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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, 1945 --1958 (Vom 22. August 1958)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Entsprechend dem Artikel 3 des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1946 betreffend die Genehmigung des in Washington abgeschlossenen Abkommens hat der Bundesrat den eidgenössischen Bäten, abgesehen von der Botschaft vom 14. Juni 1946, einen Bericht und eine Botschaft über das Washingtoner Abkommen, insbesondere über die deutschen Vermögen in der Schweiz, erstattet. Es sei verwiesen auf den Bericht vom 13. April 1949 (Nr. 5610) und die Botschaft vom 29. August 1952 (Nr. 6252). Nachdem durch Bundesbeschluss vom 24. September 1952 die sogenannten Ablösungsabkommen vom August gleichen Jahres genehmigt worden sind, könnte sich der jetzige Bericht auf die rund fünf Jahre beschränken, die seit Inkraftsetzung der Ablösungsabkommen verflossen sind.

In Übereinstimmung mit Wünschen, die aus der Mitte der Bundesversammlung geäussert wurden, hält der Bundesrat aber dafür, es sei mit Bezug auf eines der wichtigsten und schwierigsten Nachkriegsprobleme unseres Landes die Erstattung eines zusammenfassenden und abschliessenden Berichtes angezeigt. In einer Zeit, die so rasch vergisst, darf und soll an die sehr bedrohliche Ausgangslage der Jahre 1945/46 ebenso erinnert werden wie an spätere aussen- und innenpolitisch entstandene Spannungen und Peripetien, die bekanntlich zum Teil zu leidenschaftlichen Auseinandersetzungen geführt haben.

I. Rückblick

1. Schon vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die Alliierten einlässlich mit dem künftigen Schicksal Deutschlands befasst. Nach den Erfahrungen der im Frieden von Versailles verankerten Eeparationspolitik nahm man Bundesblatt. 110. Jahrg. Bd. II.

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davon Umgang, dem besiegten Deutschland grosse Beparationsverpflichtungen aufzuerlegen. Man wollte sich bezahlt machen durch den Griff auf das gesamte deutsche Staats- und Privatvermögen nicht nur innerhalb der alliierten Länder, sondern auch der neutralen Staaten. Im Sinne der Theorien des amerikanischen Finanzministers Morgenthau sollte damit weitgehend auch das wirtschaftliche und finanzielle Potential des «Weltfeindes Nr. l» vernichtet und dieser im wesentlichen auf einen Agrarstaat zurückgesetzt werden.

Im Sinne'der Besolution Nr. VI von Bretton Woods vom 27. Juli 1944 wurde im Februar 1945 von der Schweiz in Verbindung mit dem sogenannten «Currie-Abkommen» das deutsche Baubgut, d.h. die von Deutschen im besetzten Ausland unrechtmässig erworbenen Güter, sichergestellt und die Sperre aller deutschen Vermögenswerte verfügt. In der Konferenz von Potsdam, 17. bis 25. Juli 1945, ist dann in aller Form der Grundsatz aufgestellt worden, dass das deutsche Privateigentum in neutralen Ländern den Alliierten verfallen sei.

Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 5 vom 30. Oktober 1945 ist dieser Grundsatz verankert und ausgebaut worden. Mit unerhörtem Nachdruck haben dann die Siegermächte, die damaligen Beherrscher der Welt und namentlich auch unserer Zufahrtslinien, von der Schweiz die Anerkennung des erwähnten Grundsatzes und seine Verwirklichung durch Auslieferung allen deutschen Eigentums auf unserem Boden verlangt. In heftiger und drohender Form unterstützte die damalige Weltpresse diese Begehren.

Über die scharf ablehnende Haltung der Schweiz und die weiteren Vorgänge, die dann schliesslich nach schwersten Kämpfen am 25. Mai 1946 zur Unterzeichnung des Abkommens von Washington führten, gibt die Botschaft des Bundesrates vom 14. Juni 1946 einlässliche Auskunft. Es sei hier nur an die wesentlichen Punkte dieses Abkommens erinnert: A. Schweizerische Verpflichtungen: 1. Zahlung von 250 Millionen Franken für sogenanntes Baubgold; 2. Teilweise Liquidierung deutscher Vermögenswerte.

B. Alliierte Verpflichtungen : 8. Aufhebung der schwarzen Listen; 4. Freigabe der schweizerischen Vermögenswerte in USA.

Mit Bezug auf die Punkte l, 8 und 4 können wir auf das verweisen, was im Bericht des Bundesrates vom 13. April 1949 gesagt worden ist. Sie sind mit Ausnahme des schweizerisch-amerikanischen Konfliktes über die
'«Interhandel» und einiger weniger wichtigen Fälle längst erledigt.

Was die Behandlung der deutschen Vermögenswerte anbelangt, so musste die Schweiz, ungern genug, wichtige Konzessionen machen. Der Inhalt des Abkommens erreichte aber bei weitem nicht die exorbitanten Anfangsforderungen der Alliierten : Von allen Zwangsmassnahmen wurde abgesehen für Vermögenswerte der in der Schweiz oder im Drittausland lebenden Deutschen, der Österreicher, der Bewohner der Tschechoslowakei und der angegliederten Ostgebiete.

631 Diese Einschränkung ermöglichte, Vermögenswerte von nicht weniger als 470 Millionen Franken von der Sperre zu befreien. Sodann wurde gegen heftigsten Widerstand das Prinzip durchgesetzt, dass die betroffenen Deutschen in ihrer Landeswährung angemessen zu entschädigen seien. Endlich sind als Durchführungs- und Entscheidungsorgane schweizerische Stellen eingesetzt worden, allerdings mit der Verpflichtung, in gewissen Fragen die Vertreter der Alliierten zu konsultieren. Das sind offenbar die Hauptgründe, weshalb die beiden Bäte in einer Sondersession, unter dem Druck der damaligen Situation, dem Abkommen mehrheitlich zustimmten. Es regte sich aber auch eine äusserst lebhafte Opposition. Man sprach vom «schwärzesten Tag in der Geschichte des schweizerischen Bechtes», man behauptete, das Ausland werde auf immer sein Vertrauen in den schweizerischen Bechtsstaat verlieren und dergleichen. Mit Befriedigung kann man heute feststellen, dass sich diese überaus pessimistischen Prophezeiungen nicht bewahrheitet haben und dass das Vertrauen in unsere Bechts- und Finanzorganisation heute zum mindesten nicht kleiner ist als damals.

2. In seinem mehrerwähnten Bericht vom 13. April 1949 sowie im Kapitel I seiner Botschaft vom 29. August 1952 hat der Bundesrat in allen Einzelheiten die Versuche, das Abkommen durchzuführen sowie die Hinderungsgründe dargelegt. Es sei hier nur daran erinnert, dass die Frage der an die betroffenen Deutschen auszurichtenden Entschädigungen das während Jahren dominierende Problem gewesen ist. Weil der Bundesrat unverrückbar auf dem Standpunkt beharrte, er könne und wolle fremdes Privateigentum nicht sequestieren, ohne dass eine effektive und angemessene Entschädigung gesichert sei, hat er sich in der alliierten Presse Vertragsverletzung vorhalten lassen müssen. Seine Bestrebungen, diese Streitfrage, namentlich diejenige betreffend den anzuwendenden Umrechnungskurs schiedsgerichtlich entscheiden zu lassen, hatten keinen Erfolg. So musste der Bundesrat auf der Ansicht beharren, dass der von der Gegenseite vorgeschlagene Kurs von 100 Franken = 57,8 Beichsmark (die im Zuge der deutschen Währungsreform dann noch auf einen Zehntel abgewertet worden wären) niemals eine «angemessene» Entschädigung darstellen könnte.

Auch auf die schweizerischerseits in aller Klarheit gestellte Frage, durch
wen und in welcher Frist die Entschädigungen ausgerichtet würden, ist eine Antwort nie erfolgt. Trotz aller Anfeindungen hat sich deshalb der Bundesrat immer wieder geweigert, den entscheidenden Schritt von der Sperre zur Beschlagnahme zu tun.

Die politische und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und die wesentliche Änderung in seinen Beziehungen zu den West-Alliierten hat dann die Möglichkeit geschaffen, ohne Schiedsverfahren eine Lösung des Dilemmas zu finden. Nach der deutschen Währungsreform verfügten die Besetzungsmächte überhaupt nicht mehr über die nötigen deutschen Mark, um Entschädigungen auszuzahlen. Die souverän gewordene Bundesrepublik konnte bei der Entschädigungsprozedur nicht mehr ausgeschaltet werden. Wie in der Botschaft vom 29. August 1952 ausgeführt worden ist, wirkte die Schweiz zwar bei der Auf-

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Stellung eines neuen Entschädigungsplanes vom 20. April 1951 mit, widersetzte sich aber dessen zwangsweiser Durchführung. Er wurde denn auch von der Bundesrepublik abgelehnt, was dann schliesslich zum Ablösungsabkommen vom 26. August 1952 führte. Dieses hat zahlenmässig den Gedanken des Entschädigungsplanes vom 20. April 1951, wonach die Alliierten und die Schweiz von der um einen Viertel reduzierten Gesamtschätzung ausgingen, übernommen. Wir kommen auf diesen Punkt in anderem Zusammenhang noch zurück.

Das Ablösungsabkommen vom 26. August 1952 ist in der Botschaft vom 29. August 1952 so einlässlich dargelegt und kommentiert worden, dass wir uns hier auf die Feststellung beschränken können, dass die Schweiz auf jegliche Beteiligung am Erlös deutscher Vermögenswerte verzichtete und sich ihre Aufgabe im Grunde nur darauf beschränkte, zwischen den Alliierten und der Bundesrepublik einerseits und zwischen den deutschen Interessenten und ihrer Kegierung anderseits Treuhandfunktionen auszuüben. Der Leitgedanke des neuen Abkommens ging bekanntlich dahin, die von der deutschen Bundesregierung aufgebrachte Leistung an die Alliierten zu kompensieren durch gewisse Leistungen der einzelnen deutschen Vermögensbesitzer. Deren Werte in der Schweiz sollten liquidiert und gegen Auszahlung des Gegenwertes in deutscher Währung an die Interessenten nach Deutschland überwiesen werden. Man nahm in Deutschland an, sich durch Lastenausgleichsabgaben, Steuern, Bussen usw. für die Ablösungssumme decken zu können. Diese «Umwandlungen» hätten zwangsläufig dazu geführt, dass den deutschen Fiskalbehörden die in der Schweiz gelegenen Werte bekannt geworden wären. Um dies zu vermeiden und das ganze Verfahren zu vereinfachen, ist den Interessenten die Möglichkeit gegeben worden, innert bestimmter Frist zu Gunsten der Bundesrepublik einen Drittel ihrer Werte einzubezahlen, wodurch die übrigen zwei Drittel automatisch und ohne jede Meldung an deutsche Stellen von der Sperre zu befreien waren. Bei Abschluss des Ablösungsabkommens konnte unmöglich vorausgesehen werden, in welchem Verhältnis sich diese «Beitragsfälle» zu den «Umwandlungen» verhalten würden. Die deutsche Gesetzgebung hat sich aus naheliegenden Gründen bemüht, die «Beitragslösung» möglichst attraktiv zu gestalten. Es führte dies dazu, dass entgegen aller Erwartung in
nicht weniger als 98 Prozent aller Fälle die «Beitragsleistung» vorgezogen wurde.

u. Die Durchführung des Ablösungsabkommens Nachdem die beiden Verträge mit der Bundesrepublik Deutschland einerseits (26. August 1952) und mit den drei Alliierten andrerseits (28. August 1952) durch Bundesbeschluss vom 24. September 1952 genehmigt worden waren, traten sie am 19. März 1953 in Kraft. Am 2. April des gleichen Jahres überwies uns die Bundesrepublik den ihr von einem schweizerischen Bankenkonsortium kreditierten Betrag von 121,5 Millionen Franken (vgl. Abschnitt III). Am gleichen Tag leiteten wir diese Summe, abzüglich eines von uns früher gewährten Vorschusses von 20 Millionen Franken, an die Alliierten weiter. Damit waren

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die Verpflichtungen, die die Schweiz bezüglich der deutschen Vermögenswerte im Abkommen von Washington den Alliierten gegenüber eingegangen war, abgegolten.

Schon im Jahre 1952 hatte die Schweizerische Verrechnungsstelle die nötigen Vorarbeiten aufgenommen und im Einvernehmen mit der Aufsichtskommission einen Entwurf für den zur Durchführung des neuen Abkommens zu erlassenden Bundesratsbeschluss ausgearbeitet. Gestützt auf Artikel 2 des Bundesbeschlusses vom 24. September 1952 wurde am 6. März 1953 der Bundesratsbeschluss über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz erlassen, der ebenfalls am 19. März 1953 in Kraft trat. Er regelt indessen nur die sich aus dem Ablösungsabkommen ergebenden neuen Fragen ; der Bundesratsbeschluss über die vorläufige Kegelung des Zahlungsverkehrs zwischen der Schweiz und Deutschland vom 16. Februar 1945 (Sperrebeschluss) mit seinen Änderungen und Ergänzungen wurde durch den neuen Erlass nicht aufgehoben.

Im Durchführungsbeschluss wurden einige wichtige Fragen geregelt: 1. Als Durchführungsorgan wurde weiterhin die Schweizerische Verrechnungsstelle eingesetzt, die sich seit 1945 bereits mit der Erfassung und Verwaltung der deutschen Vermögenswerte in der Schweiz befasst hatte. Ihre kurz nach Abschluss des Abkommens von Washington hiezu gegründete Abteilung für die Liquidation der deutschen Vermögenswerte konnte, ohne allzu grosse organisatorische Änderungen, nun auch die eigentliche Liquidation dieser Vermögenswerte übernehmen. Die der Schweizerischen Verrechnungsstelle mit Bezug auf die Verwaltung und Liquidation der deutschen Vermögenswerte übergeordnete, mit Bundesratsbeschluss vom 3. September 1946 eingesetzte Aufsichtskommission für die Durchführung des Abkommens von Washington wurde beibehalten; sie hatte die Aufgabe, die Durchführung des Ablösungsabkommens zu überwachen und die Befugnis, der Schweizerischen Verrechnungsstelle die hiezu nötigen Weisungen zu erteilen.

Im weiteren wurde, was im Ablösungsabkommen nicht vorgesehen war, eine besondere Eekurskommission für Bewertungsfragen geschaffen, deren Aufgabe darin bestand, angegriffene Entscheidungen der Schweizerischen Verrechnungsstelle über die Bewertung der Vermögenswerte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Das Reglement dieser Bewertungsstelle ist am 19.März 1954 erlassen und vom Bundesrat am 9. April
1954 genehmigt worden.

Schliesslich galt es, die in Artikel III der Beilage zum Abkommen von Washington vorgesehene und vom Bundesrat durch Beschluss vom 3. September 1946 bestellte Rekurskommission, die ihre Tätigkeit am 19. März 1953 eingestellt hatte, zu ersetzen. Gemäss Artikel 18 des Durchführungsbeschlusses wurde die Rekursstelle für deutsche Vermögenswerte errichtet, bestehend aus fünf vom Bundesrat zu ernennenden schweizerischen Richtern. Als Präsident konnte wiederum Herr Bundesrichter G. Leu eh gewonnen werden. Als Mitglieder wurden ernannt: alt Bundesrichter Dr. Blocher, alt Bundesrichter Naegeli, Oberrichter Dr. Früh in Zürich und Professor Jeanprêtre, Gerichtspräsident in Neuen-

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bürg. Das von dieser Eekursstelle am 18.Mai 1953 erlassene Eeglement betreffend das Eekursverfahren wurde vom Bundesrat am 5. Juni 1953 genehmigt. Die neue Eekursstelle wurde ermächtigt, vorfrageweise auch über privatrechtliche Streitfragen zu entscheiden.

2. Neben diesen Fragen der Organisation wurden im Durchführungsbeschluss einige wichtige Fragen geregelt, die eine reibungslose Liquidation der vom Ablösungsabkommen erfassten Vermögenswerte gewährleisten sollten. So wurde unter anderem bestimmt, dass die Anmeldungen gemäss Bundesratsbeschluss vom 29.Mai 1945, sofern sie ohne Vorbehalt erfolgten, als Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 des SchKG gelten sollen. Anderseits wnr- ' den ohne Zustimmung der Schweizerischen Verrechnungsstelle getroffene Verfügungen über gesperrte Vermögenswerte als nichtig erklärt, wobei die Nichtigkeit von Anfang an wirksam wurde unter Vorbehalt der Eechte gutgläubiger Dritter sowie der Schadenersatzansprüche gegenüber Personen, die die Verfügung getroffen hatten. Im weitern wurde für die Kraftloserklärung abhanden gekommener Wertpapiere ein vereinfachtes Verfahren festgelegt, und es wurde die Verjährung von Deutschen in Deutschland zustehenden Forderungen für die Zeit vom 17.Februar 1945 bis zum 19.März 1953 unterbrochen.

3. Wie oben unter I bereits gesagt wurde, konnten schon nach den Bestimmungen des Abkommens von Washington gewisse in der Schweiz liegende oder von der Schweiz aus verwaltete Vermögenswerte, welche gemäss Bundesratsbeschluss vom 16.Februar 1945 der Sperre unterstellt waren, freigegeben werden. Es handelte sich im wesentlichen einerseits um in der Schweiz liegende Vermögenswerte von Personen, die in Österreich, im Gebiet der früheren Freien Stadt Danzig, in den seinerzeit dem Deutschen Eeich angegliederten Ostgebieten oder im Gebiet der Tschechoslowakischen Eepublik wohnten, andererseits um Vermögenswerte von Deutschen in der Schweiz und in Drittstaaten.

Das Ablösungsabkommen (Art. 17 und 21) und der Durchführungsbeschluss (Art. 7 und 8) erweiterten die Liste der von der Sperre freizustellenden Vermögenswerte ganz erheblich. Mit Inkrafttreten des Durchführungsbeschlusses waren von der Sperre zu befreien : die gewerblichen Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Muster und Modelle, Fabrik- und Handelsmarken) und Schutzrechtsanwendungen sowie
Urheberrechte, sofern sie nicht Bestandteil eines Unternehmens in der Schweiz, an dem ein deutsches Interesse bestand, waren oder von einem solchen benutzt wurden ; die Sanatorien Davos-Wolfgang und Agra, die Kindersanatorien Agra und Arosa, einschliesslich die übrigen Vermögenswerte der Stiftung Deutscher Heilstätten Davos und des Vermögens der Burchard-Gedächtnis-Stiftung in Davos ; Vermögen, deren Gegenwert im gebundenen Zahlungsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland bezahlt wurde oder bezahlt werden musste, und schliesslich auf deutsche Währung lautende, in Deutschland ausgegebene Wertpapiere, die Deutschen in Deutschland gehörten.

635 Ferner waren auf Antrag des Eigentümers oder seines Bevollmächtigten zu befreien : die unter dem Namen «Tägermoos» zusammengefassten deutschen Vermögenswerte ; die Vermögenswerte von Deutschen, wohnhaft in den Enklaven Büsingen und Jestetten ; die Vermögenswerte der Gesellschaften, die folgende Grenzkraftwerke besassen, .

mit Einschluss der deutschen Beteiligungen an diesen Gesellschaften: Eyburg-Schwörstadt, Kraftübertragungswerke Kheinfelden AG, AlbbruckDogern, Eeckingen.

Vermögenswerte, die vor dem 27. Juni 1946 entweder kraft gesetzlicher Erbfolge oder kraft eines nachweisbar vor dem 17. Februar 1945 errichteten Testaments auf eine Person übergegangen waren, die nicht als Deutsche in Deutschland im Sinne des Abkommens galt, Vermögen ehemaliger Schweizerinnen, die mit Deutschen verheiratet sind oder waren, Doppelbürger, sofern der zweite Heimatstaat den Antrag unterstützte, rassisch, politisch oder religiös Verfolgte usw.

Über die Tätigkeit der einzelnen Durchführungsorgane kann wie folgt berichtet werden: Schweizerische Verrechnungsstelle Nach Inkrafttreten des Ablösungsabkommens und des Durchführungsbeschlusses konnte die seinerzeit geschaffene Abteilung für die Liquidation der deutschen Vermögenswerte von der Erfassung und Verwaltung dieser Vermögenswerte zur eigentlichen Liquidation übergehen.

o. Organisation. Die Organisation der Abteilung für die Liquidation deutscher Vermögenswerte wurde im wesentlichen beibehalten. Es musste indessen der Personalbestand wiederum erhöht werden, wobei jedoch nur noch Aushilfen angestellt wurden. Anfangs Dezember 1953 betrug der Personalbestand 85, der sich aus 59 definitiv Angestellten und 26 Aushilfen zusammensetzte. Mit fortschreitender Durchführung des Ablösungsabkommens konnte abgebaut werden. Am 31. Dezember 1957 beschäftigte die Liquidationsabteilung noch 8 Personen, wovon 5 Aushilfen.

b. D u r c h f ü h r u n g der L i q u i d a t i o n . In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Bankiervereinigung und den schweizerischen Banken, sowie Vertretern der deutschen Gesandtschaft, des deutschen Bundesfinanzministeriums und der Bank deutscher Länder gab die Verrechnungsstelle im Juni 1953 eine «Allgemeine Wegleitung» heraus, die sämtlichen schweizerischen Banken und über die schweizerische Gesandtschaft in Deutschland den schweizerischen Konsulaten
sowie den deutschen Landeszentralbanken zugestellt wurde, um die deutschen Vermögensinhaber über den Inhalt des Abkommens und der Durchführungsbestimmungen zu orientieren. Auch erschienen sowohl in der

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Schweiz als auch in Deutschland in den Tageszeitungen die notwendigen Bekanntmachungen über die Inkraftsetzung des Ablösungsabkommens und des Durchführungsbeschlusses. Dabei wurde auf die verhältnismässig kurze Frist von zwei Monaten hingewiesen, binnen welcher der deutsche Interessent sich entscheiden musste, ob er die Freistellung gegen Bezahlung des Drittelsbeitrages beantragen wolle.

Im Interesse der Arbeitsteilung und der Vereinfachung des ganzen Verfahrens verständigte man sich ferner mit den Schweizer Banken dahin, dass diese in weitgehendem Masse für ihre Kunden die Einreichung des Freigabeantrages und die Erfüllung der weiteren, mit der Freigabe zusammenhängenden Formalitäten übernahmen. Die Verrechnungsstelle behielt sich lediglich vor, im Einzelfalle die Vollmacht zu prüfen. Eine ähnliche Verständigung wurde mit den Versicherungsgesellschaften getroffen. Im Versicherungsverkehr ergaben sich gewisse Schwierigkeiten in bezug auf die Grundsätze, die bei der Berechnung des Wertes von Eentenverträgen und anderer Versicherungsleistungen zur Anwendung gelangen sollten. Die mit den Versicherungsgesellschaften getroffene Verständigung wurde von der Auf sich tskommission in ihrer Sitzung vom 25. August 1953 genehmigt.

Längere Verhandlungen waren auch nötig für den Einbezug der in Deutschland liegenden schweizerischen Wertpapiere in das Freigabeverfahren gemäss Ablösungsabkommen, wie dies anlässlich der Verhandlungen in Bonn im August 1952 vereinbart worden war.

Wie zu erwarten war, wurde die Verrechnungsstelle nach der Inkraftsetzung der Durchführungsbestimmungen geradezu mit Post überschwemmt. Auch die Anzahl der Besucher war ausserordentlich hoch. Allein im April 1953 gingen 11 000 Briefe ein, während 600 Besucher ihre Anliegen persönlich vorbrachten.

Trotz grösster Anstrengung seitens aller Mitarbeiter der Liquidationsabteilung konnten die 'eingehenden Anfragen in den ersten Monaten nicht laufend erledigt werden. Es war daher notwendig, Massnahmen zur reibungslosen Abwicklung des Verkehrs zu treffen. Mit den Banken wurde vereinbart, dass der Verrechnungsstelle, wenn immer möglich, zuerst die kleineren, klaren Fälle unterbreitet werden sollten, wirklich dringende Fälle aber sofort behandelt werden könnten.

Im übrigen wurden die Gesuche grundsätzlich in chronologischer Eeihenfolge bearbeitet. Dank
dieser Eegelung konnte der grosse Andrang von Anträgen schliesslich ohne erhebliche Störungen verarbeitet werden.

Zahlenmässig ergibt die Liquidation der deutschen Vermögenswerte gemäss Ablösungsabkommen in der Zeit vom 19. März 1953 bis 81. Dezember 1957 folgendes Bild : Total der Freigabeanträge Freigabe gegen Beitrag Freigrenzenfälle und Freigabe ohne Beitrag (Artikel 5 und 17 Abk.)

Umwandlungen

Anzahl

Betrag in Mio Fr.

20 830 4834

697,1 587,9

15 507 489

99,9 9,3

637

Am 31. Dezember 1957 waren noch 134 Freigabeanträge unerledigt, welche Vermögenswerte im Gesamtbetrag von ungefähr 6 Millionen Pranken betreffen.

Die Gesamtsumme der gemäss Ablösungsabkommen bezahlten Drittelsbeiträge belief sich am 31.Dezember 1957 auf 181 558 760,57 Franken; davon sind dem Ablösungskonto gemäss Artikel 2 des Abkommens 179 Millionen Franken gutgeschrieben worden. Stellt man die Summe der bezahlten Drittelsbeiträge dem Ablösungsbetrag von 121,5 Millionen Franken gegenüber, so ergibt sich eine Differenz von 60 058 760,57 Franken. Hievon sind aber die recht erheblichen Kosten der zur sofortigen Zahlung des Ablösungsbetrages erforderlichen Bankenkredite abzuziehen. Über die Entstehung des sogenannten Überschusses von etwas über 50 Millionen Franken und dessen Verwendung wird in einem späteren Abschnitt im einzelnen berichtet.

Neben der eigentlichen Liquidation der deutschen Vermögenswerte im Zusammenhang mit der Aufbringung des Ablösungsbetrages hatte die Verrechnungsstelle die bereits im Jahre 1947 begonnene Freistellung aller derjenigen Vermögenswerte zu veranlassen, die der Liquidation nicht unterworfen waren.

Insgesamt waren gemäss Bundesratsbeschluss vom 16.Februar 1945, abgesehen von den Vermögenswerten Deutscher in Deutschland, Werte im Gesamtbetrag von rund 522 Millionen Franken gesperrt worden. Bis zum 31. Dezember 1957 wurden folgende Vermögenswerte von der Sperre befreit: Betrag in Millionen Franken bis 19. 3. 53 bis 31. 12. 57

Freistellungsgrund

a. Freigabe nichtdeutscher Vermögenswerte gemäss BEB vom I.April 1947 - Österreicher - Bewohner der Freien Stadt Danzig .

- Bewohner der angegliederten Ostgebiete - Bewohner der Tschechoslowakei. . .

102,5

107,9

16,6

16,7

b. Nichtdeutsche in Deutschland gemäss BEB vom 29. April 1947

10,5

11,4

c. Freigabe der Vermögenswerte von Deutschen in der Schweiz und in Drittstaaten gemäss BEB vom 11. Februar 1948 - Deutsche in der Schweiz - Deutsche im Drittausland

273,5 57,0

280,2 .58,1

d. gemäss Ablösungsabkommen (vgl. S. 6/7 hievor) - Tägermoos und Grenzkraftwerke (Art. 21)

38,0

Übertrag

512,3

638 Freistellungsgrund

. -

Betrag in Millionen Franken bis 19. 3. 53 bis 81.12. 57

Übertrag Enklaven Büsingen und Jestetten (Art. 21) Sanatorien (Art. 21) Eigentumsübergang im Erbgang (Art. 21, Ziff. 7) Wiedergutmachungs- und Eückerstattungsansprüche (Art. 5, Ziff. 2d) . .

Nacherbschaftsansprüche (BEB vom 6. März 1953, Art. 8, Buchstabe p) . .

Rückwandererverpflichtungen (Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 20) ...

Entscheid des Bundesministeriums der Finanzen (Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 5)

512,3

0,4 1,3

5,2

2,6 521,8

Total freigegebene Vermögenswerte . . . .

c. G l ä u b i g e r - K a t e g o r i e n . Betrachtet man die Durchführung des Ablösungsabkommens nach Gläubiger-Kategorien, so ergibt sich für die Zeit vom April 1953 bis zum 31.Dezember 1957 folgendes Bild: ·

1. Juristische Personen und Gesellschaften in Deutschland .

Fr.

315 331 726

Fr.

Davon: Freigrenzenfälle 901 902 Überweisung nach Deutschland. .

4383139 Spezialfälle und solche mit nichtdeutscher Beteiligung von 25 bis 50 Prozent 8652392 Beitragsfälle 301 394 293 2. Juristische Personen und Gesellschaften in Deutschland mit mehrheitlich nichtdeutscher Beteiligung 3. Gesellschaften im Drittausland mit mehrheitlich deutscher Beteiligung Davon: Freigrenzenfälle 37 370 Überweisung nach Deutschland. .

21 102 Beitragsfälle . .'

4093790 4. Gesellschaften im Drittausland mit deutscher Beteiligung von 25-50 Prozent (Beitragsfälle) Übertrag

6 883 207 4152262

925 424 327292619

639 Fr.

Übertrag 5. Natürliche Personen in Deutschland Davon: Freigrenzenfälle 29848405 Überweisung nach Deutschland . .

4 927 689 Beitragsfälle 281 433 444 6. Natürliche Personen, Spezialfälle (befreit ohne Beitrag) . .

Davon: Staatenlose l 031 696 Doppelbürger 8153448 ehemalige Schweizerinnen . . . .

10 707 392 Volksdeutsche, Saarländer, Büsinger und Jestetter 17 209 183 Eassisch, politisch und religiös Verfolgte 16 538'612 Total abgerechnete Vermögenswerte

Fr.

827 292 619 316 209 538

53 640 331

697 142 488

d!. Vermögens-Kategorien. Betrachtet man die Durchführung des Ablösungsabkommens nach Vermögens-Kategorien, so ergibt sich für die Zeit vom April 1953 bis 31.Dezember 1957 folgendes Bild: Fr.

1. Bargeld 2. Gold und andere Edelmetalle 3. Bankguthaben inkl. Konto Zahlungssperre bei der Schweizerischen Nationalbank Darin sind auch enthalten : a. die Erträgnisse der gesperrten Vermögenswerte ; b. der Erlös aus den Umwandlungen zur Werterhaltung während der Sperrezeit gemäss Artikel g^"81*61 des BEB vom 16.Februar 1945, wie Verkäufe von Waren, unrentabeln Liegenschaften, Beteiligungen usw.

Fr. · 4. Schweizerische Wertpapiere Davon Aktien ohne Beteiligungscharakter.

24 128 552 5. Ausländische Wertpapiere . Davon Aktien ohne Beteiligungscharakter.

3 229 206 6. Diverse Wertpapiere, wie Genossenschaftsanteile 7. Beteiligungen in der Schweiz Davon an: Aktiengesellschaften und Stiftungen . .

242 483 636 Erbengemeinschaften und andere Beteiligungen 36 584 612 Übertrag

733636 11661362 171 510 661

103314723 20436821 2 525 085 279 068 248

589 250 536

640 Fr.

Übertrag

589 250 536

8. Immobilien 9. Hausrat, Fahrhabe, Betriebseinrichtungen, Schmuck und Kunstgegenstände 10. Versicherungsansprüche und Netto-Bückversicherungsguthaben 11. Hypotheken 12. Darlehen, sonstige Guthaben und Nutzniessungsansprüche 13. Nichtbeitragspflichtige Vermögen (Abkommen, Art. 21, Ziff. 7, Art. 5, Ziff. 2d, Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 20, BEB vom 6.März 1953, Art. 8, Buchstabe p) 14. Vom Beitrag befreite Vermögen (Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 5) 15. Grenzkraftwerke, Tägermoos 16. Angerechnete Teilfreigaben während der Sperrezeit zum Lebensunterhalt

26 412 028

Total der Aktiven

8 992 415 15130894 1692698 23 692 363 5 250 648

2 599 619 38 033 873 7 295 631 718 350 705 .

Zu berücksichtigende, abzugsberechtigte Passiven : Fr.

a. dinglich gesicherte Schulden 11844113 b. andere zu berücksichtigende Passiven (Art. 6 BEB, 6.März 1953) 7889745 c. mit Nutzniessung belastet 1474359 21 208 217 697142488

Nettovermögen Dieser Betrag teilt sich auf in : a. Freigrenze 6. Beitrag 331/3 Prozent c. Beitrag 50 Prozent (Art. 4, Ziff. 3, des Abkommens) d. Überweisung nach Deutschland e. Spezialfälle

30 792 731 583 905 747 3 941 204 9 331 930 69 170 876

Aufsichtskommission Seit unserem Bericht vom 13. April 1949 und bis zum 31. Dezember 1957 fanden insgesamt 26 Sitzungen der Aufsichtskommission statt. Abgesehen von der alljährlichen Entgegennahme des Geschäftsberichtes der Schweizerischen Verrechnungsstelle hatte sich die Aufsichtskommission u.a. mit folgenden

641 Fragen zu befassen: Sequesterkonflikte, Umwandlung von Vermögenswerten in Bankguthaben, Probleme im Zusammenhang mit Eeichsmarkwerten, Erlass von Eichtlinien zum Ablösungsabkommen, Zulassung von Arresten auf gesperrte Vermögenswerte, Eückkauf von bereits umgewan delten Vermögenswerten durch Deutsche, Behandlung von Wertpapieren, die von der Schweiz aus verwaltet werden, aber im Ausland liegen, Auskunftspflicht der Verrechnungsstelle und Akteneinsicht durch Dritte, Behandlung von Familienstiftungen usw.

Vereinzelt waren auch gegen die Verrechnungsstelle gerichtete Beschwerden zu behandeln, die jedoch alle abgewiesen werden konnten.

Eine besonders wichtige Aufgabe der Kommission lag in der begutachtenden Stellungnahme zu den zahlreichen zwischenstaatlichen Verhandlungen mit den Alliierten sowohl als mit der Bundesrepublik Deutschland.

Die Aufsichtskommission hat sich bereit erklärt, ihre Tätigkeit vorläufig noch weiterzuführen.

Rekurs- und Bewertungsstelle für deutsche Vermögenswerte (Art. 17 und 18 des BEB vom 6. März 1953) Die im Abkommen von Washington vorgesehene Eekurskommission hat ihre Tätigkeit am 19.März 1953 eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie 498 Eekurse gegen Verfügungen der Schweizerischen Verrechnungsstelle zu entscheiden. In erster Linie waren diese Verfügungen dahin zu überprüfen, ob ein Vermögenswert den Vorschriften des öffentlichen Eechtes über die Sperre deutscher Vermögenswerte unterstehe. Es wurden im wesentlichen folgende Fragen "entschieden: Sperre von Treuhandbesitz, streitige Anspruchsberechtigungen, Befriedigung von Gläubigern aus gesperrten Mitteln, Auszahlung von Unterhaltsbeiträgen, Zulässigkeit von Verfügungen von Todes wegen bezüglich gesperrter Vermögenswerte, Vorliegen und Umfang deutscher Beteiligungen an . Handelsgesellschaften, Stiftungen und Vereinen, Feststellung der Beherrschungsverhältnisse. Seit 1947 kam eine besondere Bedeutung denjenigen Entscheiden zu, welche die Umwandlung gesperrter Vermögenswerte in Bankguthaben zwecks Vermeidung von Wertverlusten betrafen (Art. 9 Massnahmen im Hinblick auf eine spätere Liquidation der betroffenen Vermögenswerte begründe. Es ist bemerkenswert, dass die Gemischte Kommission von ihrem Eekursrecht gegen Entscheide der Verrechnungsstelle nie Gebrauch gemacht hat.

Nach Inkrafttreten des Ablösungsabkommens wurde die Eekursinstanz durch die Eekursstelle für deutsche Vermögenswerte mit Sitz in Lausanne ersetzt. Artikel 18 des Bundesratsbeschlusses vom 6. März 1953 erteilte der Eekursstelle die Befugnis, vorfrageweise auch privatrechtliche Streitfragen zu entscheiden, wobei im Eeglement der Eekursstelle vom 18. Mai 1953 auch ein ent-

642 sprechendes Beweis verfahren eingeführt wurde. Über Eigentumsfragen wurde vorfrageweise u.a. dann entschieden, wenn streitig war, ob ein Vermögenswert den Massnahmen des Ablösungsabkommens unterliege, ferner ob Drittansprüche an gesperrten Vermögenswerten zu Eecht bestanden. Die Kekursstelle hatte ferner über die Berücksichtigung von Dritteigentum an gesperrten Vermögenswerten sowie auch über das Bestehen und die Berücksichtigung von Drittansprüchen an gesperrten Forderungen zu entscheiden. Im letzteren Falle lehnte indessen die Rekursstelle ihre Zuständigkeit ab, wenn die Ansprüche von einem den Massnahmen des Ablösungsabkommens nicht unterliegenden Schuldner bestritten wurden. Weiter hatte sich die Rekursstelle über die Befreiung der gesperrten Vermögenswerte von Wehrmachtsangehörigen, politisch und rassisch Verfolgten, auszusprechen. Dazu kamen noch Entscheide, die sich auf die Durchführung von Sequesterabkommen von Drittstaaten bezogen. Die Rekurskommission hat die liberale Auffassung und Praxis der Verrechnungsstelle mit Bezug auf Ausrichtung von Unterhaltsbeiträgen aus gesperrten Vermögenswerten immer geschützt.

Seit Inkrafttreten des Abkommens von Washington und bis zum 31. Dezember 1957 hatten die Rekursinstanz und die sie ablösende Rekursstelle zusammen 640 Rekurse zu entscheiden.

Die Bewertungsstelle gemäss Artikel 17 des Bundesratsbeschlusses vom B.März 1953 behandelte ihrerseits 16 Rekurse.

181 weitere Rekurse wurden in der gleichen Zeitspanne auf administrativem Wege (Rückzug des Rekurses, spätere Anerkennung der Verfügung der Schweizerischen Verrechnungsstelle, Wiedererwägung, Aufhebung der Verfügung der Schweizerischen Verrechnungsstelle) erledigt.

Zusammenarbeit mit deutschen Stellen Wie schon in unserer Botschaft vom 29. August 1952 betreffend die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz ausgeführt wurde, stellte die im Abkommen von Washington vorgesehene Gemischte Kommission mit Inkrafttreten der Abkommen vom 26. und 28. August 1952 ihre Tätigkeit ein. Sie wurde nicht ersetzt. Dagegen war es unerlässlich, dass die Schweiz mit deutschen Stellen im Hinblick auf die Durchführung des Ablösungsabkommens in engem Kontakt blieb.

Die seit dem Inkrafttreten des Ablösungsabkommens in kurzen Abständen zwischen der Schweizerischen Verrechnungsstelle, dem Bundesministerium der Finanzen
und der Bank deutscher Länder (heute Deutsche Bundesbank) zur Behandlung der technischen Abwicklung des Abkommens,-genereller Interpretationsfragen und zur Erledigung von Einzelproblemen in Bonn, Bern und Zürich abgehaltenen Arbeitsbesprechungen konnten im Geiste einer guten Zusammenarbeit reibungslos durchgeführt werden.

Neben den technischen Fragen (Eröffnung der Konten, Abwicklung der Beitrags- und Umwandlungsfälle usw.) stand anfänglich namentlich das Pro-

643 blem des Einbezuges der in Deutschland deponierten schweizerischen Wertpapiere in das Freigabeverfahren des Ablösungsabkonamens gemäss der im August 1952 in Bonn getroffenen Vereinbarung in Frage. Ferner wurde über die Behandlung von Spätheimkehrern sowie über die Abwicklung der Ausnahmefälle gemäss Artikel 17 des Abkommens, bzw. Artikel 8 der Durchführungsbestimmungen, diskutiert.

Über Einzelfälle wurde den deutschen Instanzen nur Auskunft erteilt, wenn die deutschen Eigentümer von ablösungspflichtigen Vermögenswerten selber durch Vermittlung der deutschen Behörden an die Verrechnungsstelle gelangten. Es handelte sich dabei namentlich um Bestätigungen über Vermögensangaben von Beitragspflichtigen, die beim Bundesministerium der Finanzen aus sozialen oder karitativen Gründen die Niederschlagung des Beitrages gemäss Unterzeichnungsprotokoll zu Artikel 5 des Abkommens beantragt hatten.

In jüngster Zeit standen bei den Besprechungen vor allem die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Eückerstattung des Überschusses entstandenen Probleme im Vordergrund. Während das Hauptproblem, welcher der beiden Abkommensstaaten die Eückerstattung durchzuführen habe, auf Begierungsebene behandelt worden war, konnte die Frage der Mitwirkung der Verrechnungsstelle an der Abwicklung des am 22. Juni 1957 in Kraft getretenen deutschen 'Gesetzes über die Rückerstattung des Überschusses anlässlich einer in Bern unter Leitung des Präsidenten der Aufsichtskommission mit einer deutschen Delegation durchgeführten Besprechung geregelt werden. Die Mitwirkung der Verrechnungsstelle erschöpft sich in der Ausstellung von Bescheinigungen über die Höhe der bezahlten Beiträge, welche den deutschen Berechtigten auf ihren Antrag ausgestellt werden. Es wurden bis zum 31. Dezember 1957 1578 Bescheinigungen für Beiträge im Betrage von rund 137 Millionen Franken ausgestellt.

Es wurden im ganzen 16 Arbeitsbesprechungen abgehalten, davon 9 in Zürich, 6 in Bonn und l in Bern.

III. Einzelfragen A. Der L i q u i d a t i o n s - Ü b e r s c h u s s . Es muss hier zunächst daran erinnert werden, aus welchen Überlegungen die Ablösungssumme von 121,5 Millionen Franken, die durch die effektiven Eingänge um. über 50 Millionen überschritten wurde, festgesetzt worden ist.

Durch Bundesratsbeschluss vom 29. Mai 1945 (AS 61, 331) wurde die
Meldepflicht für alle in der Schweiz gelegenen oder von der Schweiz aus verwalteten Vermögenswerte deutscher natürlicher oder juristischer Personen festgesetzt.

Unter den Begriff «Deutschland» fielen damals auch Österreich, die angegliederten sudetendeutschen Gebiete, das Gebiet der Freien Stadt Danzig, die seinerzeit dem Deutschen Reich angegliederten Ostgebiete und die Untersteiermark.

Das gewaltige Material, das hierauf bei der Schweizerischen Verrechnungsstelle

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einging, konnte erst in den Jahren 1946/47 gesichtet werden. Die einlässliche Nachprüfung der angegebenen Werte war aber auch damals noch ein Ding der Unmöglichkeit. Man musste sich mit Schätzungen begnügen. Die Gesamtheit der angemeldeten Werte wurde auf rund eine Milliarde geschätzt. Da es im Abkommen von Washington gelungen war, die Zwangsmassnahmen auf die Werte derjenigen Deutschen zu beschränken, die zwischen dem 17.Februar 1945 und dem I.Januar 1948 in Deutschland wohnhaft waren, und da auch die von der Schweiz aus nur verwalteten deutschen Werte in Wegfall kamen, so konnte für ungefähr die Hälfte aller blockierten Werte die Sperre aufgehoben werden. (Gemäss vorstehender Tabelle waren es ca. 460 Mio Fr.)

Schon bei der Ausarbeitung des Entschädigungsplanes vom 20. April 1951 (vgl. Botschaft vom 29. August 1952) war man sich im weiteren darüber einig, von den Liquidationsmassnahmen die Doppelbürger, die gebürtigen Schweizerinnen und die Grenzkraftwerke auszunehmen. Ferner sollte eine Freigrenze von 10 000 Franken geschaffen werden. Auf Grund des damals vorhandenen Materials und der damaligen Werte gingen sowohl die Schweiz als auch die Alliierten als auch die Bundesrepublik von einem schliesslichen Liquidationsertrag von 360 Millionen Franken aus. Da die Alliierten bereit waren, auf einen Viertel zu verzichten und sich die Schweiz gewiss nicht weniger entgegenkommend zeigen konnte, so blieben 270 Millionen Franken nach dem damaligen Plan hälftig auf beide Partizipanten zu verteilen. Von diesem Betrag sind dann alle Beteiligten ausgegangen. Er ist insbesondere zwischen den Alliierten und der Bundesrepublik als definitiver Ablösungsbetrag vereinbart worden, wobei für Barzahlung ein Diskont von 10 Prozent festgesetzt wurde. Das ergibt die Ablösungssumme von 121,5 Millionen Franken, zu welcher, für die Bemessung des Überschusses, noch die Zinsen und Kosten des Bankenkredites mit ca. 7,5 Millionen Franken zu rechnen sind.

Das .geschätzte Liquidationsergebnis von 360 Millionen einerseits und die aufzubringende Summe von ca. 120 Millionen andrerseits führten zur Bestimmung ein5s Drittel-Beitrages. Angesichts der sehr grossen .Unsicherheitsfaktoren konnte niemand annehmen, dass die Summe aller Beiträge auch nur ungefähr der Ablösungssumme entsprechen werde. Sie konnte wesentlich kleiner, aber auch
wesentlich grösser sein. Alle fünf beteiligten Eegierungen gingen aber jedenfalls davon aus, dass die getroffene Regelung, trotz ihrer Eisiken und Chancen für die Bundesrepublik eine endgültige sein müsse und dass irgendeine nachträgliche Eevision im einen oder andern Sinne nicht in Frage kommen könne. Eine solche hätte übrigens ausdrücklich in den Verträgen vorgesehen werden müssen, was nicht der Fall war. Man denke nur daran, dass im Falle eines Mindererlöses die Schweiz, die die zwei Drittel freigegeben hatte, niemals die Möglichkeit besass, die deutschen Werte nachträglich wieder zu sperren und eine höhere Quote zu verlangen. Auf der andern Seite konnte deshalb auch nicht an eine Rückzahlung gedacht werden, falls sich ein Überschuss ergäbe. Der endgültige Charakter der getroffenen Eegelung ist denn auch in der Botschaft vom 29. August 1952 betont worden.

645 Die Bundesregierung hat tatsächlich längere Zeit mit der Möglichkeit gerechnet, einen Minderertrag aus eigenen Mitteln decken zu müssen, beide Vertragspartner haben aber auch die Möglichkeit eines Überschusses ins Auge gefasst. Es war die Schweiz, die sich für einen solchen Fall gewisse Eechte sichern wollte: Gleichzeitig mit dem Ablösungsabkommen ist ja bekanntlich auch der schweizerisch-deutsche Vertrag über die sogenannte «Clearing-Milliarde» abgeschlossen worden. Er bestimmt, dass die dort vorgesehenen deutschen Zahlungen über das schweizerisch-deutsche Zahlungsabkommen abzuwickeln seien, falls nicht andere Zahlungsmittel vorhanden wären (Art. 6, Abs. 1). Dabei hat man gerade an einen möglichen Überschuss auf dem Ablösungskonto gedacht. Die Schweiz hat sich denn auch, zur Entlastung ihrer damals bedenklich hohen Gläubigerposition bei der Europäischen Zahlungsunion, der Bundesrepublik gegenüber mehrmals auf diese zuletzt erwähnte Vertragsbestimmung bezogen.

Wenn sich schon aus diesen Darlegungen der zwingende Schluss ergibt, dass die Schweiz nach Erreichung der Ablösungssumme die weitern Überweisungen nach Deutschland nicht hätte verhindern dürfen, so führt auch die genaue Prü" fung des Vertragstextes selber zum gleichen Schluss : Nach Artikel 2 des Ablösungsvertrages war bei der Schweizerischen Nationalbank zugunsten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf den Namen der Bank deutscher Länder ein besonderes Konto, das «Ablösungskonto» zu errichten, das zu speisen war einerseits durch die «Beitragsdrittel», anderseits durch die «Umwandlungen».

Wir haben schon dargelegt, dass in Wirklichkeit die ersteren 98 Prozent, die letzteren 2 Prozent ausmachten. Diese Drittel-Beiträge waren vertragsgemäss nicht an die Schweizerische Verrechnungsstelle, sondern direkt auf das - deutsche - Ablösungskonto zu leisten. Ganz bewusst wollte der Vertrag eine direkte Eechtsbeziehung zwischen den deutschen Interessenten, die sich zur Beitragsleistung entschlossen hatten, und ihrer Eegierung schaffen. Bewusst sollten Zahlung und Transfer zusammenfallen und der Bundesrepublik direkt Franken verschaffen.

Diese vertraglich vorgesehene Lösung hätte nun aber den Nachteil gehabt, dass die Bank deutscher Länder und damit die deutschen Fiskalbehörden von den Namen der Interessenten und der Höhe ihrer Beiträge
Kenntnis erhalten hätten. Einzig um dies"zu vermeiden und die Anonymität zu wahren, wurde in der Folge ein «Vorkonto »der Verrechnungsstelle errichtet, auf welches die Drittel-Beiträge einbezahlt wurden und aus welchem die Verrechnungsstelle regelmässig Globalsummen auf das Ablösungskonto überwies. Dies ändert nichts daran, dass die deutschen Interessenten nicht der Verrechnungsstelle, sondern.der Bank deutscher Länder zu zahlen hatten und dass die Verrechnungsstelle über das Vorkonto keine eigene Verfügungsbefugnis besass. Nichts hätte sie deshalb berechtigt, die Weiterleitung dieser Eingänge an die Bank deutscher Länder nach Erreichung der Ablösungssumme einzustellen.

Diesen Standpunkt hat der Bundesrat schon bei der Beantwortung .der Kleinen Anfrage von Herrn Nationalrat Obrecht vom 24. März 1955 und seither konstant eingenommen. Er konnte auch die Verrechnungsstelle nicht anweisen, Bundesblatt. 110. Jahrg. Bd. II.

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das Vorkonto zu blockieren oder gar von der Bundesrepublik Eückerstattung schon überwiesener Beträge verlangen. Zwischen den beiden Partnern des Staatsvertrages bestand hinsichtlich dieser Frage keinerlei Meinungsverschiedenheit darüber, dass ausschliesslich das deutsche Parlament über die Verwendung des Überschusses zu bestimmen habe. Der Bundesrat hatte deshalb auch keine Veranlassung, diese Frage der Bundesversammlung zu unterbreiten. Im Sinne eines Hinweises hat man hingegen schweizerischerseits mehrfach und nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, wie wünschenswert es sei, den Überschuss an die Interessenten verhältnismässig zurückzuerstatten. Man hat hiefür in den Kreisen der Regierung und des Parlamentes in Deutschland viel Verständnis gezeigt und ist schliesslich durch Erlass des Gesetzes vom 22. Juni 1957 zu einer Lösung gelangt, die von der überwiegenden Mehrheit aller deutschen und schweizerischen Interessenten als gerecht und tragbar anerkannt wurde. Das erwähnte Gesetz ist von beiden Kammern des deutschen Parlamentes einstimmig angenommen worden. Es sieht bekanntlich die pro rata Rückzahlung des Überschusses gegen eine Ersatz-Abgabe an den deutschen Lastenausgleich vor. Wir haben die Schweizerische Verrechnungsstelle ermächtigt, diezur Geltendmachung der Rückzahlung nötigen Bescheinigungen-auszustellen, was bis jetzt für eine Summe von ca. 140 Millionen geschehen ist. So konnte, denn auch dieses Problem, das während längerer Zeit in Deutschland und namentlich auch in der Schweiz heftige Reaktionen ausgelöst hatte, befriedigend geregelt werden.

Hätte sich der Überschuss auf einige wenige Millionen beschränkt, so wäre eine Diskussion wohl kaum entstanden. Die Beurteilung einer solchen Rechtsfrage kann aber selbstverständlich nicht davon abhängen, ob der Betrag etwas grösser oder kleiner ist Gewiss hat bei Abschluss der Verträge von 1952 niemand an einen derart grossen Überschuss gedacht. Es lag denn auch nahe, den Grund in einer wesentlich zu tiefen Schätzung der zu erwartenden. Gesamtsumme (860 Mio Fr.) zu suchen. Man hat sogar vermutet, diese Schätzung sei bewusst zu tief gehalten worden. Darüber ist folgendes zu sagen: Gestützt auf die am 29. Mai 1945 stipulierte Anmeldepflicht ging bei der Verrechnungsstelle ein gewaltiges Material ein. In mühsamer Arbeit wurde es gesichtet. Im
Jahre 1947 gelangte man zu einer provisorischen Schätzung, wobei man sich klar war, dass namentlich der Wert der vielen Beteiligungen nur durch eingehende Untersuchungen im Einzelfall feststellbar war, was dem Liquidationsstadium vorbehalten bleiben musste. Dazu kam, dass damals noch fast alle Auslandswerte als Nonvaleurs betrachtet wurden. Viele Schweizergesellschaften mit deutscher Beteiligung arbeiteten, zum Teil als Folge der schwarzen Listen, nicht oder kaum mehr und. wurden entsprechend tief bewertet. Ganz entscheidend war aber die in Verbindung mit der Korea-Krise eingetretene gewaltige, von niemandem vorausgesehene Wertsteigerung der Aktien und Beteiligungen. Der Gesamtindex der schweizerischen Aktien erfuhr zwischen dem 31. Januar 1955 und dem 81. Dezember 1956 eine Steigerung von nicht weniger als 150 Prozent.

Aus der Zusammenstellung über die Vermögenskategorien ergibt sich, dass ge-

.647

rade diese Wertpapiere und Beteiligungen den grössten Posten ausmachen. Sie wurden hauptsächlich im Jahre 1954 und anfangs 1955 zu den damaligen hohen Kursen (Wertzuwachs ca. 80-90%) abgerechnet. So musste bei dieser Entwicklung ein sehr bedeutender Überschuss entstehen. Man darf also wohl feststellen, dass die Schätzungen von 1947, die die Grundlage der Abmachungen von 1951/52 bildeten, im allgemeinen durchaus richtig waren. Man darf sogar recht ernsthafte Zweifel darüber äussern, ob die Ablösungssumme ohne diese unerwartete Steigerung erreicht worden wäre. Dabei ist die ebenfalls starke Wertsteigerung auf dem Liegenschaftsmarkt erst noch unberücksichtigt geblieben.

B. S e q u e s t e r k o n f l i k t e : In unserem Bericht vom 13. April 1949 ist bereits auf die Schwierigkeiten hingewiesen worden, denen die Schweiz anlässlich ihrer Verhandlungen mit den Alliierten auf dem Gebiet der Sequesterkonflikte begegnete. In Artikel 3 des Abkommens vom 28. August 1952 wurde festgestellt, dass die Stellung, welche ein Mitglied der Interalliierten Eeparationen-Agentur hinsichtlich eines zwischen ihm und der Schweiz abgeschlossenen oder abzuschliessenden Sequesterkonfliktsabkommens einnimmt, durch das Abkommen mit den Alliierten nicht berührt wird. Nachdem Frankreich, Grossbritanien und die Vereinigten Staaten sich ursprünglich bereit erklärt hatten, namens sämtlicher Abkommensstaaten die Sequesterkonflikte generell zu regeln, vertraten sie später die Auffassung, sie seien nicht berechtigt, über diese Fragen im Namen der übrigen Signatarstaaten zu verhandeln. Unter diesen Umständen blieb der Schweiz nichts anderes übrig, als die Eegelung der Sequesterkonflikte auf bilateralem Wege anzustreben.

Nach zum Teil lange andauernden Verhandlungen konnte die Schweiz schliesslich die Eegelung der Sequesterkonflikte durch Abschluss von Abkommen mit folgenden Staaten erreichen: Norwegen am 10. Juni 1950, Niederlanden am 23. Februar 1950, Frankreich am 6. März 1953, Grossbritannien am S.Dezember 1950, Dänemark am 12. Mai 1953, Kanada am 27. August 1954.

Das Abkommen mit Norwegen trat am 23. Dezember 1950, dasjenige mit Grossbritannien am 2. April 1953 in Kraft, die übrigen im Zeitpunkt der Unterzeichnung.

Leider gelang es trotz aller Anstrengungen nicht, auch mit den Vereinigten Staaten ein derartiges Abkommen
abzuschliessen.

Obwohl der Inhalt der einzelnen Abkommen verschieden war, hatten sie doch wesentliche Merkmale gemeinsam, vor allem hinsichtlich der Deckungskonten von Banken, der Behandlung von Wertschriften, der in einem der beiden Vertragsländer eröffneten Erbschaften sowie der nach dem Eecht der vertragschliessenden Parteien errichteten Stiftungen und Gesellschaften. Im Abkommen mit England wurde eine Bestimmung aufgenommen, wonach die in Eng-

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land liegenden Werte deutsch beherrschter Gesellschaften, die nach schweizerischem Recht errichtet waren, im Verhältnis 5:7 zwischen der Schweiz und England aufgeteilt werden sollten. Vom Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland wurden somit nur 5/12 der in England liegenden Vermögenswerte solcher Gesellschaften erfasst. Eine ähnliche Regelung und Aufteilung im Verhältnis 42:58 Prozent wurde im Sequesterabkommen mit Frankreich vorgesehen.

Die Durchführung und Auslegung dieser verschiedenen Abkommen gab zu vielen Schwierigkeiten Anlass. Auch heute noch sind einzelne Fragen, insbesondere im Verhältnis zu Frankreich, England und Kanada, ungelöst.

C. Vermögenswerte von deutsch beherrschten Versicherungsgesellschaften mit Sitz in Österreich: Die in der Schweiz liegenden Vermögenswerte juristischer Personen mit Sitz in Österreich unterlagen gemäss Artikel Ster, Buchstabe b, des Bundesratsbeschlusses vom 3. Juli 1945 der Sperre deutscher Vermögenswerte. Artikel l, Buchstabe c, des Bundesratsbeschlusses vom I.April 1947 sah in der Folge die Aufhebung der Sperre vor für den Fall, dass an den in Frage stehenden Gesellschaften kein massgebendes deutsches Interesse bestehe bzw. am 16.Februar 1945 bestanden hatte.

Dieses Problem führte zu einigen Schwierigkeiten, die aber schliesslich auch überwunden werden konnten.

D. Gewährung von A k t e n e i n s i c h t , A u s k u n f t s p f l i c h t der Schweizerischen V e r r e c h n u n g s s t e l l e und ihrer Angestellten: Im Zuge der Erledigung einzelner Geschäfte durch die Abteilung für die Liquidation deutscher Vermögenswerte wurde die Frage aufgeworfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen dem Begehren eines Gerichtes, einer kantonalen oder eidgenössischen Amtsstelle oder einer Privatperson um Einsicht in Akten der Verrechnungsstelle stattgegeben werden könne. Ähnlich gelagert war auch die Frage der Zeugnispflicht der Angestellten der Verrechnungsstelle über Vorgänge im Zusammenhang mit der Anwendung der Sperrebeschlüsse, des Ablösungsabkommens sowie des Durchführungsbeschlusses.

Es ist vorerst daran zu erinnern, dass bei Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses vom 29.Mai 1945 betreffend die Meldepflicht für deutsche Vermögenswerte in der Schweiz in einer Pressemitteilung die Erklärung abgegeben wurde, dass die Schweizerische Verrechnungsstelle
gehalten sei, über die ihr erteilten Auskünfte das Geheimnis zu wahren.

Andererseits enthält das schweizerische Recht keine Bestimmung, welche die Organe des Bundes im allgemeinen oder diejenigen der Schweizerischen Verrechnungsstelle im besonderen zwingen würde, an Privatpersonen irgendwelche Mitteilungen im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung zu machen oder ihnen in Amtsakten Einsicht zu gewähren (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1942/1943, Nr. 30).

Wir hatten verschiedentlich Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Angestellten der Schweizerischen Verrechnungsstelle den Bundesbeamten gleich-

649 gestellt sind. In unserem Kreisschreiben vom G.Oktober 1911 betreffend die Editionspflicht der Amtsakten und die Zeugnispflicht der Bundesbeamten über Vorgänge in der eidgenössischen Verwaltung (BB11911, IV, 343) wird der Grundsatz aufgestellt, dass ein Beamter oder eine Amtsstelle nur dann von der ihnen auferlegten Geheimhaltungspflicht entbunden sind, wenn eine entsprechende Ermächtigung des zuständigen Departementschefs vorliegt. Diese Ermächtigung wird da verweigert, wo entweder die allgemeinen Landesinteressen es verlangen, oder wo das Interesse und der ungestörte Gang der Verwaltung durch Gewährung der Bechtshilfe in erheblichem Masse gefährdet oder benachteiligt würden.

In einem Beschwerdeentscheid der Aufsichtskommission für die Durchführung des Abkommens von Washington ist diese Eegel wie folgt ergänzt worden : Wird das Begehren um Akteneinsicht nicht von einer Amtsstelle oder einem Gericht, sondern von einer am Verfahren beteiligten Person gestellt, so wird das freie Ermessen der Verwaltung einzig dadurch eingeschränkt, dass der Gesuchsteller einen Anspruch auf Mitteilung der wesentlichen Tatsachen und Dokumente besitzt, auf welche sich die Verwaltungsverfügung stützt. Handelt es sich beim Gesuchsteller indessen um eine Drittperson, die am Verfahren nicht beteiligt ist, so ist die Verwaltung überhaupt nicht verpflichtet, den ihr gestellten Begehren stattzugeben. Entscheidend war und muss sein, dass das gegebene Geheimhaltungsversprechen nicht verletzt und dass in privatrechtlichen Streitigkeiten nicht die eine Partei zum Nachteil der andern begünstigt werden darf, weil öffentlich-rechtlich interveniert werden musste.

E. Verhältnis zur Frage der kriegsgeschädigten AuslandSchweizer: Es sind mit Bezug auf die Beziehungen zwischen dem Abkommen von Washington und den Ablösungsabkommen einerseits und der Frage der Behandlung der kriegsgeschädigten Auslandschweizer andererseits so viele unrichtige Behauptungen verbreitet worden, dass sich eine Klarstellung dieses Problems als notwendig erweisen dürfte : Nach dem Abkommen von Washington wäre das Ergebnis aus der Liquidation der deutschen Vermögenswerte in der Schweiz je zur Hälfte an die Schweiz und an die Alliierten gefallen. Auf Verlangen der Schweiz, die vermeiden wollte, an Eeparationsproblemen mitzuwirken, wurde in Artikel II des
Abkommens ausdrücklich festgelegt, dass der alliierte Anteil «zum Zwecke des Wiederaufbaus zerstörter oder durch den Krieg verarmter, alliierter Länder sowie zur Ernährung von Hungersnot betroffener Bevölkerungen zur Verfügung gestellt wird». Über die Verwendung des schweizerischen Anteils enthält weder das Abkommen von Washington noch seine Beilage irgendwelche Bestimmungen. Auch aus den Verhandlungsprotokollen ergeben sich mit Bezug auf diese Frage keinerlei Anhaltspunkte. Eichtig ist dagegen, dass auf eine gelegentliche Anfrage der alliierten Unterhändler, was die Schweiz mit dem ihr zufallenden Anteil zu tun gedenke, geantwortet wurde, hierüber könne nur die Bundesversammlung entscheiden, nach der persönlichen und unverbindlichen Ansicht der

650 schweizerischen Unterhändler scheine es angezeigt zu sein, diesen Anteil für die schweizerischen Opfer des Krieges zu verwenden. Die Alliierten haben diesem Punkt keine Bedeutung beigemessen und deshalb auch nicht die Aufnahme irgendeiner Verpflichtung in das Abkommen verlangt. Es ergibt sich daraus, dass die oft gemachte Behauptung, die Alliierten hätten nur deshalb der Schweiz die Hälfte des Liquidationsergebnisses überlassen, weil diese den schweizerischen Kriegsopfern zukommen müsste, unrichtig ist. Über die Frage, in welcher Form diese Zuwendung allenfalls erfolgen solle, Entschädigung oder Unterstützung, ist überhaupt nie ein Wort gesprochen worden.

Im Entwurf zur Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung des Abkommens von Washington war ursprünglich auch ein Antrag über die Verwendung des schweizerischen Anteils am Liquidationsergebnis im Sinne der Berücksichtigung der schweizerischen Kriegsopfer vorgesehen. Der Bundesrat hat dann aber einen solchen Antrag als verfrüht angesehen und darauf verzichtet. In der Botschaft ist lediglich der bekannte Hinweis enthalten, dass eine Verwendung des schweizerischen Anteils zugunsten der schweizerischen Opfer des Krieges den Verhältnissen und der Billigkeit entsprechen würde (Botschaft vom 14. Juni 1946, 15). Dass eine solche Überlegung weder eine Eechtspflicht schafft noch Eechtsansprüche begründet, liegt auf der Hand. Aber auch dieser Hinweis sagt nichts aus über die Art und Weise der eventuellen Hilfe an die geschädigten Auslandschweizer.

In der Folge ist der Bundesrat konsequent davon ausgegangen, dass man den erwähnten Hinweis in der Botschaft als einen gewissen moralischen Anspruch der schweizerischen Kriegsopfer anerkennen könne. Er hat sich deshalb bis zuletzt auf den Standpunkt gestellt, dass den schweizerischen Opfern des Krieges der gleiche Betrag zukommen solle, wie ihn die Alliierten zu den im Vertrage niedergelegten Zwecken erhalten würden. Von dieser Auffassung ist er ausgegangen bei der Ausarbeitung des Entschädigungsplanes vom 20. April 1951 (vgl.

Botschaft vom 29. August 1952, 5), wonach für den erwähnten Zweck die Hälfte von 270 Millionen Franken, also 135 Millionen, aus dem Liquidationserträgnis zurVerfügung gestellt worden wäre. Von der gleichen Überlegung ausgehend und mit dem gleichen Ziel sind
die Ablösungsverhandlungen von 1952 geführt worden: Die deutsche Bundesregierung konnte veranlasst werden, im Plan für die Eückzahlung des anerkannten Teils der «Clearing-Milliarde» die gleiche Summe bevorzugt zu behandeln, die den Alliierten zukommen sollte, d.h. 185 Millionen Franken abzüglich 10 Prozent Diskont = 121,5 Millionen Franken. Nicht zu erreichen war angesichts der damaligen Devisen- und Finanzlage des deutschen Schuldners eine sofortige Barzahlung. An deren Stelle trat aber eine entsprechende Verzinsung, deren Ertrag gemäss Antrag des Bundesrates an die Bundesversammlung den kriegsgeschädigten Auslandschweizern ebenfalls zukommen sollte. Dies ist dann in der Folge bekanntlich auch geschehen.

Es ist somit festzuhalten, dass der Bundesrat, trotzdem keine rechtliche und höchstens eine gewisse moralische Verpflichtung bestand, dafür gesorgt hat,

651 dass den schweizerischen Opfern des Krieges die gleiche Summe zukommt, wie sie die Alliierten erhalten haben. Die Entwicklung hat lediglich dazu geführt, dass diese Leistung nicht aus den deutschen Vermögenswerten in der Schweiz, sondern aus schweizerischen Mitteln bestritten wird. Mit Bezug auf die Höhe der .Zuwendung verweisen wir auf unsere Ausführungen über den Liquidationsüberschuss und die damit verbundenen Schätzungs- und Bewertungsfragen (vgl.

oben, Kapitel III, A.).

Die wenn auch nur lose Verbindung zwischen dem Abkommen von Washington und dem Ablösungsabkommen mit der Frage der Berücksichtigung der kriegsgeschädigten Auslandschweizer hat sich unserer Auffassung nach sehr zugunsten der letzteren ausgewirkt, da sonst wohl kaum die verhältnismässig hohen, nun zur Verfügung stehenden Beträge bewilligt worden wären. Die lebhaften. Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit, die zur Ablehnung der ersten Vorlage führten, bezogen sich im übrigen nicht so sehr auf die Höhe der zur Verfügung zu stellenden Summe als auf die Art ihrer Verwendung. In dieser Hinsicht findet man aber in der ganzen Geschichte des Abkommens von Washington keinerlei Hinweise irgendwelcher Art.

Wir beantragen Ihnen, das Postulat Vontobel vom l. Oktober 1957, Nr. 7062, dem durch diesen Bericht Eechnung getragen worden ist, abzuschreiben.

Wir möchten diesen Bericht nicht abschliessen, ohne der Aufsichtskommission und deren Präsidenten, Herrn Minister Dr. Walter Stucki, die während zwölf Jahren ganz wesentlich dazu beigetragen haben, eines der schwierigsten Nachkriegsprobleme unseres Landes einer erfreulichen Lösung zuzuführen, unseren Dank abzustatten. Wir beantragen Ihnen, vom vorliegenden Bericht Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, (den 22. August 1958.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Holenstein 3910

Der Bundeskanzler: Ch. Oser

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, 1945--1958 (Vom 22. August 1958)

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