08.068 Botschaft über die Ergänzungsregel zur Schuldenbremse (FHG-Revision) vom 19. September 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einer Änderung des Finanzhaushaltgesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. September 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-1972

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Übersicht Mit der Schuldenbremse hat der Bund ein Instrument eingeführt, das den Anstieg der Verschuldung infolge von Defiziten im ordentlichen Haushalt wirksam unterbindet. Mit dem ausserordentlichen Haushalt verbleibt jedoch eine mögliche Verschuldungsursache.

Ausgangslage Gemäss dem Regelwerk der Schuldenbremse haben ausserordentliche Einnahmen und Ausgaben keinen Einfluss auf den ordentlichen Haushalt. Damit wird sichergestellt, dass einmalige oder unvorhersehbare Transaktionen nicht zu grossen Schwankungen in den ordentlichen Ausgaben führen und somit die Stetigkeit der staatlichen Aufgabenerfüllung gefährden. Eine derartige Ausnahmeregelung ist für die langfristige Durchsetzbarkeit einer Ausgabenregel nötig, weil innerhalb einer solchen Regel nicht alle Eventualitäten aufgefangen werden können. Die Handhabung des ausserordentlichen Haushalts in der jetzigen Ausgestaltung der Schuldenbremse bewirkt jedoch, dass die nominellen Bundesschulden auch bei einer schuldenbremsekonformen Finanzpolitik ansteigen können. Die unterbreitete Revision des Finanzhaushaltgesetzes belässt zwar den ausserordentlichen Haushalt als Sicherheitsventil der Schuldenbremse, verhindert aber durch eine Ergänzung der bestehenden Regel einen schleichenden Schuldenanstieg.

Inhalt der Vorlage Die Grundidee der beantragten Ergänzungsregel besteht darin, Defizite des ausserordentlichen Haushalts über den ordentlichen Haushalt mittelfristig zu kompensieren. Als Steuerungsgrösse dient das «Amortisationskonto», das neu eingeführt werden soll. Darin werden die ausserordentlichen Einnahmen und Ausgaben erfasst.

Weist es einen Fehlbetrag auf (d.h. überschreiten die ausserordentlichen Ausgaben die ausserordentlichen Einnahmen), so ist dieser während der sechs folgenden Rechnungsjahre durch Überschüsse im ordentlichen Haushalt abzutragen.

Die vorgeschlagene Ergänzungsregel erfüllt alle wesentlichen Anforderungen: Erstens ist sie verfassungskonform. Sie erfüllt den verfassungsmässigen Grundauftrag (Art. 126 Abs. 1 BV), die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht zu halten. Die Verfassungsbestimmungen zur Schuldenbremse sehen ausserordentlichen Zahlungsbedarf explizit vor. Diese «Privilegierung» ausserordentlicher Ausgaben ist mit der Ergänzungsregel weiterhin gewährleistet, da die Pflicht zur Amortisation ausserordentlicher
Ausgaben nur dann besteht, wenn im ordentlichen Haushalt keine Fehlbeträge auf dem Ausgleichskonto abzutragen sind.

Die Sanierung des ausserordentlichen Haushalts erfolgt «nachrangig» zum ordentlichen Haushalt. Zweitens ist die Ergänzungsregel flexibel, weil sie Bundesrat und Parlament keinerlei Vorgaben macht, wie der Amortisationsbetrag auf die vorgegebene Amortisationsfrist von sechs Jahren verteilt werden muss. Dadurch kann kurzfristigen finanzpolitischen Restriktionen Rechnung getragen und die gesamtwirtschaftliche Situation gebührend berücksichtigt werden. Drittens ist sie dank der Flexibilität und der Nachrangigkeit auch konjunkturverträglich.

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Mit der Ergänzungsregel wird mittelfristig ein Schuldenanstieg durch ausserordentliche Ausgaben verhindert. In Übereinstimmung mit der Schuldenbremse erzwingt auch die Ergänzungsregel keinen Schuldenabbau. Im Vordergrund steht das Ziel, die nominellen Schulden des Bundes zu stabilisieren und damit das Verhältnis der Schulden zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung (die Schuldenquote) stetig zu verringern. Wie die Schuldenbremse gibt die Ergänzungsregel indessen lediglich ein Mindestziel vor. Bundesrat und Parlament können im Rahmen der Budgetierung und Finanzplanung jederzeit ein ehrgeizigeres Ziel im Sinne eines nominellen Schuldenabbaus ins Auge fassen. Letztlich sei darauf hingewiesen, dass sich bei einer gesetzeskonformen Rückzahlung der über die Tresorerie gewährten Darlehen an den Arbeitslosenversicherungsfonds und der Vorschüsse an den Fonds für Eisenbahngrossprojekte, die Bruttoschulden des Bundes um weit über zehn Milliarden zurückbilden werden.

In der Vernehmlassung ist die Ergänzungsregel zur Schuldenbremse im Grundsatz auf breite Zustimmung gestossen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Problemstellung 1.1.2 Schuldenbremse und ausserordentlicher Haushalt 1.2 Beantragte Neuregelung: Die Ergänzungsregel 1.3 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.4 Anforderungen 1.4.1 Steuerungsgrösse 1.4.2 Verfassungskonformität 1.4.3 Konjunkturverträglichkeit 1.4.4 Flexibilität 1.5 Verworfene Lösungsvarianten 1.5.1 Amortisation via Ausgleichskonto 1.5.2 Einzel-Amortisation 1.5.3 Degressive Amortisation 1.5.4 Amortisation bezogen auf den Ausgabenplafond 1.6 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Ergänzungsregel 1.6.1 Steuerungsgrösse 1.6.2 Verfassungskonformität 1.6.3 Konjunkturverträglichkeit 1.6.4 Flexibilität 1.7 Einführung und Übergangsbestimmung 1.8 Simulationsrechnungen 1.9 Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

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2 Erläuterung zu einzelnen Artikeln

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3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Andere Auswirkungen

8530 8530 8530 8532 8533

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

8533

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Erlassform 5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Anhang 1: Bilanz der Schuldenbremse

8535

Anhang 2: Zahlenbeispiele für verworfene Varianten

8537

Bundesgesetz über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG) (Entwurf)

8541

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Problemstellung

Die Neunzigerjahre waren von einem massiven Anstieg der Bundesschulden geprägt. Die Bruttoschulden haben sich zwischen 1990 und 2005 mehr als verdreifacht und erreichten den Stand von 130 Milliarden, was einer Verschuldungsquote1 von 28 Prozent entspricht. Diese Schuldenentwicklung kann auf drei Hauptursachen zurückgeführt werden: Defizite in der ordentlichen Finanzierungsrechnung (in den 16 Jahren gab es nur zwei Mal Rechnungsergebnisse mit Überschüssen), ausserordentliche Ausgaben im Zusammenhang mit Altlasten (z.B. Refinanzierung öffentlicher Unternehmungen und Übernahme von Deckungsfehlbeträgen öffentlicher Pensionskassen) sowie die Finanzierung von Tresoreriedarlehen.

Mit der Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2003 wurde die wichtigste Ursache ­ die Finanzierungsdefizite ­ wirkungsvoll beseitigt (vgl. Anhang 1). Die Schuldenbremse stellt sicher, dass der ordentliche Bundeshaushalt über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen ist. Auf dem seit 2003 eingeschlagenen Pfad zur Sanierung des Bundeshaushalts konnten die bisher gesetzten Ziele erreicht bzw. übertroffen werden. Dank der konsequenten Umsetzung der Schuldenbremse mittels der Entlastungsprogramme EP 03 und EP 04 konnte das Ausgabenniveau um rund fünf Milliarden gesenkt werden. Aufgrund dieser Ausgabendisziplin und einer guten Konjunktur konnten die strukturellen Defizite der Jahre 2003 bis 2005 schneller abgebaut werden als geplant und bereits ab 2006 strukturelle Überschüsse erzielt werden. Die positive Bilanz der Schuldenbremse schlägt sich auch in der Entwicklung der Bundesschulden nieder. Diese reduzierten sich vom Höchststand im Jahr 2005 (130 Mrd.) um zehn Milliarden auf rund 120 Milliarden im Rechnungsjahr 2007.

Ausserordentliche Ausgaben sind unter der Schuldenbremse jedoch weiterhin möglich. Die im Gesetz vorgesehenen Fälle betreffen sowohl aussergewöhnliche, nicht steuerbare Entwicklungen (z.B. Naturkatastrophen) als auch Anpassungen am Rechnungsmodell und verbuchungsbedingte Zahlungsspitzen. Ausserordentliche Ausgaben werden explizit von der Berechnung der höchstzulässigen ordentlichen Ausgaben ausgeschlossen. Damit können sie weiterhin einen Schuldenanstieg verursachen, falls sie nicht durch ausserordentliche Einnahmen oder strukturelle Überschüsse im ordentlichen Haushalt kompensiert werden.

Obwohl die Altlasten
grösstenteils bereinigt sind, wird es immer wieder Ereignisse geben, welche einen ausserordentlichen Zahlungsbedarf begründen. Dies verdeutlichen die mit dem Voranschlag 2008 beschlossenen ausserordentlichen Ausgaben in der Höhe von 5,2 Milliarden. Eine umfassende Fiskalregel, wie sie die Schuldenbremse darstellt, muss Ausnahmen vorsehen, damit die erwähnten Vorfälle nicht zu einer drastischen Kürzung der ordentlichen Ausgaben führen, welche die Stetigkeit der Aufgabenerfüllung des Bundes gefährden würde. Um sicherzustellen, dass 1

Schulden in Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP)

8496

ausserordentliche Ausgaben nicht zu einer Aushöhlung der Schuldenbremse führen, hat der Bundesrat in den letzten Jahren sowohl im Budget als auch in den Finanzplanjahren strukturelle Überschüsse eingeplant. Mit diesen über die Mindestvorgabe der Schuldenbremse hinausgehenden Überschüssen soll sichergestellt werden, dass Defizite des ausserordentlichen Haushalts gegenfinanziert werden. Die eidgenössischen Räte haben diese Strategie mit der Verabschiedung der Voranschläge 2007 und 2008 unterstützt.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll die Schuldenbremse so ergänzt werden, dass nicht nur der Ausgleich des ordentlichen, sondern auch des ausserordentlichen Haushalts auf der Basis einer Regelbindung gesetzlich festgelegt wird. Ein solche Regelbindung entfaltet zudem eine präventive Wirkung gegen allzu grosszügige Auslegungen der Ausserordentlichkeitsregel, welche aufgrund des bestehenden Interpretationsspielraums bei der Definition von ausserordentlichen Ereignissen gemäss Schuldenbremse entstehen könnten.

Bei der dritten Hauptursache der Schuldenentwicklung ­ der Gewährung von Tresoreriedarlehen ­ besteht zumindest aus heutiger Sicht kein Anlass für eine zusätzliche Regelung oder Regelbindung im Rahmen des Finanzhaushaltgesetzes. Tresoreriedarlehen werden der Arbeitslosenversicherung und dem Fonds für Eisenbahngrossprojekte (FEG) gewährt. Sie werden nicht über die Finanzierungsrechnung abgewickelt, führen aber trotzdem zu einem Mittelabfluss und zu einer Erhöhung der Bruttoschulden. Ende 2007 betrugen die ausstehenden Darlehen 11,8 Milliarden, was knapp 10 Prozent der Bruttoschuld des Bundes (Ende 2007 121 Mrd.) entspricht. Im Fall des FEG und der Arbeitslosenversicherung sind in den entsprechenden Gesetzen Mechanismen vorgesehen, die sicherstellen, dass die Vorschüsse und Darlehen vollumfänglich über Überschüsse bzw. zweckgebundene Einnahmen zurückbezahlt werden. An der Einhaltung dieser gesetzlichen Rückzahlungsverpflichtungen hält der Bundesrat nachdrücklich fest. Mit der Rückzahlung der bestehenden Tresoreriedarlehen, liegt ein Schuldenstand des Bundes in der Grössenordnung von knapp über 100 Milliarden wieder in Reichweite.

Im Rahmen der Vernehmlassung zur Ergänzungsregel forderten economiesuisse, der Arbeitgeberverband und die SVP eine Ausdehnung der Regelbindung nicht nur auf den
ausserordentlichen Haushalt, sondern auch auf die Sozialversicherungen (AHV, IV, ALV, EO). Aus finanzpolitischer Sicht ist eine Regelbindung der Sozialversicherungen zu begrüssen, welche sicherstellt, dass die jeweiligen Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht sind. Gegen den Vorschlag, dies im Rahmen der FHG-Revision zur Ergänzungsregel umzusetzen, bestehen jedoch praktische Einwände: Eine «Nachhaltigkeitsregel» für die Sozialversicherungen würde ein deutlich umfassenderes Projekt als die «Ergänzungsregel» darstellen. Damit bestünde einerseits die Gefahr, die Vorlage zu überladen. Andererseits müsste eine zeitliche Verzögerung in Kauf genommen werden. Der Bundesrat beabsichtigt jedoch, das Anliegen im Rahmen der bevorstehenden Sozialversicherungsreformen aufzunehmen.

8497

1.1.2

Schuldenbremse und ausserordentlicher Haushalt

Die rechtlichen Grundlagen für die Schuldenbremse und für die Haushaltführung des Bundes finden sich in den Artikeln 100 und 126 der Bundesverfassung2 (BV) und im Bundesgesetz vom 7. Oktober 20053 über den Eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG). Diese Bestimmungen begründen einerseits die Schuldenbremse, andererseits auch die Forderung nach einer angemessenen Berücksichtigung der Konjunktur. Die ausführliche Beschreibung der Zielsetzung und Funktionsweise der Schuldenbremse kann der Botschaft vom 5. Juli 20004 zur Schuldenbremse sowie der Botschaft vom 2. Juli 20035 zum Entlastungsprogramm 2003 entnommen werden.

Im Weiteren werden einzelne Aspekte der Schuldenbremse, die für das Verständnis der Thematik des ausserordentlichen Haushalts von Bedeutung sind, zusammenfassend dargestellt.

Ausgabenregel Das Kernstück der Schuldenbremse ist eine einfache Regel: Über einen Konjunkturzyklus hinweg dürfen die Ausgaben nicht grösser sein als die Einnahmen. Der Höchstbetrag der Ausgaben (Ausgabenplafond) wird an die Höhe der Einnahmen gebunden, allerdings korrigiert um einen Faktor, welcher die konjunkturelle Lage berücksichtigt («Konjunkturfaktor» oder «k-Faktor»). Befindet sich die Wirtschaft in einer Situation der überdurchschnittlichen Auslastung, so liegt der Ausgabenplafond unter den Einnahmen, und der Bund muss einen Überschuss erwirtschaften.

Umgekehrt lässt die Formel in Zeiten einer unterdurchschnittlichen Auslastung ein Defizit zu: Die Ausgaben dürfen die Einnahmen übersteigen. Über einen gesamten Konjunkturzyklus hinweg bleiben die Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen.

Ausgleichskonto Da die Vorgaben der Schuldenbremse in erster Linie bei der Ausarbeitung des Voranschlags berücksichtigt werden (gemäss Art. 13 Abs. 1 FHG), ist sicherzustellen, dass sie auch beim Budgetvollzug eingehalten werden. Diese Funktion kommt dem Ausgleichskonto zu. Es handelt sich um eine Statistik, welche ausserhalb der Staatsrechnung des Bundes geführt wird und in welcher vergangene Über- oder Unterschreitungen der Vorgaben der Schuldenbremse festgehalten werden. Das Ausgleichskonto ermöglicht somit eine Kontrolle der Zielerreichung: Bei Vorliegen der Rechnung werden aufgrund der tatsächlichen Werte für Einnahmen und Ausgaben und aufgrund revidierter Wirtschaftsprognosen die höchstzulässigen Ausgaben
neu berechnet und den effektiv getätigten Gesamtausgaben gegenübergestellt. Die Differenz wird dem Ausgleichskonto gutgeschrieben oder belastet. Der Stand des Ausgleichskontos ist ein Massstab für die Abweichungen vom Ziel einer Stabilisierung der Bundesschulden. Ein Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto bedeutet, dass die Schulden um einen entsprechenden Betrag angestiegen sind, umgekehrt zeugt ein Guthaben von einem Schuldenabbau in der betreffenden Höhe.

Gutschriften und Belastungen des Ausgleichskontos können verschiedene Ursachen haben. Zum einen sind es Schätzfehler bei den Einnahmen und beim Wirtschafts2 3 4 5

SR 101 SR 611.0 BBl 2000 4653 BBl 2003 5615

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wachstum: Bei guter Konjunkturlage sind Einnahmenschätzungen erfahrungsgemäss eher zu tief, womit auch die höchstzulässigen Ausgaben zu tief festgelegt werden.

Die Korrektur bei Vorliegen des Rechnungsergebnisses führt entsprechend zu einer Gutschrift. Bei einer Abschwächung der Konjunktur geschieht tendenziell das Umgekehrte. Zum anderen sind es ungeplante Abweichungen der effektiven Ausgaben gegenüber den Budgetwerten (Kreditreste). Auch geplante strukturelle Überschüsse werden dem Ausgleichskonto gutgeschrieben.

Sanktionen Weist das Ausgleichskonto einen Fehlbetrag auf, so schreibt das Gesetz vor, diesen über mehrere Jahre abzubauen (gemäss Art. 17 FHG). Dies geschieht durch entsprechende Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben in den Voranschlägen. Überschreitet ein Fehlbetrag sechs Prozent der im vergangenen Rechnungsjahr getätigten Gesamtausgaben, so werden die Massnahmen verschärft. Die Überschreitung muss zwingend innerhalb der folgenden drei Rechnungsjahre beseitigt werden. Im Falle von Überschüssen auf dem Ausgleichskonto sind keine Massnahmen vorgesehen.

Ausserordentlicher Haushalt Die Schuldenbremse sieht vor, dass ausserordentliche Einnahmen bei der Berechnung des Ausgabenplafonds nicht berücksichtigt werden. Sie dienen dem Schuldenabbau und können nicht für die Finanzierung von ordentlichen Ausgaben verwendet werden. Die ausserordentlichen Ausgaben erhöhen ihrerseits die höchstzulässigen Ausgaben. Mit anderen Worten: Sie müssen nicht durch Kürzung ordentlicher Ausgaben gegenfinanziert sein. Damit wird sichergestellt, dass diese oftmals einmaligen oder unvorhersehbaren Transaktionen nicht zu grossen Schwankungen in den ordentlichen Ausgaben führen und somit die Stetigkeit der staatlichen Aufgabenerfüllung gefährden. Damit die Grundregel der Schuldenbremse nicht unterlaufen wird, ist für den Beschluss von ausserordentlichem Zahlungsbedarf ein qualifiziertes Mehr in beiden Räten erforderlich. Ferner muss er auch durch ein minimales Gewicht im Bundeshaushalt (0,5% der Gesamtausgaben) belegt sein.

Ausserordentlicher Zahlungsbedarf kann, wie bereits angesprochen, unter ausserordentlichen Umständen wie schweren Rezessionen oder Naturkatastrophen geltend gemacht werden. Neben solch einschneidenden Ereignissen sind ausserordentliche Ausgaben auch bei verbuchungsbedingten Zahlungsspitzen
und Änderungen des Rechnungsmodells zulässig. Die Erfahrungen seit der Einführung der Schuldenbremse zeigen, dass es vor allem die letzten zwei Bedingungen sind, welche einen gewissen Interpretationsspielraum offen lassen.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über ausserordentliche Einnahmen und Ausgaben seit Einführung der Schuldenbremse. Für 2008 werden Werte aus dem Voranschlag6 dargestellt. Seit Einführung der Schuldenbremse übersteigen die insgesamt getätigten ausserordentlichen Ausgaben die ausserordentlichen Einnahmen um rund 0,8 Milliarden (oder 7 %). Ausserordentliche Ausgaben wurden im Jahr 2004 in der Höhe von 1,1 Milliarden getätigt. Bei den Ausgaben des Jahres 2007 handelt es sich um einen Sonderfall, nämlich die Weitergabe des Golderlöses SNB in der Höhe von 7,0 Milliarden an den AHV-Ausgleichsfonds. Dieser Betrag ist auch Teil der ausserordentlichen Einnahmen im Jahr 2005, als der Betrag von der SNB an den Bund 6

Bundesbeschluss I vom 18. Dezember 2007 über den Voranschlag für das Jahr 2008 (BBl 2008 1297).

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überwiesen wurde. Für das Jahr 2008 sind ausserordentliche Ausgaben in der Höhe von 5,2 Milliarden veranschlagt. Ausserordentliche Einnahmen fielen in den Jahren 2005 bis 2007 an, jeweils aus dem Verkauf von Swisscom-Aktien in der Höhe von 1,4 (2005), 3,2 (2006) und 0,8 Milliarden (2007). Im Voranschlag 2008 ergeben sich ausserordentliche Einnahmen von 0,2 Milliarden im Zusammenhang mit der Einführung der CO2-Lenkungsabgabe auf Brennstoffen7.

Trotz der Tatsache, dass die ausserordentlichen Ausgaben bisher nicht wesentlich höher ausfielen als die ausserordentlichen Einnahmen, besteht in diesem Bereich Handlungsbedarf. Einerseits muss auch in Zukunft mit weiteren ausserordentlichen Ausgaben z.B. für die Rekapitalisierung der SBB zur Sanierung ihrer Pensionskasse gerechnet werden. Andererseits werden bei der Bewirtschaftung der SwisscomAktien infolge der in den letzten Jahren deutlich reduzierten Beteiligung kaum mehr mit dem Jahr 2006 vergleichbare ausserordentliche Einnahmen anfallen.

Tabelle 1 Ausserordentlicher Haushalt 2003­2008 Mio. Fr.

2003

2004

a.o. Einnahmen [1] a.o. Ausgaben [2]

2005

2006

8'388

3'203

1'121

2007

2008

754

230

12'575

7'038

5'247

13'406 -831

Saldo [3]=[1]-[2]

-

-1'121

8'388

3'203

-6'284

-5'017

Kumulierter Saldo [4]

-

-1'121

7'267 10'470

4'186

-831

1.2

Summe

Beantragte Neuregelung: Die Ergänzungsregel

Für die Durchsetzung der Schuldenbremse ist es von zentraler Bedeutung, dass in ausserordentlichen Situationen auch weiterhin ein ausserordentlicher Zahlungsbedarf geltend gemacht werden kann. Eine derartige Ausnahmeregelung ist nötig, weil innerhalb des von der Schuldenbremse gesteckten Rahmens nicht alle Eventualitäten aufgefangen werden können. Einerseits, weil bestimmte Ereignisse nicht vorhersehbar und oft auch nicht steuerbar sind. Andererseits, weil sich ausserordentlicher Zahlungsbedarf auch ­ wie dies in den letzten Jahren vermehrt der Fall war ­ aufgrund von Anpassungen am Rechnungsmodell sowie infolge von ausserordentlichen Zahlungsspitzen z.B. wegen Änderungen des Auszahlungsmodus von Subventionen ergeben kann. Durch die ausserordentlichen Ausgaben können aber die nominellen Bundesschulden auch bei einer schuldenbremsekonformen Finanzpolitik ansteigen.

Dies steht im Widerspruch zum verfassungsmässigen Grundauftrag in Artikel 126 Absatz 1 BV: «Der Bund hält seine Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht».

Die Ergänzungsregel soll die Schuldenbremse weder abändern noch ersetzen, sondern ­ wie der Name sagt ­ ergänzen. Sie enthält eine Regel zur Sanierung des ausserordentlichen Haushalts. Ziel der Ergänzungsregel ist es, einen durch ausserordentliche Ausgaben verursachten Anstieg der Bundesschulden auf mittlere Frist zu 7

Vgl. Botschaft zum Voranschlag 2008 (vom 22. August 2007)

8500

verhindern. In Übereinstimmung mit der Schuldenbremse erzwingt auch die Ergänzungsregel keinen Schuldenabbau. Im Vordergrund steht das Ziel, die nominellen Schulden des Bundes zu stabilisieren. Bundesrat und Parlament bleibt jedoch vorbehalten, im Rahmen von Budget und Finanzplan «ehrgeizigere» Ziele zu verfolgen.

Ein Schuldenabbau ist möglich, da sowohl Schuldenbremse als auch Ergänzungsregel Mindestvorschriften darstellen. So können z.B. ausserordentliche Ausgaben schon früher oder schneller als gesetzlich vorgegeben kompensiert werden.

Die Grundidee der Ergänzungsregel besteht darin, dass ­ sofern der ordentliche Haushalt saniert ist ­ die Defizite aus dem ausserordentlichen Haushalt über einen fixen Zeitraum abgetragen werden. Die vorgeschlagene Ergänzungsregel ist verfassungskonform und konjunkturverträglich sowie flexibel in der Festlegung der Sparbeträge. Gleichzeitig stellt sie den Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts über einen Zeitraum von maximal sechs Jahren sicher.

Die Ergänzungsregel soll in Form einer konkreten institutionellen Regel ausgestaltet werden. Der Bundesrat unterbreitet den eidgenössischen Räten die hierzu notwendigen Änderungen auf Gesetzesstufe. Die Grundsätze der Ergänzungsregel werden in Form einer Revision des Finanzhaushaltgesetzes realisiert.

Die vorgeschlagene Ergänzungsregel setzt sich im Wesentlichen aus den nachfolgenden Elementen zusammen (detaillierte Erläuterungen finden sich unter der Ziff. 1.4): Führung eines Amortisationskontos In Analogie zum Ausgleichskonto soll ausserhalb der Staatsrechnung eine Statistik des ausserordentlichen Haushalts, das sogenannte Amortisationskonto, geführt werden. Dem Amortisationskonto werden die ausserordentlichen Ausgaben belastet, die ausserordentlichen Einnahmen hingegen gutgeschrieben. Zweckgebundene ausserordentliche Einnahmen und die damit verbundenen ausserordentlichen Ausgaben werden nicht auf das Amortisationskonto gebucht. Der Stand des Amortisationskontos gibt den kumulierten Saldo des ausserordentlichen Haushalts wieder.

Die Berechnung des Amortisationskontos beginnt mit der Einführung der Ergänzungsregel. Der Ausweis des Amortisationskontos erfolgt jährlich im Rahmen der Staatsrechnung.

Abbau von Fehlbeträgen auf dem Amortisationskonto Fehlbeträge auf dem Amortisationskonto sind zwingend innerhalb der
folgenden sechs Rechnungsjahre durch Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben gemäss Schuldenbremse auszugleichen. Mit anderen Worten: Defizite des ausserordentlichen Haushalts müssen durch strukturelle Überschüsse des ordentlichen Haushalts kompensiert werden. Erhöht sich ­ infolge einer weiteren ausserordentlichen Ausgabe ­ der Fehlbetrag des Amortisationskontos um mehr als 0,5 Prozent des Ausgabenplafonds gemäss Schuldenbremse (entspricht derzeit rund 300 Millionen), beginnt die sechsjährige Frist neu zu laufen. Die konkrete Ausgestaltung der Ergänzungsregel räumt Bundesrat und Parlament einen Spielraum bei der Sanierung des ausserordentlichen Haushalts ein. Dies ermöglicht es ihnen, unter Einhaltung der zeitlichen Befristung die Höhe der jährlichen Einsparungen und deren Verteilung auf die einzelnen Jahre weitgehend selbst festzulegen. Diese Flexibilität gestattet es, der konjunkturellen Lage sowie dem Problem der gesetzlich oder vertraglich gebundenen Ausgaben Rechnung zu tragen. Die Vorgabe einer Frist für die Bereinigung

8501

des Amortisationskontos garantiert, dass eine verbindliche Planung für die Bereinigung von Fehlbeträgen erfolgt.

Weist das Amortisationskonto einen Fehlbetrag auf, besteht eine Pflicht, diesen auszugleichen. Eine vorausschauende Finanzpolitik fordert jedoch mehr: Sparmassnahmen für voraussehbare ausserordentliche Ausgaben sollen frühzeitig durchgeführt werden können. Die vorgeschlagene Ergänzungsregel ermöglicht deshalb vorsorgliche Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben: Konkret kann die Bundesversammlung zum Ausgleich von voraussehbaren Fehlbeträgen auf dem Amortisationskonto vorsorgliche Einsparungen im ordentlichen Haushalt beschliessen.

Nachrangigkeit Die Pflicht zum Abbau von Fehlbeträgen auf dem Amortisationskonto besteht nur, wenn das Ausgleichskonto einen positiven Stand aufweist oder ausgeglichen ist. Die Sanierung von Defiziten des ausserordentlichen Haushalts erfolgt somit «nachrangig» zum ordentlichen Haushalt: Erst wenn der ordentliche Haushalt ausgeglichen ist und keine zusätzlichen Sparmassnahmen aufgrund von Fehlbeträgen im Ausgleichskonto notwendig sind, muss die Verschuldung aufgrund des ausserordentlichen Haushalts abgebaut werden. Mit der «Nachrangigkeit» der Ergänzungsregel wird deren Verfassungsmässigkeit gewährleistet.

Auch im Fall der freiwilligen Kompensation voraussehbarer Fehlbeträge bleibt die Einhaltung der Nachrangigkeit gewahrt: Vorsorgliche Amortisationen von ausserordentlichen Ausgaben dürfen nur getätigt werden, wenn der ordentliche Haushalt bereinigt ist.

Umsetzung der Ergänzungsregel im Überblick Das folgende Schema 1 zeigt die Umsetzung der Ergänzungsregel im Überblick.

Ausgangspunkt bildet der Stand des Ausgleichskontos: Weist das Ausgleichskonto z.B. aufgrund einer Einnahmenüberschätzung in einer Rezession einen negativen Stand auf, so muss zunächst der ordentliche Haushalt nach Artikel 17 Absätze 1 und 2 FHG in Ordnung gebracht werden (Fall 1). Erst wenn dies erfolgt ist und das Ausgleichskonto wieder positiv oder ausgeglichen ist, ist ein Fehlbetrag auf dem Amortisationskonto des ausserordentlichen Haushalts abzutragen.

8502

Schema 1: Umsetzung Ergänzungsregel Stand Ausgleichs konto

Positiv oder ausgeglichen

Stand Amortisations konto Negativ

Pflicht zum Abbau des Fehlbetrags des Amortisationskontos innert sechs Jahren (Neuer Art. 17b Abs. 1 FHG) (Fall 2)

Negativ

Pflicht zum Abbau des Fehlbetrags des Ausgleichskontos (Art. 17 Abs. 1 und 2 FHG) (Fall 1)

Positiv oder ausgeglichen

Fehlbetrag voraussehbar Ja

Nein

Möglichkeit zum Abbau des voraussehbaren Fehlbetrags des Amortisationskontos (Neuer Art . 17c Abs. 1 FHG) (Fall 3)

Kein Sanierungs Bedarf : Ordentlicher und ausserordentlicher Haushalt bereinigt (Fall 4)

Die Übersicht über den ausserordentlichen Haushalt gibt das Amortisationskonto.

Übersteigen die ausserordentlichen Ausgaben die ausserordentlichen Einnahmen, so weist das Amortisationskonto einen Fehlbetrag auf ­ der Kontostand ist negativ. In diesem Fall ist vorgesehen, dass der Fehlbetrag des ausserordentlichen Haushalts zwingend innerhalb der nächsten sechs Rechnungsjahre abgetragen werden muss (Fall 2, neuer Art. 17b Abs. 1 FHG). Gleitet das Ausgleichskonto während diesem Zeitraum allerdings in den negativen Bereich ab, so wird die Pflicht zum Ausgleich des Amortisationskontos ausgesetzt, bis der Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto beseitigt ist.

Das Amortisationskonto wird mit der Staatsrechnung vorgelegt und ist somit vergangenheitsbezogen. Es gibt über den kumulierten Saldo des ausserordentlichen Haushalts per Ende des vergangenen Rechnungsjahres Auskunft. Wie die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat, lässt sich ein Teil der ausserordentlichen Ausgaben gerade im Bereich von Umstellungen des Rechnungsmodells und verbuchungsbedingten Zahlungsspitzen betragsmässig recht gut vorhersehen. Aus diesem Grund soll es möglich sein, bereits im Fall von erwarteten Fehlbeträgen vorsorgliche Ein-

8503

sparungen zum Ausgleich des Amortisationskontos tätigen zu können (Fall 3, neuer Art. 17c Abs. 1 FHG).

Wenn Ausgleichskonto sowie Amortisationskonto ausgeglichen sind oder einen positiven Stand aufweisen und keine Fehlbeträge auf dem Amortisationskonto erwartet werden, liegt der aus finanzpolitischer Sicht wünschenswerte Fall vor: ordentlicher und ausserordentlicher Haushalt sind bereinigt; Sanierungsmassnahmen erübrigen sich (Fall 4).

1.3

Ergebnisse der Vernehmlassung

Übersicht über die Stellungnahmen Die Vernehmlassung der Ergänzungsregel zur Schuldenbremse wurde vom 23. April bis 4. August 2008 durchgeführt. Insgesamt sind 53 Stellungnahmen eingetroffen.

37 Vernehmlassungsteilnehmer befürworten die Vorlage im Grundsatz, 10 lehnen die Vorlage ab, 6 verzichten auf eine grundsätzliche Stellungnahme.

Die Grundsatzfrage, ob der ausserordentliche Haushalt einer institutionellen Regelbindung unterstellt werden soll (Frage 1), wird mehrheitlich bejaht. SVP, economiesuisse und Arbeitgeberverband schlagen darüber hinaus eine Ausdehnung der Schuldenbremse auf die Sozialwerke (AHV, IV, ALV, EO) vor, die sogenannte «Nachhaltigkeitsregel». Auch die FDP ortet Handlungsbedarf bei den Sozialwerken, spricht sich jedoch gegen eine Überladung und eine damit verbundene zeitliche Verzögerung der Ergänzungsregel aus. Um genügend finanziellen Spielraum im ordentlichen Haushalt zu erhalten, soll der Bundesrat zudem das Projekt Aufgabenüberprüfung so zügig wie möglich vorantreiben (FDP, CVP). Auch die Mehrheit der Kantonsregierungen sowie die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren (FDK) begrüssen die Ergänzungsregel im Grundsatz. Die Ergänzungsregel setze den verfassungsrechtlichen Auftrag um, die Einnahmen und Ausgaben auf Dauer im Gleichgewicht zu halten (Art. 126 Abs. 1 BV). Praktisch alle Kantone befürchten jedoch direkte oder indirekte Lastenabwälzungen für den Fall, dass der Bund Sparmassnahmen zur Bereinigung eines Defizits auf dem Amortisationskonto treffen muss. Die Strassen- und Infrastrukturverbände (Fachverband Infra, TCS, bauenschweiz, strasseschweiz, Autogewerbeverband) verlangen in diesem Zusammenhang eine «Sonderbehandlung» für die Investitionsausgaben. Aus deren Kürzung oder Verschiebung könne sonst ein volkswirtschaftlich schädlicher Investitionsrückstand entstehen. Die SP und der Gewerkschaftsbund verneinen die Frage mit der Begründung, dass der ausserordentliche Haushalt seit Einführung der Schuldenbremse annähernd ausgeglichen sei und deshalb keine Notwendigkeit für eine weitere Regel bestehe. Zusammen mit den Kantonen Jura, Waadt und Neuenburg sind sie der Auffassung, die Ergänzungsregel führe zu einer intransparenten und bürokratischen Finanzpolitik. Der Kanton Basel-Stadt schlägt einen Ersatz der Schuldenbremse mit einer neuen Fiskalregel
vor (Ziel: Stabilisierung der Schuldenquote). Eine weitere Einschränkung des finanzpolitischen Handlungsspielraums von Bundesrat und Parlament wird ebenfalls von der EVP, der Christlichsozialen Partei und dem Bauernverband abgelehnt.

Der Vorschlag des Bundesrates, den Saldo des ausserordentlichen Haushalts als Steuerungsgrösse für die Ergänzungsregel zu verwenden (Frage 2a), ist unbestritten.

Die ausserordentlichen Einnahmen sollen grundsätzlich zur Finanzierung der aus8504

serordentlichen Ausgaben herangezogen werden. Ebenso spricht sich eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer dafür aus, zweckgebundene ausserordentlichen Einnahmen und die damit verbundenen ausserordentlichen Ausgaben nicht auf das Amortisationskonto zu verbuchen (Frage 2b).

Umstritten ist der Umgang mit erheblichen ausserordentlichen (Frage 2c) Einnahmen. Der Bundesrat hat im Vernehmlassungsbericht seine Absicht geäussert, bei erheblichen ausserordentlichen Einnahmen (z.B. aus Privatisierungserlösen) eine Gutschrift auf dem Amortisationskonto mittels Spezialgesetzgebung zu unterbinden.

Aus Sicht des Bundesrates sollen ausserordentliche Einnahmen, die in erheblichem Umfang anfallen, nicht zur Finanzierung von ausserordentlichen Ausgaben zur Verfügung stehen, sondern für den Schuldenabbau verwendet werden. Die FDP und die Arbeitgeberverbände sowie der TCS und strasseschweiz stimmen der Absicht des Bundesrates zu. Die CVP fordert eine Verankerung des Grundsatzes im Finanzhaushaltgesetz. Die SP, die Grünen, die Arbeitnehmerverbände sowie eine Mehrheit der Kantone und die FDK sind der Meinung, dass erhebliche ausserordentliche Einnahmen dem Amortisationskonto gutgeschrieben und auf eine Verschärfung der Zielvorgabe in Richtung Schuldenabbau verzichtet werden sollen. Zudem beurteilt die Mehrheit der Kantone und die FDK das gewählte Vorgehen als intransparent.

Der Bundesrat solle zumindest seine Absicht im Finanzhaushaltgesetz festschreiben.

Eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Revision des FHG im Rahmen der geltenden Verfassungsbestimmungen umgesetzt werden soll (Frage 3). Das gewählte Vorgehen ist unbestritten. Die Vernehmlassungsteilnehmer sind grösstenteils der Meinung, dass die in der Verfassung vorgesehene «Privilegierung» der ausserordentlichen Ausgaben (Ausnahme von den Restriktionen der Schuldenbremse) durch die Nachrangigkeit des Amortisationskontos gewahrt bleibt.

Die für Fehlbeträge auf dem Amortisationskonto vorgeschlagene Amortisationsfrist von sechs Jahren (Frage 4) wurde kontrovers aufgenommen. Die FDP und die CVP teilen die Ansicht des Bundesrates, dass eine Amortisationsfrist von sechs Jahren im Hinblick auf den Konjunkturzyklus und die politische Entscheidungsfindung angemessen sei. Die SVP, economiesuisse und der Arbeitgeberverband
fordern eine Verkürzung der Frist auf vier Jahre, der Centre Patronal auf fünf Jahre. Die Grünen, die SP und der Gewerkschaftsbund erachten die anvisierte Frist als zu kurz. Letztere fordern deshalb eine «Ventil-Klausel», welche dem Parlament eine Streckung oder Aufhebung der Amortisationsfrist erlauben würde. Gemeinsam mit Travail.Suisse und KV Schweiz wird eine prozyklische Finanzpolitik mit negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum befürchtet.

Im Hinblick auf absehbare Fehlbeträge des Amortisationskontos schlägt der Bundesrat vor, dass vorsorgliche Einsparungen im ordentlichen Haushalt bereits vorgängig vorgenommen werden können. Die SVP, economiesuisse und der Arbeitgeberverband schlagen eine Umformulierung der Kann-Bestimmung in eine Verpflichtung für Bundesrat und Parlament. Die SP beantragt, die Bestimmung ­ welche eine «Überregulierung» darstelle ­ zu streichen.

Die Höhe der jährlichen Amortisationsbeiträge soll gemäss Vernehmlassungsvorlage nicht vorgegeben werden, sondern flexibel bleiben (Frage 5). Bundesrat und Parlament sollen damit der Haushaltsituation und der Konjunkturlage angemessen Rechnung tragen können. Diese Absicht stösst unter den Vernehmlassungsteilnehmern

8505

auf grosse Zustimmung. Einzig die CVP schlägt vor, die Amortisationsbeiträge nach einer Regel fest vorzugeben.

Die Vernehmlassungsteilnehmer erachten die vorgeschlagene Ausgestaltung der Ergänzungsregel mehrheitlich als das geeignete Instrument zur Erreichung der Schuldenstabilisierung (Frage 6). Die Zustimmung fällt jedoch weniger deutlich aus als zur Regelbindung des ausserordentlichen Haushalts (Frage 1). Die Notwendigkeit eines Regelwerkes wird weniger in Frage gestellt als dessen konkrete Ausgestaltung. Insbesondere die Strassen- und Infrastrukturverbände (TCS, bauenschweiz, Fachverband Infra, strasseschweiz, Autogewerbeverband) lehnen die konkrete Vorlage ab, da für die Investitionsausgaben keine Sonderbehandlung garantiert wird.

In den Übergangsbestimmungen wird festgelegt, dass das aktuelle Guthaben auf dem Ausgleichskonto beim Inkrafttreten der Ergänzungsregel um voraussichtlich 1,1 Milliarden reduziert wird. Dieser Betrag entspricht dem erwarteten kumulierten Defizit des ausserordentlichen Haushalts seit Einführung der Schuldenbremse bis zur voraussichtlichen Einführung per 1. Januar 2010. Die entsprechenden Guthaben auf dem Ausgleichskonto sind dadurch entstanden, dass Bundesrat und Parlament die Defizite im ausserordentlichen Haushalt bisher freiwillig durch Überschüsse im ordentlichen Haushalt kompensiert haben. Die SP sowie die Kantone Waadt und Neuenburg sprechen sich gegen eine ­ aus ihrer Sicht ­ rückwirkende Einführung der Ergänzungsregel aus.

Würdigung der Vernehmlassungsergebnisse Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer stützt sowohl die Stossrichtung der vorliegenden Gesetzesrevision als auch die zentralen Elemente der Ergänzungsregel.

Die Ergänzungsregel wird überwiegend als systematische Weiterführung des Grundgedankens der Schuldenbremse wahrgenommen. Die von einigen Vernehmlassungsteilnehmern geforderte Sonderbehandlung einzelner Ausgabenkategorien, wie z.B. der Transfers an die Kantone und Gemeinden oder der Investitionsausgaben (vgl. Ziff. 3.3), widerspricht diesem Grundgedanken und wird deshalb vom Bundesrat abgelehnt. Der Befürchtung der Kantone, Lasten könnten auf sie abgewälzt werden, trägt der Bundesrat bereits Rechnung: Im Gesetzesentwurf zur Ergänzungsregel wird den Kantonen ­ in Analogie zur Schuldenbremse ­ ein Mitwirkungsrecht bei der Erarbeitung von
Entlastungsprogrammen zugesichert (Art. 18 Abs.1 FHG).

Die Erfahrungen mit den Entlastungsprogrammen 03 und 04 haben gezeigt, dass Bundesrat und Parlament das Mitwirkungsrecht der Kantone ernst nehmen und namhafte Lastenabwälzungen zu vermeiden wissen (vgl. Ziff. 3.2).

Der Bundesrat begrüsst die Forderung nach einer Ausdehnung der Regelbindung auf die Sozialversicherungen. Die Vorlage zur Ergänzungsregel soll jedoch weder verzögert noch überladen werden. Der Bundesrat beabsichtigt deshalb, das Anliegen im Rahmen der bevorstehenden Sozialversicherungsreformen aufzunehmen.

Nach bundesrätlicher Auffassung sollten «erhebliche» ausserordentliche Einnahmen, wie sie z.B. im Rahmen einer Teilprivatisierung anfallen können, zum Schuldenabbau verwendet werden. Etliche Vernehmlassungsteilnehmer lehnen die NichtVerbuchung von «erheblichen» ausserordentlichen Einnahmen auf dem Amortisationskonto ab. Die für den Bundesrat massgebenden Gründe für dieses Vorgehen konnten in der Vernehmlassung nicht entkräftet werden: Ein hohes Guthaben auf dem Amortisationskonto könnte Begehrlichkeiten im Hinblick auf die Finanzierung von Massnahmen durch ausserordentliche Ausgaben wecken. Ferner stehen solchen 8506

«erheblichen» ausserordentlichen Einnahmen meist auch Abgänge von Vermögenswerten gegenüber.

Der Bundesrat verzichtet darauf, die Sonderbehandlung von «erheblichen» ausserordentlichen Einnahmen im Finanzhaushaltgesetz zu regeln, wie dies ein Teil der Vernehmlasser fordert. Er sieht vor, dass die Nicht-Verbuchung auf dem Amortisationskonto im Rahmen der jeweiligen Spezialgesetze festgelegt wird. Der Bundesrat hält an der in der Vernehmlassungsvorlage unterbreiteten Lösung fest, weil es nicht möglich ist, alle relevanten Tatbestände abschliessend zu definieren und solche Fälle eher selten sein werden. Bundesrat und Parlament benötigen in diesem Bereich einen gewissen Ermessensspielraum, um einzelfallbezogen entscheiden zu können (vgl. Ziff. 1.6.1) Die Amortisationsfrist von sechs Jahren war in der Vernehmlassung umstritten.

Einige Vernehmlassungsteilnehmer forderten eine Verkürzung der Frist auf vier Jahre, andere eine Verlängerung auf acht bis zehn Jahre oder einen Verzicht auf eine zeitliche Fixierung. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Amortisationsfrist liegt mit sechs Jahren in der Mitte der von den Vernehmlassern gewünschten Lösungen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die sechsjährige Amortisationsfrist dem Anliegen einer konjunkturgerechten und flexiblen Finanzpolitik einerseits und dauerhaft ausgeglichenen Bundesfinanzen andererseits am besten gerecht wird. Für den Bundesrat kommt deshalb weder eine Verkürzung der Frist noch deren Verlängerung in Frage.

Nach Auffassung des Bundesrates stellt die vorgeschlagene Ergänzungsregel das geeignete Instrument zur Sicherstellung des Haushaltsausgleiches dar. An der Gesetzesvorlage wurden deshalb keine Änderungen vorgenommen.

1.4

Anforderungen

Bei der Ausgestaltung von finanzpolitischen Regeln gibt es eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten. Nachfolgend werden die wesentlichen Kriterien für die Ergänzungsregel dargestellt. Die wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang sind diejenigen nach der richtigen Steuerungsgrösse, der Verfassungskonformität, der Konjunkturverträglichkeit und der finanzpolitischen Flexibilität.

1.4.1

Steuerungsgrösse

Um auf ausserordentliche Ereignisse wie z.B. Naturkatastrophen oder Umstellungen des Rechnungswesens angemessen reagieren zu können, sieht die Schuldenbremse vor, dass der Höchstbetrag für die Ausgaben unter bestimmten Bedingungen erhöht werden kann. Um die Stabilisierung der Verschuldung des Bundes nachhaltig zu sichern, ist deshalb der ausserordentliche Zahlungsbedarf einer Regel zu unterwerfen: Ausserordentliche Ausgaben sollen ­ allerdings erstreckt auf mehrere Jahre ­ gegenfinanziert werden.

Während die ausserordentlichen Ausgaben ganz offensichtlich in die Steuerungsgrösse der Ergänzungsregel einfliessen müssen, stellt sich die Frage nach der Behandlung der ausserordentlichen Einnahmen. Sollen diese zur Finanzierung der ausserordentlichen Ausgaben herangezogen werden dürfen?

8507

Unter der Schuldenbremse dürfen ausserordentliche Einnahmen, da sie in der Regel einmalig sind, nicht zur Finanzierung von ordentlichen Ausgaben herangezogen werden. Als ausserordentliche Einnahmen gelten nach Artikel 13 Absatz 2 FHG insbesondere ausserordentliche Investitionseinnahmen aus Verkäufen von Beteiligungen wie etwa Swisscom-Aktien oder ausserordentliche Einnahmen aus Regalien und Konzessionen. Gemäss den Bestimmungen der Schuldenbremse gehen ausserordentliche Einnahmen nicht in die Berechnung der höchstzulässigen Ausgaben ein.

Das Konzept der Schuldenbremse zielt auf eine Stabilisierung der Bruttoschulden des Bundes ab.8 Diese Zielsetzung wurde von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung (rund 85%) mit der Annahme der Schuldenbremse im Jahr 2001 bejaht und hat nach wie vor Gültigkeit.9 Eine Ergänzungsregel, welche allfällige ausserordentliche Einnahmen nicht gutschreiben würde, ginge über das Ziel der Schuldenstabilisierung hinaus. Eine solche Ergänzungsregel würde einen Abbau der nominellen Bruttoschulden des Bundes anstreben, da die ausserordentlichen Ausgaben vollumfänglich über mehrere Jahre zu kompensieren wären, während die ausserordentlichen Einnahmen die Bundesschulden verringern. Als Steuerungsgrösse empfiehlt sich deshalb der kumulierte Saldo des ausserordentlichen Haushalts. Mit anderen Worten, ausserordentliche Ausgaben sind nach Abzug der ausserordentlichen Einnahmen zu amortisieren.

1.4.2

Verfassungskonformität

Nach Artikel 126 Absatz 1 BV muss der Bund seine Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht halten. In der Formulierung dieses Grundsatzes wird zwischen ordentlichen und ausserordentlichen Ausgaben nicht unterschieden. Dies besagt, dass neben dem ordentlichen Haushalt auch der ausserordentliche Haushalt auszugleichen ist.

Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Schuldenbremse (Art. 126 Abs. 3 BV) verlangen aber auch eine differenzierte Behandlung von ordentlichen und ausserordentlichen Ausgaben: Ausserordentlicher Zahlungsbedarf wird im Vergleich zu den ordentlichen Ausgaben «privilegiert» behandelt. Er erhöht die höchstzulässigen Ausgaben und wird nicht dem Ausgleichskonto belastet. Ein ergänzender Mechanismus zur Gegenfinanzierung des ausserordentlichen Haushalts muss, um dieser verfassungsmässigen Privilegierung Rechnung zu tragen, zurückhaltender ausgestaltet sein als jener, der die Verletzung der Vorgaben aus dem ordentlichen Haushalt regelt (Art. 17 FHG).

Materiell ist die verfassungsrechtliche Privilegierung der ausserordentlichen Ausgaben nach wie vor sachgemäss. Die Verfassungsgrundlagen der Schuldenbremse sollen deshalb nicht geändert werden. Eine Amortisationsregel ist folglich so auszugestalten, dass sie die Bevorzugung der ausserordentlichen Ausgaben nicht in Frage stellt.

8 9

BBl 2000 4685 f Die Schuldenbremse gibt mit der Stabilisierung der Bundesschulden ein Mindestziel vor.

Eine Übererfüllung dieser Zielsetzung, d.h. ein Schuldenabbau, ist im Rahmen der Budgetierung und Finanzplanung jederzeit möglich und steht nicht in Widerspruch zur Schuldenbremse.

8508

1.4.3

Konjunkturverträglichkeit

Die Finanzpolitik steht gemäss dem Finanzleitbild des Bundes im Dienste von allokations-, verteilungs- und stabilitätspolitischen Zielsetzungen. Die Stabilisierungsziele beinhalten die Glättung von Konjunkturschwankungen und die volle Auslastung des volkswirtschaftlichen Produktionspotenzials. Dabei sollte der Staat seine Ausgaben und Einnahmen derart steuern, dass die Ausschläge des Wirtschaftsablaufs gedämpft werden. Eine prozyklische Wirkung der Finanzpolitik sollte vermieden werden. Die stabilitäts- bzw. konjunkturpolitische Zielsetzung ist in Artikel 100 BV verankert.

Der Mechanismus der Schuldenbremse trägt den konjunkturpolitischen Erfordernissen Rechnung: In wirtschaftlich guten Zeiten werden Überschüsse verlangt, in schwierigen Zeiten Defizite zugelassen. Die Schuldenbremse berücksichtigt die Konjunktur im Rahmen einer passiven Stabilisierungspolitik. Konjunkturell bedingte Schwankungen der Einnahmen und Ausgaben werden zugelassen. Hingegen wird auf einen aktiven Eingriff in den Konjunkturverlauf grundsätzlich verzichtet.

Unter Bezug auf den Verfassungsauftrag und die Schuldenbremse lässt sich die Forderung ableiten, dass auch eine Amortisationsregel konjunkturverträglich ausgestaltet werden muss.

1.4.4

Flexibilität

Nicht zuletzt die Erfahrungen mit den Entlastungsprogrammen 2003 und 2004 haben gezeigt, dass eine gewisse Flexibilität bei der Ausgestaltung von Sanierungsprogrammen notwendig ist. Der Grossteil der Bundesausgaben ist gesetzlich oder vertraglich gebunden. Kurzfristig sind deshalb sehr hohe Entlastungen des Bundeshaushalts kaum möglich. Mittel- bis längerfristig lassen sich hingegen höhere Zielvorgaben mit den notwendigen Gesetzesänderungen erreichen. Daraus folgt die Forderung, eine Amortisationsregel möglichst flexibel auszugestalten. Bundesrat und Parlament sollen die Möglichkeit haben, den zeitlichen Ablauf einer Sanierung des ausserordentlichen Haushalts innerhalb einer festen Frist selbst zu bestimmen.

Insbesondere sollte es möglich sein, den Betrag der jährlichen Entlastungsmassnahmen schrittweise zu erhöhen. Ein gewisses Mass an Flexibilität ermöglicht es, dass der Bund auch unter dem Erfordernis der Haushaltsanierung ein verlässlicher und berechenbarer Partner bleibt. Dies ist speziell für das Verhältnis des Bundes zu den Kantonen wichtig. Der geforderte Handlungsspielraum erlaubt es dem Parlament darüber hinaus, die jeweilige Konjunkturlage bei der Festlegung der jährlichen Entlastungsmassnahmen in die Erwägungen einzubeziehen.

1.5

Verworfene Lösungsvarianten

Im Rahmen der Ausarbeitung der vorliegenden Ergänzungsregel wurden verschiedene Alternativen geprüft. Im Folgenden werden die wichtigsten unter ihnen kurz erklärt. Gleichzeitig wird erläutert, warum sie den vorgängig beschriebenen Anforderungen nicht genügen und verworfen wurden.

8509

1.5.1

Amortisation via Ausgleichskonto

Eine naheliegende und einfache Variante wäre die Einbindung des ausserordentlichen Haushalts in das bestehende Regelwerk des Ausgleichskontos. So könnte der Saldo des ausserordentlichen Haushalts dem Ausgleichskonto einfach belastet, respektive gutgeschrieben werden. Die Bereinigung von allfälligen Fehlbeträgen auf dem Ausgleichskonto wäre nach den geltenden Bestimmungen des Finanzhaushaltgesetzes durchzuführen, also im Verlauf «mehrerer Jahre» (gemäss Art. 17 Abs. 1 FHG). Überschreitet der Fehlbetrag sechs Prozent der im vergangenen Rechnungsjahr getätigten Gesamtausgaben, so ist diese Überschreitung innerhalb der drei folgenden Rechnungsjahre zu beseitigen (gemäss Art. 17 Abs. 2 FHG). Ein Zahlenbeispiel dazu befindet sich in Anhang 2 unter Ziffer A.2.1 Bei der Variante «Ausgleichskonto» würden die ausserordentlichen Ausgaben dem gleichen Sanktionsmechanismus unterliegen wie die ordentlichen. Die ausserordentlichen Ausgaben wären im Vergleich zu den ordentlichen nicht mehr «privilegiert».

Die Verfassung verlangt jedoch eine weniger strenge Kompensation von ausserordentlichen Ausgaben. Ausserordentliche Ausgaben müssen deshalb einer separaten, nachrangigen Kompensation unterworfen werden. Die Amortisation des ausserordentlichen Haushalts über das Ausgleichskonto ist deshalb mit den geltenden Verfassungsbestimmungen nicht vereinbar.

Ferner bestünde die Gefahr einer prozyklischen Wirkung einer solchen Regelung. In konjunkturell schwierigen Zeiten weist das Ausgleichskonto tendenziell einen Fehlbetrag auf. Würde sich dieser durch ausserordentliche Ausgaben zusätzlich erhöhen, wären die erforderlichen Einsparungen aus dem Blickwinkel der Konjunkturverträglichkeit problematisch. In einer Rezession müssten unter Umständen weitreichende Sanierungsmassnahmen durchgeführt werden.

Positiv zu beurteilen ist hingegen die Flexibilität einer solchen Regel. Die Ausführungen zum Abbau des Fehlbetrags auf dem Ausgleichskonto enthalten keine Vorgaben bezüglich der jährlichen Amortisationsbeträge. Die Abbauvorgabe bezieht sich auf den gesamten Fehlbetrag, welcher über mehrere Jahre, respektive drei Jahre (falls der Fehlbetrag grösser als sechs Prozent der Ausgaben ist), abgetragen werden muss. Das Parlament wäre in diesem Rahmen frei, die Höhe der jährlichen Einsparungen zu bestimmen.

Wegen der mangelnden Privilegierung der ausserordentlichen Ausgaben ist die Verfassungskonformität nicht gegeben. Diese Variante musste deshalb verworfen werden.

1.5.2

Einzel-Amortisation

Eine weitere Möglichkeit besteht in einer Amortisationsregel, bei welcher die «Amortisationsbeträge» in direktem Zusammenhang zu individuellen ausserordentlichen Ausgaben stehen. Bei dieser Alternative wird jede Belastung des Amortisationskontos über einen separaten Zeitraum gegenfinanziert. Es wäre deshalb ein Einzelnachweis im Sinne einer Art «Anlagebuchhaltung» für die getätigten ausserordentlichen Ausgaben zu führen. Jede neu anfallende Belastung müsste z.B. über sechs Jahre separat kompensiert werden. Die Verbuchungsmethode von ausserordentlichen Einnahmen wäre genau zu regeln. Grundsätzlich sind ausserordentliche 8510

Einnahmen betragsmindernd anzurechnen. Beispielsweise könnte der Restbetrag der ältesten Belastung reduziert werden oder aber die Einnahme proportional auf alle verbleibenden Amortisationsbeträge verteilt werden. Ein Zahlenbeispiel ist in Anhang 2, Ziffer A.2.2 ersichtlich.

Durch den separaten Ausweis der Amortisation für jede einzelne ausserordentliche Ausgabe und ihrer Verrechnung mit ausserordentlichen Einnahmen würde die Regelung komplex und schwer kommunizierbar. Die Grundsätze der Nachrangigkeit und der Flexibilität innerhalb der vorgegebenen Frist würden für jede separate Belastung die Frage der jeweils angemessenen Umsetzung aufwerfen. Ferner sind die Kriterien der Konjunkturverträglichkeit und Flexibilität weniger gut erfüllt als bei der vorgeschlagenen Ergänzungsregel. Eine Berücksichtigung der Konjunktur beziehungsweise eine flexible Festlegung neu anfallender Einsparungen wäre wegen der tendenziell stärker schwankenden Amortisationsbeträge weniger gut möglich.

In mancher Hinsicht gleicht die Variante Einzel-Amortisation der vorgeschlagenen Ergänzungsregel. Sie weist aber eine geringere Flexibilität bei der Festlegung der Amortisationsbeträge auf, erfordert einen komplexeren Mechanismus und ist entsprechend intransparenter. Deshalb wurde die Variante verworfen.

1.5.3

Degressive Amortisation

Eine andere denkbare Alternative ist die jährliche Amortisation eines konstanten Anteils des Amortisationskontos. Diese Variante kann deshalb als «degressive Amortisation des ausserordentlichen Haushalts» bezeichnet werden. Im Unterschied zur Ergänzungsregel ergibt sich die Höhe der notwendigen Kompensationsmassnahmen direkt aus dem Stand des Amortisationskontos. So würden beispielsweise jährlich 20 Prozent dieses Saldos amortisiert. Der Anhang 2 enthält unter Ziffer A.2.3 ein entsprechendes Zahlenbeispiel.

Die Variante «degressive Amortisation» legt die erforderlichen jährlichen Einsparungen zum Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts im Voraus und ohne Handlungsspielraum fest. Die starken Schwankungen der Sparvorgaben hängen direkt von der Höhe der zu amortisierenden ausserordentlichen Ausgaben ab und können kurzfristig zu unrealistisch hohen Entlastungsvorgaben führen. Für die Planung der Einsparungen wäre deshalb keine ausreichende Flexibilität gegeben. Somit wäre auch für die Berücksichtigung der Konjunktur kein Spielraum vorhanden. Die Konformität mit der Verfassung wäre deshalb nicht gegeben.

Die degressive Amortisation führt zu Amortisationsbeträgen, die je länger desto kleiner werden, theoretisch aber nie null erreichen. Um einen Fehlbetrag auf dem Amortisationskonto vollständig abzutragen, müsste in einem bestimmten Jahr der gesamte verbleibende Rest dieses Fehlbetrags gänzlich amortisiert werden ­ also 100 Prozent anstatt des (minimal) geforderten Anteils (z.B. 20%).

Das anfängliche grosse Gewicht und der anschliessende allmähliche Rückgang der Amortisationsbeträge stünden den Anforderungen der Finanzpolitik diametral entgegen: Aufgrund des hohen Bindungsgrades der Bundesausgaben müssten die zu leistenden Amortisationsbeträge eher ansteigend ausgestaltet werden.

Die Gefährdung einer berechenbaren Finanzpolitik durch die potenziell stark schwankenden Amortisationsbeträge und die mangelnde Flexibilität führte zur Verwerfung dieser Variante.

8511

1.5.4

Amortisation bezogen auf den Ausgabenplafond

Um stark schwankende Amortisationsbeträge zu vermeiden, liegt eine Regel nahe, bei welcher die Berechnung der jährlichen Amortisationsbeträge nicht direkt vom Stand des ausserordentlichen Haushalts abhängt. Daraus folgte die Variante, zur Finanzierung des ausserordentlichen Haushalts pro Jahr einen fixen Prozentsatz des Ausgabenplafonds einzusparen. Die Amortisation würde so lange durchgeführt, bis das Amortisationskonto keinen Fehlbetrag mehr aufwiese. Ein Beispiel findet sich im Anhang 2 unter Ziffer A.2.4.

Es besteht in diesem Fall kein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe der jährlichen Amortisationsbeträge und dem Umfang des ausserordentlichen Fehlbetrags. Die Amortisationsbeträge werden durch den gleich bleibenden Prozentsatz fest vorgegeben. Die jährlichen Amortisationsbeträge verliefen bei dieser Ergänzungsregel vergleichsweise stetig. Im Vergleich zu den vorgängig diskutierten Varianten wäre dies aus konjunkturpolitischer Sicht eher positiv zu werten. Andererseits ist in der Anlaufphase keine graduelle Erhöhung der Amortisationsbeträge möglich.

Falls das Amortisationskonto einen Fehlbetrag aufweist und entsprechende Amortisationsbeträge bereits eingestellt sind, haben neu anfallende ausserordentliche Ausgaben keinerlei finanzpolitische Konsequenzen: Die erforderlichen jährlichen Kompensationen würden sich lediglich weiter in die Zukunft erstrecken.

Der zu geringe Zusammenhang zwischen Fehlbeträgen im ausserordentlichen Haushalt und der Höhe der daraus entstehenden Amortisationsverpflichtungen ist der Hauptgrund für die Elimination dieser Alternative.

1.6

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Ergänzungsregel

1.6.1

Steuerungsgrösse

Der vorgeschlagenen Ergänzungsregel liegt als Steuerungsgrösse der Stand des ausserordentlichen Haushalts zugrunde. Zusammen mit der Schuldenbremse strebt die Ergänzungsregel somit eine Stabilisierung der nominellen Bruttoschulden des Bundes an. Ausserhalb der Staatsrechnung wird eine Statistik des ausserordentlichen Haushalts geführt, das sogenannte Amortisationskonto. Ausserordentliche Ausgaben werden diesem Konto belastet und ausserordentliche Einnahmen gutgeschrieben.

Nicht auf das Amortisationskonto gebucht werden ausserordentliche Einnahmen mit gesetzlicher Zweckbindung und die damit verbundenen ausserordentlichen Ausgaben. Ein Fehlbetrag des Amortisationskontos ist innerhalb der folgenden sechs Rechnungsjahre auszugleichen.

8512

Tabelle 2 Steuerungsgrösse (Beispiel) Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss Mio. Fr.

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Stand 31.12. Vorjahr [1] -1600 -1600 -1500 -1300 -1100 -300 a.o. Einnahmen [2] 500 a.o. Ausgaben [3] 1600 Saldo a.o. Haushalt -1600 0 0 0 0 500 0 [4]=[2]-[3] Gutschrift Amortisa100 200 200 300 300 tionsbetrag* [5] Restl. Frist [6] 6 5 4 3 2 -1600 -1600 -1500 -1300 -1100 -300 0 Neuer Stand 31.12.

[7]=[1]+[4]+[5]

0

0

0

0



0 500 1600

0

0

0

0

0 -1100

0 1 0

1100 0

0

0

0

* Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden.

Tabelle 2 enthält ein Beispiel für das Amortisationskonto. Die unterstellten ausserordentlichen Ausgaben und Einnahmen sind fiktive Zahlenbeispiele. Sie dienen lediglich der Verdeutlichung der Funktionsweise der Ergänzungsregel. Annahmegemäss wird die Ergänzungsregel auf den 1. Januar 2010 eingeführt. Im Jahr 2010 fallen ausserordentliche Ausgaben in der Höhe von 1,6 Milliarden an, welche im Frühjahr 2011 mit der Staatsrechnung 2010 dem Amortisationskonto belastet werden. Folglich weist das Amortisationskonto im Rechnungsjahr 2010 einen Fehlbetrag von 1,6 Milliarden auf. Dieser muss innerhalb der auf das Jahr 2011 folgenden sechs Rechnungsjahre durch Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben ausgeglichen werden. Die Einsparungen im ordentlichen Haushalt, nachfolgend auch Amortisationsbeträge genannt, müssen folglich spätestens im Jahr 2012 beginnen und im Jahr 2017 den Fehlbetrag vollständig kompensiert haben. In der Beispielsrechnung wurde angenommen, dass Bundesrat und Parlament eine schrittweise Erhöhung der Amortisationsbeträge beschliessen, von 100 Millionen im Jahr 2012 bis auf 300 Millionen im Jahr 2015. Im Jahr 2015 fallen unerwartet ausserordentliche Einnahmen in Höhe von 500 Millionen an. Diese verringern den Fehlbetrag des Amortisationskontos. Mit der Staatsrechnung 2015 werden dem Amortisationskonto folglich zusätzlich zu den 300 Millionen getätigten Einsparungen noch 500 Millionen ausserordentliche Einnahmen gutgeschrieben. Der Fehlbetrag des Amortisationskontos reduziert sich infolgedessen von 1,1 Milliarden auf 300 Millionen. Im Frühjahr 2016, wenn das Amortisationskonto für das vergangene Jahr 2015 berechnet wird, ist der Voranschlag 2016 bereits von den Räten verabschiedet. Entsprechend würden nochmals 300 Millionen wie im Vorjahr zum Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts eingespart und dem Amortisationskonto gutgeschrieben. Im Voranschlag 2017 kann auf weitere Einsparungen verzichtet werden, da das Amortisationskonto keinen Fehlbetrag mehr aufweist. Die Frist von sechs Jahren musste dank der ausserordentlichen Einnahmen nicht ausgeschöpft werden.

Zur besseren Nachvollziehbarkeit sei der Abbau von Fehlbeträgen auf dem Amortisationskonto nochmals grafisch erklärt:

8513

Betrag in Franken

Schema 2: Abbau Fehlbeträge des Amortisationskontos Amortisationsbeträge ( Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben) Ausgabenplafond gemäss Schuldenbremse

Zeit Stand Amortisationskonto

t-1

t

t+1 t+2 t+3 t+4 t+5 t+6

Im Jahr t-1 fällt eine nachträgliche, nicht budgetierte ausserordentliche Ausgabe an.

Die entsprechende Belastung des Amortisationskontos erfolgt bei der Rechnungslegung zu Beginn des darauf folgenden Jahres (t). Unter der Annahme, dass der ausserordentliche Haushalt zuvor ausgeglichen war, wird bei der Erstellung der Staatsrechnung des Jahres t-1 festgehalten, dass das Amortisationskonto infolge einer ausserordentlichen Ausgabe einen Fehlbetrag aufweist. Der Stand des Amortisationskontos des Jahres t-1 ist somit negativ. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Staatsrechnung des Jahres t-1 ist der Voranschlag für das laufende Jahr (t) vom Parlament bereits verabschiedet. Die Pflicht zum Ausgleich des Fehlbetrags des ausserordentlichen Haushalts beginnt deshalb ab dem Voranschlag des Jahres t+1.

Dabei ist festzuhalten, dass im Fall von budgetierten Belastungen die Amortisationen ohne Weiteres auch früher erfolgen können. In der dargestellten Situation befindet sich die Wirtschaft in der Hochkonjunktur, weshalb im ordentlichen Haushalt konjunkturelle Überschüsse erwirtschaftet werden müssen. Unter der Annahme, dass das Ausgleichskonto einen positiven Wert aufweist, ist auch das Kriterium der Nachrangigkeit erfüllt. Die Pflicht zum Ausgleich des Fehlbetrags auf dem Amortisationskonto besteht somit und ist nicht aufgeschoben. Im Voranschlag des Jahres t+1 werden deshalb die höchstzulässigen Ausgaben gemäss Schuldenbremse um den geplanten Amortisationsbetrag gekürzt. Vorausgesetzt, dass die Kürzungen auch umgesetzt werden können, werden diese mit der Rechnung des Jahres t+1 dem Amortisationskonto gutgeschrieben. Bleibt das Ausgleichskonto im positiven Bereich oder ist es zumindest ausgeglichen, so muss der Ausgabenplafond gemäss 8514

Schuldenbremse in den folgenden Jahren um weitere Amortisationsbeträge gekürzt werden. Dabei sind die Amortisationsbeträge so zu berechnen, dass der Fehlbetrag des Amortisationskontos nach sechs Jahren, d.h. im Jahr t+6, abgetragen ist.

Zweckgebundene ausserordentliche Einnahmen Mit zweckgebundenen ausserordentlichen Einnahmen werden bestimmte ausserordentliche Ausgaben finanziert. Solche Einnahmen fielen seit Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2003 zweimal an. Zum einen im Jahr 2005 mit dem Bundesanteil am Erlös aus den Goldverkäufen der Nationalbank. Dieser wurde 2007 als ausserordentliche Ausgabe an den AHV-Ausgleichsfonds überwiesen. Ferner werden in den Jahren 2008 bis 2011 zweckgebundene ausserordentliche Einnahmen aus der CO2-Abgabe auf Brennstoffen erwartet. Die CO2-Abgabe auf Brennstoffen wird mit einer Verzögerung von zwei Jahren an die Bevölkerung und Unternehmen zurückverteilt. Im Fall einer Abschaffung der Abgabe würden somit noch zwei Jahre lang ausserordentliche Ausgaben anfallen. Es ist jedoch auch vorstellbar, dass zwischen den zweckgebundenen ausserordentlichen Einnahmen und den damit verbundenen Ausgaben ein noch grösserer Zeitraum liegt. Würden die zweckgebundenen ausserordentlichen Einnahmen auf dem Amortisationskonto gutgeschrieben, so könnten sie zur Finanzierung anderer «artfremder» ausserordentlicher Ausgaben verwendet werden. Um dies zu vermeiden, werden ausserordentliche Einnahmen mit gesetzlicher Zweckbindung und ausserordentliche Ausgaben, die durch solche Einnahmen gedeckt sind, nicht auf dem Amortisationskonto verbucht.

Ausserordentliche Einnahmen ­ ohne Vermögenszuwachs Ausserordentliche Einnahmen sind dem Amortisationskonto auch dann gutzuschreiben, wenn damit nur teilweise ein Vermögenszuwachs verbunden ist, wie z.B. bei einem Verkauf von Swisscom-Aktien aus dem Verwaltungsvermögen. Ein Teil der Verkaufserlöse stellt einen reinen Tausch von Vermögenswerten dar: Aktienbestände werden zu Bargeldeinlagen. Der weitaus grössere Teil des Erlöses verbessert jedoch die Vermögenslage des Bundes, da die Aktien im Verwaltungsvermögen des Bundes nach der Equity-Methode bewertet sind. Im Falle der Swisscom-Beteiligung liegt der Bundesanteil am Eigenkapital der Swisscom deutlich unter den Börsenwerten.

Eine Alternative zu der vorgeschlagenen vollumfänglichen Gutschrift
läge in einer differenzierten Gutschrift der ausserordentlichen Einnahmen auf dem Amortisationskonto: Ausserordentliche Einnahmen führen in dem Umfang zu einer Gutschrift auf dem Amortisationskonto, in dem sie die Netto-Vermögensposition des Bundes erhöhen. Im Fall der Swisscom-Aktienverkäufe würde der Bewertungsgewinn (Unterschied zwischen Verkaufswert und Equity-Wert) dem Amortisationskonto gutgeschrieben. Diese Lösung wurde jedoch verworfen. Sie hätte einen Wechsel der Zielgrösse beinhaltet, da nicht mehr die Stabilisierung der Bruttoverschuldung sondern jene der Nettoverschuldung anvisiert würde. Bereits bei der Ausarbeitung der Schuldenbremse wurden intensiv die Vor- und Nachteile der Bruttoverschuldung als Zielgrösse diskutiert. Aus ökonomischer Sicht wäre an sich die Nettoverschuldung vorzuziehen; gewichtige praktische Gründe sprachen indes dagegen. Zur Ermittlung der Nettoschulden wird von den Bruttoschulden das Finanzvermögen abgezogen. Der Einbezug der Vermögensseite in die Schuldenbetrachtung wirft zum Teil beträchtliche und teils nur willkürlich lösbare Bewertungsprobleme und Abgrenzungsfragen auf, welche nicht im Sinne einer nachvollziehbaren Regel sind.

8515

Insgesamt würde die Komplexität einer Amortisationsregel zu- und deren Transparenz abnehmen.

Erhebliche ausserordentliche Einnahmen «Erhebliche» ausserordentliche Einnahmen ­ wie sie sich z.B. aus dem Erlös aus Privatisierungen von bundeseigenen Unternehmungen oder ausserordentlichen Einnahmen aus Regalien und Konzessionen ergeben könnten ­ sollten dagegen nicht zu einer Gutschrift auf dem Amortisationskonto führen. Bei hohen Guthaben auf dem Amortisationskonto bestünde der Fehlanreiz, ausserordentliche Ausgaben zu Lasten dieses «Polsters» zu tätigen, ohne dass eine Kompensation in der Zukunft nötig wäre. Dies wäre nicht im Sinne der Schuldenbremse, welche das Instrument der ausserordentlichen Ausgaben nur für Ausnahmefälle vorsieht.

Der Bundesrat wird für die Beurteilung der Erheblichkeit von ausserordentlichen Einnahmen bezogen auf den Einzelfall eine Reihe von Faktoren berücksichtigen.

Dazu zählen die Fragen, ob der ausserordentlichen Einnahme ein Abgang von Vermögenswerten gegenübersteht, wie sich die aktuelle Lage des Bundeshaushaltes und dessen voraussichtliche Entwicklung präsentiert und wie hoch der Stand des Amortisationskontos ist. Ferner wird für die Beurteilung auch die Höhe der ausserordentlichen Einnahmen von Bedeutung sein. Beispielsweise würden ausserordentliche Einnahmen im Umfang von zehn Prozent der höchstzulässigen Ausgaben, also rund fünf Milliarden, sicherlich als «erheblich» beurteilt.

Es ist kaum sinnvoll und möglich im Voraus diese Kriterien und Schwellenwerte für alle zukünftigen Fälle «erheblicher» ausserordentlicher Einnahmen im Finanzhaushaltgesetz gesetzlich festzuschreiben. Deshalb beabsichtigt der Bundesrat, dem Parlament bei der Beratung der jeweiligen Vorlage (z.B. Privatisierungsvorlage) zu beantragen, eine als stossend empfundene Anrechnung von ausserordentlichen Einnahmen ganz oder teilweise zu unterbinden. Letztlich liegt der Entscheid über die Verwendung von «erheblichen» ausserordentlichen Einnahmen im Ermessen von Bundesrat und Parlament.

1.6.2

Verfassungskonformität

Die beantragte Ergänzungsregel steht in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Sie erfüllt insbesondere die Forderung nach einer privilegierten Behandlung der ausserordentlichen Ausgaben. Dies in zweifacher Hinsicht: Zum einen besteht die Möglichkeit und auch die Pflicht zur Sanierung des ausserordentlichen Haushalts nur, wenn sich der ordentliche Haushalt im Gleichgewicht befindet (Nachrangigkeit I). Zum anderen können dem Amortisationskonto nur dann Entlastungsmassnahmen gutgeschrieben werden, wenn dadurch das Ausgleichskonto nicht belastet wird (Nachrangigkeit II).

Nachrangigkeit I Die Ergänzungsregel sieht vor, dass die Pflicht zum Ausgleich des Amortisationskontos aufgeschoben ist, solange das Ausgleichskonto einen Fehlbetrag aufweist.

Dies gilt auch für vorsorgliche Einsparungen zum Ausgleich voraussehbarer Fehlbeträge des Amortisationskontos. Dem ordentlichen Haushalt wird im Vergleich zum

8516

ausserordentlichen Vorrangigkeit eingeräumt: Aufgelaufene strukturelle Defizite10 des ordentlichen Haushalts müssen zuerst beseitigt werden, bevor die Verschuldung aufgrund ausserordentlicher Ausgaben abzubauen ist. Die Nachrangigkeit I bezieht sich auf den Voranschlag. Sie regelt, dass im Voranschlag Kürzungen des Ausgabenplafonds für die Abtragung des Fehlbetrages auf dem Amortisationskonto nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn das Ausgleichskonto bereinigt ist.

Nachrangigkeit II Die Nachrangigkeit II bezieht sich hingegen auf die Rechnungslegung. Sie gewährleistet, dass die Amortisationsbeträge dem Amortisationskonto nicht zulasten des Ausgleichskontos gutgeschrieben werden. Stellt sich z.B. im Rahmen der Rechnungslegung heraus, dass der ordentliche Bundeshaushalt ein strukturelles Defizit aufweist oder der strukturelle Überschuss geringer ist als der geplante Amortisationsbetrag für den ausserordentlichen Haushalt, so darf eine Gutschrift auf dem Amortisationskonto nur in der Höhe erfolgen, soweit das Ausgleichskonto nicht belastet wird. Ohne die Bedingung der Nachrangigkeit II wäre die verfassungsmässige Privilegierung der ausserordentlichen Ausgaben verletzt, da Fehlbeträge des Amortisationskontos eine Belastung des Ausgleichskontos nach sich ziehen würden.

Die Nachrangigkeit des Amortisationskontos ist exemplarisch in Tabelle 3 dargestellt. Annahmegemäss fallen im Jahr 2010 ausserordentliche Ausgaben in Höhe von 1,6 Milliarden an. Anfänglich weist das Ausgleichskonto noch ein Guthaben auf.

Entsprechend müssen ab dem Jahr 2012 Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben zur Kompensation der ausserordentlichen Ausgaben im Voranschlag eingestellt werden. In den Jahren 2012 und 2013 belaufen sich die geplanten Amortisationsbeträge auf 100 beziehungsweise 200 Millionen. Mit der Rechnung 2012 und 2013 können diese geplanten Entlastungsmassnahmen dem Amortisationskonto gutgeschrieben werden, da im ordentlichen Haushalt strukturelle Überschüsse in entsprechendem Umfang erwirtschaftet wurden.

10

Das strukturelle Defizit respektive der strukturelle Überschuss entspricht der Differenz zwischen den höchstzulässigen Ausgaben gemäss Schuldenbremse und den effektiven Gesamtausgaben.

8517

Tabelle 3 Nachrangigkeit (Beispiel) Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss Mio. Fr.

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021



Stand 31.12. Vorjahr [1] -1600 -1600 -1500 -1300 -1300 -1300 -1300 -1300 -1100 -800 -500 a.o. Einnahmen [2] 0 a.o. Ausgaben [3] 1600 1600 Saldo a.o. Haushalt -1600 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 -1600 [4]=[2]-[3] Gutschrift Amortisa100 200 0 0 0 0 200 300 300 500 1600 tionsbetrag* [5] Restl. Frist [6] 6 5 4 3 2 1 -1600 -1600 -1500 -1300 -1300 -1300 -1300 -1300 -1100 -800 -500 0 Neuer Stand 31.12.

[7]=[1]+[4]+[5] Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag [8] Stand Ausgleichskonto [9]

0

0

100

200

300

400

0

0

<0

<0

0

>0

0

>0

200

300

300

0

0

0

500

0

In der Staatsrechnung 2012, welche im Frühjahr 2013 erstellt wird, weist das Ausgleichskonto noch einen positiven Wert auf. Entsprechend wird im Voranschlag 2014, welcher im Verlauf des Jahres 2013 ausgearbeitet und verabschiedet wird, eine Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben zur Amortisation des ausserordentlichen Haushalts in Höhe von 300 Millionen geplant. Im Frühjahr 2015 zeigt sich mit der Staatsrechnung 2014, dass der ordentliche Bundeshaushalt ein strukturelles Defizit aufweist. Diese Zielverfehlung wird dem Ausgleichskonto belastet. Annahmegemäss führt dies zu einem Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto. Dieser muss in den nächsten Jahren gemäss den Bestimmungen der Schuldenbremse ausgeglichen werden. Die im Voranschlag 2014 geplanten, aber nicht realisierten Entlastungsmassnahmen werden dem Amortisationskonto nicht gutgeschrieben, weil das Ausgleichskonto dadurch um weitere 300 Millionen belastet würde (Nachrangigkeit II).

Der Voranschlag 2015, der auf Basis des Ausgleichskontos per Ende 2013 erstellt wurde, enthält ebenfalls noch einen geplanten Amortisationsbetrag von 400 Millionen. Im Voranschlag 2016 werden keine Amortisationen mehr geplant. Die Pflicht zum Ausgleich des Amortisationskontos ist aufgeschoben, bis der Fehlbetrag des Ausgleichskontos abgetragen ist (Nachrangigkeit I). Im Frühjahr 2016 wird festgestellt, dass die Staatsrechnung 2015 wiederum mit einem Defizit abschliesst. Folglich dürfen die geplanten Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben dem Amortisationskonto nicht gutgeschrieben werden. Für den Voranschlag 2017 ist die Pflicht zum Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts weiterhin aufgeschoben, da der Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto andauert. Zu Beginn des Jahres 2017 stellt sich heraus, dass die Staatsrechnung 2016 aufgrund einer günstigen Entwicklung mit einem strukturellen Überschuss abschliesst. Dieser Überschuss wird gemäss Schuldenbremse dem Ausgleichskonto gutgeschrieben. In der Beispielsrechnung wurde unterstellt, dass der Überschuss genügt, um den Fehlbetrag des Ausgleichskontos vollständig zu kompensieren. In diesem Fall setzt für den Voranschlag 2018 wieder 8518

die Pflicht zum Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts ein. Da zudem keine neuen Belastungen auf das Amortisationskonto gebucht wurden, läuft die unterbrochene Frist von sechs Jahren weiter. Der Fehlbetrag des ausserordentlichen Haushalts in Höhe von 1,3 Milliarden muss innert der restlichen vier Jahre abgetragen werden.

1.6.3

Konjunkturverträglichkeit

Die Nachrangigkeit der Ergänzungsregel gewährleistet nicht nur deren Verfassungskonformität, sondern trägt auch wesentlich zur Konjunkturverträglichkeit bei. So ist erfahrungsgemäss davon auszugehen, dass in konjunkturell guten Zeiten infolge von Einnahmenunterschätzungen tendenziell mit einem positiven Stand des Ausgleichskontos gerechnet werden kann. Dagegen werden in Abschwungsphasen die Einnahmen meist überschätzt, womit Fehlbeträge auf dem Ausgleichskonto wahrscheinlicher sind.

Die Konjunkturverträglichkeit der Ergänzungsregel ergibt sich ferner aus der gewählten Dauer der Amortisationsfrist. Dies sei anhand von Schema 3 erläutert. Zu Beginn des laufenden Jahres (t) wird bei der Erstellung der Staatsrechnung des vergangenen Jahres (t-1) festgehalten, dass das Amortisationskonto im abgelaufenen Jahr einen Fehlbetrag aufweist. Das Budget für das laufende Jahr ist jedoch bereits vom Parlament verabschiedet. Von Gesetzes wegen beginnt die sechsjährige Amortisationsfrist also erst im nächsten Jahr (t+1). In den nächsten sechs Jahren (t+1 bis t+6) müssen im Voranschlag die höchstzulässigen Ausgaben zum Ausgleich des Amortisationskontos gekürzt werden. Zwischen dem Eintreten des ausserordentlichen Zahlungsbedarfs und der erstmaligen Budgetierung von Amortisationsbeträgen liegt somit eine «Vorlaufzeit» von maximal zwei Jahren11. Zusammen mit der Amortisationsfrist von sechs Jahren ergibt sich zwischen der Ermittlung des Fehlbetrags auf dem Amortisationskonto und dem vollständigen Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts eine Dauer von maximal 8 Jahren. Dieser Zeitraum liegt innerhalb der gängigen Schätzungen für den Konjunkturzyklus der Schweiz (7 bis 10 Jahre). Für den Fall, dass sich die Wirtschaft in einer Abschwungphase befindet und das Ausgleichskonto noch einen positiven Wert aufweist, wird durch die Wahl einer genügend langen Frist gewährleistet, dass die Ergänzungsregel auch in diesem Fall vom Parlament konjunkturverträglich angewendet werden kann. Andererseits entsprechen die damit abgedeckten zwei Legislaturperioden noch einem Zeitraum, welcher sowohl absehbar wie beschränkt ist und somit einen genügenden Druck zur Ergreifung von Sanierungsmassnahmen aufbaut.

11

Insbesondere bei ausserordentlichen Ausgaben, die sich im Voraus abzeichnen (wie es beispielsweise bei jenen im Jahr 2008 der Fall war), könnte eine solche Vorlaufzeit ­ durch vorsorgliche Einsparungen ­ ebenfalls zum Amortisieren genutzt werden.

8519

Schema 3: Amortisationsfrist Stand Amortisationskonto Guthaben

Jahr

Fehlbetrag

Gutschriften (Senkung höchstzulässige Ausg.)

?

?

Jahr

1

vergangenes Rechungsjahr

laufendes Jahr

t-1

t

2

3

4

5

6

t+5

t+6

«folgende sechs Rechnungsjahre»

t+1

t+2

t+3

t+4

Bei einer erneuten Belastung des Amortisationskontos beginnt die Frist neu zu laufen. Allerdings mit einer Einschränkung: Der Fehlbetrag des Amortisationskontos muss sich um mehr als 0,5 Prozent des Ausgabenplafonds gemäss Schuldenbremse (zurzeit rund 300 Mio.) erhöhen.12 Diese Anforderung stellt sicher, dass die Amortisationsfrist nicht durch geringfügige neue Belastungen des Amortisationskontos zeitlich erstreckt wird. Bei der Verbuchung von Gutschriften auf dem Amortisationskonto ­ z.B. infolge von ausserordentlichen Einnahmen ­ ändert sich die Frist nicht. Die Gutschriften reduzieren den Sanierungsbedarf des ausserordentlichen Haushalts und erleichtern somit die Amortisation.

Ein Beispiel für die Neuberechnung der Frist gemäss der beantragten Ergänzungsregel wird in Tabelle 4 gegeben. Im Jahr 2010 werden dem Amortisationskonto ausserordentliche Ausgaben in der Höhe von 1,6 Milliarden belastet. Diese müssen in den Voranschlägen 2012 bis 2017 durch Kürzungen der höchstzulässigen Ausgaben kompensiert werden. Im Jahr 2013 fallen jedoch erneut ausserordentliche Ausgaben an und im Frühjahr 2014 wird mit der Staatsrechnung 2013 festgestellt, dass der Fehlbetrag des Amortisationskontos um mehr als 300 Millionen angewachsen ist. Folglich beginnt die Amortisationsfrist neu zu laufen. Der Fehlbetrag des Amortisationskontos ist in den folgenden sechs Rechnungsjahren zu beseitigen, d.h. bis 12

Diese Bedingung steht in Analogie zu Artikel 15 Absatz 2 FHG, welcher fordert, dass ausserordentliche Ausgaben eine betragsmässige Mindesthöhe von ebenfalls 0,5 Prozent der Gesamtausgaben aufweisen müssen. Hier bezieht sich die Bedingung auf eine erneute Belastung des Amortisationskontos, also die Nettogrösse von ausserordentlichen Ausgaben minus ausserordentlichen Einnahmen. Damit soll vermieden werden, dass bei einer Erhöhung des Fehlbetrags um z.B. 50 Millionen (resultierend beispielsweise aus ausserordentlichen Ausgaben von 800 Mio. und ausserordentlichen Einnahmen von 750 Mio.)

die Amortisationsfrist von Neuem beginnt.

8520

Ende des Jahres 2020. Die ausserordentliche Einnahme im Jahr 2015 verringert den Saldo des Amortisationskontos und somit ab 2017 die jährlichen Amortisationsbeträge, beeinflusst die Frist hingegen nicht.

Tabelle 4 Neuberechnung der Frist (Beispiel) Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss Mio. Fr.

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Stand 31.12. Vorjahr [1] -1600 -1600 -1500 -3000 -2700 -1800 -1400 -1050 -700 -350 a.o. Einnahmen [2] 500 a.o. Ausgaben [3] 1600 1700 Saldo a.o. Haushalt -1600 0 0 -1700 0 500 0 0 0 0 0 [4]=[2]-[3] Gutschrift Amortisa100 200 300 400 400 350 350 350 350 tionsbetrag* [5] Restl. Frist [6] 6 5 4 6 5 4 3 2 1 -1600 -1600 -1500 -3000 -2700 -1800 -1400 -1050 -700 -350 0 Neuer Stand 31.12.

[7]=[1]+[4]+[5]



0 500 3300 0 -2800 2800 0

* Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden.

1.6.4

Flexibilität

Die vorgeschlagene Ergänzungsregel sieht vor, dass die Bundesversammlung jährlich bei der Verabschiedung des Voranschlags über das Ausmass der Plafondkürzungen zum Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts entscheidet. Unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ­ insbesondere der zeitlichen Befristung ­ obliegt es somit dem Bundesrat und dem Parlament, die Höhe der jährlichen Einsparungen und deren Verteilung auf die einzelnen Jahre festzulegen.

Bei der Bestimmung der Amortisationsbeträge sind Bundesrat und Parlament gemäss Artikel 100 der Bundesverfassung verpflichtet, die Konjunktur zu berücksichtigen. Die Flexibilität unterstützt somit die konjunkturverträgliche Umsetzung der Ergänzungsregel. Darüber hinaus ermöglicht sie, Rücksicht auf die vertraglich und gesetzlich gebundenen Ausgaben zu nehmen. In den ersten ein oder zwei Jahren kann die Bundesversammlung geringere Kürzungen beschliessen, welche dann sukzessive aufgestockt werden. Über die festgelegte Amortisationsfrist wird jedoch gewährleistet, dass eine verbindliche Planung für die Bereinigung der gesamten Höhe des Fehlbetrags des Amortisationskontos erfolgt.

1.7

Einführung und Übergangsbestimmung

Über den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der Ergänzungsregel beschliesst der Bundesrat. Nach dem derzeit gültigen Zeitplan ist das Inkrafttreten auf den 1. Januar 2010 geplant. Ab dem Zeitpunkt der Inkraftsetzung wird ein Amortisationskonto geführt.

Während des Jahresverlaufs 2010 würden diesem Konto die ausserordentlichen

8521

Einnahmen gutgeschrieben und die ausserordentlichen Ausgaben belastet. Im Frühjahr 2011 wird das Amortisationskonto mit der Staatsrechnung 2010 zum ersten Mal ausgewiesen.

Auch ohne gesetzliche Regelung hat der Bundesrat in seiner Sanierungsstrategie und Finanzplanung beschlossen, die Defizite des ausserordentlichen Haushalts über mehrere Jahre durch strukturelle Überschüsse im ordentlichen Haushalt zu finanzieren.13 Unter den geltenden Bestimmungen zur Schuldenbremse werden diese strukturellen Überschüsse dem Ausgleichskonto gutgeschrieben. Hingegen werden die ausserordentlichen Ausgaben dem Ausgleichskonto nicht belastet.

Im Zeitpunkt der Einführung der Ergänzungsregel sollten deshalb die bis anhin zur Finanzierung des ausserordentlichen Haushalts erwirtschafteten strukturellen Überschüsse auf dem Ausgleichskonto gestrichen werden. Würden sie auf dem Ausgleichskonto als Guthaben belassen, so könnten sie Belastungen des Ausgleichskontos ausgleichen und somit einen bleibenden Anstieg der Bruttoschulden bewirken.

Konkret stellt sich die Frage, in welchem Ausmass das Guthaben des Ausgleichskontos zu streichen ist. Zur Beantwortung der Frage wird ermittelt, welche strukturellen Überschüsse die Ergänzungsregel in den Jahren 2003 bis 2009 verlangt hätte. In Entsprechung zur Ergänzungsregel wird als Steuerungsgrösse der ausserordentliche Haushalt ­ ohne Berücksichtigung der zweckgebundenen Einnahmen und der daraus resultierenden ausserordentlichen Ausgaben ­ zugrunde gelegt. Der massgebliche Zeitraum beginnt mit der Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2003 und endet mit der geplanten Einführung der Ergänzungsregel Ende 2009.

Tabelle 5 gibt die Entwicklung des ausserordentlichen Haushalts (ohne zweckgebundene ausserordentliche Einnahmen und Ausgaben) über den Zeitraum 2003 bis 2009 wieder. Gesamthaft fielen in diesem Zeitraum ausserordentliche Einnahmen in der Höhe von 5,3 Milliarden an. Diesen standen ausserordentliche Ausgaben im Umfang von 6,4 Milliarden gegenüber. Folglich ergibt sich in der betrachteten Zeitspanne ein kumulierter Fehlbetrag des ausserordentlichen Haushalts von rund 1,1 Milliarden.

Bei Inkraftsetzung der Ergänzungsregel am 1. Januar 2010 müsste gemäss dem heutigen Wissensstand das Guthaben des Ausgleichskontos um 1,1 Milliarden reduziert werden. Im Zeitraum 2003 bis 2009 wäre der Fehlbetrag des ausserordentlichen Haushalts durch strukturelle Überschüsse des ordentlichen Haushalts somit gedeckt.

13

Vgl. Bericht zum Finanzplan 2008­2010 vom 23. August 2006 und Bericht zum Legislaturfinanzplan 2009­2011 vom 23. Januar 2008.

8522

Tabelle 5 Ermittlung der notwendigen strukturellen Überschüsse zur Finanzierung des ausserordentlichen Haushalts im Zeitraum 2003­2009 Ausserordentlicher Haushalt 2003-2009 2003 Mio Fr.

a.o. Einnahmen** [1] a.o. Ausgaben*** [2] Saldo a.o. Haushalt [3]=[1]-[2] Kumulierter Saldo ausserordentlicher Haushalt [4]

2004

2005

2006

2007

1350

3203

754

0

1121 -1121

1350

3203

0

-1121

229

3432

2008*



2009*

754

5247 -5247

0

4186

-1061

-1061

5307 6368 -1061

* **

Budgetwert ohne zweckgebundene ausserordentliche Einnahmen: Bundesanteil am Erlös aus den Goldverkäufen der Nationalbank (2005, 7038 Mio.); CO2-Abgabe auf Brennstoffen, Einführungsphase (2008: 230 Mio., 2009: 230 Mio.)

*** ohne ausserordentliche Ausgaben finanziert durch zweckgebundene Einnahmen: Überweisung Bundesanteil am Erlös der SNB-Goldverkäufe (2007, 7038 Mio.)

Bei der obigen Berechnung bestehen noch einige Unsicherheiten. Für die Jahre 2008 und 2009 wurden geplante Werte für die ausserordentlichen Einnahmen und Ausgaben zugrunde gelegt. Der erwähnte Streichungsbetrag von 1,1 Milliarden ist deshalb als vorläufig anzusehen. Für die Sitzungen der vorberatenden Kommissionen wird der Streichungsbetrag aktualisiert.

1.8

Simulationsrechnungen

Dieser Abschnitt gibt Aufschluss darüber, wie die vorgeschlagene Ergänzungsregel in der Zeit seit der Einführung der Schuldenbremse umgesetzt worden wäre. In Tabelle 6 wird dies beispielhaft dargestellt. Dabei entsprechen die ausserordentlichen Tatbestände bis 2007 denjenigen aus den entsprechenden Rechnungen, für 2008 werden die Angaben aus dem Voranschlag verwendet. Bei den Belastungen in den Jahren 2010 und 2013 handelt es sich um mögliche ausserordentliche Mehrausgaben (PK SBB14 und Einlageentsteuerung MWSt15). Letztere Belastungen sind, sowohl was den Zeitpunkt als auch deren Höhe betrifft, mit grosser Unsicherheit verbunden. Künftige ausserordentliche Einnahmen können nicht ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Beispiel werden im Jahr 2015 ausserordentliche Einnahmen in der Höhe von 500 Millionen angenommen. Ausschlaggebend für Zeitpunkt und Höhe dieses Betrags sind vor allem darstellerische Gesichtspunkte.

14

15

Die Pensionskasse SBB befindet sich seit einigen Jahren in Unterdeckung. Während die Sanierung für die Aktivversicherten aus Mitteln der SBB erfolgt ist, ist die Sanierung des Alters- und IV-Rentneranteils noch offen. Die vom Bundesrat am 2. Juli 2008 verabschiedete Vernehmlassungsvorlage stellt hierzu vier Varianten zur Diskussion.

Im Rahmen der haushaltsneutral ausgestalteten Reform der Mehrwertsteuer würde die erstmalige Unterstellung von vormals steuerausgenommenen Branchen diese dazu berechtigen, einen nachträglichen Vorsteuerabzug geltend zu machen ­ die sog.

«Einlageentsteuerung». Diese könnte sich auf einen einmaligen Betrag von maximal 1,7 Milliarden belaufen.

8523

1121

0 -1121

5247

6

6

5

200

0

4

400 6

400

0 -1700

1700

5

400

0

6

450

500

500

5

450

0

4

330

0

3

330

0

2

330

0

229 3582 4336 -911 -911 -2411 -2211 -1811 -3111 -2711 -1761 -1311 -981 -651 -321

100

0 -1600

1600

150

754 -5247

754

0

1

321

0

229 3582 4336 -911 -911 -2411 -2211 -1811 -3111 -2711 -1761 -1311 -981 -651 -321

1350 3203

0 -1121

0 -1121 1350 3203

0

3861

-3861

9668

5807

Tabelle 6

Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden. Im Beispiel werden annahmegemäss keine vorsorglichen Amortisationen vorgenommen.

Planwerte für 2008, keine Berücksichtigung von zweckgebundenen Einnahmen und Ausgaben. Annahmen nach 2008: PK SBB, Einlageentsteuerung MWSt.

Einnahmen aus Verkauf von Swisscom Aktien.

8524

**

*

Neuer Stand 31.12.

[7]=[1]+[4]+[5]

Gutschrift Amortisationsbetrag* [5] Restl. Frist [6]

Saldo a.o. Haushalt [4]=[2]-[3]

a.o. Ausgaben** [3]

a.o. Einnahmen [2]

Stand 31.12. Vorjahr [1]

Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss Mio. Fr.

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 03-19

Entwicklung ausserordentlicher Haushalt seit 2003 (Simulation)

Im Jahr 2004 wurden erstmals ausserordentliche Ausgaben in der Höhe von 1,1 Milliarden verzeichnet. Diese führen zu einer entsprechenden Belastung und einem Fehlbetrag auf dem Amortisationskonto. Mit der Rechnung 2004 werden deshalb Amortisationen notwendig. Die sechsjährige Frist beginnt mit dem Voranschlag 2006 zu laufen. Im Voranschlag 2006 wird in der Folge ein Amortisationsbetrag von 150 Millionen eingestellt. Im Jahr 2005 führt der Verkauf von Swisscom-Aktien aber zu ausserordentlichen Einnahmen von 1,4 Milliarden. Die entsprechende Gutschrift auf dem Amortisationskonto eliminiert den Fehlbetrag; stattdessen ist ein Guthaben von 229 Millionen zu verzeichnen. Weitere Amortisationen erübrigen sich deshalb. Die Jahre 2006 und 2007 bringen, neben der geplanten Einsparung im Jahr 2006, weitere Gutschriften in Milliardenhöhe aus dem Verkauf von Swisscom-Aktien. Im Jahr 2008 werden wiederum ausserordentliche Ausgaben in der Höhe von 5,2 Milliarden getätigt; das Amortisationskonto wird entsprechend belastet. Nach dem anfänglichen Guthaben auf dem Amortisationskonto resultiert nunmehr ein Fehlbetrag von 0,9 Milliarden (2008). Ab dem Voranschlag 2010 führt dieser Fehlbetrag zu Amortisationen. Die sechsjährige Frist beginnt mit dem Jahr 2010. Die Amortisationsbeträge steigen im vorliegenden Beispiel von 100 Millionen im Voranschlag 2010 auf 200 Millionen im Voranschlag 2011. Die weiteren Belastungen in den Jahren 2010 und 2013 führen jeweils zu einer Erhöhung des Fehlbetrages. Die sechsjährige Amortisationsfrist beginnt bei jeder Belastung neu zu laufen und zwar mit einer Verzögerung von zwei Jahren ­ ab dem jeweils nächstfolgenden Voranschlag (2012 und 2015). Im Voranschlag 2012 werden 400 Millionen amortisiert, im Voranschlag 2015 sind es 450 Millionen. Bis 2020 ist der kumulierte Fehlbetrag des ausserordentlichen Haushalts vollständig abgetragen. Insgesamt werden ausserordentliche Ausgaben von 9,7 Milliarden zu 3,9 Milliarden durch Amortisationsbeträge und zu 5,8 Milliarden durch ausserordentliche Einnahmen kompensiert.

1.9

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

Wie die Schuldenbremse ist auch die Ergänzungsregel ein rechtlich verankerter Mechanismus zur Haushaltssteuerung und zur Begrenzung der Schuldenentwicklung. Institutionelle Regelbindungen für die Finanzpolitik ­ sogenannte Fiskalregeln ­ sind international16 und auch in den Kantonen17 weit verbreitet. Ein Vergleich ist jedoch nur beschränkt möglich, da die Fiskalregeln auf die spezifischen Eigenarten des jeweiligen politischen Systems, der bestehenden Rechtsnormen und der jeweiligen Haushaltsituation zugeschnitten sind. Allen Regeln gemeinsam ist jedoch, dass sie eine über die Zeit hinweg tragfähige, verlässliche und glaubwürdige Finanzpolitik anstreben, indem sie dem Handlungsspielraum der Entscheidungsträger Grenzen setzen.18

16 17 18

OECD (2002): Economic Outlook, Nr. 72, Chapter IV Fiscal Sustainability: The Contribution of Fiscal Rules, 132­134.

Schaltegger, Christoph A. und Frey, René L. (2004): Fiskalische Budgetbeschränkungen zur Stabilisierung öffentlicher Haushalte, Die Volkswirtschaft 2/04, 16­19.

Kopits, George (2001): Fiscal Rules: Useful Policy Framework or Unnecessary Ornament, IMF Working Paper 01/145, 3­4.

8525

Die Finanzpolitik der Schweiz ist durch nationales Recht geregelt und nicht durch internationales beziehungsweise europäisches Recht begrenzt. Eine Darstellung des «Stabilitäts- und Wachstumspaktes» der Europäischen Union wird dennoch als nützlich erachtet und folgt im nächsten Absatz. Ein direkter Vergleich mit der Ergänzungsregel ist jedoch nicht möglich, da sich der Stabilitäts- und Wachstumspakt auf sämtliche öffentliche Gemeinwesen bezieht und keinen ausserordentlichen Haushalt kennt. Ein aussagekräftiger Vergleich erlaubt dagegen die vom deutschen Sachverständigenrat vorgeschlagene «Schuldenschranke» für die öffentlichen Haushalte in Deutschland im darauf folgenden Absatz.

Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) Die rechtlichen Grundlagen für die Fiskalregel der Europäischen Union sind in Artikel 104 des EG-Vertrags in Verbindung mit dem zugehörigen Protokoll Nr. 5 enthalten (Maastricht-Vertrag von 1992). Darin werden die Mitgliedstaaten angehalten, übermässige öffentliche Defizite zu vermeiden. Die Kommission prüft die Einhaltung der Budgetdisziplin anhand von zwei Kriterien, welche als Obergrenzen definiert sind: Die Defizitquote (Haushaltsdefizit in % des BIP) darf 3 Prozent nicht überschreiten und die Schuldenquote (Staatsverschuldung in % des BIP) nicht mehr als 60 Prozent betragen. Ursprünglich handelte es sich dabei um die finanzpolitischen Konvergenzkriterien für die Teilnahme an der Europäischen Währungsunion.

Diese wurden als dauerhafte Kriterien ausgelegt und 1997 präzisiert.19 Gemäss dem SWP sind die Mitgliedstaaten zusätzlich dazu angehalten, in einer konjunkturellen Normalsituation das mittelfristige Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts oder eines Haushaltsüberschusses einzuhalten. Eine Überschreitung der Defizitgrenze ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Hierzu zählen aussergewöhnliche Ereignisse wie Naturkatastrophen sowie ein schwerwiegender Abschwung, der mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts um mindestens 2 Prozent innerhalb eines Jahres definiert ist. Die Reform des SWP im Jahr 200520 hat die Ausnahmetatbestände in ihrer Anwendung flexibilisiert und zusätzlich den Ausnahmekatalog erweitert.

Zudem hat die Reform eine stärkere Fokussierung auf das Ziel der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gebracht.

Schuldenschranke Die Schuldenschranke ist ein wesentliches
Element der vom Sachverständigenrat vorgelegten Expertise zur Begrenzung der Staatsverschuldung in Deutschland.21 Die Schuldenschranke orientiert sich an der schweizerischen Schuldenbremse. So sieht die Schuldenschranke analog zur Schuldenbremse vor, dass die Ausgaben grund19

20

21

Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1); Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6) Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 174 vom 7.7.2005, S. 1); Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 174 vom 7.7.2005, S. 5) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2007): Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Wiesbaden.

8526

sätzlich über Einnahmen und nicht durch Kredite finanziert werden sollen. Der Ausgabenplafond errechnet sich ebenfalls als Produkt von Einnahmen und einem Konjunkturfaktor, der das Verhältnis zwischen Produktionspotenzial und Bruttoinlandprodukt darstellt. Unterschiede zur Schuldenbremse bestehen jedoch bei den Ausnahmenbestimmungen und dem Ausgleichskonto.

Im Vergleich zur Schuldenbremse sind die Ausnahmen von der «Schuldenschranke» enger formuliert. Unter anderem soll genau definiert werden, was als ausserordentliche Rezession gilt. Darüber hinaus darf die Ausnahmeregelung nur bei Naturkatastrophen und einmaligen schwerwiegenden Ereignissen (z.B. der Wiedervereinigung) in Anspruch genommen werden. Im Rahmen der Schuldenbremse können jedoch auch ausserordentliche Ausgaben für Anpassungen im Rechnungsmodell sowie für verbuchungsbedingte Zahlungsspitzen beantragt werden (Art. 15 FHG).

Bei der Schuldenschranke sorgen die Vorschriften für die Festlegung des Ausgabenplafonds für die nötige finanzpolitische Flexibilität: Aufgrund von sogenannten geplanten «diskretionären Eingriffen» sind unter gewissen Umständen temporäre Erhöhungen des Ausgabenplafonds zulässig. Damit soll die Finanzierung von «grundlegenden Reformen» (z.B. Steuerreform) erleichtert werden. Das Ausgleichskonto wird jedoch im Unterschied zur Schuldenbremse belastet, womit die daraus entstehenden Fehlbeträge später mit strukturellen Überschüssen gegenfinanziert werden müssen. Ein Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto muss wie bei der Schuldenbremse in den Folgejahren abgebaut werden. Überschreitet der Fehlbetrag eine festgelegte Obergrenze, so tritt eine verschärfte Abbauvorschrift im Sinn einer Sanktion in Kraft. Bei der Schuldenbremse ist diese Obergrenze tendenziell tiefer angesetzt als bei der Schuldenschranke.22 Andererseits soll die drohende Sanktion bei der Schuldenschranke schärfer formuliert werden: Während die Schuldenbremse den Abbau des Fehlbetrags innerhalb der nächsten drei Rechnungsjahre verlangt (Art. 17 Abs. 2 FHG), ist der Abbau unter der Schuldenschranke in den nächsten zwei Rechnungsjahren zu bewerkstelligen. Bei einer wiederholten Überschreitung des Grenzwertes soll zwingend ein Zuschlag auf der Einkommenssteuer erhoben werden, um die Rückführung des Ausgleichskontos sicherzustellen.

Aus den obigen Ausführungen wird
ersichtlich, dass eine Fiskalregel weder zu strikt formuliert sein darf (damit sie noch umsetzbar bleibt) noch zu viele Ausnahmen gewähren darf (um die Zielerreichung nicht zu gefährden). Mit der vorgeschlagenen Ergänzungsregel wird dieses Gleichgewicht hergestellt, indem der nicht der Schuldenbremse unterworfene ausserordentliche Haushalt einer Regelung unterstellt wird und Defizite in diesem Bereich zu kompensieren sind. Diese Stossrichtung stimmt auch mit den Empfehlungen des IWF23 und der OECD24 überein. Beide internationalen Organisationen befürworten eine Regelbindung der ausserordentlichen Ausgaben, um die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse zu sichern.

22

23 24

Für die Schuldenschranke wird eine Obergrenze von 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (Durchschnitt der letzten 5 Jahre) vorgeschlagen. Die Schuldenbremse definiert sie mit 6 Prozent der im vergangenen Jahr getätigten Gesamtausgaben (Art. 17 Abs. 2 FHG).

Bezogen auf das Jahr 2006 liegt die Grenze für Fehlbeträge auf dem Ausgleichskonto der Schuldenbremse bei 3,1 Milliarden. Nach dem Kriterium der Schuldenschranke wäre sie bei 4,5 Milliarden.

International Monetary Fund (2008), Switzerland, Staff Report for the 2008 Article IV Consultation.

Organization for Economic Development (2007): OECD Economic Surveys: Switzerland.

8527

2

Erläuterung zu einzelnen Artikeln

Die gesetzliche Umsetzung der Ergänzungsregel erfolgt mit einer Revision des Finanzhaushaltgesetzes, in welchem konkrete Bestimmungen zur Haushaltsführung enthalten sind.

Art. 16 Abs. 1 Diese Bestimmung der Schuldenbremse, welche die Berechnung des Ausgleichskontos betrifft, wird lediglich angepasst. Mit der Ergänzungsregel besteht die Möglichkeit, Kürzungen des Höchstbetrags der Gesamtausgaben zur Gegenfinanzierung des ausserordentlichen Haushalts zu tätigen. Die Berichtigung der höchstzulässigen Ausgaben im Rahmen der Staatsrechnung sollte folglich auch diese Kürzungen einschliessen. Deshalb wird auf die konkrete Spezifikation «nach Artikel 13 oder 15» verzichtet und aus Vereinfachungsgründen die Formulierung «Höchstbetrag für die Gesamtausgaben» gewählt.

Art. 17a (neu)

Amortisationskonto

Diese Bestimmung legt die Steuerungsgrösse der Ergänzungsregel fest. Ziffer 1.4.1 und Ziffer 1.6.1 enthalten detaillierte Ausführungen hierzu.

Absatz 1 spezifiziert die Transaktionen, welche auf dem ausserhalb der Staatsrechnung geführten Amortisationskonto gebucht werden. Ausserordentliche Einahmen werden dem Amortisationskonto gutgeschrieben, ausserordentliche Ausgaben belastet.

In Absatz 2 sind Ausnahmen von Absatz 1 aufgeführt. Zweckgebundene ausserordentliche Einnahmen und die damit verbundenen ausserordentlichen Ausgaben werden dem Amortisationskonto nicht gutgeschrieben.

Obwohl nicht als Ausnahme im Gesetzestext aufgeführt, sollen auch erhebliche ausserordentliche Einnahmen, z.B. Erlöse aus der Privatisierung von Unternehmen des Bundes, nicht dem Amortisationskonto gutgeschrieben werden. In solchen Einzelfällen sieht der Bundesrat vor, dass die Gutschrift der ausserordentlichen Einnahme auf dem Amortisationskonto mittels der jeweiligen Sondergesetzgebung unterbunden wird.

Art. 17b (neu)

Fehlbeträge des Amortisationskontos

Absatz 1 legt fest, dass ein Fehlbetrag des Amortisationskontos im vergangenen Rechnungsjahr innerhalb der folgenden sechs Rechnungsjahre durch Kürzungen des Höchstbetrags der Gesamtausgaben gemäss Schuldenbremse auszugleichen ist. Die sechs Folgejahre beziehen sich dabei auf die dem laufenden Jahr folgenden sechs Rechnungsjahre. Würde beispielsweise ein Fehlbetrag des Amortisationskontos im Rechnungsjahr 2010 im Frühjahr 2011 festgestellt, müsste der Abbau grundsätzlich zwischen 2012 und 2017 erfolgen. Ausführliche Darstellungen der Abbauregelung finden sich in Ziffer 1.6.1 und 1.6.3.

Absatz 2 bezieht sich auf den Fall einer erneuten Belastung des Amortisationskontos. Die sechsjährige Frist beginnt erneut zu laufen, wenn sich der Fehlbetrag des Amortisationskontos um mehr als 0,5 Prozent des Ausgabenplafonds gemäss Schuldenbremse erhöht. Mit dieser Bestimmung wird gewährleistet, dass die Sanierungs8528

strategie im Fall einer wesentlichen Erhöhung des Defizits des ausserordentlichen Haushalts an die neuen Abbauvorgaben angepasst und auch konjunkturverträglich umgesetzt werden kann. Die Minimalgrenze verhindert dabei, dass die Kompensation des ausserordentlichen Haushalts im Fall geringerer Verschlechterungen verzögert wird. Erläuterungen hierzu finden sich in Ziffer 1.6.3.

Absatz 3 gewährleistet die verfassungsrechtliche Privilegierung der ausserordentlichen Ausgaben. Die Pflicht zum Ausgleich des Amortisationskontos ist aufgeschoben, solange das Ausgleichskonto einen Fehlbetrag aufweist. Ziffer 1.4.2 und 1.6.2 enthalten die Erörterungen zur Verfassungskonformität.

Der abschliessende Absatz 4 bestimmt, dass die Bundesversammlung die Höhe der Kürzungen jährlich bei der Verabschiedung des Voranschlags beschliesst. Diese Bestimmung stellt sicher, dass allfällige Sanierungsmassnahmen haushalts- und konjunkturverträglich umgesetzt werden können. Die Notwendigkeit und Bedeutung der flexiblen Festlegung der Amortisationsbeträge ist in Ziffer 1.4.4 und 1.6.4 dargelegt.

Art. 17c (neu)

Vorsorgliche Einsparungen

Dieser Artikel eröffnet die Möglichkeit für eine vorausschauende Finanzpolitik.

Nach Absatz 1 kann die Bundesversammlung zum Ausgleich vorhersehbarer Fehlbeträge des Amortisationskontos Kürzungen des Höchstbetrags der Gesamtausgaben gemäss Schuldenbremse beschliessen. Mit anderen Worten, im Fall von erwarteten Fehlbeträgen auf dem Amortisationskonto können ­ müssen jedoch nicht ­ vorsorgliche Einsparungen getätigt werden. Dies ist gemäss Absatz 2 nur dann zulässig, wenn das Ausgleichskonto mindestens ausgeglichen ist. Diese Bestimmung ist vergleichbar mit Artikel 17b Absatz 3. Sie fordert, dass zunächst der ordentliche Haushalt ausgeglichen werden muss, bevor mit der Kompensation von erwarteten Defiziten des ausserordentlichen Haushalts begonnen werden darf.

Art. 17d (neu)

Gutschriften auf das Amortisationskonto

Diese Bestimmung folgt ebenfalls aus der Vorrangigkeit des ordentlichen Haushalts.

Die im Voranschlag beschlossenen Kürzungen der höchstzulässigen Gesamtausgaben dürfen dem Amortisationskonto nur gutgeschrieben werden, wenn dadurch das Ausgleichskonto nicht belastet wird. In der Rechnung werden die budgetierten Amortisationsbeträge dem Amortisationskonto nur dann gutgeschrieben, wenn sie durch strukturelle Überschüsse im ordentlichen Haushalt gedeckt sind. Dieser Sachverhalt ist unter dem Begriff der «Nachrangigkeit II» in Ziffer 1.6.2 abgehandelt.

Art. 18 Abs. 1 Einleitungssatz Mit der Erweiterung des Einleitungssatzes von Artikel 18 Absatz 1 wird festgelegt, dass die Kürzungen zum Ausgleich von Fehlbeträgen auf dem Amortisationskonto in Analogie zu jenen auf dem Ausgleichskonto umzusetzen sind. Dies garantiert unter anderem den Einbezug der Kantone bei Sparmassnahmen.

Art. 66

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Absatz 1 bezieht sich auf einen Sachverhalt vor Inkrafttreten der Ergänzungsregel.

Mit Inkrafttreten der Ergänzungsregel wird das Guthaben des Ausgleichskontos um 8529

einen Betrag von aus heutiger Sicht rund 1,1 Milliarden reduziert. Der Bundesrat hat bis anhin freiwillig eine Kompensation der Fehlbeträge des ausserordentlichen Haushalts durch strukturelle Überschüsse im ordentlichen Haushalt vorgenommen.

Die strukturellen Überschüsse wurden unter dem heutigen System dem Ausgleichskonto gutgeschrieben. Damit diese nicht zum Ausgleich von Belastungen des Ausgleichskontos verwendet werden und somit zu einem Schuldenanstieg führen, sollen sie gestrichen werden.

Absatz 2 legt den Beginn der Führung des Amortisationskontos fest. Ausserordentliche Einnahmen und Ausgaben des beim Inkrafttreten der Ergänzungsregel laufenden Rechnungsjahres werden auf dem Amortisationskonto verbucht. Wird die Ergänzungsregel im Jahresverlauf in Kraft gesetzt, werden auf dem Amortisationskonto die ausserordentlichen Transaktionen ab dem Jahresanfang verbucht.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat absichtsgemäss direkte Auswirkungen auf die Entwicklung des Bundeshaushalts. Die Ergänzungsregel schreibt vor, dass die von der Schuldenbremse ausgenommenen ausserordentlichen Ausgaben in angemessener Frist gegenfinanziert werden müssen. Sie stellt damit sicher, dass auch ausserordentliche Ausgaben einer Kosten- und Nutzenabwägung unterliegen. Mit der Ergänzungsregel können ausserordentliche Ausgaben nicht mehr zu einem dauerhaften Anstieg der Bundesschulden führen. Die Bundesschulden könnten längerfristig nur noch aufgrund von ausserhalb der Finanzierungsrechnung gewährten Tresoreriedarlehen (z.B. für die Arbeitslosenversicherung) oder Bilanztransaktionen (z.B. im Rahmen der Schuldenbewirtschaftung durch die Bundestresorerie) ansteigen.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Kantons- und Gemeindefinanzen. Als positiver Nebeneffekt bringt die Ergänzungsregel eine grössere Berechenbarkeit des Bundeshaushalts. Gesunde Bundesfinanzen liegen im Interesse der Kantone und Gemeinden. Andererseits führt die Ergänzungsregel zu einer tendenziell restriktiveren Finanzpolitik des Bundes. Ein Defizit im ausserordentlichen Haushalt müsste mit strukturellen Überschüssen im ordentlichen Haushalt kompensiert werden. Die Ergänzungsregel gibt nicht vor, auf welche Weise strukturelle Überschüsse erwirtschaftet werden sollen. Da die Transfers an die Kantone und Gemeinden rund einen Drittel des Bundeshaushalts ausmachen, ist es jedoch unvermeidlich, dass eventuelle Ausgabenkürzungen auch diese Bereiche treffen würden, wobei auf reine Lastenabwälzungen zu verzichten ist. Längerfristig ist jedoch davon auszugehen, dass die Ergänzungsregel dazu beiträgt, einen ausreichenden finanzpolitischen Handlungsspielraum zu bewahren und Korrekturmassnahmen frühzeitig einzuleiten.

Bereits bei der Diskussion der Schuldenbremse wurde von den Kantonen die Befürchtung von Lastenabwälzungen thematisiert. Auf Antrag der vorberatenden Kommission des Ständerates wurde ein Zusatz ins Finanzhaushaltsgesetz aufge8530

nommen, der den Bundesrat verpflichtet, bei der Umsetzung von Sparmassnahmen zum Abbau von Fehlbeträgen des Ausgleichskontos die Mitwirkungsrechte der Kantone zu berücksichtigen (Art. 18 Abs.1 FHG). Auch im Gesetzesentwurf zur Ergänzungsregel wird den Kantonen ein Mitwirkungsrecht bei der Erarbeitung von Entlastungsprogrammen zur Einhaltung der Ergänzungsregel zugesichert.

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Bundesrat und Parlament das Mitwirkungsrecht der Kantone ernst genommen haben: Die Entlastungsprogramme 03 und 04 wurden unter Einbezug der Kantone erarbeitet. Mit wenigen Ausnahmen wurde sowohl beim EP 03 als auch beim EP 04 auf reine Lastenabwälzungen auf die Kantone verzichtet. Im Vordergrund standen vor allem Sparmassnahmen im bundeseigenen Bereich. Die Massnahmen im Transferbereich Bund-Kantone wurden derart ausgestaltet, dass sie den Kantonen bei der Umsetzung möglichst grosse Handlungsspielräume belassen, damit diese ihren Haushalt ebenfalls entlasten können.

Beim EP 03 konnte der Grundsatz, wonach Lastenabwälzungen auf die Kanone zu vermeiden sind, bis auf einige wenige Ausnahmen eingehalten werden. Diese betrafen eine Kürzung der ausserordentlichen nichtwerkgebundenen Strassenbeiträge, den regionalen Personenverkehr, Lärmschutz- und Luftreinhaltemassnahmen sowie den Straf- und Massnahmenvollzug im Gesamtbetrag von 51 Millionen. Im Verlauf der Beratungen des EP 04 eliminierte das Parlament sämtliche Massnahmen mit bedeutenden finanziellen Auswirkungen auf die Kantone. Übrig blieb einzig eine auf die Jahre 2006 und 2007 befristete Kürzung der Abgeltung im regionalen Personenverkehr von 10 respektive 20 Millionen, die aber mit dem Inkrafttreten der NFA per 1.1.2008 wiederum wegfiel. Die reinen Lastenabwälzungen auf die Kantone betrugen somit bei den beiden Entlastungsprogrammen lediglich ein Prozent des gesamten Entlastungsvolumens von rund 5 Milliarden. Bei allen übrigen Sparmassnahmen im Transferbereich Bund-Kantone wurden die Kantonshaushalte entweder ebenfalls entlastet (bei den Hauptstrassen, beim Nationalstrassenbau und -unterhalt beim Hochwasserschutz sowie bei den kollektiven IV-Leistungen) oder die Kantone hatten Wahlfreiheit, ob sie den Ausfall an Bundesmitteln kompensieren oder nicht (in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Natur- und Landschaftsschutz,
Stipendien, Universitäten, Fachhochschulen, Jugend und Sport, Bevölkerungsschutz, amtliche Vermessung, Ortsbilderschutz, Niveauübergänge sowie Lawinengalerien).

Beim Projekt Aufgabenüberprüfung des Bundes, mit dem der Bundesrat das Ausgabenwachstum des Bundeshaushaltes auf die langfristigen Wachstumsperspektiven begrenzen und damit die Staatsquote stabilisieren will, wurde eine Begleitgruppe der Kantone auf der Expertenebene eingesetzt. Hauptaufgabe dieser kantonalen Begleitgruppe ist die Beurteilung der Abbau- und Reformvorschläge aus den Departementen in einem sehr frühen Stadium. Die Kantone können auch eigene Vorschläge einbringen. Dies betrifft insbesondere weitere Aufgabenentflechtungen zwischen dem Bund und den Kantonen. Dabei gilt wie bei der NFA der Grundsatz, dass die Haushaltsneutralität zwischen dem Bund und der Gesamtheit der Kantone respektiert und ein Ausgleich unter den Kantonen gesucht werden. Die kantonale Begleitgruppe soll auch den politischen Dialog mit den Kantonen vorbereiten.

Die Befürchtungen der Kantone, der Bund würde zur Einhaltung der Schuldenbremse seinen Haushalt auf dem Buckel der Kantone sanieren, sind nicht eingetreten.

Lastenabwälzungen auf die Kantone konnten weitgehend vermieden werden, indem die Sparmassnahmen der Entlastungsprogramme 03 und 04 schwergewichtig den bundeseigenen Bereich betrafen und die Einsparungen im Transferbereich Bund8531

Kantone derart ausgestaltet wurden, dass diese auch eine Entlastung der kantonalen Haushalte ermöglicht haben. In vielen Fällen hatten die Kantone Wahlfreiheit, ob sie den Ausfall an Bundesmitteln kompensieren oder nicht. Der Bundesrat hat die Absicht, auch in Zukunft Lastenabwälzungen auf die Kantone möglichst zu vermeiden.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Bundesverfassung schreibt vor, dass der Bund Massnahmen für eine ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung treffen muss und bei seiner Einnahmen- und Ausgabenpolitik die Konjunkturlage zu berücksichtigen hat (Art. 100 BV). Die Schuldenbremse ist so ausgestaltet, dass eine passive antizyklische Finanzpolitik resultiert. In rezessiven Phasen sind Defizite erlaubt, im Aufschwung müssen Überschüsse erwirtschaftet werden. Im Rahmen der Ergänzungsregel wird die Konjunkturgerechtigkeit durch die Nachrangigkeit und die Flexibilität der Regelung sichergestellt.25 Die Nachrangigkeit sorgt dafür, dass Fehlbeträge auf dem Amortisationskonto nicht abgebaut werden dürfen, solange das Ausgleichskonto negativ ist.

Dieser Fall dürfte insbesondere in einer Abschwungphase eintreten, wo die Einnahmen erfahrungsgemäss überschätzt werden. Sollte das Ausgleichskonto zu Beginn einer Abschwungphase noch nicht negativ werden, ermöglicht es die Flexibilität der Ergänzungsregel, dass die Höhe der Amortisationsbeträge innerhalb der fixen Amortisationsfrist auf die konjunkturelle Lage angepasst wird. Auch aktive konjunkturpolitische Massnahmen sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Entsprechende ausserordentliche Ausgaben müssten jedoch innert mittlerer Frist ebenfalls kompensiert werden.

Am meisten von der Ergänzungsregel profitieren die zukünftigen Generationen.

Ohne politische Stimme laufen sie Gefahr, dass ihnen über die Schulden die heutigen Lasten ohne entsprechende Gegenwerte (Investitionen) überwälzt werden. Die Ergänzungsregel trägt zusammen mit der Schuldenbremse zu einer verantwortbaren Schuldenentwicklung bei. Ebenso ist mit Blick auf eine langfristig tragbare Finanzpolitik sicherzustellen, dass keine Investitionslücken oder -rückstände entstehen.

In der Vernehmlassung zur vorliegenden Gesetzesrevision wurde die Befürchtung geäussert, dass die Ergänzungsregel zu übermässigen Kürzungen bei den Investitionsausgaben führen und sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnte. Der Bundesrat nimmt diese Bedenken ernst. In den Entlastungsprogrammen 03 und 04, die zwangsläufig kurzfristig ausgerichtet waren und deshalb gesetzlich gebundene Ausgaben tendenziell weniger tangierten, mussten auch Investitionskredite gekürzt werden. In seiner Stellungnahme zur Interpellation Graber Jean-Pierre (07.3853)
äusserte der Bundesrat seine Auffassung, dass die finanzielle Sanierung des Bundeshaushaltes in Zukunft nicht mehr über kurzfristige Sparprogramme, sondern über eine grundlegende Überprüfung aller Bundesausgaben erfolgen soll. Dabei soll das Ausgabenwachstum insbesondere auch in Bereichen eingedämmt werden, in denen tiefer greifende Reformen nötig sind. Der Bundesrat verfolgt mit der Aufgabenüberprüfung das Ziel, die Aufgaben- und Ausgabenstruktur durch die Bildung von Prioritäten zu straffen und so den Haushalt zu entlasten,

25

Vgl. Ziff. 1.6.3.

8532

damit auch in Zukunft ein genügender Handlungsspielraum für Investitionsausgaben verbleibt.

Wie die Schuldenbremse überlässt die Ergänzungsregel die finanzpolitische Prioritätensetzung dem Bundesrat und dem Parlament. Beide Fiskalregeln zusammen begrenzen das Ausgabevolumen, legen jedoch nicht seine Verteilung fest. Bundesrat und Parlament haben bezüglich Investitionen weiterhin grösstmögliche Freiheit. Die Argumente gegen eine Sonderbehandlung von Investitionen wurden in der Botschaft zur Schuldenbremse26 ausführlich dargelegt. Die Investitionen, welche im Rahmen des Bundeshaushalts getätigt werden, verlaufen über die Zeit relativ stetig. Für hohe Investitionsspitzen ­ wie die NEAT, das Nationalstrassennetz und der Agglomerationsverkehr ­ wurden Finanzierungslösungen ausserhalb des Bundeshaushaltes geschaffen (Fonds für Eisenbahngrossprojekte, Infrastrukturfonds). Es kann zudem festgehalten werden, dass Investitionsausgaben steuerbar sind und deshalb grundsätzlich keine ausserordentlichen Ausgaben gemäss Schuldenbremse darstellen.27 In diesem Sinn stellt die Ergänzungsregel keine zusätzliche Hürde für zukünftige generationenübergreifende Grossprojekte dar.

Schliesslich bleibt darauf hinzuweisen, dass eine dauerhafte Begrenzung der Verschuldung und eine glaubwürdig disziplinierte Finanzpolitik die Standortattraktivität sichern und einen wichtigen Beitrag für ein gutes Klima für private Investitionen leisten.

3.4

Andere Auswirkungen

Die Ergänzungsregel schränkt den finanzpolitischen Handlungsspielraum von Bundesrat und Parlament bewusst ein. Sie gibt zusammen mit der Schuldenbremse einen finanzpolitischen Rahmen vor, den es einzuhalten gilt. Für den Fall eines Defizits im ausserordentlichen Haushalt wird der Ausgabenplafond des ordentlichen Haushalts gesenkt. Innerhalb des finanzpolitischen Rahmens müssten vermehrt politische Prioritäten gesetzt werden. Die in Artikel 167 der Bundesverfassung vorgeschriebene Finanzhoheit der Bundesversammlung wird dadurch nicht beschnitten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft über die Legislaturplanung 2007­2011 als Richtliniengeschäft angekündigt.28

26 27

28

BBl 2000 4675 ff.

Die Ersteinlage in den Infrastrukturfonds wird aus der Spezialfinanzierung Strassenverkehr finanziert. Sie stellt nur deshalb eine ausserordentliche Ausgabe dar, weil der Grossteil der heute ausgewiesenen Verpflichtung der Spezialfinanzierung vor dem Inkrafttreten der Schuldenbremse entstand. Mit anderen Worten, die Ausserordentlichkeit ist auf den Systemwechsel zurückzuführen und nicht in der Sache begründet.

BBl 2008 787

8533

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf die Artikel 126 und 173 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV). Artikel 126 regelt die Schuldenbremse und hat teilweise kompetenzbegründenden Charakter. Artikel 126 Absatz 3 BV gestattet bei ausserordentlichem Zahlungsbedarf die Erhöhung des Ausgabenhöchstbetrages nach Absatz 2. Die Bestimmung verlangt somit eine differenzierte Behandlung von ordentlichen und ausserordentlichen Ausgaben. Die Revisionsvorlage hält an dieser Differenzierung grundsätzlich fest und ist deshalb verfassungsmässig29. Üblicherweise wird Artikel 173 Absatz 2 BV als Rechtsgrundlage für Bundesgesetze dann genannt, wenn die Organisation staatlicher Institutionen oder Verfahren geregelt wird (inhärente Zuständigkeit des Bundes). Beide Verfassungsbestimmungen sind im Ingress zum geltenden FHG bereits aufgeführt.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes.

Ausserdem sind nach Artikel 126 Absatz 5 BV die Einzelheiten der Schuldenbremse auf Gesetzesstufe zu regeln.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage hat zwar finanzielle Auswirkungen, enthält aber weder Subventionsbestimmungen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen. Sie ist daher der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV nicht unterstellt.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegende Teilrevision des FHG umfasst keine Ermächtigung zum Erlass von gesetzesvertretendem Verordnungsrecht.

29

Vgl. Ziff. 1.6.2.

8534

Anhang 1

Bilanz der Schuldenbremse Die Finanzpolitik der Neunzigerjahre war gekennzeichnet durch chronisch hohe Defizite, eine Verdoppelung der Schulden sowie das Unvermögen, in guten Zeiten für die schlechten Zeiten vorzusorgen. Mit der Schuldenbremse sprachen sich Volk und Stände am 2. Dezember 2001 mit eindrücklichem Mehr gegen eine weitere Finanzierung ordentlicher staatlicher Aufgaben mittels Verschuldung aus. Im Voranschlag 2003 fand die Schuldenbremse zum ersten Mal Anwendung. Entgegen den Erwartungen war der Bundeshaushalt im Zeitpunkt der Einführung der Schuldenbremse nicht im Gleichgewicht, sondern wies eine beträchtliche strukturelle Finanzierungslücke auf. Dank der raschen und konsequenten Umsetzung der Entlastungsprogramme EP 03 und EP 04 konnte das Ausgabenniveau jedoch um rund fünf Milliarden gesenkt werden. Damit wurde das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts bereits im Jahr 2006 erreicht ­ ein Jahr früher als erwartet. Der Bundesrat setzte seine Sanierungsstrategie fort, indem weiterhin strukturelle Überschüsse geplant und realisiert wurden. Diese sind nötig, um die zwei finanzpolitischen Ziele ­ Stabilisierung der nominellen Verschuldung und Begrenzung des Ausgabenwachstums auf das mittelfristige BIP-Wachstum ­ sicherzustellen. Diese Ziele prägen auch den Voranschlag 2008 und den Legislaturfinanzplan 2009 bis 2011. Mit strukturellen Überschüssen soll weiterhin garantiert werden, dass ausserordentliche Ausgaben, die nicht der Schuldenbremse unterstellt sind, keine Schuldenzunahme bewirken.

Auf der Ausgabenseite zielt die Umsetzung der Aufgabenüberprüfung auf eine dauerhafte Begrenzung der Wachstumsrate.

Schema 4: Struktureller Saldo und ausserordentlicher Haushalt 2003­2008 (in Mrd.)

10 Struktureller Saldo

8

Ausserordentlicher Saldo

6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 R 2003

R 2004

R 2005

R 2006

R 2007

VA 2008

Kumuliert 2003-2008

Schema 4 zeigt die strukturellen Saldi und die ausserordentlichen Transaktionen seit Einführung der Schuldenbremse. Die strukturellen Defizite in den Jahren 2003 bis 2005, welche gemäss den Übergangsbestimmungen zum FHG als «Defizitabbau8535

pfad» in Abweichung der Regel der Schuldenbremse toleriert wurden, nahmen kontinuierlich ab. In den Jahren 2006 und 2007 wurden bereits wieder namhafte strukturelle Überschüsse erwirtschaftet. Im laufenden Jahr ist ebenfalls ein struktureller Überschuss geplant. Über den Zeitraum von 2003 bis 2008 werden die strukturellen Defizite der ersten Jahre durch die strukturellen Überschüsse überkompensiert. Kumuliert verbleibt ein struktureller Überschuss in der Höhe von rund 1,2 Milliarden. Dieser strukturelle Überschuss reicht aus um den Fehlbetrag im ausserordentlichen Haushalt über den Zeitraum 2003 bis 2008 in der Höhe von 0,8 Milliarden zu decken. Die Ergebnisse der Finanzierungsrechnung vom Einführungszeitpunkt der Schuldenbremse bis anhin bewirken somit aus heutiger Sicht eine Stabilisierung der nominellen Bundesschulden (vgl. Schema 5).

Schema 5: Entwicklung der Bruttoschulden 2003­2008 (in Mrd.)

140 120 100 80 60 40 20 0 1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006 2007* S 2008

* Ab dem Rechnungsjahr 2007 werden die Schulden nach den Grundsätzen des Neuen Rech-

nungsmodels ausgewiesen: Der Schuldenbegriff wurde an die internationale Standards sowie an die im kantonalen Rechnungsmodell verwendete Definition angepasst. Daraus resultierte eine statistisch bedingte einmalige Erhöhung des Schuldenniveaus um 1,6 Milliarden Franken.

Die Bilanz der Schuldenbremse seit Einführung fällt positiv aus. Sie veranlasste die Politik im Jahr 2003, die umgehende Sanierung des Bundeshaushaltes an die Hand zu nehmen. Mit der zügigen Ausarbeitung und Umsetzung des EP 03 und 04 wurde der Ausgleich des Bundeshaushalts wieder erreicht und aufrechterhalten. Die klare Ausrichtung der Budget- und Finanzpolitik an der Zielsetzung der Schuldenstabilisierung führte dazu, dass auch der ausserordentliche Haushalt durch strukturelle Überschüsse gegenfinanziert wurde.

8536

Anhang 2

Zahlenbeispiele für verworfene Varianten Nachfolgende hypothetische Zahlenbeispiele dienen der Illustration untersuchter, jedoch verworfener Lösungsvarianten30.

A.2.1 Amortisation via Ausgleichskonto Tabelle A2.1 Amortisation via Ausgleichskonto (Beispiel) Ausgleichskonto bei Rechnungsabschluss 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Mio. Fr.

Stand 31.12. Vorjahr [1] Abweichung Ausgabenplafond* [2] a.o. Einnahmen [3] a.o. Ausgaben [4] Saldo a.o. Haushalt [5]=[3]-[4] Total Veränderung Ausgleichskonto [6]=[2]+[5] 6% der Ausgaben [7] innert 3 Jahren abzutragen [8]=[1]-[7] Gutschrift Amortisationsbetrag** [8] Neuer Stand per 31.12.

[9]=[1]+[5]+[8]

* **

-

-511 1718 1818

1089 2229

n.a.

n.a.



118

118

618

618

618

618

618

618

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a. 3318

500 1600 -1600

1700 0 -1700

0

0

500

500 3300 0

0

0

0

0

0 -2800

-511 2229 0 -1700 0 500 0 0 0 0 0 0 3702 3813 3927 4045 4166 4291 4420 4552 4689 4830 4975 5124 0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

518

0

100 -511 1718 1818

100 118

118

618

618

618

618

618

618

618

Schätzung gem. LFP 2009­2011, für 2012 ff. sind keine Angaben verfügbar.

Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden.

Tabelle A2.1 zeigt die unter Ziffer 1.5.1. beschriebene Amortisationsregel. Für das Zahlenbeispiel wird für das Ausgangsjahr 2009 von einem ausgeglichenen Ausgleichskonto ausgegangen. Im Jahr 2010 erfolgt eine erste Belastung des Ausgleichskontos der Schuldenbremse durch ausserordentliche Ausgaben. Die Belastung führt zu einem Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto im Jahr 2010. Dieser kommt jedoch deutlich unter die 6-Prozent-Grenze zu liegen. Erst für Fehlbeträge über dieser Grenze hat eine Kompensation zwingend über drei Jahre zu erfolgen.

Die Kompensation des Fehlbetrags des Jahres 2010 kann deshalb flexibel, über einen längeren Zeitraum geplant werden. Im Voranschlag 2012 werden annahmegemäss 100 Millionen als geplante Kürzung eingestellt. Daneben sind allerdings auch Überschüsse der Finanzierungsrechnung in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen. Diese führen zu Gutschriften des Ausgleichskontos (Zeile «Abwei30

Vgl. Ziffer 1.5 und Tabelle 4.

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chung Ausgabenplafond»). Durch diese Gutschriften verschwindet der Fehlbetrag bereits im Folgejahr 2012 mit der Rechnungslegung 2011. Weitere Kompensationsmassnahmen für den Fehlbetrag des Amortisationskontos werden hinfällig. Eine erneute Belastung durch ausserordentliche Ausgaben im Jahr 2013 reduziert den Überschuss auf dem Ausgleichskonto auf 118 Millionen. Amortisationen sind nicht notwendig. Im Jahr 2015 wird das Guthaben des Ausgleichskontos um 500 Millionen erhöht. Die Überschüsse auf dem Ausgleichskonto dürfen nicht zu einer Erhöhung der Ausgaben führen, sondern bleiben als «Polster» für allfällige zukünftige Belastungen stehen.

Die Überschüsse im ordentlichen Haushalt, welche dem Ausgleichskonto gutgeschrieben werden, verhindern das Eintreten einer Amortisationspflicht für die Defizite im ausserordentlichen Haushalt im vorliegenden Fallbeispiel fast völlig. Die ausserordentlichen Ausgaben werden deshalb überhaupt nicht amortisiert. Wäre das Ausgleichskonto dagegen defizitär, würde eine zusätzliche Belastung durch ausserordentliche Ausgaben die nötigen Amortisationsbeträge stark erhöhen. Die vorab als Sanktionsmechanismus für Schätzfehler gedachte Frist von drei Jahren würde bei Überschreiten der 6-Prozent-Grenze auch für die Amortisation des ausserordentlichen Haushalts gelten. Dies wäre nicht verfassungskonform.

A.2.2 Einzel-Amortisation Tabelle A2.2 Einzel-Amortisation (Beispiel) Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Mio. Fr.

-1600 -1600 -1333 -2767 -2500 -1450 Stand 31.12. Vorjahr [1] 500 a.o. Einnahmen [2] 1600 1700 a.o. Ausgaben [3] -1600 0 0 -1700 0 500 0 Saldo a.o. Haushalt [4]=[2]-[3] Amortisationen: 267 267 267 267 267 Ausgaben 2010 [5] 6 5 4 3 2 Verbleibende Frist [6] 283 283 Ausgaben 2013 [7] 6 5 Verbleibende Frist [8] Gutschrift Amortisa267 267 267 550 550 tionsbetrag* [9] Neuer Stand 31.12.

-1600 -1600 -1333 -2767 -2500 -1450 -900 [10]=[1]+[4]+[5]+[7]

-900

0

-550

0

-366

0

-183

0



1 500 3300 0 -2800

167 1 183 4

1500 183 3

183 2

183 1

1301

350

183

183

183

0 2801

-550

-366

-183

1

1

* Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden.

Das Zahlenbeispiel zeigt, wie verschiedene Belastungen einzeln amortisiert werden (vgl. Ziff. 1.5.2.). Die ausserordentliche Ausgabe aus dem Jahr 2010 führt zu einem Fehlbetrag auf dem Amortisationskonto in entsprechender Höhe. Dies wird im Frühjahr 2011 mit der Staatsrechnung 2010 festgestellt. Die Kompensation des Fehlbetrages müsste zwingend im Voranschlag 2012 beginnen. Unter der Annahme 8538

einer sechsjährigen Amortisationsfrist und einer linearen Verteilung der Amortisationsbeträge (267 Mio. pro Jahr) ist die ausserordentliche Ausgabe des Jahres 2010 im Jahr 2017 vollständig kompensiert. Eine erneute Belastung im Jahr 2013 führt zu entsprechenden Amortisationen in den Jahren 2015 bis 2020. Während drei Jahren (2015­2017) überschneidet sich die Planung beider Amortisationen. Die Gutschrift durch ausserordentliche Einnahmen des Jahres 2015 wird betragsmindernd an die Amortisationen sowohl der Ausgaben aus dem Jahr 2010 (­100 Mio.) als auch derjenigen aus dem Jahr 2013 (­400 Mio.) angerechnet. Auch andere Verfahren wären dafür anwendbar.

Der Ausgleich des ausserordentlichen Haushalts ist ­ wie im Fall der vorgeschlagenen Ergänzungsregel ­ im Jahr 2020 abgeschlossen. Die Amortisationsbeträge schwanken tendenziell stärker als in der vorgeschlagenen Ergänzungsregel. Zudem ist der Ausweis der Amortisationsbeträge komplexer.

A.2.3 Degressive Amortisation Tabelle A2.3 Degressive Amortisation (Beispiel) Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Mio. Fr.

-1600 -1600 -1280 -2724 -2519 -1515 -1112 Stand 31.12. Vorjahr [1] 500 a.o. Einnahmen [2] 1600 1700 a.o. Ausgaben [3] Saldo a.o. Haushalt -1600 0 0 -1700 0 500 0 0 [4]=[2]-[3] 320 256 205 504 403 222 Gutschrift Amortisationsbetrag* [5] Neuer Stand 31.12.

-1600 -1600 -1280 -2724 -2519 -1515 -1112 -890 [6]=[1]+[4]+[5]

-890

-712

-569



-456 500 3300

0 178

0 142

0 114

-712

-569

-456

0 -2800 91 2436

-364

* Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden.

In diesem Beispiel werden jeweils 20 Prozent des Fehlbetrages auf dem Amortisationskonto im folgenden Voranschlag amortisiert (vgl. Ziff. 1.5.3.). So ist im Voranschlag 2012 eine Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben um 320 Millionen eingestellt, also 20 Prozent des mit der Rechnung 2010 ausgewiesenen Fehlbetrages. Jede neue Belastung oder Gutschrift führt zu einer sprunghaften Änderung der notwendigen Amortisationsbeträge. So steigen diese mit dem Voranschlag 2015 von 205 Millionen auf 504 Millionen, da der Fehlbetrag mit der Rechnung 2013 um 1,7 Milliarden zunimmt. Die ausserordentlichen Einnahmen im Jahr 2015 reduzieren den Amortisationsbetrag von 403 Millionen auf 222 Millionen im Jahr 2017. Im Jahr 2021 verbleibt ein Fehlbetrag von 364 Millionen auf dem Amortisationskonto.

Die Amortisationsbeträge steigen bei jeder ausserordentlichen Belastung sprunghaft an; das Amortisationskonto erreicht nie den Wert Null ­ der komplette Ausgleich müsste durch eine freiwillige Erhöhung der Amortisationsmassnahmen erreicht werden. Bei der vorgeschlagenen Ergänzungsregel ist dagegen ein stetigeres Anstei8539

gen der Amortisationsbeträge möglich. Die Frist verhindert zudem ein Herausschieben des vollständigen Ausgleichs des ausserordentlichen Haushalts.

A.2.4 Amortisation bezogen auf den Ausgabenplafond Tabelle A2.4 Amortisation bezogen auf den Ausgabenplafond (Beispiel) Amortisationskonto bei Rechnungsabschluss 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Mio. Fr.

Stand 31.12. Vorjahr [1] a.o. Einnahmen [2] a.o. Ausgaben [3] Saldo a.o. Haushalt [4]=[2]-[3] Gutschrift Amortisationsbetrag* [5] Ausgabenplafond [6] Neuer Stand 31.12.

[7]=[1]+[4]+[5]

-

-1600 -1600 -1130 -2341 -1838 500 1600 1700

-819

-1600

0 534

0

0 -1700 470 489

0 504

500 519

-285

0

0

0



0 500 3300

0 285

0

0

0

0 -2800 2800

57223 59693 62643 65195 67151 69165 71240 73377 75579 77846 80181 82587

-1600 -1600 -1130 -2341 -1838

-819

-285

0

0

0

0

0

* Entspricht der Kürzung der höchstzulässigen Ausgaben im Voranschlag des entsprechenden Jahres, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Amortisationsbeträge auch tatsächlich eingespart werden.

In dieser Variante berechnen sich die Amortisationsbeträge als Prozentsatz des Ausgabenplafonds (vgl. Ziff. 1.5.4.). Im vorliegenden Beispiel werden 0,75 Prozent des Ausgabenplafonds so lange amortisiert, bis der Fehlbetrag eliminiert ist. Die ausserordentlichen Ausgaben aus dem Jahr 2010 führen zu einem Fehlbetrag auf dem Amortisationskonto. Mit dem Voranschlag 2012 werden erstmals Amortisationsbeträge eingestellt. Die Belastung des Amortisationskontos im Jahr 2013 führt zu keiner Erhöhung der Amortisationsbeträge. Durch den erhöhten Fehlbetrag auf dem Amortisationskonto wird jedoch die Amortisationsfrist auf die Jahre 2016 und 2017 erstreckt. Im Jahr 2018 ist keine Amortisation mehr notwendig. Der kleinere Amortisationsbetrag im Jahr 2017 entspricht dem noch verbleibenden Fehlbetrag.

Die Amortisationsbeträge steigen bei der ersten Belastung sprunghaft an. Die zweite Belastung hat dagegen nur wenig spürbare finanzpolitische Konsequenzen. Problematisch sind bei dieser Variante sowohl die fehlende Flexibilität zu Beginn der Amortisationspflicht (es muss ein Mindestbetrag amortisiert werden) als auch die schwächeren finanzpolitischen Anreize zur Minimierung von ausserordentlichen Ausgaben, da zwar die Amortisationssumme in einem direkten Zusammenhang mit dem Defizit im ausserordentlichen Haushalt steht, nicht aber die jährlichen Amortisationsbeträge.

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