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Bundesblatt 110. Jahrgang

Bern, den 8.Mai 1958

Band I

Erscheint wöchentlich. Freie 30 Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährung eines Sonderkredites an die Europäische Zahlungsunion im Zusammenhang mit ihrer finanziellen Hilfe an Frankreich (Vom 25. April 1958)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen folgendes darzulegen : I.

Am 17. und 27. Januar 1958 beschloss der Bundesrat, die Schweizerische Delegation bei der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECE) zu ermächtigen, dem Projekt für die Kredite an Frankreich, wie es. von den zuständigen Organen der OECE und insbesondere vom Direktionskomitee der Europäischen Zahlungsunion entworfen worden war, zuzustimmen und die Bereitschaft der Schweiz zu erklären, sich daran bis zu einem Höchstbetrag von 7 Millionen Dollars zu beteiligen.

Am 11.Februar 1958 fasste der OECE-Eat einen Beschluss über die Gewährung von Krediten im Umfang von 250 Millionen Rechnungseinheiten (l Rechnungseinheit = l US-Dollar) an Frankreich durch die Europäische Zahlungsunion. Im Bahmen dieses Beschlusses gewährt die Schweiz der Union einen Sonderkredit von 6 Millionen Bechnungseinheiten, d.h. von 26,2 Millionen Schweizerfranken.

Bundesblatt. 110. Jahrg. Bd. I.

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902 Aus zwingenden politischen und wirtschaftlichen Gründen musste der Bundesrat ein aussergewöhnliches Verfahren einschlagen und einen dringlichen Beschluss fassen. In der vorliegenden Botschaft möchten wir Ihnen die dafür massgebenden Beweggründe auseinandersetzen und Sie gleichzeitig ersuchen, diesen Beschluss rückwirkend zu genehmigen. Bei der Bekanntgabe der schweizerischen Beteiligung an dem in der OECE ausgearbeiteten Programm hat unsere Delegation die parlamentarische Genehmigung ausdrücklich vorbehalten.

II.

Die finanzielle Lage Frankreichs hatte sich im Laufe des Jahres 1957 zusehends verschlechtert. Im Juni wurde die Liberalisierung der französischen Einfuhr wegen Devisenmangels aufgehoben; im August und Oktober traf die französische Eegierung eine Eeihe von Massnahmen, die in Wirklichkeit einer Abwertung des französischen Frankens um 16 Prozent gleichkamen. Gegen Jahresende spitzte sich die Situation erneut zu, da Frankreich seinen Kredit bei der Zahlungsunion aufgebraucht hatte und die Devisenreserven praktisch erschöpft waren. Um seine finanziellen und handelspolitischen Verpflichtungen erfüllen zu können, musste Frankreich ausländische Finanzhilfe nachsuchen. In diesem Sinne unterbreitete es der Zahlungsunion das Gesuch um Gewährung eines Kredites von 250 Millionen Dollars.

Das Direktionskomitee der Europäischen Zahlungsunion, dem auch ein schweizerischer Experte angehört, beschäftigte sich eingehend mit der Lage Frankreichs. Während der letzten Wochen des Jahres 1957 wurde sie gemeinsam mit hohen französischen Beamten einer gründlichen Prüfung unterzogen. Das Komitee kam zum Schluss, dass - gesamthaft betrachtet - die französische Eegierung ernsthafte und verdienstvolle Anstrengungen unternommen habe, um die Situation zu verbessern. Es nahm insbesondere davon Kenntnis, dass die französische Eegierung sich verpflichtet hatte, das Budgetdefizit in einem bestimmten Eahmen zu halten und sowohl dem Parlament wie dem Direktionskomitee der Union vierteljährlich einen Bericht über die Entwicklung der innern Wirtschaftslage zu unterbreiten.

Das Komitee gelangte zur Auffassung, dass eine Finanzhilfe an Frankreich zur Überbrückung der bestehenden Schwierigkeiten beitragen würde, und dass es angezeigt sei, das erwähnte Kreditgesuch in günstigem Sinne weiter zu behandeln. Es wurde darauf hingewiesen, dass die französischen Behörden bei diesem Anlass bestätigten, sie würden ihre internationalen Verpflichtungen auf dem Gebiete der Einfuhrliberalisierung, insbesondere im Eahmen der bilateralen Abkommen, erfüllen. Das Komitee empfahl dem OECE-Eat, der Gewährung von Unionskrediten an Frankreich im Betrage von 250 Millionen Eechnungseinheiten, verwendbar für die monatlichen Abrechnungen in der Union im Laufe des Jahres 1958 zuzustimmen.

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III.

Das von der OECE und vom Direktionskomitee der Zahlungsunion ausgearbeitete Projekt einer Finanzhilfe der Union an Prankreich sah vor, dass die für diese Kredite benötigten Mittel zum Teil aus dem Unionsvermögen, zum Teil durch Sonderkredite einzelner Gläubigerstaaten an die Union aufgebracht werden sollten. Demgemäss wurde auch die Schweiz ersucht, sich an der Aktion zu beteiligen.

Da es sich aus zeitlichen Gründen als unmöglich erwies, das parlamentarische Genehmigungsverfahren noch vor der Beschlussfassung des OECE-Rates durchzuführen, sah sich der Bundesrat vor der Notwendigkeit, entweder selbst einen Beschluss zu fassen und die Genehmigung der eidgenössischen Eäte nachträglich einzuholen oder aber von einer Beteiligung der Schweiz am Kreditprogramm überhaupt abzusehen. In Anbetracht der politischen und wirtschaftlichen Gründe, die eine Beteiligung unseres Landes angezeigt erscheinen liessen, hat sich der Bundesrat entschlossen, den ersteren Weg einzuschlagen.

IV.

Das am 11. Februar 1958 durch den OECE-Rat genehmigte Kreditprogramm von 250 Millionen Rechnungseinheiten sieht wie folgt aus :

1. Die Union gewährt Frankreich eine neue Rallonge von 400 Millionen Rechnungseinheiten zu seiner Schuldnerquote. Die französischen Fehlbeträge werden nach den geltenden Bestimmungen, d.h. zu 75 Prozent durch Goldzahlungen an die Union und zu 25 Prozent durch Unionskredit ausgeglichen.

Sobald die Defizite den Totalbetrag der Rallonge, also 400 Millionen Rechnungseinheiten erreichen, wird Frankreich von der Union Kredite von 100 Millionen Rechnungseinheiten erhalten haben.

2. Die Union gewährt Frankreich einen Sonderkredit in Gold im Betrage von 150 Millionen Rechnungseinheiten. Der Kredit zerfällt in zwei Teile: die erste Tranche-von 80 Millionen wird Frankreich sofort, die zweite von 70 Millionen erst nach dem 30. Juni 1958 zur Verfügung gestellt, wenn das Komitee die französische Lage erneut überprüft hat.

Der unter Ziffer 2 erwähnte Sonderkredit wird Frankreich bei der Erfüllung der Verpflichtung helfen, seine Fehlbeträge im Rahmen der Rallonge von 400 Millionen Rechnungseinheiten nach den geltenden Regem zu 75 Prozent in Gold zu decken. Der Kredit kann nur während des Jahres 1958 verwendet werden; in dieser Zeit allenfalls nicht bezogene Beträge sind später nicht mehr verfügbar.

Die Union kann Frankreich diesen Sonderkredit dank folgender Beiträge gewähren : a. Beiträge aus dem Unionsvermögen : 32 Millionen Rechnungseinheiten. Seit Juli 1957 war Frankreich infolge Erschöpfung seiner Quote bei der Union gezwungen, seine Defizite zu 100 Prozent in Gold zu decken. Sollte die Position Frankreichs in der Union eine Umkehrung erfahren, so hätte es das

904 Hecht, die vom Juli bis Dezember 1957 über die geltende Kegel hinaus in Gold bezahlten 25 Prozent, d.h. rund 82 Millionen Bechnungseinheiten, zurückzufordern. Im Eahmen des Kreditprogramms hat Frankreich nun unwiderruflich auf dieses Eecht verzichtet. Dadurch wird das Unionsvermögen um rund 82 Millionen Bechnungseinheiten vermehrt.

b. Beiträge einzelner Mitgliedstaaten: 118 Millionen Bechnungseinheiten. Ursprünglich waren nur Beiträge von Nachbarstaaten Prankreichs, die zugleich Gläubiger der Union sind, in Aussicht genommen. In der Folge bot aber auch Italien, trotzdem es Schuldner der Union ist, seme Mitwirkung an. Um so weniger durfte die Schweiz, die in jenem Zeitpunkt noch zu den Gläubigerstaaten zählte, zurückstehen. Fünf Mitgliedstaaten erklärten sich bereit, der Union Sonderkredite im Gesamtbetrag von 118 Millionen Bechnungseinheiten zu gewähren, die sich wie folgt verteilen : Bundesrepublik Deutschland . . . 100 Millionen Bechnungseinheiten Schweiz 6,0 Millionen Bechnungseinheiten Belgien 5,5 Millionen Bechnungseinheiten Italien 5,0 Millionen Bechnungseinheiten Österreich 1,5 Millionen Bechnungseinheiten Als sich der Bundesrat für einen Kredithöchstbetrag von 7 Millionen Bechnungseinheiten entschied, hatte Österreich seine Teilnahme noch nicht offiziell zugesagt. Die Beteiligung dieses Landes erlaubte eine Herabsetzung unseres Beitrages auf 6 Millionen Bechnungseinheiten.

Was die praktische Durchführung der Operation anbetrifft, so wird Frankreich monatlich beim Agenten der Union (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) über den Kredit verfügen. Der Agent wird seinerseits die entsprechenden Beträge von der Union und von den Mitgliedstaaten (im Verhältnis ihrer Beteiligung) einfordern.

Für die Bückzahlung des Sonderkredites gilt folgende Vereinbarung: Ab I.Januar 1960 zahlt Frankreich monatlich 5 Millionen Bechnungseinheiten in Gold an die Union. Die Union ihrerseits leitet diese Goldzahlungen an die fünf Länder (im Verhältnis ihrer Beiträge) weiter, bis diese Beiträge voll zurückbezahlt sind. Die weiteren französischen Goldzahlungen dienen der Bückzahlung des aus dem Unionsvermögen gewährten Anteils am Sonderkredit. Wenn also Frankreich den vollen Kredit beansprucht, so werden die von den fünf Ländern gewährten Kredite bis Ende Dezember 1961, der aus dem Unionsvermögen zur
Verfügung gestellte Kredit bis Ende Juni 1962 zurückbezahlt sein.

Die der Union von den fünf Ländern gewährten Kredite werden zu 4% Prozent verzinst. Die Zahlung der Zinsen erfolgt halbjährlich in Gold, sobald Frankreich diese Kredite beansprucht.

Für den Fall, dass das Abkommen über die Europäische Zahlungsunion beendigt würde, ist ein Verfahren vorgesehen, das die Bückzahlungen unter Einhaltung der Fälligkeiten sowie der Zinszahlungen im oben erwähnten Sinne sichert.

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V. .

Der Bundesrat war der Ansicht, dass unser Land sieh aus allgemein politischen Erwägungen am Kreditprogramm für Prankreich beteiligen müsse. Er wurde in dieser Auffassung bestärkt durch die Überlegung, dass es sich hier um einen Akt der internationalen Solidarität handle, der zu einem Zeitpunkt besonders angezeigt sei, da alle Mitgliedstaaten der OECE ihre Anstrengungen vereinigen, um im Eahmen einer Europäischen Freihandelszone eine engere Zusammenarbeit zu erreichen.

Angesichts der engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Prankreich schien es ausserdem wichtig, gegenüber unserem Nachbarland eine positive Haltung einzunehmen, um ihm bei der Überwindung seiner finanziellen Schwierigkeiten zu helfen.

Es ist auch daran zu erinnern, dass die Eegierung der Vereinigten Staaten zur gleichen Zeit, als die Zahlungsunion Prankreich einen Kredit gewährte, diesem Lande zusätzliche Mittel in der Höhe von 274 Millionen Dollars über die Export-Importbank und unter andern Titeln zur Verfügung stellte. Ferner besitzt Frankreich beim Internationalen Währungsfonds Ziehungsrechte für 181,25 Millionen Dollars. Der Gesamtbetrag der Frankreich durch die OECE und die Eegierung der Vereinigten Staaten eingeräumten Kredite und der Ziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds beläuft sich somit auf 655,25 Millionen Dollars.

Gestützt auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen, dem beigefügten Entwurf zu einem Bundesbeschluss Ihre Zustimmung zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. April 1958.

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Holenstein Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Gewährung eines Sonderkredites an die Europäische Zahlungsunion im Zusammenhang mit ihrer finanziellen Hilfe an Frankreich

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 25.April 1958, beschliesst: Einziger Artikel Der Bundesrat wird ermächtigt, der Europäischen Zahlungsunion, im Zusammenhang mit ihrer finanziellen Hilfe an Frankreich, einen Sonderkredit von 6 Millionen Rechnungseinheiten (= 6 Millionen US-Dollars) zu gewähren.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährung eines Sonderkredites an die Europäische Zahlungsunion im Zusammenhang mit ihrer finanziellen Hilfe an Frankreich (Vom 25. April 1958)

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08.05.1958

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901-906

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