der Bezirksverwaltung und beaufsichtigen die Gemeinden; c. sind in den von der Gesetzgebung bezeichneten Fällen Bewilligungs-, Genehmigungs-, Verwaltungsjustiz- und Vollzugsbehörden; d. wirken als Polizeibehörde und erfüllen in ausserordentlichen Lagen Führungs- und Koordinationsaufgaben.

4 Das Gesetz bestimmt, welche weiteren Bezirksbehörden durch die Stimmberechtigten gewählt werden.

Neuer Text Art. 3 Abs. 2 2 Er [der Kanton] ist in Verwaltungsregionen, Verwaltungskreise, Amtsbezirke sowie Gemeinden gegliedert.

Art. 5 Abs. 1 1 Dem Berner Jura, der die Verwaltungsregion Berner Jura bildet, wird eine besondere Stellung zuerkannt. Diese soll es ihm ermöglichen, seine Identität zu bewahren, seine sprachliche und kulturelle Eigenart zu erhalten und an der kantonalen Politik aktiv teilzunehmen.

Art. 6 Abs. 2 und 3 (die bisherigen Abs. 3 und 4 werden zu den Abs. 4 und 5) 2 Die Amtssprachen sind a. das Französische in der Verwaltungsregion Berner Jura, b. das Deutsche und das Französische in der Verwaltungsregion Seeland sowie im Verwaltungskreis Biel/Bienne, c. das Deutsche in den übrigen Verwaltungsregionen sowie im Verwaltungskreis Seeland.

3 Die Amtssprachen der Gemeinden in der Verwaltungsregion Seeland sind a. das Deutsche und das Französische für die Gemeinden Biel/Bienne und Leubringen, b. das Deutsche für die übrigen Gemeinden.

Art. 68 Abs. 1 Bst. c 1 Dem Grossen Rat dürfen nicht gleichzeitig angehören c. das Personal der zentralen und der dezentralen kantonalen Verwaltung, Art. 93 1 Die Verwaltungsregionen und die Verwaltungskreise sind die ordentlichen dezentralen Verwaltungseinheiten des Kantons. Sie werden durch das Gesetz bezeichnet.

2 Die Stimmberechtigten wählen für jeden Verwaltungskreis eine Regierungsstatthalterin oder einen Regierungsstatthalter.

3 Das Gesetz legt die Aufgaben der Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter fest.

4 Das Gesetz bestimmt, welche weiteren Regional- oder Kreisbehörden durch die Stimmberechtigten gewählt werden.

5 Das Gesetz bezeichnet die Amtsbezirke.

Durch die Reform werden 5 Verwaltungsregionen und 10 Verwaltungskreise geschaffen, die an die Stelle der 26 Regierungsstatthalterämter, 24 Zivilstandsämter, 13 Kreisgrundbuchämter, 5 Kreise der Steuerverwaltung und 4 regionalen Betreibungs- und Konkursämter treten.

1420

1.1.3

Justizreform

Bisheriger Text Art. 97 Abs. 3 3 Die Amtsbezirke sind die Gerichtskreise des Kantons. Durch Gesetz können mehrere Amtsbezirke zu einem Gerichtskreis zusammengelegt werden.

Art. 99 Abs. 1 Bst. b 1 Die Strafgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch b. die Amts- oder die Kreisgerichte,

Neuer Text Art. 97 Abs. 3 3 Das Gesetz regelt die Zuständigkeit der Gerichte.

Art. 99 Abs. 1 Bst. b 1 Die Strafgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch b. die Kreisgerichte oder die regionalen Kollegialgerichte,

Diese Änderung der Kantonsverfassung schafft die Grundlage für die Neuorganisation der erstinstanzlichen Gerichte im Kanton Bern. Grund ist die bevorstehende Vereinheitlichung des Straf- und Zivilprozessrechts in der Schweiz. Die heutigen 13 Gerichtskreise sollen durch 4 regionale Gerichtskreise mit einer Zweigstelle im Berner Jura abgelöst werden.

1.1.4

Umsetzung der Strategie für Agglomerationen und regionale Zusammenarbeit

Neuer Text Art. 110a (neu) Regionale Zusammenarbeit 1 Der Kanton sieht besondere gemeinderechtliche Körperschaften für die verbindliche regionale Zusammenarbeit der Gemeinden vor.

2 Die Gesetzgebung legt die Aufgaben und das Gebiet der Körperschaften fest und regelt die Organisation und das Verfahren.

3 Bildung und Auflösung einer Körperschaft bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der Stimmenden und der Mehrheit der beteiligten Gemeinden.

4 Die Stimmberechtigten äussern ihren Willen in regionalen Abstimmungen. Stimmberechtigt sind die im Gebiet der Körperschaft wohnhaften, in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigten Personen.

Mit der neuen Verfassungsbestimmung wird die Grundlage für die Bildung von Regionalkonferenzen geschaffen. Die Einführung von Regionalkonferenzen soll es den Gemeinden erlauben, einfacher und rascher über wichtige Fragen in der Verkehrsplanung, der Besiedlungsentwicklung, der Kulturförderung und der Regionalpolitik zu entscheiden.

1421

1.2

Verfassung des Kantons Glarus

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung vom 6. Mai 2007

Die Stimmberechtigten des Kantons Glarus haben an der Landsgemeinde vom 6. Mai 2007 den folgenden Verfassungsänderungen zugestimmt: ­

Einführung von Stimmrechtsalter 16 (Änderung von Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. a, Art. 58 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1);

­

Verfassungsgrundlage für eine Haftung nach Bundeszivilrecht (Art. 18 Abs.

3 zweiter Satz);

­

Kantonalisierung des Sozial- und Vormundschaftswesens (Art. 117 Abs. 3, Art. 126a, Art. 128 Abs. 2);

­

innerkantonale Entflechtungen von Aufgaben und Finanzströmen (Art. 33 Abs. 2, 3 und 4).

Mit Schreiben vom 14. August 2007 ersucht der Regierungsrat des Kantons Glarus um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Einführung von Stimmrechtsalter 16

Bisheriger Text Art. 56 Abs. 1 1 Alle Schweizer sind im Kanton und in der Gemeinde stimmberechtigt, wenn sie hier wohnhaft sind und das 18. Altersjahr zurückgelegt haben.

Art. 57 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. a 1 Auf kantonaler Ebene hat jeder Stimmberechtigte das Recht: a. an der Landsgemeinde oder an der Urne zu wählen und gewählt zu werden; 2 Auf Gemeindeebene hat jeder Stimmberechtigte das Recht: a. an der Gemeindeversammlung oder an der Urne zu wählen und gewählt zu werden; Art. 58 Abs. 1 1 Jeder Stimmberechtigte hat das Recht, zuhanden der Landsgemeinde selbständig oder gemeinsam mit andern Stimmberechtigten Memorialsanträge zu stellen. Dieses Recht steht auch den Gemeinden und ihren Vorsteherschaften zu.

Art. 74 Abs. 1 1 Jeder Stimmberechtigte ist wählbar als Landrat, Regierungsrat oder Richter, als Ständerat oder als Mitglied der weiteren Behörden des Kantons oder der Gemeinden.

Neuer Text Art. 56 Abs. 1 1 Alle Schweizer sind im Kanton und in der Gemeinde stimmberechtigt, wenn sie hier wohnhaft sind und das 16. Altersjahr zurückgelegt haben.

Art. 57 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. a 1 Auf kantonaler Ebene hat jeder Stimmberechtigte das Recht: a. an der Landsgemeinde oder an der Urne zu wählen und, ab zurückgelegtem 18. Altersjahr, gewählt zu werden; 2 Auf Gemeindeebene hat jeder Stimmberechtigte das Recht:

1422

a.

an der Gemeindeversammlung oder an der Urne zu wählen und, ab zurückgelegtem 18. Altersjahr, gewählt zu werden; Art. 58 Abs. 1 1 Die Stimmberechtigten haben das Recht, zuhanden der Landsgemeinde selbständig oder gemeinsam mit andern Stimmberechtigten Memorialsanträge zu stellen. Dieses Recht steht auch den Gemeinden und ihren Vorsteherschaften zu.

Art. 74 Abs. 1 1 Alle Stimmberechtigten ab zurückgelegtem 18. Altersjahr sind wählbar als Landrat, Regierungsrat oder Richter, als Ständerat oder als Mitglied der weiteren Behörden des Kantons und der Gemeinden.

Die Verfassungsänderung senkt das aktive Stimm- und Wahlrecht auf 16 Jahre, während für die Wählbarkeit in kantonale und kommunale Behörden das Mindestalter von 18 Jahren belassen wird.

1.2.3

Verfassungsgrundlage für eine Haftung nach Bundeszivilrecht

Bisheriger Text Art. 18 Abs. 3 3 Die Gesetzgebung kann die Haftung des Staates auf weitere Fälle ausdehnen.

Neuer Text Art. 18 Abs. 3 3 Die Gesetzgebung kann die Haftung des Staates auf weitere Fälle ausdehnen. Sie kann für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Auftrag die persönliche Haftung nach Bundeszivilrecht vorsehen.

Die Änderung steht im Zusammenhang mit der Neufassung des Beurkundungsrechts im Kanton Glarus. Sie schafft die verfassungsrechtliche Grundlage für die zivilrechtliche Haftung der freiberuflichen Urkundspersonen.

1.2.4

Kantonalisierung des Sozial- und Vormundschaftswesens

Bisheriger Text Art. 117 Abs. 3 (Aufgehoben an der Landsgemeinde vom 7. Mai 2006) Art. 126a (Aufgehoben an der Landsgemeinde vom 7. Mai 2006) Art. 128 Abs. 2 2 In der Gemeinde bildet der Gemeinderat die Vorsteherschaft, in der Kirchgemeinde der Kirchenrat.

Neuer Text Art. 117 Abs. 3 3 Die Ortsgemeinde, der Tagwen und die Schulgemeinde sprechen sich bei der Aufstellung des Voranschlages, bei der Finanzplanung sowie bei der Erhebung von Abgaben gegenseitig ab.

1423

Art. 126a Gegenseitige Unterstützungspflicht Das Gesetz regelt die gegenseitige Unterstützungspflicht von Tagwen, Orts- und Schulgemeinde.

Art. 128 Abs. 2 2 In der Ortsgemeinde bildet der Gemeinderat die Vorsteherschaft, in der Schulgemeinde der Schulrat und in der Kirchgemeinde der Kirchenrat.

Die Landsgemeinde 2006 beschloss eine grundlegende Reform der Gemeindestrukturen, indem sie der Schaffung von nur noch drei Gemeinden per 1. Januar 2011 zustimmte. Daneben sprach sie sich für die Kantonalisierung des Sozial- und Vormundschaftswesens aus1. Wegen der bereits 2008 erfolgenden Übertragung des Sozial- und Vormundschaftswesens auf den Kanton braucht es für die drei Jahre eine Übergangsregelung, die mit den vorliegenden Verfassungsänderungen geschaffen wird. Die Befristung wird in Ziffer 2 der Vorlage vorgenommen, die präzisiert, dass die Änderung der genannten Bestimmungen bis zum Inkrafttreten der Gemeindestrukturreform gilt.

1.2.5

Innerkantonale Entflechtungen von Aufgaben und Finanzströmen

Bisheriger Text Art. 33 Abs. 2 und 3 2 Der Kanton und die Gemeinden können Alters-, Pflege- und Krankenheime führen oder unterstützen.

3 Das Gesetz regelt die Aufsicht des Kantons über die Alters-, Pflege- und Krankenheime.

Neuer Text Art. 33 Abs. 2, 3 und 4 (neu) 2 Die Gemeinden sorgen für die stationäre Altersbetreuung.

3 Sie können Alters- und Pflegeheime führen oder deren Führung an Dritte übertragen.

4 Das Gesetz regelt die Aufsicht.

Mit der Verfassungsänderung wird die stationäre Altersbetreuung zur ausschliesslichen Aufgabe der Gemeinden. Die Änderung erfolgt vor dem Hintergrund, dass es mit der Gemeindestrukturreform nur noch drei Gemeinden geben wird.

1.3

Verfassung des Kantons Wallis

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung vom 21. Oktober 2007

Die Stimmberechtigten des Kantons Wallis haben in der Volksabstimmung vom 21. Oktober 2007 mit 84 707 Ja gegen 17 213 Nein der Änderung von Artikel 87 der Kantonsverfassung zugestimmt (Gemeindewahlen).

Mit Schreiben vom 7. November 2007 ersucht der Staatsrat um die eidgenössische Gewährleistung.

1

Siehe BBl 2007 629, hier 634 ff.

1424

1.3.2

Gemeindewahlen

Bisheriger Text Art. 87 1 Die Gemeinde- und Burgerwahlen finden alle vier Jahre am ersten Sonntag Dezember statt.

In der Regel werden diese Wahlen nach dem Proporzsystem durchgeführt. Wenn aber mindestens der Fünftel der Wähler die Wahl nach dem Majorzsystem verlangt, so entscheidet die Urversammlung oder die Burgerversammlung durch 4/5-Mehrheit, ob sie dieses Wahlsystem annehmen will.

2 Ist das System der Mehrheitswahl einmal eingeführt, so wird es beibehalten, bis mindestens 1/5 der Wähler die Einführung der Wahlen nach dem Proporzsystem verlangt.

3 Das Mehrheitswahlsystem gilt als eingeführt im Sinne der vorstehenden Bestimmungen für jene Gemeinden, in welchen es im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verfassungsrevision angewandt wird.

4 Die Anwendung dieses Grundsatzes wird durch das Gesetz geregelt.

5 Die Gemeindebehörden treten ihr Amt am ersten Tag des Jahres nach ihrer Wahl an.

6 Im Falle von Einsprachen entscheidet der Staatsrat, welche Behörden zu amten haben, bis der Entscheid darüber gefällt ist.

Neuer Text Art. 87 1 Die Mitglieder des Generalrates werden vom Wahlvolk nach dem Proporzsystem gewählt.

2 Die Mitglieder des Gemeinde- und Burgerrates werden vom Wahlvolk nach dem Proporzsystem gewählt. In den Burgergemeinden und in den Einwohnergemeinden mit weniger als der im Gesetz festgelegten Einwohnerzahl kann das Wahlvolk mit der Mehrheit seiner Mitglieder unter den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen einen Wechsel des Wahlsystems beschliessen. Das Majorzsystem wird in den Burgergemeinden und in den Einwohnergemeinden, welche dieses System im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Reform kennen, beibehalten.

3 Der Präsident, der Vizepräsident, der Richter und der Vizerichter werden vom Wahlvolk nach dem Majorzsystem gewählt.

4 Das Gesetz bestimmt die Modalitäten der Wahl und das Datum des Urnengangs.

Die Änderung betrifft das Datum und die Modalitäten der Gemeindewahlen. Das Proporzsystem wird im Grundsatz beibehalten, doch können die kleinen und mittleren Gemeinden inskünftig mit Mehrheitsbeschluss auch das Majorzsystem wählen; bisher brauchte es für einen Systemwechsel eine 4/5-Mehrheit. Ausserdem wird das Wahlsystem für den Präsidenten, den Vizepräsidenten, den Richter und den Vizerichter neu in der Verfassung geregelt.

1.4

Verfassung des Kantons Neuenburg

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung vom 17. Juni 2007

Die Stimmberechtigten des Kantons Neuenburg haben in der Volksabstimmung vom 17. Juni 2007 den folgenden Verfassungsänderungen zugestimmt: ­

Aufsicht über die Justizbehörden (Art. 59; 44 750 Ja gegen 6 598 Nein);

­

Volksinitiative und Referendum (Art. 40 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1; 39 959 Ja gegen 11 617 Nein);

1425

­

Ausländerwählbarkeit (Art. 47 und 95 Abs. 5; 29 513 Ja gegen 24 738 Nein).

Mit Schreiben vom 6. August 2007 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Neuenburg um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Aufsicht über die Justizbehörden

Bisheriger Text Art. 59 Oberaufsicht Der Grosse Rat übt die Oberaufsicht über die Tätigkeit des Staatsrates und der Verwaltung aus.

Er übt auch die Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Kantonsgerichts aus.

Neuer Text Art. 59 Oberaufsicht Der Grosse Rat übt die Oberaufsicht über die Tätigkeit des Staatsrates und der Verwaltung aus.

Die Verfassungsänderung ordnet die Aufsicht über die Justiz neu. Anstelle des Kantonsgerichts übt neu ein Magistraturrat («Conseil de la magistrature») die Aufsicht über die Justizbehörden aus. Der Magistraturrat wird mit einem Gesetz geschaffen, das mit der Gewährleistung der Kantonsverfassung in Kraft treten soll.

1.4.3

Volksinitiative und Referendum

Bisheriger Text Art. 40 Abs. 1 1 6000 Stimmberechtigte können eine Volksinitiative ergreifen; ihre Unterschriften müssen innert sechs Monaten gesammelt werden.

Art. 42 Abs. 1 1 4500 Stimmberechtigte können eine Volksabstimmung verlangen; ihre Unterschriften müssen innert vierzig Tagen seit Publikation des bekämpften Beschlusses gesammelt werden.

Neuer Text Art. 40 Abs. 1 1 4500 Stimmberechtigte können eine Volksinitiative ergreifen; ihre Unterschriften müssen innert sechs Monaten gesammelt werden.

Art. 42 Abs. 1 u. 2 (neu); die bisherigen Abs. 2 u. 3 werden zu Abs. 3 u. 4 1 4500 Stimmberechtigte können eine Volksabstimmung verlangen; ihre Unterschriften müssen innert neunzig Tagen seit Publikation des bekämpften Beschlusses gesammelt werden.

2 Das Begehren einer Volksabstimmung ist innert zwanzig Tagen seit Publikation des bekämpften Beschlusses anzukündigen; das Gesetz regelt das Verfahren der Ankündigung.

Die Verfassungsänderung will die Ausübung der Volksrechte vereinfachen. Die Unterschriftenzahl für die Volksinitiative wird gesenkt und die Frist zum Sammeln der für ein Referendum nötigen Unterschriften verlängert. Ausserdem wird neu verlangt, dass ein Referendum angekündigt wird.

1426

1.4.4

Wählbarkeit der Ausländerinnen und Ausländer

Bisheriger Text Art. 47 Wählbarkeitsvoraussetzungen In die kantonalen Behörden können die stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer gewählt werden. Das Gesetz kann die Wählbarkeit für die richterlichen Behörden auf Ausländerinnen und Ausländer ausdehnen. Es kann auch bestimmen, dass Personen, die in einem anderen Kanton wohnen, in den Staatsrat und in die richterlichen Behörden gewählt werden können.

Art. 95 Abs. 5 5 Das Gesetz bestimmt, wer in Gemeindeangelegenheiten stimmberechtigt ist, und regelt das Wahlverfahren sowie die Volksinitiative und das Referendum.

Neuer Text Art. 47 Wählbarkeitsvoraussetzungen Alle Stimmberechtigten sind als Mitglieder der Kantonsbehörden wählbar. Das Gesetz kann bestimmen, dass Personen, die in einem anderen Kanton wohnen, in den Staatsrat und in die richterlichen Behörden gewählt werden können.

Art. 95 Abs. 5 5 Das Gesetz bestimmt, wer in Gemeindeangelegenheiten stimmberechtigt ist, und regelt das Wahlverfahren sowie die Volksinitiative und das Referendum. Alle Stimmberechtigten sind als Mitglieder der Gemeindebehörden wählbar.

Die Verfassungsänderung führt die Wählbarkeit der Ausländerinnen und Ausländer auf Kantons- und Gemeindeebene ein.

2

Verfassungsmässigkeit

Die Prüfung hat ergeben, dass die Bestimmungen der geänderten Verfassungen der Kantone Bern, Glarus, Wallis und Neuenburg die Anforderungen von Artikel 51 der Bundesverfassung erfüllen. Somit ist die Gewährleistung zu erteilen.

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 der Bundesverfassung für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig.

1427

1428