08.021 Überprüfung der Zielsetzungen der Armee Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes vom 13. Februar 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Bericht über die Überprüfung der Zielsetzungen der Armee gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes mit dem Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2007 M 07.3270

Verdoppelung der Kapazitäten für Auslandeinsätze der Armee bis 2010 (N 6.6.07, Sicherheitspolitische Kommission NR (06.050); S 20.9.07)

2007 P

Armee und innere Sicherheit. Verfassungsmässigkeit (N 27.9.07, Sicherheitspolitische Kommission NR 07.038)

07.3550

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Februar 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2007-2920

2413

Übersicht Das Militärgesetz bestimmt in Artikel 149b «Politisches Controlling», dass der Bundesrat periodisch überprüft, ob die der Armee gesetzten Ziele erreicht werden, und dass er der Bundesversammlung Bericht erstattet. In diesem Rahmen hat das VBS bereits den Sicherheitspolitischen Kommissionen einen Pilotbericht per 31. Dezember 2003 und einen Zwischenbericht per 31. Dezember 2005 zugestellt.

Der vorliegende Bericht des Bundesrates ist der erste an die Bundesversammlung.

Der Bericht hat nicht zum Zweck, eine sicherheitspolitische Standortbestimmung des Bundesrates oder eine Überprüfung des sicherheitspolitischen Berichts vorzunehmen, wie dies von mehreren parlamentarischen Vorstössen gefordert wurde. Der Bundesrat hat sich bereit erklärt, die sicherheitspolitische Strategie zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Er wird dies zu einem späteren Zeitpunkt tun, voraussichtlich noch in der laufenden Legislatur.

In diesem Bericht werden die Leistungen der Armee in der Legislatur 2003­2007 in ihren wesentlichen und politisch relevanten Aspekten beschrieben und gewürdigt.

Weiter werden die Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 wie auch die mögliche Weiterentwicklung der Armeeaufträge, insbesondere der Friedensförderung und der Unterstützung der zivilen Behörden, dargestellt. Den zukünftigen Investitionen und Grossbeschaffungen ist ein besonderes Kapitel gewidmet. Am Schluss wird die Entwicklung der personellen und finanziellen Ressourcen präsentiert und beurteilt.

Die Gliederung des vorliegenden Berichts wurde den Präsidenten der Sicherheitspolitischen Kommissionen unterbreitet und aufgrund ihrer Stellungnahmen angepasst. Im Zusammenhang mit dem Postulat 07.3550 der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats «Armee und innere Sicherheit. Verfassungsmässigkeit», das der Bundesrat angenommen hat, wurde ein zusätzliches Kapitel über die Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Einsätzen der Armee im Rahmen ordentlicher Aufgaben der inneren Sicherheit beigefügt. Im Weiteren werden die Motion 07.3270 der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats «Verdoppelung der Kapazitäten für Auslandeinsätze der Armee bis 2010» behandelt und erste Überlegungen zur Frage einer Erhöhung des Durchdieneranteils im Anschluss an das Postulat 07.3765 «Anteil Durchdiener» angestellt.

Zusammenfassend
hält der Bericht fest, dass die Armee in der letzten Legislatur trotz der Umsetzung von Umstrukturierungen die erwarteten Leistungen erbracht hat. Ab 2008 werden der Entwicklungsschritt 2008/11 planmässig umgesetzt und die Armeestrukturen konsolidiert.

2414

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Veranlassung 1.2 Sinn und Zweck des Berichts

2417 2417 2417

2 Leistungen der Armee 2.1 Einsätze im Inland 2.1.1 Subsidiäre Sicherungseinsätze 2.1.2 Katastrophenhilfe und Soforthilfe 2.1.3 Unterstützungseinsätze gemäss VEMZ 2.2 Einsätze im Ausland 2.2.1 Friedensförderung 2.2.2 Assistenzdienst 2.3 Ausbildung 2.3.1 Ausbildung in den Lehrverbänden 2.3.2 Ausbildung in den Wiederholungskursen 2.3.3 Höhere Kaderausbildung 2.3.4 Ausbildung in den Stäben 2.3.5 Internationale Ausbildungszusammenarbeit

2418 2418 2418 2419 2420 2420 2420 2421 2422 2422 2423 2424 2425 2425

3 Aufträge der Armee 3.1 Raumsicherung und Verteidigung 3.2 Entwicklungsschritt 2008/11 und seine Umsetzung 3.2.1 Ursache und Wirkung des Entwicklungsschrittes 3.2.2 Verfassungsmässigkeit des Entwicklungsschrittes 3.2.3 Umsetzung des Entwicklungsschrittes 3.3 Unterstützung der zivilen Behörden 3.3.1 Verfassungsmässigkeit von Armeeeinsätzen im Rahmen der inneren Sicherheit 3.3.2 Ausblick 3.4 Friedensförderung 3.4.1 Internationale Entwicklungen in der militärischen Friedensförderung 3.4.2 Die schweizerische Teilnahme an Operationen der militärischen Friedensförderung 3.4.3 Aufbau der Fähigkeiten durch die Armee

2426 2426 2427 2427 2428 2429 2430

4 Streitkräfte-Entwicklung 4.1 Investitionen 4.1.1 Masterplan 4.1.2 Rüstungsprogramme 4.1.3 Immobilienbotschaften 4.1.4 Planerische Engpässe und Unsicherheiten 4.1.5 Rüstungsprozesse 4.1.6 Rüstungspolitik des VBS und Eignerstrategie des Bundes

2437 2437 2437 2438 2441 2442 2444 2445

2430 2432 2434 2434 2435 2436

2415

4.1.7 Privatisierung der Swisscom ­ Entflechtung von Swisscom und VBS 4.2 Ersatz der Kampfflugzeuge F-5 Tiger

2446 2446

5 Ressourcen 5.1 Milizpersonal 5.1.1 Rekrutierung und Tauglichkeit 5.1.2 Bestände 5.1.3 Demografische Entwicklung und Folgen 5.1.4 Milizkader 5.1.5 Durchdiener 5.2 Militärisches Personal 5.2.1 Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere (inkl. Berufsmilitärpiloten) 5.2.2 Fachberufsoffiziere, -unteroffiziere und Berufssoldaten 5.2.3 Zeitmilitär 5.2.4 Eingeleitete und beabsichtigte Massnahmen 5.2.5 Personalgewinnung 5.2.6 Strukturelle Anpassungen 5.2.7 Einsatz- und Laufbahnsteuerung 5.2.8 Ausblick 5.3 Zivilpersonal 5.4 Immobilien 5.4.1 Stationierungskonzept der Armee 5.4.2 Situation im Immobilienbereich 5.5 Finanzen 5.5.1 Neues Rechnungsmodell 5.5.2 Kostentransparenz 5.5.3 Verhältnis zwischen Betriebskosten und Investitionskosten 5.5.4 Plafond 5.5.5 Finanzierung der Rüstungsprogramme in der nächsten Legislatur 5.5.6 Die Folgen der Sparvorgaben

2453 2454 2454 2454 2455 2456 2456 2457 2457 2459 2459 2459 2462 2462 2462 2462 2463 2463 2464

6 Schlussfolgerungen und Ausblick

2464

2416

2447 2447 2447 2448 2448 2449 2450 2453

Bericht 1

Einleitung

1.1

Veranlassung

Das Militärgesetz sieht in Artikel 149b «Politisches Controlling» vor, dass der Bundesrat periodisch überprüft, ob die der Armee gesetzten Ziele erreicht werden, und dass er der Bundesversammlung Bericht erstattet. Die zuständigen parlamentarischen Kommissionen bestimmen Form und Gegenstand der Berichterstattung.

In den letzten Jahren hat das VBS bereits zwei ähnliche Berichte gemäss Artikel 149b MG an die Sicherheitspolitischen Kommissionen der Räte weitergeleitet: einen Pilotbericht per 31. Dezember 2003 und einen Zwischenbericht per 31. Dezember 2005. Der vorliegende Bericht des Bundesrates ist der erste an die Bundesversammlung.

Die Konzepte des Pilotberichts wie auch des Zwischenberichts wurden den Sicherheitspolitischen Kommissionen des Nationalrates und des Ständerates (SiK-N/S) zur Stellungnahme unterbreitet und entsprechend ihren Wünschen angepasst. Die Gliederung des vorliegenden Berichts wurde den Präsidenten der Kommissionen ebenfalls unterbreitet und aufgrund ihrer Stellungnahmen angepasst. Im Zusammenhang mit dem Postulat 07.3550 der SiK-N Armee und innere Sicherheit. Verfassungsmässigkeit, das der Bundesrat angenommen hat, wurde ein zusätzliches Kapitel über die Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Einsätzen der Armee im Rahmen ordentlicher Aufgaben der inneren Sicherheit beigefügt.

1.2

Sinn und Zweck des Berichts

Mit dem vorliegenden Bericht nimmt der Bundesrat nicht eine sicherheitspolitische Standortbestimmung oder eine Überprüfung der sicherheitspolitischen Strategie vor, wie dies mehrere parlamentarische Vorstösse gefordert haben. Der Bundesrat hat sich aber bereit erklärt, die sicherheitspolitische Strategie zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Er wird dies in einem späteren Zeitpunkt tun, voraussichtlich in der Legislatur 2007­2011.

Der Bericht beschreibt und würdigt die konkreten Leistungen der Armee in der Periode 2003­2007. Da diese schon zum grossen Teil im Pilotbericht und im Zwischenbericht dargestellt wurden, konzentriert er sich auf die wesentlichsten und politisch relevanten Aspekte. Weiter stellt er die Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 dar und behandelt die mögliche Weiterentwicklung der Armeeaufträge, insbesondere der Friedensförderung und der Unterstützung der zivilen Behörden.

Ein eigenes Kapitel ist den zukünftigen Investitionen und Grossbeschaffungen gewidmet. Abschliessend wird die Entwicklung der personellen und finanziellen Ressourcen in der vergangenen Legislatur und auf längere Sicht präsentiert und beurteilt.

2417

2

Leistungen der Armee

In diesem Kapitel werden die Leistungen der Armee (in Einsätzen und in der Ausbildung) in der Periode 2003­2007 beschrieben und beurteilt.

2.1

Einsätze im Inland

2.1.1

Subsidiäre Sicherungseinsätze

Die Armee unterstützte subsidiär die Polizeikorps des Kantons Waadt, des Kantons Genf, der Stadt Zürich und der Stadt Bern beim Schutz ausländischer Vertretungen und Einrichtungen. Die eingesetzten Truppen (Berufsmilitär, Durchdiener und WK-Formationen) überwachten Botschaftsgelände und Residenzen verschiedener Staaten rund um die Uhr.

Es ist ein Ziel der Schweiz, in der Staatengemeinschaft ein verlässlicher Partner zu sein. Dazu gehört auch die Verfügbarkeit als sicherer Konferenzstandort. Im Sommer 2003 wurde mit dem Einsatz der Schweizer Armee für das Gipfeltreffen der G8-Staaten in Evian eine neue Dimension erreicht. In diesem Zusammenhang sei auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Frankreich, Italien und Deutschland bei der Wahrung der Lufthoheit erwähnt.

Jeweils im Januar findet in Davos das Jahrestreffen des World Economic Forum (WEF) statt. Der Bund hat gegenüber einem Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer völkerrechtliche Schutzverpflichtungen. Für die Sicherheit des WEF ist deshalb ein Dispositiv notwendig, das die Mittel des Kantons Graubünden und des interkantonalen Polizeieinsatzes übersteigt. Deshalb unterstützt die Armee subsidiär die zivilen Polizeikräfte. Diese Zusammenarbeit der Armee mit der Kantonspolizei Graubünden ist ein gutes Beispiel eingespielter Kooperation zwischen zivilen und militärischen Sicherheitspartnern. Dazu kommt die Überwachung des Luftraumes, dessen Benützung im Umkreis von 25 nautischen Meilen (ca. 46 km) um den Konferenzort Davos eingeschränkt wird. Die Einschränkung wird mit luft- und bodengestützten Mitteln durchgesetzt. Die Bundesversammlung hat Assistenzdiensteinsätze der Armee zugunsten des WEF bis 2009 genehmigt.

Seit Jahren wird das Grenzwachtkorps durch die Armee unterstützt. Die Militärische Sicherheit übernimmt dabei Sicherungs- und Beobachtungsaufgaben. Die eingesetzten Angehörigen der Militärischen Sicherheit sind der Grenzwachtkorps-Einsatzleitung zugewiesen und bilden gemeinsam mit Grenzwächtern gemischte Patrouillen. Auch Mittel der Luftwaffe kamen bei der Erfüllung von Überwachungsaufgaben unterstützend zum Einsatz.

Spezialisten der Militärischen Sicherheit unterstützen im Bereich der zivilen Luftsicherheit den Bundessicherheitsdienst des EJPD als Flugbegleiter und mit Kontrollen am Boden in den Flughafenbereichen.

2418

2004

2005

2006

2007

174 385 ­ 34 192 4 003 ­ 64 316 ­ 5 268

217 028 52 54 755 4 458 ­ 42 463 ­ 5 021

195 234 22 143 80 521 5 209 ­ 32 926 ­ 3 943

189 932 12 853 54 931 3 787 ­ 30 444 ­ 2 542

Total Miliz Total Profi

208 577 73 587

271 275 51 994

275 755 64 221

244 863 49 626

Gesamttotal

282 164

323 777

339 976

294 489

Schutz internationaler Einrichtungen (AMBA CENTRO) Konferenzschutzeinsätze (v.a. ALPA ECO, AZYPRO) Unterstützung des GWK (LITHOS) Unterstützung des Bundessicherheitsdienstes im Bereich zivile Luftfahrt (TIGER und FOX)

Miliz Profi Miliz Profi Miliz Profi Miliz Profi

In subsidiären Sicherungseinsätzen geleistete Manntage

2.1.2

Katastrophenhilfe und Soforthilfe

Im Inland kam die Armee wiederholt in der Katastrophenhilfe zum Einsatz. Der Umfang dieser Einsätze schwankte naturgemäss. Besonders zu erwähnen sind die heftigen Niederschläge im August 2005, die in weiten Teilen der Schweiz zu Überschwemmungen und Verwüstungen führten. Dies erforderte den grössten Katastrophenhilfeeinsatz der Jahre 2004­2007. Bei der Armee gingen mehr als 160 Unterstützungsgesuche aus 10 Kantonen ein1. Die Armee leistete Katastrophenhilfe und transportierte Personen, Tiere und Material mit Fahrzeugen und Helikoptern aus den Gefahrengebieten. An den darauffolgenden Räumungs- und Instandstellungsarbeiten beteiligte sich die Armee im Rahmen von Unterstützungseinsätzen gemäss der Verordnung vom 8. Dezember 19972 über den Einsatz militärischer Mittel für zivile und ausserdienstliche Tätigkeiten (VEMZ).

Geleistete Diensttage

2004

2005

2006

2007

als Katastrophenhilfe

389

17 089

74

1661

gemäss VEMZ*

151

31 798

1692

2000

* Die gemäss VEMZ geleisteten Diensttage sind ebenfalls in den Zahlen unter Ziffer 2.1.3 enthalten.

Im Rahmen von Naturkatastrophen geleistete Diensttage

1 2

In einer zweiten Phase unterstützte die Armee die Aufräumarbeiten im Rahmen von Einsätzen gemäss VEMZ.

SR 510.212

2419

2.1.3

Unterstützungseinsätze gemäss VEMZ

Die Bestandesreduktion der Armee verlangt eine Verschärfung der Bewilligungspraxis für Unterstützungseinsätze gemäss VEMZ. Die Unterstützung ziviler Grossveranstaltungen durch die Armee hat deshalb in der Legislaturperiode 2004­07 deutlich abgenommen. Dieser Rückgang wurde jedoch durch den Zivilschutz, mit Kostenübernahme durch den Bund und die Kantone, vollumfänglich kompensiert.

Dennoch konnten die bedeutendsten nationalen Grossanlässe wie Ski-Weltcuprennen, Tour de Suisse, die Eidgenössischen Jodler-, Schützen-, Schwing- und Musikfeste auf Unterstützung durch die Armee zählen. Darüber hinaus wurden in zahlreichen kleineren Einsätzen zivile Organisationen und Gemeinden unterstützt.

Die Anzahl der bewilligten Einsätze sank von rund 100 (2004) auf 60 (2007).

Durchschnittlich wurden aber konstant rund 20 000 Diensttage pro Jahr geleistet, weil der Rückgang in der Anzahl der unterstützten Anlässe dadurch kompensiert wurde, dass diese Anlässe im Durchschnitt mehr Personal erforderten.

2004

2005

2006

2007

24 076

58 2413

17 269

22 425

Geleistete Diensttage gemäss VEMZ und im Rahmen von militärischen Ehrendiensten

Die Bewilligungskriterien für Unterstützungseinsätze nach VEMZ sind in den vom Chef der Armee per 1. Juli 2005 erlassenen Weisungen (WEMZ) konkretisiert.

Leihweise bezogenes Material wird nach der Gebührenverordnung des VBS verrechnet. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass von den 12,2 Millionen Franken Gesamtkosten in den Jahren 2005 bis 2007 deren 10,5 Millionen erlassen und 1,5 Millionen den Gesuchstellern verrechnet wurden.

2.2

Einsätze im Ausland

2.2.1

Friedensförderung

Die Rückschläge des Peacekeeping der UNO in den 1990er Jahren haben aufgezeigt, dass im internationalen Krisenmanagement eine integrale Betrachtungs- und Vorgehensweise zentral ist. Das heisst, dass Krisenmanagement mit einer nachhaltigen Konfliktnachsorge verbunden sein muss, die Beiträge der Streitkräfte, der Diplomatie und der Entwicklungszusammenarbeit umfasst.

Obwohl Streitigkeiten zwischen Grossmächten nach dem Ende des Ost-WestGegensatzes nicht völlig verschwunden sind, steht derzeit die Problematik «zerfallen(d)er Staaten» («failed states») im Vordergrund. Wo ein Staat nicht mehr fähig ist, Sicherheits- und Schutzbedürfnisse der Gesellschaft abzudecken, füllen gewaltbereite substaatliche Gruppierungen oder externe Akteure das Vakuum. Solche Staatsimplosionen gehen mit einer Destabilisierung ganzer Regionen einher.

3

Die deutlich höhere Diensttagezahl im Jahr 2005 ist auf die Hilfseinsätze im Nachgang zu den Überschwemmungen des August 2005 zurückzuführen.

2420

In der Legislaturperiode 2004­2007 wurden die Einsätze zur Friedensförderung auf rund 280 Personen ausgebaut. Nebst den Haupteinsätzen in Kosovo (Swisscoy) und in Bosnien und Herzegowina (Verbindungs- und Überwachungsteams, Lufttransport-Element) stehen neu sechs Militärbeobachter in Nepal im Einsatz. Die Luftwaffe baute ihr Engagement im Ausland aus, indem seit Juni 2005 der Mission EUFOR ALTHEA in Bosnien und Herzegowina zwei Transporthelikopter zur Verfügung gestellt werden. Ende 2007 standen vier Schweizer Helikopter im Friedensförderungseinsatz.

Die Schweiz leistete durch die Entsendung militärischer Experten an Ausbildungszentren (Bosnien und Herzegowina, Ghana) Beiträge zum Aufbau lokaler Kapazitäten. Die Entsendung von Einzelpersonen (Militärbeobachter, humanitäre Minenräumung) konnte leicht ausgebaut werden.

Kontingente (SWISSCOY, ISAF, ALTHEA) Einzelpersonen (Militärbeobachter, militärische Experten, OSCE, NNSC, PSO Trg) humanitäre Minenräumung Total

2004

2005

2006

2007

219

234

238

239

28

26

28

30

8

9

10

6

255

269

276

275

Durchschnittliche Anzahl Personen pro Tag in Friedensförderungseinsätzen

Die Beiträge der Schweizer Armee umfassen weitere Leistungen wie Rüstungskontroll- und Abrüstungsmassnahmen oder Beiträge zur Reform des Sicherheitssektors. Diese Aktivitäten erfolgen parallel und komplementär zu den militärischen Operationen und werden in der sogenannten «Defence Diplomacy» im Bereich Regionale Militärische Kooperation zusammengefasst. Diese trägt dazu bei, ausländische Streitkräfte nach einem Krieg oder einer Krise ­ in enger Zusammenarbeit mit zivilen und militärischen Partnern ­ in der Abrüstung, im Aufbau von verlässlichen militärischen Strukturen und Institutionen sowie in der Schaffung eigener Kapazitäten der Friedensförderung zu unterstützen. Die Regionale Militärische Kooperation konzentrierte sich in den letzten Jahren auf den Westbalkan und den Kaukasus. Derzeit ist eine steigende Bedeutung derselben in Afrika festzustellen.

Die Beteiligung an internationalen Missionen erlaubt es der Schweizer Armee, wertvolle Einsatzerfahrungen zu sammeln.

2.2.2

Assistenzdienst

Die Schweizer Armee leistete Anfang 2005 nach dem Tsunami in Südostasien einen humanitären Einsatz. In Indonesien unterstützte sie mit drei Helikoptern das UNHCR. Drei Super Puma-Helikopter wurden zerlegt, um die halbe Welt transportiert und während Wochen im verwüsteten Gebiet eingesetzt. In Pakistan half die Armee nach dem Erdbeben vom Herbst 2005 mit Material. Im Jahr 2006 lieferte sie Sanitätsmaterial in den Libanon. Aufgrund von Hinweisen auf eine konkrete 2421

Gefährdung der schweizerischen Botschaft in Teheran setzte das VBS, auf Antrag des EDA, von August bis November 2006 ein Detachement von PersonenschutzSpezialisten ein, um die Sicherheit der Botschaft und ihres Personals zu verstärken.

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Armee mit drei Helikoptern an den Löscharbeiten zur Bekämpfung der Waldbrände in Griechenland. Im Übrigen unterstützte sie nachhaltig die Humanitäre Hilfe des Bundes bei der Ausbildung von Rettungsmannschaften erdbebengefährdeter Staaten.

Die Erfahrungen zeigen, dass die Einsatzvorbereitung für den Assistenzdienst im Ausland verstärkte Aufmerksamkeit verlangt.

Militärische Unterstützung der Humanitären Hilfe des Bundes Die markante Zunahme von Natur- und technologischen Katastrophen sowie deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt erfordern ­ verstärkt noch durch das Phänomen des Klimawandels ­ erhöhte Anstrengungen der Staaten in Vorbeugung, Vorbereitung und Nothilfe. Der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft vom 29. November 2006 über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft verpflichtet, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Von der Armee wird auch künftig erwartet, dass sie ihren Beitrag im Rahmen der Humanitären Hilfe des Bundes leistet. Dieser umfasst schwergewichtig Genie-, Rettungs- und Sanitätsfähigkeiten sowie punktuell militärische Expertise im Rettungswesen. Die entsprechenden Konzepte sind unter Mitwirkung des EDA bzw. der DEZA in Bearbeitung.

2.3

Ausbildung

2.3.1

Ausbildung in den Lehrverbänden

Das Ausbildungssystem der Armee XXI wurde 2003 mit Vorausmassnahmen eingeleitet und ab 2004 vollständig eingeführt. Insgesamt kann eine positive Bilanz gezogen werden. Die Grundausbildung von Rekruten und Kadern ist gezielter. Die Entflechtung von Rekruten- und Kaderlaufbahn bewährt sich. Auch die Berichte über Besuche von Delegationen der eidgenössischen Räte bestätigen, dass die Ausbildung der Rekruten gründlicher geworden ist. Das liegt einerseits an der Verlängerung der Allgemeinen Grundausbildung und der Funktionsgrundausbildung (AGA/FGA) auf 13 Wochen, anderseits schlägt der verstärkte Einsatz des Berufs- und Zeitmilitärs positiv zu Buche.

Die neue Kaderausbildung stösst beim Milizkader auf Zustimmung. Die Motivation der angehenden Unteroffiziere und Offiziere wird durch den frühen Beginn der anspruchsvollen Weiterausbildung, durch die Ausbildung durch Berufskader und durch die zertifizierbare, zivil anerkannte Führungsausbildung für das untere Milizkader erhöht. Die Kaderanwärter erleben dies als stufengerechte Erwachsenenausbildung. Der Offizierslehrgang von vier Wochen für alle Anwärter von Heer und Luftwaffe kann armeeweit gültige Ausbildungsinhalte zentral vermitteln.

Die Attraktivitätssteigerung der Kaderausbildung hat aber auch ihren Preis. Die angehenden Kader können bei Beginn ihres Praktischen Dienstes nicht mehr auf die gleiche Führungspraxis zurückgreifen. Während in der Armee 95 diese Schwierigkeiten in den Rekrutenschulen auf die tiefer gesteckten Ziele und in den Wiederholungskursen auf den Zweijahresrhythmus und auf die wegen des Kadermangels 2422

erschwerte Verbandsausbildung zurückzuführen waren, werden sie nun dadurch verursacht, dass die Kader in der Grundausbildung nicht mehr alle Stufen durchlaufen. Damit ist es immer noch schwierig, die Ziele der Verbandsausbildung zu erreichen. Ab 2008 wird deshalb das Praktikum für angehende Gruppenführer, Quartiermeister und Zugführer verlängert, mit je nach Truppengattung gestalteten, bedürfnisorientierten Lösungen. Bedingung ist, dass die Begleitung der Fach- und Führungsausbildung durch Berufsmilitär auch im Praktikum weitergeführt wird.

Neben der besseren Ausbildung der einzelnen Kader sollen damit auch die Ziele der Verbandsausbildung erreicht werden. Mit dieser Optimierung wird auch ein Anliegen aus dem Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) «Umsetzung der Armee XXI im Bereich der Ausbildung» aufgenommen (Empfehlung 6).

Durch das 3-Start-Modell ist die Belastung des Berufspersonals konstant hoch. Eine Rückkehr zum 2-Start-Modell wurde geprüft, erwies sich aber als nicht gangbar, weil damit die attraktiven unterbruchslosen Weiterausbildungsmöglichkeiten für Kader wegfallen würden. Da der ausreichende Kadernachwuchs eine Kernvoraussetzung für die Miliz ist, müssen die Laufbahnen so milizverträglich wie möglich ausgestaltet sein.

Der Empfehlung 7 des erwähnten Berichtes der GPK-N folgend, wird die Ausbildung für gewisse Funktionen, die nur in kleiner Zahl benötigt werden, nicht mehr bei jedem Start angeboten, soweit dies der Betrieb der Rekrutenschulen zulässt.

Im Heer wurden per 1. Januar 2006 die beiden Lehrverbände Panzer und Artillerie zum neuen Lehrverband Panzer/Artillerie zusammengelegt. Per 1. Januar 2008 werden die Lehrverbände Übermittlung/Führungsunterstützung 1 des Heeres (LVb Uem/FU 1) und Führungsunterstützung Luftwaffe 34 (LVb FULW 34) zum Lehrverband Führungsunterstützung 30 (LVb FU 30) fusionieren, um Personal und Kosten einzusparen. Dieser Lehrverband wird der Luftwaffe unterstellt.

2.3.2

Ausbildung in den Wiederholungskursen

Der Ausbildungsstand der Formationen hatte sich zwischen 1995 und 2003 wegen des Zweijahresrhythmus für Wiederholungskurse (WK) verschlechtert. Deshalb kehrte die Armee XXI zum Jahresrhythmus für WK zurück. Auch der höhere Standardisierungsgrad der Ausbildung (WK-Typen) trägt zur Verbesserung der Ausbildung bei. Nachteilig wirkt sich auch in den WK die geringere Praxiserfahrung der jungen Milizkader aus; die eingeleiteten Massnahmen (Praktika, siehe Ziff. 2.3.1) bringen aber eine Besserung.

Zusätzlich belastet werden die Formationen durch die Einführung von neuem Material, die damit verbundenen Umschulungen und die Einsätze (subsidiäre Sicherungseinsätze, Katastrophenhilfe). Einsätze tragen zwar oft zur Motivation der Truppe bei, verhindern aber mittelfristig, dass für die angestammten Aufgaben die Ziele in der Verbandsausbildung bis Stufe Truppenkörper erreicht werden. Auch hier wurden Optimierungen eingeleitet, indem Berufs- und Durchdienerformationen vermehrt die subsidiären Einsätze übernehmen. Damit sollen die Ziele der Verbandsausbildung langfristig erreicht werden können. Die Überprüfung soll künftig vermehrt wieder durch Volltruppenübungen stattfinden. Ein Anfang wurde mit der Volltruppenübung ZEUS gemacht. Mit ihr wurde die Umsetzung des Auftrags Raumsicherung bis auf 2423

die untere taktische Stufe überprüft. Es konnten sehr wertvolle Lehren im Bereich der Einsatzführung gewonnen werden, die unter anderem auch in die Ausbildung der Kader aller Stufen einfliessen.

2.3.3

Höhere Kaderausbildung

Das Vermitteln des militärischen Entscheidfindungsprozesses in verschiedenen Lagen, unter Zeitdruck und erschwerten Bedingungen steht im Zentrum der Höheren Kaderausbildung der Armee (HKA). An den Lehrgängen nehmen zu 90 % Angehörige der Armee, zu 8 % Angehörige des Bevölkerungsschutzes und zu 2 % Personen aus der Wirtschaft teil. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen beträgt jährlich über 4 000. Die HKA arbeitet eng mit Partnern im In- und Ausland zusammen.

Die regelmässig durchgeführten Qualitätserhebungen zeigen, dass die Ausbildung an der HKA in allen Bereichen den Anforderungen entspricht.

Militärische und zivile Vorgesetzte sollen den Nutzen einer militärischen Führungsausbildung für ihre Organisation erkennen. Um der Wirtschaft diesen Nutzen im direkten Kontakt aufzuzeigen, werden regelmässig Anlässe mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft durchgeführt. Seit drei Jahren entwickelt sich die HKA systematisch nach dem Business Excellence Modell der European Foundation for Quality Management.

Um die Weiterausbildung von militärischen Kadern attraktiver zu machen, strebt die HKA die Anerkennung der militärischen Führungsausbildung als zivil anwendbare und an ein Hochschulstudium anrechenbare Führungspraxis an. Ein erster Schritt ist mit der Unterzeichnung entsprechender Vereinbarungen mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur und der Hochschule für Wirtschaft Luzern erreicht.

Zukünftig wird die militärische Führungsausbildung an der Generalstabsschule für ein Hochschulstudium als Modul Führungspraxis anerkannt. Konkret bietet die Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur Generalstabsabsolventen mit Promotion ab 1995 die Chance, ein Executive MBA unter Anrechnung von 24 bis 36 Kreditpunkten (gemäss ECTS4) und entsprechender Reduktion der Studiengebühren zu absolvieren. Die Hochschule für Wirtschaft Luzern rechnet militärischen Kadern ab Stufe Hauptmann bis 11 Kreditpunkte an, was für Studenten bis zu 18 % Zeitund Geldersparnis bedeutet. Mit der Universität Luzern hat die HKA eine erste Absichtsvereinbarung unterzeichnet. Es ist zu hoffen, dass mit solchen Massnahmen die Bestände vor allem im Bereich der Führungsgehilfen in den Stäben der Bataillone, Brigaden und Territorialregionen gesichert werden können.

4

ECTS = European Credit Transfer System. Dieses soll sicherstellen, dass die Leistungen von Studenten an Hochschulen des Europäischen Hochschulraumes vergleichbar und bei einem Wechsel von einer Hochschule zur anderen, auch grenzüberschreitend, anrechenbar sind. Dies ist möglich durch den Erwerb von Leistungspunkten (engl. credit points), das sind Anrechnungseinheiten, die in der Hochschulausbildung durch Leistungsnachweise erworben werden.

2424

2.3.4

Ausbildung in den Stäben

Im Zeitraum 2004­07 wurden die Stäbe der Stufe Armee sowie der Grossen Verbände (Territorialregionen, Brigaden) mindestens einmal im Rahmen einer Übung trainiert. Für die Stufe Armee waren dies die ersten Übungen seit Jahren. Die Erfahrungen waren durchwegs positiv; es konnten wichtige Erkenntnisse gezogen und zum Teil auch bereits umgesetzt werden.

Die Übung ORYX diente der Schulung des Führungsstabs der Armee. Sie wurde als gut und notwendig bewertet und brachte den Führungsstab der Armee in seiner Fach- und Methodenkompetenz bedeutend weiter. Es wurden aber auch stabstechnische Lücken aufgedeckt, die im Rahmen des Nachbearbeitungsprozesses geschlossen werden. In der Armeestabsrahmenübung STABILO wurde die Umsetzung dieser Lehren im Herbst 2007 überprüft.

Mit der Stabsübung MIKADO DUE wurde die Interaktion zwischen dem Stab der Territorialregion 2 und den Verbindungsstäben der betroffenen Kantone untersucht.

Gemäss Szenario waren die Kantone zwar nach wie vor funktionsfähig, ersuchten aber den Bundesrat um Truppenhilfe, da ihre Polizeikorps überlastet waren. Somit musste der Stab der Territorialregion Einsätze planen, die den Schutz von Grenzabschnitten, Schlüsselräumen und strategischer Infrastruktur sowie den Schutz des Luftraums umfassten. Die Übung zeigte auf, dass die während eines Jahres ordentlich Dienst leistenden Truppen für die Erfüllung von umfangreichen Raumsicherungseinsätzen bei grösseren Auftragslasten nicht ausreichen, so dass in solchen Situationen rasch besondere Aufgebote erforderlich werden können.

In der Übung SPAGAT wurden die Verfügbarkeit der Stäbe der Territorialregionen während eines Wochenendes sowie die Verbindungen mit den kantonalen Verbindungsstäben überraschend geprüft. Die Übung deckte auf, dass die Verfügbarkeit der Milizoffiziere für nicht im Voraus geplante Dienstleistungen aufgrund ihrer zivilen Verpflichtungen nicht mehr ausreicht5.

Mit der Übung SIEGFRIED wurde eine Standardübung geschaffen, um Brigadestäbe des Heeres auf dem Führungssimulator in Kriens Raumsicherungseinsätze trainieren zu lassen.

Im Weiteren hat der Chef VBS im Herbst 2005 im Rahmen der Übung ACAPO die Reaktionsfähigkeit des Führungsstabes der Armee und die Verfügbarkeit der Truppe aufgrund eines konkreten Szenarios und ohne Vorwarnung überprüfen lassen. Der Chef VBS beabsichtigt, im Jahr 2008 eine ähnliche Übung durchzuführen.

2.3.5

Internationale Ausbildungszusammenarbeit

Die Ausbildungskooperation soll es ermöglichen, Fähigkeiten und Techniken aufzubauen und einzuüben, die in der Schweiz mangels Möglichkeiten (Gelände, Sicherheit) nicht hinreichend ausgebildet werden können oder von der Sache her multilateral erworben werden müssen (Krisenmanagement, Friedensförderung). Jährlich nehmen rund 1 000 Angehörige der Armee im Ausland an Lehrgängen, Übungen 5

Dies ist mit ein Grund, weshalb die immer wieder vorgeschlagene Neubildung von Alarmformationen (Milizverbände) unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen als nicht zielführend beurteilt werden muss.

2425

oder Fachgesprächen teil, wobei es sich beim Gros um Berufsoffiziere oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung handelt. Etwa ein Drittel davon besuchen Kurse im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Das Schwergewicht der bilateralen Ausbildungskooperation liegt auf unseren Nachbarstaaten und den skandinavischen Partnern (Schweden, Finnland, Norwegen). Für einzelne Bereiche und langfristige Abkommandierungen in verschiedene Ausbildungsstätten kooperiert die Schweiz mit weiteren Staaten (z.B. USA, Grossbritannien, Belgien). Multilateral werden Angehörige der Armee in rund 250 Ausbildungsprogrammen der PfP ausgebildet. Diese umfassen die Stabs- und Spezialistenausbildung, Übungen und die Beteiligung an Arbeitsgruppen. Damit wird die Interoperabilität der Armee verbessert.

Als Beispiel internationaler Ausbildungszusammenarbeit sind die Stabsrahmenübungen VIKING zu erwähnen, die in der Regel alle zwei Jahre stattfinden.

VIKING 05 wurde mit dem Thema einer NATO-geführten Friedensförderungsoperation unter einem UNO-Mandat durchgeführt. Die Übung wurde vom 5. bis 16. Dezember 2005 von Schweden aus geführt. Die HKA beherbergte in Luzern einen multinationalen Brigadestab einschliesslich der unterstellten Bataillonsstäbe und war für die Bereitstellung der Infrastruktur, des Personals und die korrekte Durchführung von VIKING 05 verantwortlich. Aus der Schweiz nahmen knapp 100 Offiziere und Unteroffiziere aus der HKA, dem Heer und der Luftwaffe, dem Hauptquartier in Bern sowie dem Stab Infanteriebrigade 4 teil, womit wiederum Milizoffiziere in eine solche Übung einbezogen wurden. Die nächste Übung findet ­ ausnahmsweise erst 2008 ­ wieder mit Beteiligung von Milizoffizieren6 statt. Mit der Teilnahme an solchen Übungen können auf höherer Stufe wertvolle Erfahrungen in internationaler Interoperabilität gesammelt sowie Vergleiche zum eigenen Ausbildungsstand angestellt werden. Die Schweizer Armee kann dabei mit vergleichsweise geringem Aufwand von realistischer Stabsausbildung profitieren.

3

Aufträge der Armee

Die Armee hat drei Aufträge: Raumsicherung und Verteidigung, Unterstützung der zivilen Behörden, wenn deren Mittel nicht mehr ausreichen, und Friedensförderung.

In diesem Kapitel werden mögliche Entwicklungen der Aufträge der Armee mit Schwergewicht auf der Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 behandelt.

3.1

Raumsicherung und Verteidigung

Eine Raumsicherungsoperation soll stabilisierend wirken und dazu dienen, eine absehbare oder akute Krisenlage für Land und Volk zu bewältigen; Ziel der Operation ist die Rückkehr zur normalen Lage. Es geht um die Gewährleistung und Stärkung der Sicherheit der Bevölkerung und um die Wahrung der Funktions- und Handlungsfähigkeit von Bund und Kantonen. Raumsicherung kann die Kontrolle 6

28 Offiziere des Stabes Infanteriebrigade 4 werden ­ verstärkt mit in- und ausländischen Stabsoffizieren ­ den Stab (inkl. Kommandant und stellvertretender Stabschef) der 1. Multinationalen Brigade bilden und in Luzern an der Übung VIKING 08 teilnehmen.

Der Stab Infanteriebrigade 4 hat sich unter anderem in einer speziellen Ausbildung auf Basis von VIKING 05 darauf vorbereitet.

2426

des Luftraumes, den Schutz von Personen, Objekten und Räumen, grösseren Geländeabschnitten oder Transversalen umfassen. Sie kann auch im Rahmen einer Gegenkonzentration die Demonstration der eigenen Fähigkeiten zur Abwehr eines militärischen Angriffs gegen die Schweiz beinhalten.

Landesverteidigung

gering

Eintretenswahrscheinlichkeit

hoch

Konflikte im Ausland

Raumsicherungsoperationen

Natur- und technische Katastrophen Terrorismus, Proliferation

Verteidigungsoperationen

Bedrohung aus der Luft Luftpolizeidienst / Neutralitätsschutz

Unruhen im Innern

Operationen zur Unterstützung ziviler Behörden

Militärischer Angriff

Auswirkungen auf die Schweiz hoch

Einsatzspektrum der Armee

Verteidigungsoperationen dienen dazu, einem militärisch organisierten Angreifer die Erreichung seiner strategisch-operativen Ziele zu verwehren. Gegenwärtig werden Verteidigungsoperationen nach dem Prinzip der dynamischen Raumverteidigung geführt. Diese wird von Heer und Luftwaffe aktiv und unter Ausnutzung der gesamten Tiefe des Operationsraums geführt und basiert (am Boden) auf einer Kombination der drei Gefechtsformen Angriff, Verteidigung und Verzögerung.

Verteidigungsfähigkeit umfasst die Gesamtheit der Fähigkeiten zur Abwehr eines militärischen Angriffs. Da eine konventionelle Bedrohung der Schweiz mittelfristig wenig wahrscheinlich bleibt, ist es verantwortbar, die Mittel zur Abwehr eines solchen Angriffs gegen die Schweiz zu redimensionieren und sich auf die Aufrechterhaltung einer Verteidigungskompetenz zu konzentrieren. Diese ist Grundlage für den Aufwuchs, der im Falle eines einschneidenden negativen Wandels unseres Umfelds nötig werden könnte.

3.2

Entwicklungsschritt 2008/11 und seine Umsetzung

3.2.1

Ursache und Wirkung des Entwicklungsschrittes

Aufgrund der sicherheitspolitischen Bedrohungsanalyse sowie der Sparvorgaben, die der Armee auferlegt worden sind, entschied der Bundesrat am 11. Mai 2005, die bei Schutz- und Sicherungseinsätzen in erster Linie zum Einsatz kommende Infanterie zu verstärken. Im Gegenzug sollten die primär auf die Abwehr eines militärischen Angriffs ausgerichteten Mittel redimensioniert werden, bei gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung der diesbezüglichen Kompetenz. Dies sollte mit dem Entwicklungsschritt 2008/11 (ES 08/11) der Armee umgesetzt werden. Dieser ist auch eine Folge der Sparprogramme. Insbesondere die beiden Entlastungspro2427

gramme 2003 und 2004 haben indirekt die Rahmenbedingungen für die Armee verändert und deren Finanzrahmen um jährlich rund eine halbe Milliarde Franken beschnitten (Aufträge und Bestand der Armee wurden aber unverändert belassen).

Ein weiterer Grund für diesen Schritt liegt in der Bestandesproblematik der Armee XXI: Ab ca. 2015 ist die Konfiguration der Armee XXI (Stand 2006) aufgrund des demografisch bedingten abnehmenden Rekrutierungspotenzials nicht mehr alimentierbar.

Am 3. Oktober 2006 scheiterte die Revision der Verordnung über die Organisation der Armee ­ die rechtliche Voraussetzung für den ES 08/11 ­ im Nationalrat deutlich. Eine vom Bundesrat in Aussicht gestellte Verminderung des Abbaus der Panzerverbände führte am 8. März 2007 zur Annahme der Revision durch den Ständerat. Am 22. Juni 2007 stimmten National- und Ständerat in der Schlussabstimmung der Vorlage zu.

Mit dem ES 08/11 wird die Anzahl der Brigadestäbe des Heeres von neun auf acht, diejenige der Panzerbataillone von acht auf sechs reduziert, dies anstelle der ursprünglich vorgesehenen Reduktion auf nur noch vier. Auch die Zahl der Artillerie- und Fliegerabwehrverbände sinkt. Dagegen erhöht sich die Anzahl der Infanteriebataillone, der Katastrophenhilfebataillone, der Geniebataillone und der Bataillone bzw. Abteilungen der Führungsunterstützung. Ingesamt vermindert sich die Anzahl der Bataillone und Abteilungen der Armee von 134 auf 128.

Die sechs Katastrophenhilfebataillone sind neu den Territorialregionen unterstellt, die schon bisher in der Regel für deren Einsatz verantwortlich waren. Diese Änderung ist auch eine Folge der Erkenntnisse aus dem Hochwassereinsatz der Armee vom August 2005.

Es ist bestandesmässig möglich, vorerst nur zwei Panzerbataillone abzubauen. Langfristig ist dies wegen der demografischen Entwicklung aber nicht gesichert.

3.2.2

Verfassungsmässigkeit des Entwicklungsschrittes

Im Rahmen der parlamentarischen Debatte zum ES 08/11 wurde vom VBS ein juristisches Gutachten eingeholt7. Es ging darum zu prüfen, ob der ES 08/11 verfassungskonform sei. Das Gutachten beantwortet diese Frage im positiven Sinne. Zwar enthalte Artikel 58 der Bundesverfassung (BV) für die Armee verbindliche Aufträge, aber keine konkreten Angaben zur Art und Weise, wie der Verfassungsauftrag Landesverteidigung umgesetzt werden müsse. Ausgehend von einem Verständnis des Begriffes Verteidigung, der nicht von der jeweils spezifischen Bedrohung gelöst werden könne, erlaube die offene Verfassungsnorm die Anpassung der Armee an die veränderte Bedrohungslage. Vor diesem Hintergrund schlägt das Gutachten folgende Definition vor: «Verteidigung ist die Anwendung oder Androhung von militärischer Gewalt zur rechtzeitigen Abwehr einer gewaltsamen Bedrohung strategischen Ausmasses.» Vor diesem Hintergrund könne Raumsicherung unter dem Verteidigungsbegriff der Verfassung eingeordnet werden, ohne diesen aber auszufüllen, weil es sich ebenfalls um militärische Aufgaben zur Bewältigung von Gewalt strategischen Ausmasses handle.

7

Prof. Dr. iur. Andreas Lienhard, Dr. iur. Philipp Häsler, Verfassungsmässigkeit des Entwicklungsschrittes 2008/11, Universität Bern, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Institut für öffentliches Recht, 26. Februar 2007.

2428

Zur Frage des Aufwuchses unterstreicht das Gutachten, dass eine Reduktion der auf die Abwehr eines militärischen Angriffs auf die Schweiz ausgerichteten Mittel verbunden mit dem Konzept eines späteren Aufwuchses verfassungsrechtlich zulässig sei. Zwar müsse am Ziel der Verteidigung gegen einen militärischen Angriff aus verfassungsrechtlichen Gründen festgehalten werden, daraus lasse sich aber weder ein minimales Fähigkeitsniveau für eine bestimmte Aufgabe noch eine Notwendigkeit ableiten, dass die Armee aus dem Stand verteidigungsfähig sein müsse. Das Gutachten leitet demgegenüber drei Richtlinien ab: die laufenden Analyse der Bedrohungslage, die Verfügbarkeit der Mittel zur Verteidigung nach Massgabe der Vorwarnzeiten und die Fähigkeit zum wirksamen Mitteleinsatz (konkretisiert mit den Stichworten Doktrin, Führungsstruktur und Ausbildung). Der Verfassungsauftrag Verteidigung werde in Friedenszeiten erfüllt, wenn alles Erforderliche unternommen werde, um zeitgerecht einer Gewalt strategischen Ausmasses mit der Armee entgegentreten zu können. So könne der Aufwuchs auch nicht auf das Szenario eines militärischen Angriffes reduziert werden. Aufwuchs sei für jede militärische Aufgabe und gegen jede Form von Bedrohungen strategischen Ausmasses anwendbar. Dabei sei zu beachten, dass nicht durch heutige Entscheide ein späterer Aufwuchs verunmöglicht oder übermässig erschwert werde.

3.2.3

Umsetzung des Entwicklungsschrittes

Der ES 08/11 wird ab 2008 gestaffelt umgesetzt. Die Staffelung hat folgende Gründe: 1.

Während der Umsetzung des ES 08/11, insbesondere während der EURO 08, muss die Armee die von ihr geforderten Leistungen weiterhin erbringen.

2.

Der ES 08/11soll milizverträglich umgesetzt werden. Es wird insbesondere darauf verzichtet, Angehörige aufzulösender Formationen umzuschulen.

3.

Schliesslich gilt es, die Einführung neuer Systeme (Führungsinformationssystem Heer, Panzer Leopard WE8 usw.) durch Stäbe und Truppen zu verkraften.

Bis Ende 2007 konnten auf Basis der Umsetzungsplanungen sämtliche Vorbereitungen für eine gestaffelte Umsetzung des ES 08/11 getroffen werden. Dabei ging es im Wesentlichen um: 1.

die Festlegung des Nachwuchsbedarfs (inkl. Offiziersnachwuchs) für das Zahlenbuch 2008, das Basis für die Rekrutenschulen 2009 ist;

2.

die Erstellung der Planungen für die materielle Umsetzung sowohl für den Einsatz als auch für die Ausbildung;

3.

die Bereitstellung der Einsatz- und Ausbildungsgrundlagen.

Für die nächsten Jahre ergeben sich folgende wesentliche Schritte in der Umsetzung des ES 08/11 (Auszug mit Beschränkung auf aktive Truppenkörper und Stäbe): 2008: Per 1. Januar 2008 erfolgt die Bildung der zwei zusätzlichen Katastrophenhilfebataillone (Kata Hi Bat) aus den Kata Hi Bat ad hoc WEST und OST.

8

WE = Werterhaltung

2429

Per 1. Juli 2008 werden ein Infanteriebataillon und ein Gebirgsinfanteriebataillon neu gebildet.

2009: Per 1. Januar 2009 werden ein Gebirgsinfanteriebataillon und ein Geniebataillon neu gebildet.

Auf diesen Zeitpunkt erfolgen auch die Umstrukturierung bei der Fliegerabwehr und die damit verbundene Reduktion der Fliegerabwehrabteilungen von 15 auf 9.

2010: Per 1. Januar 2010 wird das vierte der neu zu bildenden Infanteriebataillone aufgestellt. Ebenfalls auf diesen Zeitpunkt werden alle Infanteriebataillone in die Gliederung nach ES 08/11überführt.

2011: Per 1. Januar 2011 wird der Stab der Infanteriebrigade 4 aufgelöst. Im Weiteren werden alle Stäbe der Brigaden des Heers sowie der Territorialregionen in die Gliederung nach ES 08/11überführt.

Im Weiteren finden die vorgesehenen Umwandlungen bzw. der Abbau bei den Panzertruppen und der Artillerie statt.

3.3

Unterstützung der zivilen Behörden

3.3.1

Verfassungsmässigkeit von Armeeeinsätzen im Rahmen der inneren Sicherheit

Mit ihrem Postulat 07.3550 «Armee und innere Sicherheit. Verfassungsmässigkeit» hat die SiK-N eine Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Einsätzen der Armee im Rahmen ordentlicher Aufgaben der inneren Sicherheit verlangt. Der Bundesrat hat das Postulat angenommen, und es wurde vereinbart, dass diese Prüfung in die vorliegende Berichterstattung integriert werde.

Der Einsatz der Armee zur Unterstützung der zivilen Behörden ist in Artikel 58 Absatz 2 BV verankert, der die Aufgaben der Armee auflistet. Diese Bestimmung lautet: «2 Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlichen Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.» Diese Verfassungsbestimmung orientiert sich an der analogen Umschreibung des Armeeauftrags in Artikel 1 des Militärgesetzes (MG; SR 510.10). Dort wurde der Auftrag 1995 erstmals auf Gesetzesstufe festgehalten. Bei der Auslegung der Verfassungsnorm sind daher auch die Materialien zum MG heranzuziehen.

Der Unterstützungsauftrag enthält zwei Teile: Zum einen kann die Armee eingesetzt werden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit. Im vorliegenden Zusammenhang beinhaltet der Begriff der inneren Sicherheit das Sicherstellen des friedlichen Zusammenlebens, den Schutz der staatlichen Institutionen und den Schutz der Gemeinschaft vor elementaren Gefährdungen. Dabei muss die Bedrohung der inneren Sicherheit schwerwiegend sein. Eine solche liegt etwa vor bei bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die in 2430

ihren Ausmassen den Staat als Ganzes betreffen (Wiegandt, Der Einsatz der Armee, Diss. Zürich 1999, S. 78 f.). Als Einsatzart ist dazu der Ordnungsdienst vorgesehen, der als Aktivdienst geleistet wird.

Zum andern kann ein solcher Einsatz erfolgen, um andere ausserordentliche Lagen zu bewältigen. In der Botschaft zum MG sind damit in erster Linie Hilfeleistungen bei existenziellen Gefährdungen der Lebensgrundlagen (Katastrophen) gemeint.

Allerdings wird ausgeführt, dass die Hilfeleistung beispielsweise auch darin liegen kann, dass die Luftpolizei verstärkt wird, Bewachungsaufgaben anlässlich von internationalen Konferenzen in der Schweiz übernommen werden oder Bewachungs- und Betreuungsaufgaben bei ausserordentlichen Lagen im Migrationsbereich erfüllt werden (Botschaft vom 8. September 1993 betreffend das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung sowie Bundesbeschluss über die Organisation der Armee; BBl 1993 IV 30 f.). Diese Einsätze werden als Assistenzdienst geleistet.

Dabei muss es sich stets um Aufgaben handeln, die im öffentlichen Interesse liegen und denen nationale Bedeutung zukommt. Ein Armeeeinsatz kommt zudem nur dann in Frage, wenn die Mittel der zivilen Behörden für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreichen und die zuständigen zivilen Behörden darum ersuchen (Meyer, St. Galler Kommentar zu Art. 58 BV, Rz 10). Dieser Grundsatz der Subsidiarität ist in Artikel 67 MG festgehalten.

Das VBS liess die Frage der Verfassungs- bzw. Gesetzmässigkeit von sogenannten Dauereinsätzen der Armee im Rahmen der inneren Sicherheit abklären. Diese Frage stellte sich vor allem im Zusammenhang mit dem vom Parlament 1999 beschlossenen Schutz ausländischer Vertretungen durch Angehörige der Armee. Diese Einsätze wurden in der Folge mehrmals erneuert bzw. verlängert. Im Herbst 2003 unterbreitete Prof. René Rhinow zwei Gutachten zu dieser Frage. Im Rahmen seiner Untersuchung nahm er u.a. Stellung zum Subsidiaritätsprinzip. Dieses Kriterium verlangt für die Zulässigkeit eines Assistenzdiensteinsatzes, dass die zivilen Ressourcen nicht ausreichen.

Der Gutachter führte aus, dass die zivilen Organe es weitgehend in der Hand haben, wo die Grenze gezogen werden soll, nach der ihre Mittel erschöpft sind und ein subsidiärer Armeeeinsatz erforderlich wird. Dabei verfügen sie über einen grossen Beurteilungs-
und Gestaltungsspielraum. Die Verantwortung von Bund und Kantonen für die innere Sicherheit nach Artikel 57 BV nimmt die Verantwortungsträger dabei in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen in die Pflicht ­ aber nicht darüber hinaus. Der Gutachter stellt daher auch fest, dass eine kleinere politische Bereitschaft, entsprechende zivile, insbesondere polizeiliche Instrumente bereitzuhalten, zur Folge hat, dass ein Armeeeinsatz umso eher erfolgen muss. Denn über der Rangordnung der eingesetzten Mittel steht das Verfassungsgebot, dass die Sicherheitsanliegen mit den zur Verfügung stehenden staatlichen Mitteln erfüllt werden (Art. 57 BV) und dass keine «Sicherheitslücke» infolge von Kompetenzkonflikten entsteht. Daher sei die Dauer eines Armeeeinsatzes nicht massgeblich für seine verfassungs- und gesetzmässige Zulässigkeit9.

9

Vgl. auch René Rhinow, Zur Rechtmässigkeit des Armeeeinsatzes im Rahmen der inneren Sicherheit, in: Thomas Sutter-Somm et al., Risiko und Recht, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2004, S. 374 ff.

2431

3.3.2

Ausblick

Mit Bundesbeschluss vom 5. Oktober 2004 wurden die Assistenzdiensteinsätze der Armee zum Schutz ausländischer Vertretungen bzw. völkerrechtlich geschützter Niederlassungen (AMBA CENTRO), zur Verstärkung des Grenzwachtkorps (LITHOS) und zur Unterstützung des Bundessicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Zivilluftfahrt im Bereich der Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr (TIGER/FOX) bis Ende der Legislatur 2007 beschlossen. Mit der am 30. Mai 2007 vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft an das Parlament soll der Assistenzdienst zugunsten der zivilen Behörden aufgrund der Gesuche der Arbeitsgruppe gesamtschweizerische interkantonale Polizeizusammenarbeit (GIP) vom 2. Mai 2007 und des Eidgenössischen Finanzdepartementes vom 17. April 2007 weitergeführt werden, allerdings redimensioniert und im Bereich des Botschaftsschutzes neu organisiert.

Während die Einsätze LITHOS und TIGER/FOX seit dem Bundesbeschluss vom 5. Oktober 2004 weitgehend unbestritten waren, gab der Einsatz AMBA CENTRO immer wieder zu Diskussionen Anlass. Neben der grundsätzlichen Debatte um die Rolle der Armee in der inneren Sicherheit war es vor allem der Einsatz von WK-Formationen, der zu Kritik führte.

Mit dem Ziel, sich unter Respektierung der rechtlichen Grundlagen und der bestehenden Zuständigkeiten mit der Klärung von Abstimmungsfragen an den wichtigsten Schnittstellen zwischen Polizei und Armee zu befassen, beschlossen das VBS und die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) im Sommer 2005, eine gemeinsame Diskussionsplattform zu schaffen (Plattform KKJPD-VBS, seit Januar 2007 Plattform KKJPD-VBS-EJPD).

Unter dem Begriff «Botschaftsschutz ab 2008» diskutierte und bewertete die Plattform KKJPD-VBS-EJPD in Zusammenarbeit mit dem EDA, dem EJPD und den direkt betroffenen Städten und Kantonen verschiedene Varianten. Auf dieser Basis erfolgten anschliessend Gespräche mit der KKJPD, dem Chef VBS und den verantwortlichen Regierungsmitgliedern der Kantone und Städte Bern, Genf und Zürich, die zu einer gemeinsamen Stossrichtung führten. Das Parlament hat in der Wintersession 2007 die Assistenzdiensteinsätze AMBA CENTRO, TIGER/FOX sowie LITHOS bis 2012 genehmigt.

Einsatz der Armee bei der Botschaftsbewachung (AMBA CENTRO) Zum Schutz ausländischer Vertretungen und völkerrechtlich geschützter
Niederlassungen sollen möglichst keine WK-Truppen mehr eingesetzt werden, und die Armee soll grundsätzlich nur noch so weit einbezogen werden, wie es für Ausbildungszwecke der Milizangehörigen der Armee notwendig ist. Damit bleibt gewährleistet, dass die Armee die zivilen Behörden beim Eintritt einer ausserordentlichen Lage im Rahmen eines subsidiären Einsatzes zeitgerecht und kompetent unterstützen kann.

Grundlage für die Definition des Schutzbedürfnisses und des Kräfteansatzes der zivilen und der militärischen Seite ist die Bedrohungsanalyse des Bundessicherheitsdienstes (BSD). In enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeiorganen und unter Beizug der Militärischen Sicherheit und des BSD analysierte die Fachgruppe der Plattform KKJPD-VBS-EJPD den Kräfteansatz bei der Botschaftsbewachung und kam zu folgenden Schlüssen:

2432

1.

Ein grundsätzlicher Verzicht auf statische Elemente ist wegen der Gefährdungslage weder in Genf noch in Bern möglich, sofern das aktuelle Schutzniveau beibehalten werden soll.

2.

Eine personelle Reduktion ist möglich, wenn auf «Doppelposten» der Armee verzichtet wird. Dabei kann das heutige Sicherheitsniveau aufrechterhalten werden, wenn auf den Einzelposten ausschliesslich Angehörige der Militärischen Sicherheit zum Einsatz gelangen.

Die bestehenden Aufträge (statisch/mobil) können demnach mit 206 zivilen Botschaftsschützern und 125 Angehörigen der Militärischen Sicherheit wahrgenommen werden.

Einsatz der Armee zur Verstärkung des Grenzwachtkorps (LITHOS) Eine Rahmenvereinbarung zwischen dem VBS und dem EFD ist Grundlage für sämtliche Leistungen der Armee zugunsten des Grenzwachtkorps (GWK). Neben der Verstärkung des GWK durch Angehörige der Militärischen Sicherheit geht es um den Einsatz von Drohnen und von Super-Puma Helikoptern, die mit Tageslichtoder Wärmebildkameras ausgerüstet sind, für die Luftüberwachung der Grenzgebiete sowie um Lufttransportleistungen. Die Geltungsdauer der Rahmenvereinbarung und der damit zusammenhängenden Leistungsvereinbarungen endete am 31. Dezember 2007. In einem Schreiben vom 17. April 2007 an den Chef VBS beantragte der Chef EFD, die Rahmenvereinbarung zu verlängern und das GWK weiterhin mit mindestens 100 Angehörigen der Militärischen Sicherheit im Rahmen von LITHOS zu unterstützen. Gleichzeitig wies er auf die Notwendigkeit hin, dass das GWK für die Zeit während der EURO 08 mit 100 zusätzlichen Angehörigen der Militärischen Sicherheit unterstützt werden sollte.

Einsatz der Armee zugunsten der Sicherheit im Luftverkehr (TIGER/FOX) Im Winter 2005 schlossen die KKJPD und der Bund (vertreten durch das EJPD) eine Vereinbarung im Bereich Sicherheitsbeauftragte Luftverkehr ab. Darin verpflichtete sich die KKJPD, dafür zu sorgen, dass die Polizeikorps der Kantone und Städte dem Bund jährlich eine bestimmte Mindestanzahl Polizeiangehörige zur Verfügung stellen. Trotzdem besteht nach wie vor eine Unterdeckung von ca. 20 Personaleinheiten.

Die Differenz soll weiterhin durch Angehörige des GWK und der Militärischen Sicherheit ausgeglichen werden. Mit dem entsprechenden Bundesbeschluss soll nun für die Einsätze TIGER und FOX zusammen ein Mittelumfang von maximal 20 Angehörigen der Militärischen Sicherheit festgelegt werden.

Dauer und Umfang des Armeeeinsatzes Die geplante und durch die Kantone verlangte Reorganisation des Botschaftsschutzes dürfte nach einer Übergangsphase von zwei Jahren erst ab 2010 funktionieren.

Eine Beurteilungsphase von drei Jahren erscheint sinnvoll, weshalb der Einsatz der Armee im Assistenzdienst zugunsten von AMBA CENTRO, LITHOS und TIGER/ FOX bis zum 31. Dezember 2012
dauern soll.

Der bisherige maximale Mitteleinsatz der Armee zugunsten aller drei Einsätze sieht wie folgt aus: AMBA CENTRO maximal 800 Armeeangehörige, LITHOS maximal 200 Angehörige der Militärischen Sicherheit und TIGER/FOX maximal 90 Angehörige der Militärischen Sicherheit.

2433

Neu soll der personelle Umfang des militärischen Mitteleinsatzes wie folgt limitiert werden: AMBA CENTRO maximal 125 Angehörige der Armee (vorzugsweise Angehörige der Militärischen Sicherheit) nach einer Übergangsfrist mit maximal 600 Angehörigen der Armee10; LITHOS maximal 100 Angehörige der Armee, vorzugsweise Angehörige der Militärischen Sicherheit; während der UEFA EURO 2008 maximal 200 Angehörige der Militärischen Sicherheit; TIGER/FOX maximal 20 Angehörige der Militärischen Sicherheit. Der Bestand der bisher maximal eingesetzten militärischen Personen wird somit von heute 1090 auf 245 reduziert.

Gleichzeitig stocken Kantone und Städte bis 2012 das Korps der polizeilichen Botschaftsschützer von 120 auf 206 auf.

Finanzielle Auswirkungen Für das VBS dürfte die Unterstützung der zivilen Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen, bei der Verstärkung des Grenzwachtkorps und bei Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr um etwa 4 Millionen Franken pro Jahr günstiger ausfallen. Hingegen steigt die Abgeltung des Bundes ­ wegen der Aufstockung von 120 auf 206 zivile Botschaftsschützer und wegen der Erhöhung des Bundesanteils von 80 auf 90 % ­ von bisher rund 10 Millionen Franken auf rund 22 Millionen Franken pro Jahr.

Am 30. Mai 2007 beantragten das VBS und das EJPD in einem Doppelantrag, die Zuständigkeit auf Bundesebene für die finanzielle Unterstützung der zivilen Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen neu dem VBS zu übertragen.

Dabei wird auch die künftige finanzielle Zuständigkeit für die Abgeltung der Aufwendungen der Kantone beim Botschaftsschutz geregelt.

3.4

Friedensförderung

Die Friedensförderung lässt sich in zwei Hauptkategorien unterscheiden: die zivile und die militärische. Auch in der zivilen Friedensförderung ist das VBS aktiv: gemeinsam mit dem EDA unterstützt es die drei Genfer Zentren und die Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich. Dieser finanzielle Beitrag wird alle vier Jahre aufgrund eines Rahmenkredits beantragt (07.023 Botschaft über einen Rahmenkredit zur Weiterführung der Unterstützung der drei Genfer Zentren und verwandter sicherheitspolitischer Aktivitäten vom 28. Februar 2007) und ist nicht Gegenstand dieses Berichts. In der Folge wird ausschliesslich die militärische Friedensförderung behandelt.

3.4.1

Internationale Entwicklungen in der militärischen Friedensförderung

Mit militärischen und zivilen Friedensförderungseinsätzen soll dem Ordnungszerfall in vielen Staaten und Regionen, der nach dem Ende des Kalten Krieges besonders virulent geworden ist, entgegengewirkt werden. Die Nachfrage für Einsatzkräfte ist gewaltig gestiegen und dürfte weiter steigen. Der Staatsaufbau bzw. die Vorbeugung von Staatszerfall erfordern ein breites Massnahmenspektrum. Friedensförderung ist 10

WK-Soldaten werden nur noch im Notfall zur Botschaftsbewachung eingesetzt.

2434

demzufolge ein Thema nicht nur der militärischen, sondern auch der entwicklungsund aussenpolitischen Strategien geworden.

Die Erfahrungen der letzten 15 Jahren haben in Bezug auf die militärischen Einsätze Folgendes gezeigt: ­

Die Bewältigung von bewaffneten Konflikten ist in jedem Fall eine sehr langfristige Angelegenheit. Die militärische Intervention in einen bewaffneten Konflikt bzw. die militärische Präsenz in einer Nachkonfliktsituation können die Anwendung von Gewalt zwar beenden bzw. deren Wiederausbruch verhindern, die politische Konfliktlösung bzw. der Ordnungsaufbau sind damit aber noch nicht vollzogen. Dies kann, wenn überhaupt, nur langfristig gelingen und setzt insbesondere den Willen der jeweiligen Konfliktparteien zur Versöhnung, zum Kompromiss und zur Übernahme von gemeinsamer Staatsverantwortung voraus. Beispiele von erfolgreichem Aufbau funktionierender Staatsordnungen gibt es bisher sehr wenige. Unter diesen Umständen wird die militärische Präsenz vielfach zur Langzeitaufgabe.

­

Die Einsätze stossen insbesondere in Konfliktsituationen in muslimischen Staaten zunehmend auf Widerstand.

­

Die Einsätze sind dementsprechend robust geworden. Die eingesetzten Kräfte müssen verschiedene Aufgaben ­ von der Friedenserhaltung über die Friedensdurchsetzung bis zur Bekämpfung von Aufständischen ­ gleichzeitig erfüllen.

Festzuhalten ist, dass Situationen, in denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord begangen werden, oder Situationen, in denen das reine Überleben von Hunderttausenden von schutzlosen Flüchtlingen oder Vertriebenen auf dem Spiel steht, nicht akzeptierbar sind und Massnahmen erfordern.

3.4.2

Die schweizerische Teilnahme an Operationen der militärischen Friedensförderung

Die Leistung von Beiträgen zur Friedensförderung im internationalen Rahmen ist einer der drei im Militärgesetz aufgeführten Armeeaufträge. Zurzeit leisten rund 270 Armeeangehörige Dienst im Ausland. In der Motion 07.3270 haben die eidgenössischen Räte die Verdoppelung der Kapazitäten der Armee für Auslandeinsätze bis 2010 verlangt.

Die Schweiz leistet ausschliesslich unter folgenden Voraussetzungen Auslandeinsätze: unter strikter Wahrung der Neutralität, nur wenn ein UNO- bzw. OSZE-Mandat vorliegt, wenn das Schweizer Engagement nicht die Teilnahme an Kampfhandlungen impliziert, auf der Grundlage der Freiwilligkeit und unter Wahrung der Entscheidungsfreiheit bezüglich des Einsatzes und der Kooperations-Partner.

Die erwähnten internationalen Entwicklungen im Bereich der Friedensförderung haben Auswirkungen auf die Möglichkeiten sowie den Aufbau der Fähigkeiten der Armee für zukünftige Einsätze. Im Folgenden soll dargelegt werden, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen die Forderungen der Motion erfüllt werden können.

2435

3.4.3

Aufbau der Fähigkeiten durch die Armee

Im Hinblick auf die Verdoppelung der Kapazitäten gilt es die Bestandeslücken beim militärischen Berufspersonal und die Bedürfnisse für Dienstleistungen der Armee im Inland zu berücksichtigen. Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang im Februar 2007 entschieden, die schweizerische Beteiligung an militärischen Friedenseinsätzen moderat auszubauen. Angesichts der Bestandeslücken beim militärischen Berufspersonal bedeutet dies, dass die zusätzliche Einsatzleistung im Ausland prioritär durch Freiwillige der Miliz sowie durch militärisches und ziviles Personal zu erbringen ist, welches nicht in der Ausbildung im Inland benötigt wird. Möglich ist also, was als «Status Quo Plus» bezeichnet wurde.

Dies bedeutet, dass der gegenwärtige Umfang der im Ausland durch die Armee erbrachten Leistungen aufrechterhalten werden soll: ein massgeschneiderter Einsatzverband, aktuell die SWISSCOY in Kosovo; parallel dazu spezialisierte Detachemente, z.B. die zwei Verbindungs- und Überwachungsteams in Bosnien.

Ausbaumöglichkeiten bestehen in folgenden Bereichen: spezialisierte Einzelpersonen, z.B. Militärbeobachter, Offiziere in multinationalen Stäben, Verbindungsoffiziere oder Spezialisten für die Beseitigung von Minen und Blindgängern. Nebst diesen Spezialisten und Einzelpersonen wird angestrebt, die Zahl der Transporthelikopterteams von gegenwärtig zwei zu erhöhen.

Eine besondere Nachfrage besteht nach dem Aufbau regionaler und nationaler Kapazitäten, um betroffene Regionen oder Nationen längerfristig zu befähigen, ihre Probleme selber lösen zu können. Im Vordergrund steht dabei Afrika. Es geht um die Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten für friedenserhaltende Missionen, bei der Reform der Sicherheitssektoren, die Beratung beim Aufbau von sicherheitsrelevanten Institutionen, die Bereitstellung von Expertise für die Kontrolle und Vernichtung von Kleinwaffen sowie um die Ausbildungsunterstützung in Bereichen wie Kriegsvölkerrecht, Menschenführung oder Logistikmanagement.

Schliesslich kann die Armee weiterhin Konfliktlösungsbemühungen des EDA unterstützen, wie dies im Falle von Nepal erfolgt ist.

In Friedensförderungseinsätzen fehlt es insbesondere an Lufttransportkapazitäten.

Schweizerische Helikoptereinheiten sind dementsprechend gefragt; mit solchen Einheiten erzielt die Schweiz überdies grosse Visibilität. Aber
auch diesbezüglich gibt es Einschränkungen: Transportdienstleistungen werden auch im Inland gebraucht, der aktuelle Bestand an spezialisiertem zivilem wie militärischem Berufspersonal, verbunden mit den bestehenden Abbauvorgaben, setzt den Personalreserven enge Grenzen. Die Armee wird in diesem Bereich das Volumen ihrer Leistungserbringung ­ zumindest bis 2010 ­ nur marginal erhöhen können. Dies bedeutet, dass zusätzliche Einsätze im Rahmen der militärischen Friedensförderung nur mit Anpassungen bei den aktuell erbrachten Leistungen sowie mit entsprechender personeller und finanzieller Priorisierung zu erbringen sein werden.

Voraussetzung für die schweizerische Teilnahme an militärischen Friedensförderungsoperationen ist eine ausreichende Zahl an qualifizierten Freiwilligen. Hier sind zusätzliche Anreize erforderlich. Massnahmen sind eingeleitet, um sowohl auf Seiten der Miliz als auch beim zivilen und militärischen Berufspersonal die Attraktivität der militärischen Friedensförderung zu steigern.

2436

Bereits angelaufen ist ferner die Eliminierung negativer Anreize. Es geht dabei zum Beispiel um die bisher fehlende Relevanz von Friedensförderungseinsätzen für die Karriere der Berufsmilitärs oder um die Behebung der Ungleichbehandlung von Berufsmilitärs in Versicherungsfragen. Für Milizangehörige wird neu die Möglichkeit geschaffen, Friedensförderungseinsätze an die Dienstpflicht anzurechnen.

Zusätzlich sollen ausgewählte Spezialisten (z.B. Ärzte, Spezialmechaniker) neu Kurzeinsätze leisten können, die mit dem zivilen Arbeitsumfeld abgestimmt sind.

Weitere Massnahmen betreffen die Reintegration der Milizangehörigen in den zivilen Arbeitsmarkt nach Ende eines Einsatzes, die verbesserte Betreuung von Einsatzleistenden und ihrer Angehörigen, die Optimierung des Rekrutierungssystems sowie die Öffentlichkeitsarbeit.

Notwendig ist zusätzlich eine Flexibilisierung des Genehmigungsverfahrens. Dazu gehört unter anderem die fallweise Ausübung der Entscheidkompetenz des Bundesrates in dringenden Fällen11 oder der Kompetenz, die Kontingentsgrösse eines grundsätzlich bewilligten Einsatzes je nach Lage anzupassen12.

Die erwähnten Hinweise zeigen, dass nur schon aufgrund der vorhandenen Kapazitäten in den nächsten vier Jahren zusätzliche Auslanddienstleistungen nur punktuell erbracht werden können. Betrachtet man die in gegenwärtigen und zukünftigen Operationen vorherrschenden Bedingungen wie geographische Entfernung, klimatische Bedingungen, Mangel an Infrastrukturen in den Krisengebieten und Versorgungsprobleme, so wird offensichtlich, dass die Erhöhung von Kapazitäten eine Reihe von Folgewirkungen haben wird, die es zu bedenken gilt. Es ist deshalb unumgänglich, dass unter diesem Aspekt in den nächsten Jahren neben dem punktuellen Ausbau eine ganzheitliche Überprüfung unseres militärischen Auslandengagements vorzunehmen ist.

Festzuhalten aber ist: Die Schweiz trägt mit ihrer Teilnahme an Operationen der militärischen Friedensförderung zur Steigerung der Effektivität des Sicherheitsinstruments Armee bei. Die Einsätze führen zu einem wichtigen Know-howTransfer. Sie beeinflussen Doktrin, Organisation, Personal, Ausbildung und Ausrüstung der Armee, tragen zum Erfahrungsgewinn und zur Modernisierung der Armee bei und verstärken die Fähigkeit zur Kooperation mit internationalen Partnern.

4

Streitkräfte-Entwicklung

4.1

Investitionen

4.1.1

Masterplan

Die Übertragung der langfristigen Vorgaben in mittelfristige, aufeinander abgestimmte Massnahmen und deren Steuerung ist die Aufgabe des Masterplans. Nach einer Pilot-Ausgabe im Jahr 2004 wurde mit dem Masterplan 2005 das erste integrale Planungsdokument aufgelegt.

11 12

gem. Art. 66b, Absatz 4 des MG z.B. eine Erhöhung oder Reduzierung um 20 %.

2437

Der Masterplan deckt einen Zeitraum von acht Jahren ab. Er leitet Massnahmen für die sechs massgeblichen Bereiche Doktrin, Unternehmen, Organisation, Ausbildung, Material/Infrastruktur/Informatik und Personal (Lohn- und Soldempfänger) ab.

Durch seine jährliche Überarbeitung und die damit verbundene rollende Abstimmung zwischen Planungsvorgaben und -ergebnissen werden Kohärenz und Transparenz angestrebt und Planungssicherheit geschaffen.

Der Prozess der Streitkräfte- und Unternehmensentwicklung basiert auf einem fähigkeitsorientierten Ansatz. Durch den Vergleich zwischen zu erreichenden Fähigkeiten und dem aktuellen Zustand können Fähigkeitslücken identifiziert werden. Für deren Schliessung und die Festlegung von Massnahmen sind Ressourcenvorgaben ­ vor allem im Bereich der Finanzen, je länger je mehr aber auch im Bereich des speziell qualifizierten Personals ­ und Leistungsanforderungen massgebliche Rahmenbedingungen. Dabei können Fähigkeitslücken bewusst in Kauf genommen werden.

Der Masterplan ist ein wichtiges Management-Instrument, der aus gesamtheitlicher Sicht die Abstimmung zwischen Zielen, Leistungen und Mitteln ermöglicht.

4.1.2

Rüstungsprogramme

Rüstungsprogramm 2004 Vorhaben Transportflugzeug Um die militärischen Lufttransportbedürfnisse mit eigenen Mitteln abdecken zu können und die entsprechenden Kompetenzen zu erlangen, wurde mit dem Rüstungsprogramm 2004 die Beschaffung von zwei kleinen Transportflugzeugen beantragt. Dieser Antrag wurde durch das Parlament abgelehnt.

2005 wurde eine erneute Bedürfniserhebung der Armee für Lufttransportmittel durchgeführt. Sie bestätigte, dass es überwiegend um kleine und mittlere Transportvolumen und -distanzen geht, wobei allerdings sowohl Transportvolumen als auch -distanzen tendenziell zunehmen.

Zurzeit werden diese Transportbedürfnisse hauptsächlich durch das Mieten und Chartern von Flugzeugen und deren Crews abgedeckt. In Krisenlagen aber dürfte Lufttransportkapazität kaum mehr erhältlich sein.

Vorhaben Genie- und Minenräumpanzer Mit dem Rüstungsprogramm 2004 beantragte der Bundesrat die Beschaffung von zwölf Genie- und Minenräumpanzern. Das Vorhaben wurde vom Parlament abgelehnt. Die Gegnerschaft begründete die Ablehnung einerseits damit, dass der Genieund Minenräumpanzer militärisch anachronistisch sei: Weit und breit und auf lange Sicht sei kein konventioneller Krieg absehbar. Andererseits solle eine Beschaffung im Rahmen einer Gesamtschau der künftigen Investitionen für den Bereich Abwehr eines militärischen Angriffs überprüft werden.

2438

Rüstungsprogramme 2005, 2006 und 2007 Schwergewichtig umfassen die Rüstungsprogramme 2005 bis 2007 einerseits Vorhaben aus dem Bereich Führung und Aufklärung in allen Lagen, andererseits aus den Bereichen Mobilität und Waffenwirkung13. Es ging um das Schliessen von Fähigkeitslücken ­ insbesondere im Bereich Führung und Aufklärung ­ und um Vorhaben zur Werterhaltung eingeführter Systeme und zur Ablösung veralteter Simulatoren für die Ausbildung.

Das Rüstungsprogramm 2005 umfasste einen Verpflichtungskredit von 1 020 Millionen Franken. Dem Parlament wurden neun Vorhaben zur Beschaffung beantragt, darunter als Schwergewichtsvorhaben das Integrierte Funkaufklärungs- und Sendesystem und der Leichte Transport- und Schulungshelikopter. Weitere Vorhaben waren: taktisches Kurzwellenfunksystem, gepanzertes Sanitätsfahrzeug Piranha, Verpflegungssortiment, ABC-Dekontaminationssystem, Laserschuss-Simulator für die persönliche Ausrüstung und Bewaffnung, «Neues Cockpit» für das Schulflugzeug Pilatus PC-7 sowie elektronische Schiessausbildungsanlage für den Schützenpanzer 2000 und den Schiesskommandanten der Artillerie.

Das Rüstungsprogramm 2006 umfasste ein neues Führungs- und Informationssystem für das Heer, den Umbau von Panzerjägern zu Kommandofahrzeugen sowie ein Werterhaltungsprogramm für Super-Puma-Transporthelikopter, im Weiteren auch zwölf Genie- und Minenräumpanzer ­ ein Vorhaben des Rüstungsprogramms 2004, das vom Parlament abgelehnt worden war. Der weiterhin benötigte Teil der Panzer 87 Leopard wird einem Werterhaltungsprogramm unterzogen. Der Ausbildung von Jetpiloten ab 2010 dienen sechs Pilatus PC-21-Flugzeuge. Zudem werden der Simulator für das Kampfflugzeug F/A-18 sowie die Elektronische Schiessausbildungsanlage für den Panzer 87 Leopard durch zeitgemässe Systeme abgelöst. Der Verpflichtungskredit belief sich auf 1 501 Millionen Franken.

Das Rüstungsprogramm 2007 umfasste die Umsetzung des zweiten Ausbauschritts des Führungsinformationssystems Heer, die Leistungssteigerung der Telekommunikationsinfrastruktur sowie die Beschaffung von Laserschuss-Simulatoren für Panzer 87 Leopard WE für insgesamt 581 Millionen Franken.

Was wurde mit den Rüstungsprogrammen für die Armee erreicht?

Seit der Rüstungsbotschaft 2004 werden die Vorhaben den folgenden fünf Fähigkeitskategorien zugeordnet: Führung und
Aufklärung in allen Lagen, Logistik, Schutz und Tarnung, Mobilität sowie Waffenwirkung. Mit den Rüstungsprogrammen 2004 bis 2007 hat das Parlament total 3 511 Millionen Franken an Verpflichtungskrediten bewilligt. Die Aufteilung auf die einzelnen Fähigkeitskategorien ergibt folgendes Bild:

13

primär in Form von Simulatoren für die Ausbildung

2439

Waffenwirkung 26% Führung und Aufklärung in allen Lagen 52% M obilität 18% Schutz und Tarnung 2%

Logistik 2%

Aufteilung der Verpflichtungskredite der Rüstungsprogramme 2004 bis 2007 auf die einzelnen Fähigkeitskategorien

Gut die Hälfte der Verpflichtungskredite entfällt auf die Fähigkeitskategorie Führung und Aufklärung in allen Lagen, wo es galt, das im Armeeleitbild XXI vermerkte Defizit in diesen Bereichen abzubauen. Mit den Investitionen in das Führungsinformationssystem Heer (FIS HE), das Integrierte Funkaufklärungs- und Sendesystem (IFASS) sowie mit der Integration Data Link in FLORAKO ­ um nur die grössten Vorhaben zu nennen ­ hat die Armee rüstungsseitig einen grossen Schritt vorwärts getan. In den Bereich Waffenwirkung fallen neben der Werterhaltung des Panzers 87 Leopard ausschliesslich Vorhaben, die der Ausbildung dienen.

Diese umfassen im Wesentlichen das Jetpiloten-Ausbildungssystem PC-21 sowie verschiedene Simulatoren und elektronische Schiessausbildungsanlagen. Damit kann eine moderne, effizientere, kostengünstigere und umweltverträglichere Ausbildung sichergestellt werden. In den Fähigkeitsbereich Mobilität fallen die Vorhaben für den Erhalt der Luftmobilität (Leichter Transport- und Schulungshelikopter, Werterhaltung des Transporthelikopters 89 Super Puma) sowie die Sicherstellung der Mobilität der mechanisierten Verbände durch den Genie- und Minenräumpanzer.

Mit Letzterem konnte eine empfindliche Lücke endlich geschlossen werden.

Schwergewicht der Vorhaben kommender Rüstungsprogramme Das Schwergewicht kommender Rüstungsprogramme liegt im Auf- und Ausbau der Fähigkeiten im Bereich Führung und Aufklärung (C4I14 und ISTAR15, zusammengefasst C4ISTAR). In einer ersten Phase soll ein erster Führungsverbund (C4I) realisiert werden, um den stufen- und zeitgerechten Informationsaustausch innerhalb des Bereiches Verteidigung sicherzustellen. In einer nächsten Phase soll die Armee befähigt werden, mit Hilfe eines modernen Nachrichtenverbundes (ISTAR) ein eigenes, alle Akteure, Bedrohungen und Gefahren umfassendes Lagebild zu erstellen16. Dabei geht es darum, die bestehenden Sensoren zu integrieren und die Fähigkeit, Informationen über Akteure und Umwelt zu verarbeiten und in den Nachrichtenverbund einzubringen, auf- und auszubauen.

14 15 16

C4I = Command and Control, Communications, Computers and Information ISTAR = Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaissance ISTAR erbringt zudem auch mit einzelnen Teilfähigkeiten Leistungen zugunsten ziviler Verwaltungsstellen, so zum Beispiel SND, DAP, NAZ, EDA Pol Dir IV.

2440

Die Entwicklung der Führungs- und Aufklärungsfähigkeit bildet auch im Masterplan 0717 eines der Schwergewichte. Rund 50 % aller Projekte des Masterplans 07 sind der Fähigkeitskategorie C4ISTAR zuzuordnen, rund 50 % entfallen auf die übrigen Fähigkeitskategorien Logistik, Schutz/Tarnung, Mobilität und Waffenwirkung.

Als gewichtiges Vorhaben ist der Ersatz der Kampfflugzeuge F-5 Tiger zu nennen.

Dieser wird das Volumen zweier Rüstungsprogramme beanspruchen (siehe Ziff. 4.2 Ersatz der Kampfflugzeuge F-5 Tiger).

4.1.3

Immobilienbotschaften

Strukturänderungen im Immobilienbereich Mit der Umsetzung des Immobilienmanagements VBS ab 1. Januar 2004 hat der Planungsstab der Armee als strategischer Mieter die Koordination der operativen Mieter18 im Departementsbereich Verteidigung übernommen. Im Zusammenhang mit dem Neuen Rechnungsmodell Bund (NRM) ist damit die Steuerung von jährlich rund 1,3 Milliarden Franken Bruttomietkosten verbunden. Die armasuisse als Eigentümervertreterin erarbeitet Konzepte für die Nutzung, Bewirtschaftung und Liquidation der Immobilien und sorgt für die operative Umsetzung.

Seit der Einführung des NRM per 1. Januar 2007 beantragt nicht mehr der Planungsstab der Armee die Verpflichtungskredite, sondern die Eigentümervertreterin armasuisse Immobilien. Diese hat damit auch die Verantwortung für die Erstellung der Immobilienbotschaft übernommen ­ erstmals mit der Immobilienbotschaft VBS 2008.

Investitionen im Immobilienbereich (Immobilienbotschaften VBS 2005 bis 200819) Schwergewichtig erfolgten Immobilieninvestitionen in die Ausbildungsinfrastruktur von Heer und Luftwaffe, die Infrastruktur der Führungsunterstützungsbasis und zum Aufbau der Grundfähigkeit Führung in allen Lagen. Weitere Investitionen betrafen die bis 2010 zu reduzierende Logistikinfrastruktur, damit die mit dem Stationierungskonzept der Armee geforderte Konzentration im Logistikbereich möglich wird.

Harmonisierung der Behandlung von Rüstungsprogrammen und Immobilienbotschaften VBS Auf Wunsch der Sicherheitspolitischen Kommissionen werden künftig Rüstungsprogramm und Immobilienbotschaft VBS zeitlich harmonisiert zur Behandlung in den Räten gelangen. Aufgrund der nötigen Anpassungen in der Terminplanung kann die nächste Immobilienbotschaft VBS erst im Februar 2009 im Bundesrat behandelt werden. Das bedeutet, dass 2008 keine Immobilienbotschaft VBS aufgelegt wird.

17 18

19

Der MASTERPLAN 07 deckt den Zeitraum bis 2014 ab.

Stab Chef der Armee, Planungsstab der Armee, Führungsstab der Armee, Heer, Luftwaffe, Logistikbasis der Armee, Höhere Kaderausbildung der Armee, Führungsunterstützungsbasis.

Die Immobilienbotschaften werden im Jahr vorher erstellt und vom Parlament verabschiedet.

2441

4.1.4

Planerische Engpässe und Unsicherheiten

Situationsanalyse Bei der Planung der Armee XXI zwischen 1999 und 2001 wurde davon ausgegangen, dass dem Verteidigungsbereich rund 4,3 Milliarden Franken jährlich20 zur Verfügung stehen würden. Nach den Entlastungsprogrammen 2003 und 2004 sowie diversen weiteren Budgetkürzungen stehen der Armee jährlich mehrere hundert Millionen Franken weniger zur Verfügung als geplant21. Die damit verbundenen Einsparungen mussten weitgehend auf die Investitionen abgewälzt werden, da im Betrieb die Leistungen nicht reduziert werden konnten, sondern punktuell ­ vor allem aufgrund der Rückkehr zum jährlichen Wiederholungskurs ­ sogar noch gesteigert werden mussten. Um das Ziel der Umlagerung von Betriebs- zu Investitionsaufwand dennoch erreichen zu können, wurden die eingeleiteten Massnahmen22 weitergeführt und die Finanzen für den Betrieb auf ein Minimum begrenzt.

Schon im Vorfeld des Entlastungsprogramms 2003 wurde erkannt, dass der Investitionsanteil im Budget ohne weitergehende Massnahmen kontinuierlich abnehmen würde. Die Lösung wurde über ein umfangreiches Liquidationspaket und den Entwicklungsschritt 2008/11 gesucht. Die Umsetzung beider Massnahmen kann aber teilweise nicht im ursprünglich geplanten Umfang erfolgen.

Hinzu kommt, dass die im Armeeleitbild vorgesehenen Einsparpotenziale vor allem im Bereich der armeeweiten Logistik nicht oder nur teilweise realisiert werden konnten. Effizienzsteigerungsmassnahmen durch Zentralisierung der Logistikinfrastruktur, durch Personalabbau und Umstellung auf neue, informatikgestützte Logistikprozesse entfalten ihre Wirkung teilweise mit Verzögerung oder nicht kongruent zum Um- und Abbau. Der nach dem Stellenabbau bei der Logistikbasis der Armee noch verfügbare Personalbestand reicht nicht aus, um die erforderlichen logistischen Leistungen erbringen zu können. Bis im Jahr 2011 fehlen über 1 000 Personaleinheiten.

Erschwerend ist, dass die Armee XXI nicht wie angenommen23 zu einer Verringerung der Betriebsausgaben als Folge der Verkleinerung der Armee geführt hat. Der Aufwand für die Ausbildung beispielsweise hat im Zusammenhang mit dem aufwendigeren Ausbildungssystem ­ Dreistart-Modell der Rekrutenschule und Rückkehr zum Einjahres-Rhythmus bei den Dienstleistungen ­ erheblich zugenommen, da weder die Zahl der auszubildenden Rekruten noch die Zahl der geleisteten Diensttage abgenommen haben. Die Verbesserung der Ausbildung in der Armee XXI forderte ihren Preis.

20 21

22 23

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der Armee XXI (Armeeleitbild XXI) vom 24. Oktober 2001, S. 79 Der seit der Festlegung der 4,3 Milliarden/Jahr für die Armee bis heute um ca. 300 Millionen Franken reduzierte Finanzrahmen kann infolge Einführung des NRM sowie diverser anderer Gegebenheiten (z.B. Kürzungen durch das Parlament, Neuorganisation der Informatik, interdepartementale Kreditverschiebungen, Kreditresteübertragungen im Rahmen des Ausgabenplafonds V usw.) in den aktuellen Budgetzahlen nicht mehr 1:1 verglichen bzw. aufgezeigt werden.

In diesem Zusammenhang fand auch ein Personalabbau um rund 1800 Stellen statt.

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der Armee XXI (Armeeleitbild XXI) vom 24. Oktober 2001, Seite 1041, Einsparpotenziale: «Bestandes- und volumenabhängige Aufgaben werden sich als Folge der Verkleinerung der Armee verringern.»

2442

Entwicklung im Bereich der Betriebskosten Die dargelegten Umstände haben zu einer fortschreitenden Zunahme des Betriebsaufwands und damit zu einem deutlich steigenden Mittelbedarf geführt. Dieser lässt sich im Wesentlichen mit folgenden Hauptursachen erklären: 1.

Die modernen, komplexeren und teureren Systeme verursachen bedeutend höhere Instandhaltungskosten.

2.

Die Reduktion der Menge (keine flächendeckende Ausrüstung, Abbau der Anzahl Systemeinheiten) sowie das neue Ausbildungsmodell führen dazu, dass die einzelnen Systeme einer höheren Nutzung unterliegen und deshalb höhere Instandhaltungskosten verursachen.

3.

Mit der Ausserdienststellungsplanung 2002 wurden diverse Systeme nur teilliquidiert. Aufgrund der hohen Fixkosten sind die Einsparungen in der Instandhaltung daher geringer als erwartet.

4.

Der vorgegebene Personalabbau im Bereich der Logistikbasis der Armee von noch rund 700 Stellen erfordert ein zunehmendes Outsourcing24 von Leistungen ­ mit entsprechenden Kostenfolgen.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist das ursprünglich angestrebte Verhältnis zwischen Betriebs- und Investitionsaufwand von 55 zu 45 %25 nicht mehr realistisch.

Dies wird sich negativ auf das Technologieniveau der Schweizer Armee auswirken.

Optimierungsmassnahmen Zielsetzung der Optimierungsmassnahmen ist es, die Investitionsquote möglichst hoch zu halten, daneben vor allem aber die logistische Leistungserbringung für die Truppe wieder zu verbessern und langfristig sicherzustellen. Als kurz- und mittelfristig machbare Lösung wird erneut die Erhöhung der Betriebsmittel zulasten der Investitionen vorgenommen. Mittelfristig wird der Kreditrahmen für Betrieb, Infrastruktur und Personal um über 200 Millionen Franken pro Jahr erhöht. Die Auswirkungen auf das Investitionsvolumen und den Aufbau neuer Fähigkeiten sowie auf die zum Erhalt von Fähigkeiten erforderlichen Ersatzbeschaffungen sollen aber mit folgenden Massnahmen gedämpft werden: ­

Kurz- und mittelfristig (bis 2011) wird an den geltenden politischen Vorgaben festgehalten, ebenso an der Umsetzung von Personalabbau und Stationierungskonzept der Armee. Auch die Umsetzung des ES 08/11 wird abgeschlossen.

Der Betriebsaufwand wird mit Optimierungsmassnahmen so weit als möglich verringert. Kurzfristige Leistungsmankos werden, falls auf die Leistung nicht verzichtet werden kann, auch durch den Einsatz der Truppe überbrückt. Für die Jahre 2009 und folgende ist ein deutlich höheres Ersatzmaterial- und Instandhaltungsbudget vorzusehen.

24

25

Das mit dem Outsourcing von Leistungen verbundene Auftraggeber-LieferantenVerhältnis soll längerfristig durch ein zweckgemeinschaftliches und aufwandoptimaleres Verhältnis zwischen Kooperationspartner und Dienstleister ersetzt werden.

Verfügbare Daten zeigen, dass zahlreiche Streitkräfte in Europa auch Schwierigkeiten haben, das Verhältnis zwischen Betriebs- und Investitionsaufwand zugunsten der Investitionen zu verbessern oder nur schon beizubehalten. Weil in den einzelnen Ländern nach verschiedenen Methoden und mit unterschiedlichen Grundlagen gerechnet wird, ist ein direkter Vergleich aber problematisch.

2443

­

Leistungsmankos bei der Logistikbasis der Armee sollen durch Fremdvergabe von Leistungen gedeckt werden. Die für den Betrieb erforderlichen finanziellen Mittel werden umgeschichtet. Als Konsequenz werden die Investitionsplanung erstreckt bzw. die Höhe der Rüstungsprogramme in den einzelnen Jahren teilweise reduziert.

Der Chef der Armee hat am 7. November 2007 seine Direktunterstellten mit der Umsetzung der Optimierungsmassnahmen beauftragt.

Mit diesen Massnahmen kann für eine begrenzte Dauer in Teilbereichen eine Verbesserung erzielt werden. Die den Problemen zugrunde liegenden Ursachen werden damit aber nicht behoben. Längerfristig (nach 2011) geht es deshalb darum, die Ausgewogenheit zwischen Zielen, Leistungen und Mitteln (Finanzen, Personal) wieder herzustellen.

4.1.5

Rüstungsprozesse

Mehrjährige Rahmenkredite für die Rüstungsausgaben Das Parlament nimmt nach heutiger Praxis erst zu einem späten Zeitpunkt bei einem bereits fortgeschrittenen Projektstand über seine Kommissionen Einfluss auf die Rüstungsausgaben. Die Folge ist, dass im Entscheidprozess mehr die operativen Gesichtspunkte zum Tragen kommen als die strategischen. Zur Verbesserung der Planungsqualität durch Sicherstellung der Kontinuität im Planungsprozess sowie zur Reduktion des Gesamtaufwandes für Parlament und Verwaltung ist 2006 ein Konzept über die mögliche Einführung von mehrjährigen Rahmenkrediten anstelle von jährlichen Verpflichtungskrediten im Departementsbereich Verteidigung erstellt worden. Im Parlament wurde dieses Anliegen mit mehreren Vorstössen unterstützt26.

Durch eine Subkommission der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates wird zurzeit die Thematik mehrjähriger Rahmenkredite studiert, und sie wird Empfehlungen zuhanden ihrer Kommission erarbeiten.

Mögliche Beschleunigung der Rüstungsprozesse Moderne Rüstungsvorhaben ­ insbesondere im Bereich der Führung und Aufklärung ­ sind komplex und einem steten und raschen technologischen Wandel unterworfen.

Die Schnelllebigkeit der Technologie erfordert ein besonderes Beschaffungsprozedere, das sich an folgenden Schritten orientiert: Definition der Leistungsanforderungen, rasche Systementwicklung, Beschaffung in vertretbarer Minimalmenge zwecks Einsatz und Weiterentwicklung, weitere Beschaffungen zwecks periodischer Systemerweiterungen bzw. technischer Systemanpassungen.

26

Interpellation NR Burkhalter D. vom 10.12.04: Investitionen für die Armee. Mehrjährige Rahmenkredite Motion NR Joder R. vom 15.06.05: Mehr finanzielle Planungssicherheit für die Armee Parlamentarische Initiative NR Burkhalter D. vom 05.10.05: Neues Verfahren für die Rüstungsprogramme

2444

Systemerweiterung / -anpassung

rasche SystemEntwicklung

Beschaffung

Einsatz

minimale 1. Tranche

Weiterentwicklung

Erfahrung im Einsatz

Definition Leistungsanforderungen

Entwicklungskreislauf

Besonderes Beschaffungsprozedere für moderne Rüstungsvorhaben im Bereich der Führung und Aufklärung

Durch ein schrittweises Vorgehen und Zurückhaltung bezüglich des jeweiligen Beschaffungsumfangs werden die Risiken besser kalkulierbar und auch verantwortbar. Gewisse technologisch bedingte Risiken müssen eingegangen werden, weil in schnelllebigen Technologiebereichen laufend neue Erkenntnisse einfliessen und es kein Warten auf fertig entwickelte Systeme gibt.

4.1.6

Rüstungspolitik des VBS und Eignerstrategie des Bundes

Der Bundesrat hat am 28. März 2007 die Eignerstrategie für die Rüstungsunternehmen des Bundes RUAG für die Jahre 2007­2010 verabschiedet. Er betont darin die Bedeutung der Rüstungsunternehmen für die Erfüllung des verteidigungspolitischen Auftrags. Auf eine Revision der Grundsätze des Bundesrates über die Rüstungspolitik des VBS vom 29. November 2002 wurde verzichtet.

Der Bundesrat erwartet, dass die RUAG ihre Konkurrenzfähigkeit im zivilen und militärischen Bereich aufrechterhält sowie ihre entsprechenden Marktleistungen zur breiteren Abstützung der Technologiefelder ausbaut und stärkt. Für die Tätigkeiten zugunsten der Armee soll sie ihre Fähigkeiten an jenen Technologiefeldern orientieren, die aufgrund der Planung der Armee als künftige Kernbereiche definiert oder die zur Sicherstellung der Betriebsfähigkeit der in der Armee bereits im Einsatz befindlichen Systeme notwendig sind. Aufgrund bestehenden Know-hows und der Produktionsfähigkeit sollen namhafte Beiträge zur Sicherstellung der Aufwuchsfähigkeit der Armee geleistet werden können. Auf eine Öffnung des Aktionariats wird zurzeit verzichtet.

2445

4.1.7

Privatisierung der Swisscom ­ Entflechtung von Swisscom und VBS

Ein Grund ­ neben anderen ­ für die Ablehnung der Privatisierung der Swisscom durch das Parlament im Frühjahr 2006 war der Zweifel, ob die sicherheitspolitischen Bedürfnisse des Bundes und seiner Partner nach einer Privatisierung der Swisscom gewahrt wären. Im Rahmen der Arbeiten am Bericht über die «Weiterentwicklung der Swisscom» und am Projekt «Entflechtung VBS ­ Swisscom» wurde festgelegt, dass alle Partner in der nationalen Sicherheitskooperation über die technischen Möglichkeiten verfügen müssen, auch in einer besonderen und in einer ausserordentlichen Lage innerhalb der eigenen Organisation sowie untereinander aus dem Stand zu kommunizieren.

Eine Entflechtung von VBS und Swisscom muss mit oder ohne Privatisierung der Swisscom erfolgen. Sie hat zum Ziel, die zur Erfüllung behördlicher Aufgaben für die Bewältigung von Krisenlagen benötigten technischen Funktionen in allen Lagen sicherzustellen, unabhängig von der Rechtsform und den Besitzverhältnissen des Unternehmens Swisscom AG. Die Kosten dieser Entflechtung werden voraussichtlich erheblich sein. Neben den erforderlichen Investitionen dürften jährlich auch zusätzliche Instandhaltungs- und Betriebskosten anfallen.

Beide Fragen (Weiterentwicklung der Swisscom, Entflechtung VBS ­ Swisscom) stehen zueinander in engem Zusammenhang. Im Bericht an das Parlament über die Weiterentwicklung der Swisscom sollen die Massnahmen darlegt werden, die zu treffen sind, um die in der parlamentarischen Debatte geäusserten Bedenken ­ vornehmlich diejenigen sicherheitspolitischer Natur ­ auszuräumen.

4.2

Ersatz der Kampfflugzeuge F-5 Tiger

Zum Erhalt der Fähigkeit zum Luftpolizeidienst und der Kompetenz zur Kampfführung in der Luft muss die Flotte der 54 Kampfflugzeuge F-5 Tiger abgelöst werden.

Die in den 1970er Jahren konzipierten Flugzeuge in der Schweizer Konfiguration erreichen in wenigen Jahren nach rund 30 Jahren Einsatz das Ende ihrer technischen Lebensdauer. Zudem erfüllen sie die Anforderungen an die Kampfführung in der Luft nicht mehr. Sie genügen selbst den technologischen Mindestanforderungen für den Luftpolizeidienst nicht mehr, da sie nicht nacht- und allwettertauglich sind. Ihr Ausscheiden ist für die Jahre 2013­2015 vorgesehen.

Zur Vorbereitung der Beschaffung eines Ersatzes (in geringerer Anzahl als die 54 Tiger, also ein Teilersatz) sind bis heute je fünf informelle Planungs-Meetings mit den Firmen Boeing, Dassault, EADS und Gripen International durchgeführt worden. Nach heutigem Kenntnisstand kann jede dieser vier Firmen ein Flugzeug anbieten, das die durch die Ausserdienststellung der F-5 Tiger entstehende Lücke schliessen könnte.

Da die Fähigkeit zum Luftpolizeidienst täglich gefordert wird und damit auch den grössten Einfluss auf die Mindestzahl der benötigten Flugzeuge hat, wurde zu deren Festlegung ein Luftpolizei-Szenario gewählt und vorgegeben. Die in der Zwischenzeit von den vier Firmen erhaltenen Resultate ihrer Modell-Berechnungen haben die Berechnungsgrundlagen, Ableitungen, Annahmen und vor allem auch die Erfahrungen (aus Einsätzen wie während des WEF) unserer Luftwaffe hinsichtlich der Mindestzahl an Flugzeugen zur Sicherstellung des Luftpolizeidienstes bestätigt.

2446

Am 27. Juni 2007 ermächtigte der Bundesrat das VBS, mit dem Voranschlag 2008 im Rahmen des Budgets Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung (PEB) einen Kredit von 8 Millionen Franken für das Vorhaben Ersatz der F-5 Tiger zu beantragen. Das Projekt wird mit einer Offertanfrage an die Firmen Anfang 2008 gestartet. Für die zweite Hälfte 2008 sind die Flugerprobungen mit den vier Flugzeugkandidaten in der Schweiz geplant.

Die Beschaffung des Tiger-Ersatzes steht in engem Zusammenhang mit dem Vorhaben Fähigkeitserhalt F/A-18, das für das Rüstungsprogramm 2008 geplant ist.

Dies insbesondere deshalb, weil beide Systeme während mindestens 15 Jahren zusammen die Wahrung der Lufthoheit und den Erhalt der Kernkompetenz Luftverteidigung sicherstellen müssen. Ferner gilt es, minimale Kompetenzen in den Bereichen Luftaufklärung und den Einsatz Luft­Boden aufzubauen und zu erhalten.

Das Vorhaben Tiger-Ersatz ist gemäss Planung für das Rüstungsprogramm 2010 vorgesehen. Die Finanzierung kann im Rahmen des Finanzplans erfolgen. Als Kompensation ist vorgesehen, 2011 auf ein Rüstungsprogramm zu verzichten.

5

Ressourcen

5.1

Milizpersonal

5.1.1

Rekrutierung und Tauglichkeit

2003 wurde das neue Rekrutierungssystem schrittweise eingeführt, 2005 wurde es voll operationell. Die Zahl der in der Rekrutierung gemusterten Wehrpflichtigen variierte zwischen 23 432 im Jahr 2003 und 37 377 im Jahr 2006. Die Variation war deshalb so stark, weil die Rekrutierung nicht mehr für einen ganzen Jahrgang durchgeführt wird, sondern drei bis zwölf Monate vor der Rekrutenschule erfolgt. Dies hat einen Wellen-Effekt produziert, der sich ab 2007 stabilisieren wird.

Der Grad der Tauglichkeit zum Militärdienst bei der Rekrutierung hat sich zwischen 2003 und 2007 wie folgt entwickelt: 68,5 % im Jahr 2003 (+ 19,6 % tauglich für den Bevölkerungsschutz), 62,8 % im Jahr 2004 (+ 19 % Bevölkerungsschutz), 61 % im Jahr 2005 (+ 16,5 % Bevölkerungschutz), 64,6 % im Jahr 2006 (+ 16,4 % Bevölkerungsschutz) und 66,5 % im Jahr 2007 (+ 16 % Bevölkerungsschutz). Von diesen Zahlen sind diejenigen Rekruten abziehen, die in die Rekrutenschule einrücken, diese aber nicht abschliessen. Diese Zahl ist seit 2005 praktisch stabil. Korrekturmassnahmen werden jetzt umgesetzt, insbesondere infolge des Berichts des Bundesrates über die Wehrgerechtigkeit (Postulat SR Wicki 05.3526). Die für die ordentliche und regelmässige Alimentierung der Armee relevante Zahl ist der Bestand der ausexerzierten Rekruten. Im Durchschnitt wird ein Anteil von 60 % der Wehrpflichtigen erreicht27.

Im Berichtszeitraum konnten nicht alle aktiven Verbände der Armee (WK-pflichtigen Formationen) vollständig alimentiert werden. Dafür gibt es drei Gründe: 1.

27

Die Gesamtzahl der ausexerzierten Angehörigen der Armee (Rekrutenschule abgeschlossen) konnte die Bedürfnisse nicht abdecken (momentan ungenü-

In der Armee 95 wurden mit dem alten Rekrutierungssystem anlässlich der Aushebung (knapp eintägig) rund 20 % der Stellungspflichtigen als militärdienstuntauglich erklärt.

Weitere ca. 20 % an Untauglichen wurden erst in der Rekrutenschule erfasst.

2447

gender Tauglichkeitsgrad, Verschiebungen der RS, Unterbruch der RS wegen des Studiums u.a.).

2.

Der Anteil der Durchdiener ist vom Gesamtbestand der ausexerzierten Angehörigen der Armee abgezogen, was den Bestand der in WK-Formationen Eingeteilten reduziert.

3.

Die Anzahl und die Grösse der WK-Formationen haben zugenommen (periodische Anpassungen der Armeeorganisation), was den Bestandesbedarf erhöht hat.

5.1.2

Bestände

2007 hatte die Armee einen Gesamtbestand von 215 871 eingeteilten Angehörigen der Armee und 22 000 in Ausbildung stehenden Rekruten und Kader. Diese Zahl übersteigt den von Artikel 5 der Armeeorganisation (SR 513.1) definierten Bestand von 220 000 um 8 Prozent. Es besteht jedoch ein markantes Ungleichgewicht zwischen der aktiven Armee und der Reserve. Erstere hat ­ ohne die Rekruten ­ einen Gesamtbestand von 208 845 Angehörigen der Armee, d.h. 160 % des Sollbestandes.

Die Reserve hat nur 9629 eingeteilte Angehörige der Armee, d.h. 15 % ihres Sollbestandes. Dies liegt daran, dass die Angehörigen der Armee in ihrer Einteilungsformation bleiben, solange sie nicht ihre ganze Dienstpflicht erfüllt haben. Die zeitliche Staffelung der Absolvierung der WKs (ca. 30 % der WK-Pflichtigen beantragen Verschiebungen auf folgende Jahre) verlängert die Einteilungsdauer in der aktiven Armee und erhöht formell ihren Bestand. Für den Fall, dass die Reserve aufgeboten werden müsste, könnten aber die fehlenden Bestände durch die überzähligen Angehörigen der Armee der aktiven Verbände rasch aufgefüllt werden. Bei den aktiven Verbänden ist die Sachlage umgekehrt: Ihre gegenwärtigen Überbestände verbergen mittelfristige Bestandeslücken.

5.1.3

Demografische Entwicklung und Folgen

Die Zahl der Wehrpflichtigen im Rekrutierungsalter ist seit längerer Zeit am Sinken, wie folgendes Bild zeigt:

2448

45'000

40700

40'000

35577

35'000

34500 30500

30'000

27500

25'000 20'000 15'000 10'000 5'000 0 1990

2007

2013

2019

2025

Wehrpflichtige im Rekrutierungsalter (Angaben für das Jahr 1990 als Vergleich)

Diese Zahlen stützen sich auf die Geburtenziffer, beziehen aber Einbürgerungen nicht ein. Wenn man davon ausgeht, das der Tauglichkeitsgrad bei den ausexerzierten und militärdienstleistenden Wehrpflichtigen sich bei 60 % stabilisiert, wird man bis 2013­2015 über jährlich 22 500 ausgebildete Angehörige der Armee verfügen, dann bis 2020 über 19 000 und danach über 16 000. Daraus ergibt sich, dass die aktiven Verbände nicht mehr alimentiert werden können. Eine Anpassung der Zahl oder/und der Grösse der aktiven Verbände wird nötig sein. Im Vergleich zur aktuellen Armeegliederung würde dies eine allmähliche Reduktion in der Grössenordnung von theoretisch 20 Bataillonsäquivalenten28 zwischen 2013 und 2019 und eine weitere Reduktion in ähnlichem Umfang zwischen 2019 und 2025 bedeuten.

5.1.4

Milizkader

Die Bestandessituation beim Kader ist unbefriedigend, insbesondere bei den Offizieren. Obwohl die Transformation der Armee 95 in die Armee XXI es ermöglichte, einen Teil der in der vorherigen Organisation vakanten Funktionen zu besetzen, ist die heutige Alimentierung noch ungenügend. Das Problem ist auf zwei Ebenen spürbar:

28

­

Die Zahl der neuen Leutnants deckt die ordentlichen Bedürfnisse nicht. Im Durchschnitt kommen jährlich nur 1 000 ausgebildete Leutnants dazu, obschon 1 240 benötigt würden. Dieses Defizit hat derzeit nur deshalb noch keine konkreten Auswirkungen, weil die von der Armee 95 in die aktiven Verbände überführten Zugführer die Lücken noch ausfüllen.

­

Die Zahl der Zugführer, die zu einer Beförderung in eine Kommando- oder Stabsfunktion bereit sind, ist zu tief, im Durchschnitt 300 anstelle der benötigten 450. Dieses Defizit ist in der Alimentierung der Bataillonsstäbe spürbar.

Ein Bataillonsäquivalent ­ als mathematischer Mittelwert der Grösse der Bataillone ­ entspricht heute rund 750 Angehörigen der Armee.

2449

Die Schwierigkeit, Offiziere für eine Beförderung zu gewinnen, hat drei Hauptgründe: ­

Die abnehmende Anzahl der Rekruten schränkt die Anzahl der potenziellen Kader entsprechend ein.

­

Der Druck im zivilen und beruflichen Leben erschwert es, zusätzliche Militärdienstperioden zu akzeptieren; mögliche Kandidaten stehen vor schwierigen Karriereentscheiden.

­

Es wird immer schwieriger, die militärische Grundausbildung mit der zivilen Aus- und Weiterbildung zu vereinbaren.

Die Einführung des neuen Studienplans der Hochschulen (Anpassung an das Bologna-System) erschwert die Koordination. Der für eine Offizierschule ausgewählte Rekrut ist quasi gezwungen, sein Studium für ein Jahr zu unterbrechen, um seine militärische Weiterbildung zu absolvieren. Auch wenn die militärische Kaderausbildung wertvolle Erfahrungen bringt und finanziell interessant sein kann, haben viele Anwärter Mühe, sich dafür zu entscheiden. Sie verzichten auf eine Beförderung und beschränken sich darauf, die minimale Dienstpflicht zu erfüllen.

Dieses Problem ist nicht grundsätzlich neu, hat sich aber durch die im Zuge des Wertewandels gesunkene persönliche Opferbereitschaft verschärft.

5.1.5

Durchdiener

Aktuelle Situation Der prozentuale Anteil der Angehörigen der Armee, die ihre Ausbildungsdienstpflicht ohne Unterbruch erfüllt haben (Durchdiener), hat sich seit 2004 praktisch verdoppelt. Die im Militärgesetz auf 15 % des Bestandes eines Rekrutenjahrgangs festgelegte obere Grenze ist damit aber noch nicht erreicht. Die Entwicklung zeigt folgendes Bild: 3'000

12.5% 11%

2'500 9.5%

2'000 6%

1'500 1'000 500 0 2002

2003

2004

2005

2006

2007

Zahl der Durchdiener, absolut und in Bezug auf die Bestände der Rekrutenjahrgänge (schraffiert dargestellt sind die Zahlen der beiden Versuchsjahre 2002 und 2003)

2450

Der Rückgang auf 11 % im Jahr 2007 ist dadurch begründet, dass bei der Rekrutierung der künftigen Durchdiener dem Aspekt «abgeschlossene Berufslehre» mehr Beachtung geschenkt wurde. Die Erfahrungen zeigen, dass die Freiwilligen, die auf diese Art die Dienstpflicht erfüllen wollen, in genügender Anzahl vorhanden sind.

Das Hauptproblem liegt in der Verteilung auf die drei RS-Starts. Das Ziel des Durchdiener-Systems war es, mit Durchdienern einen Teil der operativen Bereitschaft der Armee sicherzustellen. Dafür sollte eine regelmässige Verteilung der verfügbaren Angehörigen der Armee über das ganze Jahr erzielt werden, konkret über die drei RS-Starts. In Wirklichkeit beträgt die Verteilung im Durchschnitt 20 % ­ 40 % ­ 40 %. Das chronische Defizit beim ersten RS-Start (März) ist auf mangelnde Koordination zwischen dem Zeitfenster dieser Schule und dem Ende der höheren Schulen oder den Lehrabschlüssen zurückzuführen. Dieses Problem betrifft «normale» Rekruten und Durchdiener gleichermassen.

Die Beschränkung des Kontingents, die Verteilung auf drei RS-Starts und die Zuteilung zu acht verschiedene Truppengattungen haben zur Folge, dass die Bestände für jeden Bereich relativ klein sind. Bei einem Echteinsatz (Sicherungseinsatz oder Katastrophenhilfe) können die Bestände ein kritisches unteres Niveau erreichen und müssen oft bald von WK-Truppen verstärkt oder abgelöst werden, wenn solche verfügbar sind. Es gibt noch keine zuverlässigen Rückmeldungen dazu, wie die zivile Gesellschaft und die Wirtschaft das Durchdiener-System einschätzen. Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von Dienstpflichtigen, die dieses System bevorzugen: jene, die ihren Dienst ohne Unterbruch erfüllen wollen, um sich nachher ohne Einschränkungen ihrem privaten und beruflichen Leben zu widmen, und jene, die momentan keine zivile Anstellung haben.

Die Durchdiener können ihre Kader nicht selber in genügender Anzahl generieren.

Obschon die Anzahl potenzieller Kaderanwärter an sich beträchtlich ist, sind nur 15 % der Durchdiener bereit, Beförderungsdienste zu akzeptieren. Bei den Rekruten im normalen System beträgt dieser Anteil 30 %. Die Durchdiener, die insbesondere als Offiziere für einen Beförderungsdienst tauglich erklärt werden, ziehen es in der Regel vor, wieder zum Standard-System (d.h. Grundausbildung und Wiederholungskurse)
zurückzukehren. Bei den meisten hat die Gesamtdauer im DurchdienerSystem (600 Tage für einen Leutnant) eine abschreckende Wirkung. Deshalb müssen die Durchdiener von Berufs- oder Zeitmilitär ausgebildet und geführt werden.

Erhöhung des Durchdieneranteils Die parlamentarische Initiative zur Verdoppelung der Anzahl Durchdiener29 sah vor, den maximalen Anteil des Rekrutenjahrganges, der seinen Ausbildungsdienst ohne Unterbruch leistet, von 15 auf 30 % zu erhöhen. Zudem sollten Durchdiener auch für die Friedensförderung im Ausland eingesetzt werden können. Der Nationalrat nahm am 6. Juni den Vorstoss mit 98 zu 46 Stimmen an, der Ständerat verwarf ihn am 20. September mit 21 zu 13 Stimmen, nahm hingegen ein Postulat30 der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates an, das den Bundesrat beauftragt, den Fragenkomplex nach Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 zu prüfen und dazu Bericht zu erstatten. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates

29 30

06.405 n Pa. Iv. Fraktion RL. Verdoppelung der Anzahl Durchdiener. Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK-N), vom 13. Februar 2007 07.3556 Postulat. Anteil Durchdiener. Sicherheitspolitische Kommission SR, 30.08.2007

2451

reichte am 23. Oktober 2007 ein Postulat31 ein, das in die gleiche Richtung zielt. Der Forderung, die Analyse in diesen Bericht aufzunehmen, kann hier nur im Sinne erster, summarischer Erkenntnisse Folge geleistet werden: Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Verdoppelung des Durchdieneranteils mit der Bundesverfassung ist nicht nur die Höhe des Durchdieneranteils, sondern auch die Art der Verwendung der Durchdiener massgebend. Bei der weiteren Bearbeitung der parlamentarischen Initiative sollte die Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung durch einen Verfassungsrechtsspezialisten geprüft werden.

Mit der Erhöhung des Durchdieneranteils könnte die Fähigkeit zur raschen Unterstützung der zivilen Behörden hinsichtlich Bereitschaft und Durchhaltefähigkeit verbessert werden. Die Verwendung der Durchdiener im ganzen Spektrum der Aufgaben zur Unterstützung der zivilen Behörden und zur Friedensförderung würde den Handlungsspielraum der Armee erhöhen.

Die Erhöhung des Durchdieneranteils hätte erhebliche Konsequenzen für die Armeestruktur. Bei einer Verdoppelung des Durchdieneranteils würde der aktive Armeebestand um knapp 20 000 Angehörige der Armee reduziert. Diese Bestandesreduktion hätte die Auflösung von 20 aktiven WK-Bataillonen (oder Äquivalenten) zur Folge. Die Anzahl der noch erforderlichen bzw. alimentierbaren Stäbe der Grossen Verbände wäre erneut zu prüfen. Eine wesentliche Erhöhung des Anteils an Durchdienern bedarf in verschiedener Hinsicht einer vertieften Prüfung und ist daher heute höchstens als Option für die Zeit nach der Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 zu verstehen.

Voraussetzung für die Nutzung des zu schaffenden Handlungsspielraums wäre die quantitative und qualitative Sicherstellung des Durchdienerbestandes über die Rekrutierung. Die Bestände müssten zwischen den einzelnen Ausbildungsstarts ausgeglichen sein. Soweit dies über Anreize nicht gewährleistet werden kann, müsste allenfalls die Wahlfreiheit bezüglich des Dienstleistungsmodells oder/und des Zeitpunkts der Dienstleistung für Durchdiener eingeschränkt werden.

Wesentlich für die Erhaltung der Milizfähigkeit der Armee wäre, dass der Anteil an Durchdienerkadern erhöht werden könnte. Die heutige Dienstzeit für Durchdienerkader ist unattraktiv. Das Durchdiener-Kadermodell wäre daher anzupassen.

Die erzielbaren
Kosteneinsparungen hängen von der konkreten Umsetzung der Erhöhung des Durchdieneranteils ab. Realisierbare Einsparungen würden durch zusätzliche Aufwendungen (z.B. finanzielle Anreize, zusätzlich notwendiges militärisches Personal) praktisch kompensiert. Insgesamt wären die direkten Einsparungen für das Verteidigungsbudget gering. Gründe für eine Erhöhung des Anteils Durchdiener sind vor allem die raschere Leistungserbringung für die zivilen Behörden, die höhere Flexibilität sowie die Entlastung eines Teils der Angehörigen der Armee und der Wirtschaft durch frühzeitigere Beendigung des Militärdienstes.

31

07.3765 Postulat. Anteil Durchdiener. Sicherheitspolitische Kommission NR, 23.10.2007 Der Bundesrat hat die Annahme des Postulates beantragt, und der Nationalrat hat es am 20. Dezember 2007 mit 104 gegen 51 Stimmen angenommen.

2452

Es muss hier betont werden, dass das VBS die Verdoppelung des Anteils Durchdiener allenfalls als längerfristige Option erachtet32. Zurzeit steht die Realisierung des Entwicklungsschritts 2008/11 im Vordergrund. Eine rasche Erhöhung des Anteils der Durchdiener würde die Gefahr in sich bergen, dass die systematische Umsetzung des Entwicklungsschrittes gefährdet wird.

5.2

Militärisches Personal

Der Reorganisationsprozess der Schweizer Armee mit stärkerer Ausrichtung auf die wahrscheinlichen Bedrohungen hat auch Auswirkungen auf das militärische Personal. Die Veränderungen im Zusammenhang mit dem ES 08/11 werden dazu führen, dass die Auswirkungen längerfristig andauern werden.

5.2.1

Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere (inkl. Berufsmilitärpiloten)

Die Armee XXI hat einen Wandel des Berufsbildes verursacht: Das Pflichtenheft des Berufsmilitärs ist viel anspruchsvoller geworden, und es umfasst neben Ausbildungsaufgaben nun vermehrt auch Führungs-, Planungs- und Organisationsaufgaben. Die erhöhten Anforderungen an das Berufspersonal und die gestiegene Arbeitsbelastung, die das 3-Start-Modell der Rekrutenschulen und die zu niedrigen Bestände im Ausbildungsbereich mit sich bringen, haben zu einer geringen Arbeitszufriedenheit und auch zu Ermüdungserscheinungen geführt33. Nicht zuletzt deshalb mussten seit 2004 signifikant mehr Abgänge durch Kündigungen von Berufsoffizieren und -unteroffizieren festgestellt werden. Während es 2003 noch 14 Kündigungen waren, erreichten diese 2006 mit 38 einen bisherigen Höhepunkt.

Die Gründe dafür sind in den veränderten Rahmenbedingungen, in der Unsicherheit über die Ausrichtung der Armee, im Abbau von Arbeitergeberleistungen, in fehlenden oder unklaren Perspektiven und in der abnehmenden gesellschaftlichen Anerkennung der Armee zu suchen. Unter Berücksichtigung der Pensionierungen ist bei den Berufsoffizieren und -unteroffizieren seit 2004 ein Bestandesrückgang zu verzeichnen.

Daneben musste 2007 auch ein erhöhter Abgang von Berufsmilitärpiloten (Stand September 2007: 9 Abgänge) verzeichnet werden. Hier macht sich vor allem der Aufschwung der Fluggesellschaft «Swiss» bemerkbar, der Abwanderungsüberlegungen möglicherweise begünstigt.

32 33

Die demografische Entwicklung wird ab Mitte des nächsten Jahrzehnts ohnehin zu einer Anpassung der Armeestruktur zwingen. Vgl. dazu auch Ziffer 5.1.3.

vgl. dazu auch Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 10. Oktober 2006 zur Umsetzung der Armee XXI im Bereich der Ausbildung, S. 5ff.

2453

5.2.2

Fachberufsoffiziere, -unteroffiziere und Berufssoldaten

Die Veränderungen bei den Bestandeszahlen der Fachberufsoffiziere, -unteroffiziere und Berufssoldaten haben einen anderen Hintergrund. Diese Personalkategorie ist mehrheitlich aus dem ehemaligen Festungswachtkorps hervorgegangen. Durch die massive Reduktion der Festungswerke und der permanenten Anlagen wurde immer weniger Personal für den Unterhalt und Betrieb dieser Anlagen benötigt. Dadurch wurden rund 500 Stellen beim Fachmilitär in zivile Stellen umgewandelt und in die Logistikbasis der Armee (rund 300 Stellen) integriert oder sozialverträglich abgebaut (rund 200 Stellen). Dieser Prozess ist Ende 2007 weitestgehend abgeschlossen.

5.2.3

Zeitmilitär

Die Zeitmilitärs sind mit dem heutigen Ausbildungsmodell zu einer unverzichtbaren Personalkategorie geworden. Ihr Bestand nahm seit 2004 laufend leicht zu und hat 2007 die Zahl von rund 1 000 Personen erreicht.

Einige berufliche Rahmenbedingungen der Zeitmilitärs haben sich seit den Pilotversuchen in den Jahren 2002 und 2003 verändert und werden aufgrund der Feststellungen und Erfahrungen laufend neu beurteilt und den Gegebenheiten angepasst. So ist man nach einer anfänglich zentralisierten Grund- und Weiterausbildung der Zeitmilitärs im Ausbildungszentrum für Zeitkader nicht zuletzt aus personellen Erwägungen auf eine dezentrale Aus- und Weiterausbildung in den Lehrverbänden übergegangen. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass mit dieser dezentralen Lösung das Ziel einer einheitlichen, bedarfsorientierten Aus- und Weiterausbildung bezogen auf die Anforderungen im Einsatz nur teilweise erreicht werden kann. Deshalb soll künftig die Grundausbildung zentral und einheitlich durch die HKA durchgeführt werden.

5.2.4

Eingeleitete und beabsichtigte Massnahmen

Zur Behebung der verschiedenen Mängel haben der Chef VBS und der Chef der Armee ein Bündel von Massnahmen mit dem Ziel eingeleitet, die Arbeitszufriedenheit durch konkrete Massnahmen in vier Stossrichtungen zu verbessern, nämlich: ­

Entlastung der Ausbildungsfront;

­

Stopp der Abwanderung von militärischem Personal;

­

Verbesserung der Voraussetzungen zur Gewinnung von militärischem Personal;

­

Stärkung des Vertrauens in den Arbeitgeber.

Zudem hat der Chef VBS ein temporäres «Konsultativorgan militärisches Personal» unter der Leitung des Generalsekretärs VBS geschaffen mit dem Zweck, die Kommunikation im personellen Bereich und die Prozesse zu begleiten sowie Eindrücke, Beurteilungen und Vorschläge zuhanden des Chefs der Armee zu formulieren. Dieses Konsultativorgan soll auch zur Vertrauensbildung beitragen.

2454

Infolge der sich abzeichnenden Probleme wurde 2005 das Projekt «Weiterentwicklung des Berufsbildes für das militärische Personal» gestartet, das im Frühjahr 2007 abgeschlossen wurde. Dabei ging es insbesondere darum, das Berufsbild zu überprüfen und Voraussetzungen zu schaffen, um künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. So wurden Aspekte der Personalgewinnung wie auch der Erhöhung der Arbeitszufriedenheit beleuchtet und entsprechende Massnahmen abgeleitet.

Eine Reihe von Massnahmen wurden bereits umgesetzt: ­

Zulassung von Leutnants zum Bachelor-Studiengang der Militärakademie (MILAK) an der ETHZ;

­

Finanzierung der «Passerelle» zum Bachelor-Studiengang für Zeitmilitärs mit Berufsmaturität;

­

Zulassung von Offizieren mit abgeschlossener Berufslehre an die Militärschule 1 der MILAK als sogenannter «dritter Weg» (befristet bis 2010), in Ergänzung zum Bachelor-Studiengang und Diplomlehrgang;

­

erweiterte Zulassung von Unteroffizieren (Korporale, Wachtmeister) zur Berufsunteroffiziersschule (BUSA).

Andere Massnahmen und Themen sind in Bearbeitung: ­

Prüfung der Möglichkeit, den zweijährigen Grundausbildungslehrgang an der BUSA als Abschluss auf der Tertiärstufe B anerkennen zu lassen;

­

Beurteilung einer allfälligen Weiterführung der Militärschule 1 nach 2010;

­

Professionalisierung der Werbung für das militärische Personal;

­

Gestaltung einer massgeschneiderten militärischen Ausbildung für Quereinsteiger.

Weitere Neuerungen sind: ­

die Schaffung eines Bachelor-Studiengangs in Aviatik an der Zürcher Hochschule in Winterthur für angehende Berufsmilitärpiloten;

­

der sogenannte Führungslehrgang III, der Topkader-Kandidaten an der ETHZ seit 2005 einen Abschluss als «Master of Advanced Studies in Security Policy and Crisis Management» ermöglicht.

Der Bundesrat ist sich der Lage bewusst. Nebst den umgesetzten oder in Bearbeitung befindlichen Massnahmen hat der Chef VBS im Jahr 2006 einer Umwandlung von 389 befristeten Stellen in unbefristete Stellenkontingente zugestimmt, die primär zur Entlastung an der Ausbildungsfront beitragen soll. Zudem wird seit 2006 eine Sonderzulage ­ vorläufig befristet bis Ende 2010 ­ entrichtet, die als Lohnmassnahme zugunsten des militärischen Personals die vorübergehenden zusätzlichen zeitlichen und andere mit der Armee XXI verbundene Belastungen abgelten soll.

5.2.5

Personalgewinnung

Seit dem 1. Januar 2007 wurde die Werbung von militärischem Personal, basierend auf einem genehmigten Rekrutierungskonzept, wesentlich intensiviert. Ab der Rekrutierung führen die Kommandanten in allen Schulen, Kursen und Lehrgängen der Armee eine Informationsveranstaltung über die militärischen Berufe durch. Im 2455

zentralen Offizierslehrgang zeigen Vertreter der Militärakademie und des Bereichs Einsatz- und Laufbahnsteuerung Verteidigung die Berufslaufbahn auf, entsprechende Interessenten werden systematisch erfasst. An allen Hochschulmessen sowie an ausgewählten Publikumsmessen wird in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Personalamt für die Berufe in der Armee geworben.

Um die Bemühungen zur Gewinnung von Berufsoffizieren und -unteroffizieren zu unterstützen, wurde neben Anpassungen im Rekrutierungskonzept auch die Ausrichtung einer Einsatzprämie geschaffen. Dieses vorläufig bis Ende 2008 befristete Instrument soll die erfolgreiche Gewinnung mit einer Personalgewinnungsprämie belohnen.

Die neu geschaffene Militärschule wird die Bedarfslücke bei den Berufsoffizieren etwas verkleinern können. Obwohl die Teilnehmerzahlen in der Militärschule erfreulich sind und eine rege Nachfrage vorhanden ist, muss der Fortbestand dieser Schule auch im Kontext der Schweizer Bildungslandschaft beurteilt werden. Während in der Schweiz die Zahl der Abschlüsse mit gymnasialer Matur in den letzten Jahren nur leicht zugenommen hat, sind die Zahlen der Berufsmaturitätsabschlüsse viel stärker gestiegen und haben markant an Bedeutung gewonnen. Die in den Offizierslehrgängen gemachten Umfragen zeigen, dass über die Hälfte der angehenden Offiziere über eine gymnasiale Matur oder eine Berufsmatur verfügt. Das gibt klar die angestrebte Stossrichtung wieder, dass grundsätzlich die Berufsoffiziere über eine akademische Grundausbildung verfügen sollten. Dies ist nicht nur personalpolitisch von Interesse, sondern auch arbeitsmarktpolitisch von Bedeutung.

5.2.6

Strukturelle Anpassungen

Die Strukturen im Departementsbereich Verteidigung wurden auf ihr Optimierungspotenzial überprüft. Strukturelle Anpassungen durch das Zusammenlegen von Lehrverbänden wie auch die Entflechtung von gewissen Funktionen oder die Verlagerung von Stellen und Personen im Hauptquartier-Bereich an die Ausbildungsfront zeigen die Anstrengungen, die zur Entschärfung der Situation im Ausbildungsbetrieb unternommen wurden.

5.2.7

Einsatz- und Laufbahnsteuerung

Die mit der Armee XXI geschaffene Laufbahnkommission Verteidigung steuert in diesem Laufbahnprozess insbesondere die Zulassung für die karriererelevanten Zusatzausbildungslehrgänge, die Weiterausbildung an Schulen und Akademien ausländischer Streitkräfte sowie die gradmässige Abstimmung von Miliz- und Berufslaufbahn. Zudem bereitet die Laufbahnkommission Verteidigung die Entscheide des Chefs der Armee für die Einberufung in die Generalstabsausbildung sowie den Führungslehrgang III vor. Ab der Einsatzgruppe E334 werden die militärischen Stellen über ein internes Stellenausschreibungsverfahren besetzt. Die Entscheide für die 34

Berufsoffiziere mit erfolgreich abgeschlossener Grundausbildung an der MILAK (Bachelor-Studiengang, Diplomlehrgang) oder erfolgreich abgeschlossener Militär schule 2, die den Zusatzausbildungslehrgang I erfolgreich abgeschlossen haben und als Schulkommandant Stellvertreter, Klassenlehrer im Kommando Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA) oder in einer gleichwertigen Funktion eingesetzt sind.

2456

Stellenbesetzungen werden dabei durch die zuständigen Linienvorgesetzten gefällt.

Bei höheren Funktionen kann die Entscheidfindung der Linie bei Bedarf durch entsprechende Auswahl-Assessments unterstützt werden.

In Bereich des Management Development wurde die Planung seit 2004 kontinuierlich weiterentwickelt. Auf Stufe Verteidigung wurden die Schlüsselstellen definiert und genehmigt. Dabei handelt es sich aus Sicht der Organisationseinheit um strategisch wichtige Positionen, für die eine geeignete Nachfolgeplanung zu erstellen ist.

Mit dem Management Development sollen insbesondere folgende Ziele erreicht werden: ­

zeitgerechte und bezüglich Prozess vorbildliche Besetzung von Kaderpositionen durch gut qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten;

­

Ausschöpfung des internen Kaderpotenzials durch konsequente Kaderplanung;

­

Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit, der Flexibilität und der Mobilität des Kaders;

­

Steigerung der Attraktivität des VBS als Arbeitgeber durch geeignete Entwicklungsmassnahmen.

5.2.8

Ausblick

In Zusammenhang mit dem Entwicklungsschritt 2008/11 wird es noch Verschiebungen im Personalbedarf der unterschiedlichen Personalkategorien geben. Auch wenn erste positive Wirkungen der eingeleiteten Massnahmen festgestellt werden konnten, geht es darum, die Werbeanstrengungen fortzusetzen und die Personalrekrutierung den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Hier wird es vor allem durch den wieder vermehrten Einbezug der Miliz in den Rekrutenschulen Verschiebungen beim Bedarf an Zeitmilitärs geben. Tendenziell wird dieser Bedarf eher abnehmen und sich zugunsten der Bestände bei den Berufsoffizieren und -unteroffizieren verlagern müssen. Die Entwicklung beim militärischen Personal ist eng an die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gekoppelt und wird auch von den personalpolitischen Massnahmen beeinflusst. Die Armee muss ein attraktiver Arbeitgeber sein und als solcher wahrgenommen werden, um gutes, qualifiziertes Personal gewinnen und erhalten zu können.

5.3

Zivilpersonal

Zugunsten der Rüstungsausgaben mussten im Rahmen der Reform der Schweizer Armee die Betriebs- und damit auch die Personalkosten gesenkt werden. Zudem verlangte das Entlastungsprogramm 2003 einen klaren Abbau der Stellenkontingente. Dies führte, zusätzlich zu normalen Personalfluktuationen, zu einem massiven Abbau von 1 100 Stellen innerhalb dreier Jahre. Dank professionell unterstützten und weitreichenden Newplacement-Massnahmen (unter anderem sieben Job Centers und ein Support Center für Mitarbeiter, die 55-jährig und älter sind, mit 20 und mehr Dienstjahren), einer breiten Weiterbildungsoffensive, konsequenter Führung und geschickten Umdispositionen in den Betrieben, der engen Zusammenarbeit mit den 2457

Sozialpartnern und einem umfassenden Sozialplan mussten lediglich 23 Entlassungen ausgesprochen werden.

Der Personalabbau ist aber noch nicht abgeschlossen. Bis 2010 müssen jährlich weitere 250 Stellen abgebaut werden. Als Folge des neuen Stationierungskonzepts der Armee wurden die kantonalen Zeughausverträge per Ende 2006 gekündigt. Dies führte dazu, dass auch auf kantonaler Ebene für rund 300 Angestellte neue Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht werden mussten. Dank der guten Arbeit der Kantone und der grosszügigen finanziellen und prozessualen Unterstützungsmassnahmen durch den Bund konnte auch dieser Personalumbau erfolgreich durchgeführt werden.

Die Abbaumassnahmen beim Personal erfolgten zeitlich nicht kongruent mit der Reduktion des Immobilienbestandes aufgrund des Stationierungskonzeptes der Armee sowie dem Bestand an Systemen und Material. Die geplanten Effizienzsteigerungen unter anderem aufgrund informatikgestützter Logistikprozesse35 innerhalb der Logistikbasis der Armee (LBA) und des Bereichs Verteidigung zur Kompensation des Personalabbaus konnten aus verschiedenen Gründen noch nicht realisiert werden. Im Weiteren wurde die Komplexität des Umbaus der LBA unterschätzt. Die Qualitätseinbussen in der logistischen Leistungserbringung haben hier ihren Ursprung. Allerdings ist anzuführen, dass der Bedarf an Personal in den Bereichen Systeme, Material und Infrastruktur sich erst jetzt präzise abzeichnet. Dies, weil erst mit dem Einfahren des neuen Logistikprozesses unter den veränderten Rahmenbedingungen die genauen Bedarfszahlen erfassbar wurden.

Der Aufbau neuer Fähigkeiten erfordert zusätzliches Personal, das nur teilweise durch interne Umlagerungen im Departementsbereich Verteidigung gewonnen werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die erforderlichen Spezialisten für den technologischen Kompetenz- und Kapazitätsaufbau im Departementsbereich Verteidigung nicht in genügender Anzahl vorhanden sind. In technologisch anspruchsvollen Bereichen entsteht daher ein Bedarf nach externen Spezialisten, deren Bezahlung wiederum zu einem Anstieg des Betriebsaufwands führt.

Gefährliche Entwicklungen beim Zivilpersonal Nachdem mit verschiedenen Massnahmen die Situation beim militärischen Personal wieder verbessert werden konnte, dürfte sich die schon jetzt kritische Situation beim zivilen Personal
mittelfristig noch merklich verschlechtern. Die Altersstruktur beim Zivilpersonal ist aufgrund der Überalterung problematisch: Per 1. Januar 2007 lag das Durchschnittsalter bei 45 Jahren, und mehr als 45 % des Zivilpersonals waren mindestens 50 Jahre alt. In der zweiten Jahreshälfte 2008 steht der Wechsel der Pensionskasse PUBLICA vom Leistungs- zum Beitragsprimat bevor. Von 402 zivilen Mitarbeitenden im Departementsbereich Verteidigung, die am 31. Mai 2008 60 und mehr Jahre alt sein werden, haben sich 15636 bis zum Stichtag 30. November 2007 entschlossen, von den vorteilhaften Bedingungen einer vorzeitigen Pension Gebrauch zu machen. Dieser Effekt wird sich in den kommenden Jahren aufgrund der Übergangsbestimmungen allenfalls fortsetzen. Dazu kommt die Fluktuation 35

36

Mit dem Projekt Logistik@V sollen durch Prozessoptimierung eine Produktivitätssteigerung in der logistischen Leistungserstellung und eine Senkung der Betriebsausgaben erzielt werden.

Diese Zahl dürfte sich noch geringfügig erhöhen, da Mitarbeitende mit kürzeren Kündigungsfristen noch nicht berücksichtigt sind. Die Erfassung ist noch im Gange.

2458

jüngerer Mitarbeitender, die die günstige Wirtschaftslage nutzen, um sich beruflich zu verändern. Damit entsteht eine Personallücke, die schwierig zu schliessen ist, weil auf dem Arbeitsmarkt kurzfristig junges, entsprechend qualifiziertes Personal kaum rekrutiert werden kann. Weiter ist zu erwähnen, dass der Primatwechsel wegen der höheren Beitragssätze Lohneinbussen zur Folge hat, die mit den angekündigten Reallohnerhöhungen für das Bundespersonal nur zum Teil aufgefangen werden. Die schwindende Attraktivität des Bundes als Arbeitgeber und die aktuelle Wirtschaftslage sind dem Gewinn und Erhalt von gut qualifiziertem Personal nicht förderlich.

Der dringende Handlungsbedarf bezüglich des Zivilpersonals ist erkannt, und Massnahmen sind eingeleitet (siehe Optimierungsmassnahmen, Ziffer 4.1.4).

5.4

Immobilien

5.4.1

Stationierungskonzept der Armee

Im Stationierungskonzept der Armee mit grundsätzlicher Ausrichtung auf den ES 08/11 wurden der künftige Bedarf an Immobilienstandorten anlagegenau für die Bereiche Ausbildung, Einsatz und Logistik definiert und eine erste grobe Nutzungszuweisung vorgenommen. Dieses neue Stationierungskonzept wurde im ersten Halbjahr 2005 mit den Kantonen bereinigt. Die Verfeinerung erfolgt im Bedarfsfall, im Rahmen der Umsetzungsplanung, durch die Ausarbeitung meist regionaler oder lokaler Nutzungskonzepte bis 2008. Danach wird feststehen, welche Immobilien weiterhin benötigt werden und zum Kernbestand zählen. Nicht mehr zum Kernbestand zählende Objekte werden dem Dispositionsbestand zugewiesen und können verkauft, allenfalls vermietet werden.

5.4.2

Situation im Immobilienbereich

5.4.2.1

Immobilienstrategie VBS

Mit der Immobilienstrategie VBS vom 5. September 2005 soll mit politischstrategischen Vorgaben auf Departementsebene das Immobilienportfolio des VBS gesteuert werden. Hauptziel ist eine hohe strategische Qualität der Leistung des Immobilienmanagements. Alle Aktivitäten sind darauf ausgerichtet und orientieren sich an den daraus abgeleiteten folgenden drei Zielen: 1.

hohe Befriedigung der Immobilienbedürfnisse des VBS;

2.

sparsamer Umgang mit den Finanzen des Bundes;

3.

gute Erfüllung staatspolitischer Anliegen.

2459

5.4.2.2

Kernbestand

Das Stationierungskonzept der Armee vom Juni 2005 definiert den Kernbestand der durch die Armee über 2010 hinaus genutzten Immobilien in den Bereichen Ausbildung, Einsatz und Logistik. Es handelt sich dabei um eine grobe Standortplanung.

In der ganzen Schweiz werden nun für alle militärischen Bauten und Anlagen regionale Nutzungskonzepte ausgearbeitet, die aufzeigen, welche Objekte an einem Standort militärisch noch benötigt werden.

Entwicklung des Immobilienbestandes 35000 3500

30000

25000

9500

20000

Objekte verkauft oder zurückgebaut 6600

9000

Objekte im Dispositionsbestand 11200

11000

15000

10000

19000

5000

0 2000

Objekte im Kernbestand 12000 14200

2006

2011

Objektbezogene Entwicklung des Immobilienbestandes

Der Kernbestand wird bis 2011 weiter abnehmen. Demgegenüber wird der Dispositionsbestand kurzfristig nicht abnehmen. Mit der Umsetzung des Stationierungskonzepts wird der Abgang der Immobilien aus dem Dispositionsbestand durch frei werdende Immobilien der Armee kompensiert.

Das Mietermodell Seit dem 1. Januar 2007 gilt das Neue Rechnungsmodell Bund (NRM). Das Finanzhaushaltrecht des Bundes wurde totalrevidiert. Dies ergab verschiedene Änderungen im Finanzhaushaltrecht des Bundes. Mit dem NRM werden die Bruttomietkosten kreditrelevant an die internen Mieter verrechnet. Diese müssen nun als Bedürfnisträger primär die anfallenden Lebenswegkosten, also die jährlichen Mieten, in ihren Aufwandkrediten berücksichtigen. Die jährlichen Mieterbudgets bestimmen den Umfang des Leistungsbezugs der Mieter.

5.4.2.3

Dispositionsbestand

Bundeseigene Bauten und Anlagen, die aufgrund des Stationierungskonzeptes der Armee keinem militärischen Zweck mehr dienen, werden in den Dispositionsbestand versetzt.

2460

Dispositionsbestand Juli 2007 Grosse unterirdische Werke (Artilleriewerke, Infanteriewerke usw.)

Flugplätze (davon auch Restflächen) Zeughäuser, Aussenzeughäuser Baracken, Truppenlager Kampf- und Führungsbauten Strassen, Rollwege, Brücken, Seilbahnen Technische Anlagen (Trafo, Abwasseraufbereitung, Heizzentralen usw.)

ca. 80 8 ca. 30 1 000 9 000 400 500

ca. 11 000 Strategie für das Management des Dispositionsbestands Das Gros der Immobilien des Dispositionsbestandes liegt ausserhalb der Bauzonen.

Es handelt sich dabei meist um Spezialbauten, die sich kaum für eine zivile Nutzung eignen. Die Immobilien des Dispositionsbestandes können deshalb nicht kurzfristig veräussert werden.

Die armasuisse Immobilien steuert den Dispositionsbestand mit dem Ziel, die Kosten möglichst rasch zu minimieren. Sie entscheidet, welche Objekte oder Areale des Dispositionsbestandes verkauft, im Baurecht abgegeben, rückgebaut, stillgelegt oder entwickelt werden sollen.

Um die Kosten für den Dispositionsbestand zu senken, sollen: 1.

der Dispositionsbestand schnellstmöglich ­ wo wirtschaftlich sinnvoll ­ reduziert werden,

2.

die Bewirtschaftungsstandards gesenkt,

3.

durch Verkäufe, externe Vermietungen und Abgabe im Baurecht Erlöse erwirtschaftet werden.

Verkauf, Baurecht, Vermietung Immobilien des Dispositionsbestandes mit Marktpotenzial werden renditeorientiert gepflegt und entwickelt. Sie werden auf dem Markt angeboten und den Meistbietenden verkauft oder im Baurecht abgegeben.

Militärische Bauten und Anlagen dürfen erst bei Vorliegen der für die Umnutzung erforderlichen Raumplanungs- bzw. spezialrechtlichen Bewilligung verkauft, im Baurecht abgegeben oder vermietet werden.

Bei gleichem Preisangebot und vorbehältlich anderweitiger vertraglicher Verpflichtungen sind Angebote in folgender Reihenfolge zu berücksichtigen: Bundesstellen, Kantone der betroffenen Standorte, Gemeinden, private Interessenten.

Die Preise für den Verkauf sind aufgrund von Schatzungen festzulegen, die von Spezialisten des Bundes oder der Privatwirtschaft erstellt werden.

2461

Eine unentgeltliche Abgabe von Objekten ist ausgeschlossen. Der Verkauf einer Immobilie erfolgt grundsätzlich nur, wenn ein für das VBS akzeptables Angebot vorliegt.

5.5

Finanzen

5.5.1

Neues Rechnungsmodell

Mit dem NRM wurde per 1. Januar 2007 bundesweit eine neue Rechnungslegung eingeführt. Die Darstellung der Rechnung entspricht neu der kaufmännischen Buchführung, bei welcher die Bilanz ­ also die Vermögenssicht ­ und die Erfolgsrechnung im Zentrum stehen.

Die Produktivsetzung aller SAP-Systeme der Verwaltungseinheit Verteidigung konnte per 3. Januar 2007 termingerecht freigegeben werden. Es sind jetzt die nächsten Schritte im Rahmen des Programms «Betriebswirtschaftliche und Logistische Systeme (BLSV)» anzugehen. Das heisst, dass alle SAP-Systeme im Verteidigungsbereich und im VBS zu einem System zusammengefasst werden.

5.5.2

Kostentransparenz

Ein wichtiger Teil des NRM ist die Kosten- und Leistungsrechnung. Eine ausgebaute Kosten- und Leistungsrechnung Verteidigung (KLR V) auf Stufe Geschäftsleitung Verteidigung ist seit dem 1. Januar 2007 im SAP-System Verteidigung mit bereichsspezifischen Detailausprägungen der Direktunterstellten des Chefs der Armee standardisiert im Aufbau. Mehr Kostentransparenz und bessere Führungsinformationen stehen nun im Vordergrund. Das Kostenbewusstsein ist in der Verteidigung weiter zu fördern, und das wiederum hat einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Verwendung der finanziellen Mittel. Mit dem NRM kann der ganze Bereich Verteidigung inklusive Armee in gleicher Art finanziell geführt werden. Die Erfassung des Ressourcenaufwands unterstützt die Führung in der Entscheidfindung, sei es bei Verzichtsplanungen oder beim Ausbau von bestimmten Leistungen. In den nächsten Jahren ist nun wichtig, den Aufbau der KLR bzw. den Erreichungsgrad der KLR V zu steigern und weiter auszubauen. Die betriebs- und finanzwirtschaftliche Führung der Armee muss weiter ins Zentrum gerückt werden.

5.5.3

Verhältnis zwischen Betriebskosten und Investitionskosten

In der Rechnung 2006 (Departementsbereich Verteidigung) entfielen 63,2 % auf Betriebsausgaben und 36,8 % auf Rüstungsausgaben. Im Vorjahr lag das Verhältnis bei 61,8 % zu 38,2 %. Das VBS ist bestrebt, dieses Verhältnis zugunsten der Investitionen massvoll zu korrigieren («Umlagerungsstrategie»), d.h. die Betriebsausgaben zu senken37. Dies sollte zum einen durch den geplanten Personalabbau bis 2010 erreicht werden, anderseits durch die Liquidation von nicht mehr benötigten Immo37

Zum Vergleich: 1995 entfielen 47,8 % auf Betriebsausgaben und 52,2 % auf Rüstungsausgaben.

2462

bilien und Materialien. Mittel- und längerfristig sollen zudem die Investitionen erhöht werden, um den mittleren Technologiegrad zu erreichen, wie dies das Armeeleitbild festhält. Die intensive Nutzung der Systeme (vor allem aufgrund des Verzichts auf flächendeckende Beschaffungen) sowie die Beschaffung von neuen, komplexeren Systemen führen zu einem Anstieg der Betriebskosten. Zudem hat sich mit der Armee XXI die Ausbildung intensiviert; auch dies schlägt sich bei den Betriebskosten nieder. Die Massnahmen zur Sanierung des Bundeshaushalts, zu der alle Aufgabengebiete beitragen müssen, erschweren die weitere Verbesserung des Verhältnisses. Die Investitionsquote droht wieder zu sinken. Eine Stabilisierung des Investionsaufwands im Bereich von 37 % bis ca. 40 % ist anzustreben und dürfte aus heutiger Sicht ­ auch im internationalen Vergleich ­ als Erfolg gewertet werden.

5.5.4

Plafond

Mit der Botschaft zum Entlastungsprogramm 2004 vom 22. Dezember 2004 wurde der dem Verteidigungsbereich mit dem Entlastungsprogramm 2003 gewährte vierjährige Ausgabenplafond (2004­2007) bis Ende 2008 bestätigt und aktuell bis Ende 2011 verlängert. Konkret wurde der Plafond 2004­2007 gemäss Entlastungsprogramm 2003 per Ende 2004 abgerechnet und durch den neuen Ausgabenplafond 2005­2008 (15,4 Mrd. Fr.) ersetzt.

Ziele des Ausgabenplafonds sind die Erhöhung der Flexibilität, eine zeitlich optimale Allokation der Mittel sowie die Verbesserung der Planungssicherheit. Der Ausgabenplafond enthält insbesondere die Möglichkeit, begründete Umschichtungen innerhalb des Verteidigungsbereichs vorzunehmen ­ und zwar zwischen Personal-, Sach- und Rüstungsausgaben und dies sowohl unterjährig wie auch von Jahr zu Jahr. Von der Flexibilität des Ausgabenplafonds wurde unter anderem im Rahmen des VA08/LFP09­11-Prozesses auch prospektiv Gebrauch gemacht.

5.5.5

Finanzierung der Rüstungsprogramme in der nächsten Legislatur

In der nächsten Legislatur bildet die Finanzierung des Ersatzes der Kampfflugzeuge F-5 Tiger das Schwergewicht, für den mit dem Rüstungsprogramm 2010 der benötigte Verpflichtungskredit beantragt werden soll. Zudem soll weiterhin am mittleren Technologiegrad festgehalten werden, wobei das Schwergewicht auf Investitionen im Bereich Führung und Aufklärung liegen soll.

Die Umsetzung der diversen Sparvorgaben hat das beim Betriebsaufwand frei gemachte Potenzial von nicht mehr benötigten Immobilien, Systemen und Material sowie abgebautem Personal zugunsten der Investitionen wieder abgeschöpft. Die laufend beschlossenen und namhaften Kürzungen können aufgrund ihrer Kurzfristigkeit praktisch nur über die investiven Rubriken (primär Rüstungsprogramm) aufgefangen werden. Müssen im Rahmen der Aufgabenüberprüfung oder weiterer «Sparprogramme» in den nächsten Jahren Sparbeiträge durch die Armee geleistet werden, ist über die Rahmenbedingungen der Armee zu diskutieren.

2463

5.5.6

Die Folgen der Sparvorgaben

Die Verteidigung hat im Betrachtungszeitraum 2003­2007 gegenüber den ursprünglichen Planungen rund 1,9 Milliarden Franken (mittels der Entlastungsprogramme 2003 und 2004, Kreditsperren und gezielter Kürzungen) zur Sanierung des Bundeshaushalts beigetragen. Dadurch werden die Modernisierung der Armee bzw. die Erreichung des geplanten Technologieniveaus verzögert oder sogar gefährdet.

Zudem hat die Armee in den letzten Jahren stark von der Substanz gelebt (Lagerabbau, Personalabbau etc.). In diesem Kontext wird die tägliche Leistungserbringung der Armee immer schwieriger.

6

Schlussfolgerungen und Ausblick

Als Erstes ist festzustellen, dass die Armee während der letzten Legislatur die geforderten Leitungen erbrachte. Sie hat gleichzeitig die durch die Armee XXI bedingen Umstrukturierungen umgesetzt und musste Budgetverringerungen absorbieren, während der Bedarf der zivilen Behörden (Bund und Kantone) nach Unterstützung ungebrochen blieb. Bei der Ausbildung sind Verbesserungen erreicht worden, indem Berufs- und Durchdienerformationen die WK-Truppen für subsidiäre Einsätze stärker entlasten, so dass die Verbandsausbildung optimiert werden konnte.

Der Entwicklungsschritt 2008/11 wird ab 2008 nach Plan gestaffelt umgesetzt.

Damit soll sichergestellt werden, dass die Armee parallel zu dieser Umsetzung und zur Einführung von neuen Systemen (u.a. das Führungsinformationssystem Heer) die von ihr geforderten ­ und von der Bedrohungs- und Gefährdungslage bestimmten ­ Leistungen erbringen kann. Die Staffelung der Umsetzung des Entwicklungsschritts ist umso wichtiger, als die Armee im Jahr 2008 einen wesentlichen Beitrag zu den Sicherheitsmassnahmen an der EURO 08 leisten wird.

Was die vom Parlament beantragte Verdoppelung der Kapazitäten für Auslandeinsätze betrifft, muss festgehalten werden, dass aufgrund der personellen Ressourcen zusätzliche Auslanddienstleistungen nur punktuell erbracht werden können. Die in gegenwärtigen und zukünftigen Operationen vorherrschenden Bedingungen wie geographische Entfernung, klimatische Bedingungen, Mangel an Infrastrukturen in den Krisengebieten und Versorgungsprobleme haben zudem Folgewirkungen für die Transport- und Logistikkapazitäten, die anzugehen sind. Neben dem punktuellen Ausbau ist das militärische Ausland-Engagement der Schweiz unter diesem Aspekt gesamthaft zu überprüfen. Zu berücksichtigen ist, dass Auslandeinsätze der Schweizer Armee der Einsatzerfahrung und dem Wissenstransfer zu Gute kommen.

Während der Berichtsperiode wurde die Armee hauptsächlich im Bereich der Ressourcen mit Schwierigkeiten konfrontiert. Der Rückgang der Ausgaben für Landesverteidigung, der zu Beginn der 90er-Jahre (auf einem Niveau von über 6 Milliarden Franken) begann, setzte sich bis 2006 fort. Die Planzahlen für 2008­2010 sehen eine Trendumkehr vor, sind aber vorerst eben nur Planzahlen. Als Anteil an den Bundesausgaben sind die Ausgaben für die Landesverteidigung innerhalb von 25
Jahren um rund zwei Drittel zurückgegangen, von über 22 % auf unter 8 % (1995: noch knapp über 14 %). Dieser Rückgang ist in erster Linie auf die Zunahme der Ausgaben in anderen Aufgabengebieten des Staates zurückzuführen, enthält aber auch echte Reduktionen in den Ausgaben für Landesverteidigung. Wenn man die Inflation berücksichtigt, sind die Ausgaben für die Landesverteidigung seit 1990 um mehr als 2464

40 % gesunken. Ingesamt musste die Landesverteidigung 2003­2007 mit über 1,9 Milliarden Franken weniger auskommen als ursprünglich angenommen, dies als Folge von Änderungen in den Finanzplänen, der Entlastungsprogramme 2003 und 2004 und von Kreditsperren. Diese Entwicklung verursachte selbstverständlich einige Schwierigkeiten, die nur zum Teil mit der Einführung des Ausgabenplafonds (bis Ende 2011 verlängert) behoben werden konnten. Um ihre Aufgaben auch in Zukunft erfüllen zu können, muss die Armee weiterhin ihre Ausrüstung modernisieren und auch grössere Beschaffungen durchführen können (z.B. Ersatz der F-5 Tiger durch eine kleinere Anzahl neuer Flugzeuge). Weitere Sparbeiträge der Armee könnten nicht mehr durch begrenzte strukturelle Anpassungen innerhalb der bestehenden Grundparameter (Wehrsystem, Armeeaufträge, Leistungsprofil, Technologieniveau) erbracht werden.

Für die nächsten vier Jahre liegt die Priorität bei der Konsolidierung der Armeestrukturen. Dabei wird das VBS bestrebt sein, für die in diesem Bericht erwähnten Personalprobleme (Schwierigkeit bei der Rekrutierung von Berufs- und Milizkader wie auch von Zivilpersonal) Lösungen zu finden. Zu diesem Zweck hat das VBS schon Massnahmen eingeleitet, die in den nächsten Jahren ihre Wirkung zeigen sollten.

Den aktuellen und künftigen Rahmenbedingungen passt sich die Armee mit verschiedenen Massnahmen an. Die gestaffelten Massnahmenpakete umfassen die Auslagerung von Aufgaben, die nicht Kernleistungen der Armee sind, massvolle Nutzungs- und Verbrauchseinschränkungen, den Aufschub von Vorhaben und die Liquidation von Fahrzeugen und Geräten, wo es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.

Insgesamt geht es darum, wieder ein stimmiges Verhältnis zwischen Zielen, Mitteln und Leistungen zu erreichen sowie nach 2011 den Neuaufbau von Fähigkeiten so zu optimieren, dass Betriebs- und Investitionsaufwand in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

2465

2466