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56. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die. gemäss Bundesbeschluss vom 28. September 1956 erlassenen wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland (Vom 3. Januar 1958)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend von den weitern Massnahmen Kenntnis zu geben, die wir auf Grund des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland getroffen haben.

I. Ausführungsvorschriften zum Bundesbeschluss vom 28. September 1956 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland

a. Der Bundesratsbeschluss vom 25.April 1986 über die Ausfuhr von Uhren und Uhrwerken nach den Vereinigten Staaten von Amerika (BS10, 446) enthält die landesrechtlichen Durchführungsvorschriften für die im Anhang zum Handelsabkommen vom 9. Januar 1936 zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika (B S 14, 653) aufgenommene Erklärung betreffend Verhinderung des Schmuggeis von Uhren und Uhrwerken nach den USA. Er stützte sich bisher, nebst dieser Erklärung, auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, und wurde nun, unterm 15.November 1957, dem an seine Stelle getretenen Bundesbeschluss vom 28. September 1956 (AS 1956,1553) angepasst.

Es betrifft dies insbesondere die Strafbestimmungen sowie die Ordnung der staatlichen Aufsicht über die Durchführungsorgane im Sinne von Artikel 3, Absatz l, des Bundesbeschlusses. Gleichzeitig wurden einige Bestimmungen revidiert, die überholt sind (Art. l, 2 und 8) oder die eine Präzisierung erfahren mussten (namentlich Art. 6).

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Im übrigen werden die Probleme der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wie bis anhin im Geschäftsbericht des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes behandelt werden.

b. Den eidgenössischen Eäten ist eine Botschaft über die Verlängerung der Wirksamkeit des am 81. Dezember 1958 ablaufenden Bundesbeschlusses vom 17. Dezember 1952 (AS 1953, 1239) über die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) unterbreitet worden.

n. Verkehr mit den einzelnen Ländern 1. Argentinien Die Fortsetzung der im Februar mit einer argentinischen Wirtschaftsdelegation in Bern geführten Verhandlungen über die vertragliche Vereinbarung der Multilateralisierung des Zahlungsverkehrs nahm nicht den ursprünglich geplanten Verlauf.

Noch bevor die zweiteEtappe der Besprechungen eingeleitet werden konnte, annullierte die argentinische Eegierung mit Dekret vom 23. Juli die Konzessionsverlängerungen der beiden grössten Elektrizitätsgesellschaften CADE und ITALO-ABGENTINA, an denen in hohem Masse schweizerisches Kapital beteiligt ist. Die Schweiz sah sich deshalb veranlasst, an der in Born anfangs August abgehaltenen Konferenz der Mitgliedländer des multilateralen Zahlungssystems ihrer starken Beunruhigung über das argentinische Vorgehen Ausdruck zu geben. Zudem liess die schweizerische Begierung über die Schweizerische Botschaft in Buenos Aires der argentinischen Begierung einen offiziellen Protest überreichen.

Die von den argentinischen Behörden gegenüber der CADE, deren Konzession durch das erwähnte Dekret bereits am 31. Dezember 1957 abläuft, in der Zwischenzeit ergriffenen Massnahmen riefen Befürchtungen für den Bestand des investierten Kapitals hervor. Anlässlich der Zusammenkunft der Mitgliedländer des multilateralen Systems, welche anfangs Oktober in London stattfand, hatte die Schweiz deshalb die Frage der ausländischen Investitionen in Argentinien erneut aufgegriffen und erreicht, dass sie als ein Problem .von allgemeiner Bedeutung betrachtet wurde.

Im Bestreben, zu einer baldigen Unterzeichnung der Vertragstexte mit den Mitgliedländern des multilateralen Systems zu gelangen, nahm Argentinien im Verlauf des Monats Oktober die Verhandlungen auch mit der Schweiz wieder auf. Die Schlussphase der Besprechungen wurde in Buenos Aires geführt. Nach eingehendem Meinungsaustausch
über den künftigen Handelsverkehr und die Behandlung des in den argentinischen Elektrizitätsgesellschaften investierten schweizerischen Kapitals war die Lage soweit geklärt, dass das schweizerischargentinische Abkommen über die Multilateralisierung des Zahlungsverkehrs am 25. November unterzeichnet werden konnte. Die argentinische Begierung

hat sich u.a. ausdrücklich verpflichtet, in bezug auf die Annullierung der im Jahre 1936 erteilten Konzessionsverlängerung und allfällige damit im Zusammenhang stehende vorsorgliche vermögensrechtliche Massnahmen den Gerichtsentscheiden nicht vorzugreifen. Zudem wurde eingehend über die Möglichkeit einer konstruktiven Lösung des Problems gesprochen. Dadurch dürften die Voraussetzungen günstiger geworden sein, eine den Umständen angemessen Eechnung tragende Lösung durch Verhandlungen zwischen den Parteien zu finden.

" Die Ausweitung des schweizerisch-argentinischen Warenaustausches, die mit der provisorischen Einführung der Multilateralisierung im Sommer 1956 einsetzte, hielt auch in der Berichtsperiode an.

2. Bundesrepublik Deutschland Der Warenverkehr entwickelte sich im Vertragsjahr 1956/57 (I.Oktober 1956 bis 30. September 1957) gegenüber der entsprechenden Vergleichsperiode des Vorjahres wie folgt: Die Einfuhr stieg von 1735,4 auf 2193,2 Millionen Pranken. Auch die Ausfuhr wies eine erfreuliche Steigerung von 842,2 auf 936,5 Millionen Franken auf.

Wie bis anhin trug die starke Passivität unserer Handelsbilanz im Verkehr mit der Bundesrepublik Deutschland wesentlich zur Herabsetzung der schweizerischen Gläubigerstellung in der Europäischen Zahlungsunion bei.

Auf deutschen Wunsch wurden die Besprechungen des Gemischten Regierungsausschusses über den gegenseitigen Warenverkehr (Festsetzung der Einfuhrkontingente für die noch nicht liberalisierten Waren, Neufestsetzung der schweizerischen Bezugskontingente für Kohle, Petrolkoks, Eoheisen, Walzwerkserzeugnisse und Holz für die Zeit ab I.Oktober 1957 usw.) auf Beginn des nächsten Jahres verschoben. Um keinen Unterbruch in der Erteilung von Einfuhrbewilligungen eintreten zu lassen, wurde durch Notenwechsel die bisherige Vertragslage pro rata temporis über den 31. Oktober 1957 hinaus um 4 Monate verlängert. Dieses Vorgehen ist auch für die schweizerischen Exportinteressen ohne Nachteile, da die bisherigen deutschen Einfuhrkontingente sich als ausreichend erwiesen. Verschiedene der in der Vertragsregelung gemäss dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 31. Oktober 1956 zum Handelsabkommen noch als kontingentiert aufgeführten Positionen wurden zudem deutscherseits im Laufe des Vertragsjahres voll liberalisiert, so z. B. die für unsern Export besonders wichtigen
Uhren, Teerfarben, Baumwollgewebe und Tülle.

Am I.November 1957 wurde in Bern ein Viertes Zusatzabkommen zum Zollvertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Dezember 1951 unterzeichnet und damit die Anlage A zum Zollvertrag (Zölle bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Bundesrepublik) der Nomenklatur des deutschen Zolltarifs 1958 angepasst.

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3. Finnland Zufolge der zunehmenden Verschlechterung seiner Devisenlage sah sich Pinnland gegen Ende des Jahres 1956 gezwungen, die im Laufe des Jahres 1955 vorgenommene Liberalisierung der Einfuhr teilweise rückgängig zu machen, beziehungsweise die Einfuhr aus den westeuropäischen Staaten für das l. Quartal 1957 um ca. 20 Prozent einzuschränken. Um gewisse Vorteile des liberalisierten Einfuhrhandels so weit als möglich beizubehalten und eine Diskriminierung bei der Anwendung von mengenmässigen Einfuhrbeschränkungen zu vermeiden, schlug die finnische Eegierung den westlichen Handelspartnern die Einführung eines Globalkontingentssystems vor; dieses System besteht darin, dass für die Einfuhr in Finnland an Stelle der mit den verschiedenen Staaten vereinbarten bilateralen Kontingente globale Importquoten treten, im Eahmen derer der finnische Importeur das gewünschte Bezugsland frei wählen kann.

Durch einen vom finnischen Ministerrat am 27. März 1957 gefassten Beschluss wurde das neue Eegime der Globalkontingente mit Wirkung ab I.April 1957 zunächst provisorisch in Kraft gesetzt, um so den finnischen Behörden die Möglichkeit zu geben, sich mit den westlichen Handelspartnern über die durch das neue Importsystem notwendigen Anpassungen der Waren- und Zahlungsabkommen zu verständigen. In der Folge fanden in Helsinki zwischen den finnischen Behörden und den dortigen diplomatischen Vertretungen der westeuropäischen Staaten auf multilateraler Basis Besprechungen über die Inkraftsetzung des neuen Globalkontingentssystems statt, die am 25./80. Juh 1957 durch die Unterzeichnung eines Protokolls betreffend die Vereinbarung über den multilateralen Waren- und Zahlungsverkehr zwischen Finnland und verschiedenen westeuropäischen Staaten, einschliesslich der Schweiz, abgeschlossen wurden. Gemäss dieser multilateralen Vereinbarung galt das neue Globalkontingentssystem vorderhand für eine erste Kontingentsperiode von sechs Monaten, und zwar rückwirkend ab I.April bis 30.September 1957. Durch die neue Vereinbarung wurden die bestehenden bilateralen Abkommen über den Waren- und Zahlungsverkehr zwischen Finnland und den verschiedenen westeuropäischen Staaten als entsprechend modifiziert betrachtet, womit auch das am S.November 1956 unterzeichnete Protokoll zu den beiden noch geltenden Abkommen vom 15. Oktober 1955 über
den Waren- und Zahlungsverkehr zwischen der Schweiz und Finnland (vgl. unsern 54. Bericht) vorderhand ausser Kraft trat. Da das Globalkontingentssystem eine Multilateralisierung des Zahlungsverkehrs voraussetzt, erklärten sich die beteiligten Länder auch damit einverstanden.

Im Zusammenhang mit der am 16. September 1957 erfolgten Abwertung der Finnmark beschloss die finnische Eegierung, mit Wirkung ab I.Oktober 1957 die Einfuhr aus den westeuropäischen Staaten erneut weitgehend zu liberalisieren. Für alle nicht liberalisierten Waren soll das bisherige Globalkontingentssystem im Eahmen einer neu zu treffenden multilateralen Vereinbarung und auf Grund neu festgesetzter Globalkontingente'über den 80. September 1957 hinaus weitergeführt werden.

11 4. Frankreich Angesichts der Verminderung der Devisenreserven sah sich die französische Eegierung am 18. Juni 1957 gezwungen, die Liberalisierung der Einfuhr ausländischer Waren mit sofortiger Wirkung aufzuheben (vgl. SHAB Nrn. 141, 142 vom 20./21. Juni 1957). Diese Massnahme wurde auf Algerien undTunesien ausgedehnt. Der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECE) gegenüber berief sich die französiche Eegierung auf Artikel 3 des Liberalisierungskodex, welcher einem Mitgliedstaat mit gestörter Zahlungsbilanz die Möglichkeit gibt, die Liberalisierung der Einfuhr für 12 bis 18 Monate zu suspendieren. In Ausführung dieses Beschlusses stellte die französische Eegierung für das zweite Semester des Jahres 1957 ein Programm über die globale Kontingentierung der Einfuhr liberalisierter Waren auf. Dieses Programm umf asst zwei Teile : Ein Programm A, welches sich hauptsächlich auf Eohstof f e erstreckt, deren Einfuhr früher frei bzw. im Eahmen autonom erteilter Lizenzen zugelassen war und ein Programm B, welches insbesondere früher liberalisierte industrielle Erzeugnisse, Nahrungsmittel, landwirtschaftliche Produkte, gewisse Halbfabrikate und Investitionsgüter umfasst. Für die im Programm B aufgeführten Waren, die für die Schweiz von besonderem Interesse sind, haben die französischen Behörden vorgesehen, den Importeuren pro rata temporis Lizenzen für die Einfuhr von durchschnittlich 64 Prozent ihrer Bezüge im Basisjahr 1956 zu erteilen, wobei die Zuteilungen für einzelne Warenkategorien um weitere 10 Prozent gekürzt und andere Kategorien des Programms B in entsprechendem Umfang erhöht werden können. Zudem wurden 5 Prozent als Eeserve für neue Importeure und für die Abwicklung von Sonderfällen vorgesehen.

Das neue französische Einfuhrprogramm wurde der OECE unterbreitet, die davon Kenntnis genommen und sich vorbehalten hat, seine Anwendung periodisch zu überprüfen ; das Einfuhrprogramm veranlasste die schweizerische Delegation zu verschiedenen Interventionen im Eahmen der OECE, die vor allem eine beschleunigte Erteilung der Einfuhrlizenzen forderten. Für weitere Einzelheiten des französischen Einfuhrprogramms wird auf die im SHAB Nr. 173 vom 27. Juli 1957 (Programm A) und Nr. 180 vom S.August 1957 (Programm B) erfolgten Publikationen verwiesen.

Die in den bilateralen Abkommen
vereinbarten Kontingente wurden durch die französischen Massnahmen nicht berührt.

Durch Dekret vom 10. August 1957 beschloss die französische Eegierung, im Interesse einer Korrektur der Zahlungsbilanz auf allen Zahlungen der FrancZone (Metropole, Algerien und Überseedepartemente, Überseegebiete, autonome Eepublik Togo, Treuhandschaftsgebiet Kamerun) nach dem Ausland einen Zuschlag von 20 Prozent zu erheben und auf den Deviseneinnahmen einen Bonus von 20 Prozent zu gewähren. Diese Massnahme, die sich sowohl auf den Sektor der «Invisibles» als auch auf den Warenverkehr bezieht, sah anfänglich gewisse Ausnahmen vor bei Ein- oder Auszahlungen für bestimmte Produkte, hauptsächlich Eohstoffe, die weiterhin zu den alten Kursrelationen zugelassen wurden.

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Durch Beschluss vom 26. Oktober 1957 wurde die Erhebung bzw. die Auszahlung des Zuschlages auf sämtliche Waren ausgedehnt. Gleichzeitig wurden die besondern Exportförderungshilfen, die für gewisse Erzeugnisse einschliesslich der Textilien aufrechterhalten worden waren, aufgehoben. In Verbindung mit diesem Beschluss wurden durch Dekret vom 10. August 1957 die spezielle provisorische Kompensationstaxe von 15 Prozent, welche die Einfuhr aller liberalisierten Waren belastete, sowie die Verpflichtung zur Leistung einer Kaution von 50 Prozent des Warenwertes bei Erteilung der Einfuhrlizenz aufgehoben.

Schliesslich wurde durch einen weiteren Beschluss vom 10. August 1957 die Geltungsdauer der Einfuhrlizenzen, die auf drei Monate beschränkt worden war, wieder auf sechs Monate ausgedehnt. Weitere Einzelheiten über diese Neuregelung des französischen Aussenhandels wurden im SHAB Nrn. 189 und 258 vom 15. August und 4.November 1957 veröffentlicht.

Im 55.Bericht wurde erwähnt, dass das schweizerisch-französische Handelsabkommen vom 29. Oktober 1955 um ein weiteres Jahr, d.h. bis zum 30. Juni 1958 verlängert worden war, mit Ausnahme der Bestimmun'gen über unsern Handelsverkehr mit Marokko und Tunesien. Mit diesen beiden inzwischen unabhängig gewordenen Ländern wurden direkte Verhandlungen eingeleitet. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unsere Ausführungen unter Marokko und Tunesien.

Das französische Gesetz vom I.Juni 1957, das die Compagnie Universelle du Canal Maritime de Suez zur ausschliesslich französischen Gesellschaft erklärte, sowie ein von einer ausserordentlichen Obligationärversammlung dieses Unternehmens am 19. Juni 1957 gefasster Beschluss hatten eine Umlagerung des Anleihendienstes der 3-Prozent-Obligationen 2. Serie der Suezkanalgesellschaft von Ägypten auf Prankreich zur Folge. Die Obligationen, die bisher mit dem Affidavit Ägypten A XXII versehen waren, werden demnach, sofern sie die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, mit dem Affidavit Frankreich A XXX (Stichtag I.Juli 1953) ausgestattet.

5. Iran In der Berichtsperiode wickelte sich der kommerzielle Zahlungsverkehr weiterhin ohne Schwierigkeiten in Schweizerfranken über die bei den ermächtigten Schweizerbanken eröffneten Irankonten ab. Im Rahmen eines gesteigerten Austauschvolumens überschritten unsere Exporte sogar den Eekordstand
des Jahres 1955. Auf Begehren der Bank Melli hin, die sich wiederum genötigt sah, ihre verfügbaren Mittel auf Irankonten zu erhöhen, stimmte die Handelsabteilung der Umwandlung von insgesamt 500 000 Pfundsterling in Schweizerfranken zu. Wie im Jahre 1955 und anfangs 1957 (vgl. 53. und 54.Bericht) erfolgten diese Umwandlungen zum offiziellen Kurs zulasten unseres gebundenen Zahlungsverkehrs mit dem Sterlinggebiet.

13 6. Israel Die einjährige Gültigkeit des am 14. September 1956 unterzeichneten Protokolls über den Warenverkehr zwischen der Schweiz und Israel wurde stillschweigend um ein weiteres Jahr verlängert. Das praktische Ergebnis dieser Vereinbarung litt unter den Ende 1956/anfangs 1957 im Nahen Osten eingetretenen Ereignissen, so dass sich auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen nicht eindeutig feststellen lässt, ob sie sich auf die Dauer als zweckmässig erweisen wird.

Immerhin führte sie zu einer gewissen Ausdehnung des Handels zwischen den beiden Ländern, wobei sich die Handelsbilanz im laufenden Jahre insofern zugunsten Israels verschob, als dieses seine Bezüge aus der Schweiz zu 82 Prozent mit eigenen Lieferungen bezahlte, während es in den Vorjahren noch für rund 40 Prozent (1956) und für rund 60 Prozent (1954/55) Devisen zulegen musste.

In den ersten elf Monaten 1957 bezog die Schweiz für 13,7 Millionen Franken, d.h. (hauptsächlich infolge vermehrter Agrumenimporte) für ca. 3,9 Millionen Pranken mehr Waren aus Israel als in der entsprechenden Periode des Jahres 1956 und lieferte Waren im Werte von 16,6 Millionen Franken, d.h. für 0,8 Millionen Franken mehr als im Vorjahr, nach diesem Lande.

7. Jugoslawien Anlässlich der Verhandlungen im Jahre 1956 (vgl. unsere Ausführungen im 54. Bericht) wurden die technischen Durchführungsbestimmungen für eine teilweise Multilateralisierung des gebundenen Zahlungsverkehrs zwischen der Schweiz und Jugoslawien innerhalb der Europäischen Zahlungsunion vorbereitet. Anlass für die Gewährung dieser Teilmultilateralisierung bildete eine Aktion im Eahmen der OECE in Paris, die es Jugoslawien ermöglichen sollte, über einen Teil seiner Exporterlöse aus dem bilateralen Verkehr mit den OECEStaaten multilateral zu verfügen.

Diese Durchführungsbestimmungen wurden nun am I.September 1957 durch ein Protokoll Nr. 4 vom 30. August 1957, das einen integrierenden Bestandteil des Warenaustausch- und Zahlungsabkommens vom 27. September 1948 bildet, in Kraft gesetzt. Danach kann Jugoslawien bis zu 10 Prozent der Einzahlungen in den schweizerisch-jugoslawischen Clearing, herrührend aus jugoslawischen Warenlieferungen an die Schweiz und aus anderen jugoslawischen Leistungen, für Zahlungen an Gläubiger im Gebiet der Europäischen Zahlungsunion verwenden; umgekehrt kann es aber
auch im gleichen Ausmass von seinen bilateralen Einkünften in andern Unionsgebieten Mittel in den schweizerisch-jugoslawischen Clearing überweisen, um Ansprüche schweizerischer Gläubiger zu befriedigen. Diese Regelung ist vorerst für ein Jahr gültig, bleibt jedoch während eines weiteren Jahres in Kraft, sofern sie nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wird. Ob sich diese Teilmultilateralisierung günstig auf unseren Wirtschaftsverkehr mit Jugoslawien auswirkt oder ob Jugoslawien nur einseitig davon Gebrauch macht, wird man erst nach einiger Zeit beurteilen können.

14 8. Marokko Am 29.August 1957 wurde mit Marokko ein für die Zeit vom I.Juli 1957 bis 30. Juni 1958 gültiges Handelsabkommen unterzeichnet. Es sieht im allgemeinen die Beibehaltung der unter dem früheren Eegime verwirklichten schweizerischen Exportmöglichkeiten vor. Die Ausfuhr von Stickereien bildete Gegenstand einer besonderen Vereinbarung. Die Schweiz hat das liberale Einfuhrregime, welches bisher auf marokkanische Produkte angewandt worden war, vertraglich konsolidiert. Versuchsweise wurde ein kleines Weinkontingent gewährt. Dem Handelsabkommen ist ein Protokoll beigeschlossen, durch welches sich die beiden Vertragspartner gegenseitig die Meistbegünstigung in bezug auf Zölle und Zollformalitäten zusichern. Dieses Protokoll wird nach erfolgter Eatifikation in der eidgenössischen Gesetzsammlung publiziert, während von einer Veröffentlichung des Handelsabkommens Umgang genommen wurde. Der Zahlungsverkehr zwischen der Schweiz und Marokko wickelt sich weiterhin nach den Vorschriften des schweizerisch-französischen Zahlungsabkommens ab.

Lediglich für den Zahlungsverkehr mit Nordmarokko (frühere spanische Zone) gelten vorläufig noch die Bestimmungen des schweizerisch-spanischen Abkommens. Im Falle einer Eingliederung Nordmarokkos in das allgemeine marokkanische Währungssystem wird jedoch der Waren- und Zahlungsverkehr mit diesem Gebiet in die neue schweizerisch-marokkanische Eegelung eingeschlossen werden.

9. Österreich Obwohl die am I.August 1956 in Kraft getretene Kontingentsliste für die Einfuhr schweizerischer Waren nach Österreich von keiner Seite gekündigt wurde und daher ab I.August 1957 für ein weiteres Jahr gilt, bestand doch schweizerischerseits der Wunsch, sie der Entwicklung des Warenverkehrs anzupassen. Zu diesem Zweck fanden vom 15. bis 18. Juli 1957 in Wien Besprechungen der schweizerisch-österreichischen gemischten Eegierungskommission statt. Wenn den schweizerischen Begehren auch nicht im vollen Umfang entsprochen wurde, so bedeuten die neuen Vereinbarungen doch einen weiteren Schritt in der Eichtung der Einfuhrliberalisierung für schweizerische Erzeugnisse.

10. Schweden Durch ein am 23. Oktober 1957 in Stockholm unterzeichnetes Protokoll wurde vereinbart, die Geltungsdauer des Abkommens vom 20. Juni 1951 über den Warenaustausch zwischen der Schweiz und Schweden für ein weiteres
Vertragsjahr, d.h. bis zum 30. September 1958, zu verlängern. Die bisher gültigen Kontingentslisten für die schwedische Ausfuhr nach der Schweiz und die schweizerische Ausfuhr nach Schweden wurden bei dieser Gelegenheit an den gegenwärtigen Stand der Einfuhrliberalisierung in den beiden Staaten angepasst.

15 11. Spanien Der Export nach Spanien nahm im Jahre 1957 erneut zu und betrug bis Ende November bereits 138 Millionen gegenüber 116 Millionen Franken im Jahre 1956. Die im Sommer festgestellten Wartefristen bei der Auszahlung konnten inzwischen bereits sehr erheblich verkürzt werden und dürften während der nunmehr einsetzenden spanischen Ausfuhrsaison verschwinden.

12. Sterlinggebiet

Im Zuge einer weiteren Lockerung der Beschränkungen verfügte die australische Regierung am I.August 1957 neue Einfuhrerleichterungen für Ersatzteile und zahlreiche, die schweizerische Exportindustrie interessierende Fertigfabrikate. Auf Grund dieser Massnahmen können die Importeure ihren laufenden Bedarf an diesen Waren unter gewissen Voraussetzungen jederzeit voll eindecken. Ferner wurden in den Lizenzierungsperioden April/Juli und August/November 1957 für eine Eeihe von Verbrauchsgütern zusätzlich zu den Grundkontingenten weitere Importlizenzen erteilt.

In den ersten elf Monaten des laufenden Jahres stieg die schweizerische Einfuhr auf 31,8 Millionen Franken gegenüber 21,7 Millionen Franken im vergangenen Jahr. Während unsere Ausfuhren in den ersten 6 Monaten 1957 um 8,4 Millionen Franken niedriger waren als in der gleichen Zeit des Vorjahres, betrug der Rückstand in den ersten 11 Monaten 1957 gegenüber 1956 nur noch 1,0 Millionen Franken (1956: 80,0 Millionen Franken; 1957: 79,0 Millionen Franken). Die im 55.Bericht ausgesprochene Erwartung eines Wiederansteigens der Exporte als Folge der Lockerungen der australischen Einfuhrbeschränkungen hat sich somit weitgehend verwirklicht.

Im Rahmen der Sparmassnahmen, zu denen sich Indien im Zusammenhang mit der Verwirklichung des zweiten Fünf jahresplanes veranlasst sah, wurde die für eine Reihe von Waren geltende Einfuhrfreiliste am I.Juli 1957 aufgehoben. Ferner wurden die Importquoten gegenüber den ersten 6 Monaten 1957, insbesondere für nichtlebenswichtige Güter, stark herabgesetzt oder sogar annulliert. Da die im ersten Halbjahr 1957 erteilten Einfuhrbewilligungen je nach Warengattung 6 bis 18 Monate gültig sind, weist unser Export trotz diesen Beschränkungen in den ersten 11 Monaten des Jahres 1957 mit 141 Millionen Franken gegenüber der entsprechenden Periode des Vorjahres (133,5 Millionen Franken) noch eine Steigerung aus. Dagegen wird im kommenden Jahr mit einem wesentlichen Rückgang zu rechnen sein.

Die neuen indischen Einfuhrvorschriften gelten vorläufig für die Zeit vom I.Oktober 1957 bis 31.März 1958. Es ist jedoch kaum zu erwarten, dass Indien sein Importregime ab I.April 1958 wird lockern können, da seine Devisenlage infolge der umfangreichen Entwicklungspläne noch auf längere Sicht angespannt bleiben dürfte.

Die im März, Juni und Juli 1957 durch die Regierung der S ü d a f r i k a n i schen Union angeordneten Einfuhrerleichterungen führten zu einer weiteren

16 Steigerung unserer Ausfuhren, welche sich in den ersten 11 Monaten dieses Jahres auf 67 Millionen Franken beliefen, gegenüber 53,4 Millionen Franken im Vorjahr.

13. Tunesien Am 26. Oktober 1957 wurde ein Handelsabkommen mit Tunesien abgeschlossen. Diese für einen Zeitraum von 18 Monaten (l. Oktober 1957 bis 31. März 1959) gültige Vereinbarung sieht im allgemeinen die Beibehaltung der unter dem früheren Begime mit Frankreich vereinbarten bilateralen Einfuhrkontingente für schweizerische Waren vor. Zudem sichert sie die Einfuhr in Tunesien für schweizerische Erzeugnisse, welche der multilateralen Importregelung unterstehen. Die Schweiz hat ihrerseits das bisher für tunesische Waren gewährte liberale Einfuhrregime vertraglich konsolidiert. In einem Protokoll, das nach erfolgter Eatifikation in der eidgenössischen Gesetzsammlung veröffentlicht wird, wurde gegenseitig die Meistbegünstigung in Zollangelegenheiten gewährt.

Von einer Publikation des Handelsabkommens wurde Umgang genommen.

Der Zahlungsverkehr zwischen der Schweiz und Tunesien wird sich wie bisher im Eahmen des schweizerisch-französischen Zahlungsabkommens abwickeln.

14. Türkei Die im. letzten Bericht erwähnte dritte Aktion für die Transferierung der bis zum 31. Januar 1957 fällig gewordenen schweizerischen Exportforderungen ist abgeschlossen.

15. Ungarn Die dem Abkommen vom 27. Juni 1950 über den Warenaustausch und Zahlungsverkehr beigegebenen Warenlisten I und II, deren Gültigkeit am 30. September 1957 abgelaufen war, wurden durch Protokoll der «Fünften Zusammenkunft der schweizerisch-ungarischen Eegierungskommission» vom 29.Oktober 1957 für ein weiteres Vertragsjahr vom I.Oktober 1957 bis 30.September 1958 unverändert in Kraft gesetzt.

Die Einfuhr ungarischer Waren in die Schweiz erreichte in den ersten 11 Monaten 1957 rund 27 Millionen Franken (Vorjahr 45,4 Millionne Franken), während die schweizerischen Exporte in der gleichen Zeit rund 21 Millionen Franken (Vorjahr 15 Millionen Franken) betrugen.

16. Uruguay Die Verschlechterung der Wirtschaftslage in Uruguay wirkte sich auch auf den Warenverkehr mit der Schweiz aus. Sowohl die Ausfuhr wie die Einfuhr wiesen in der zweiten Hälfte 1957 rückläufige Tendenz auf. Am 11. November erliess die uruguayische Eegierung Vorschriften, die eine starke Einschränkung der Importe mit sich bringen werden.

17 m. Zolltarifrevision Da die Zolltarifrevision nicht nur innenwirtschaftliche Fragen, sondern weitgehend auch handelspolitische Belange berührt, sehen wir uns veranlasst, über den Stand der Eevisionsarbeiten und über das weitere Vorgehen kurz zu berichten.

Im September 1952 wurde aus Mitgliedern der Expertenkommission für den Zolltarif und für die Einfuhrbeschränkungen ein Arbeitsausschuss bestellt mit dem Auftrag, den Entwurf eines neuen Zolltarifs auszuarbeiten. Es sind verschiedene Elemente, die zur Tarifrevision drängen. Vorweggenommen sei, dass hiefür keine fiskalischen Gründe vorliegen und deshalb die Fiskalzölle, die rund 60 Prozent des gesamten Zollertrages ausmachen, nicht geändert werden. Schutzpolitische Erwägungen bilden nur in bescheidenem Masse einen Beweggrund für die Zolltarifrevision ; in einem gewissen Sinne wird lediglich versucht, die ursprünglich im Jahre 1921 gewollte Zollbelastung wieder herzustellen. Dagegen fallen rechtliche Gründe stark ins Gewicht. Den geltenden Zöllen fehlt im Grunde genommen immer noch die yerfassungsmässige Grundlage, denn sie beruhen auf den dringlichen Bundesbeschlüssen aus den Jahren 1921/1928. Es ist an der Zeit, unser Zolltarifwesen in die ordentliche Gesetzgebung überzuführen. Ein wichtiger Grund für die Zolltarifrevision ist technischer Natur. Es dürfte wohl unbestritten sein, dass der geltende Tarif in seinem Aufbau wie auch in den Warenbezeichnungen der Entwicklung der Technik und damit auch den Bedürfnissen unserer nationalen Produktion seit langem nicht mehr zu genügen vermag. Der Euf nach einer modernen ZolltarifNomenklatur entspringt einem dringlichen Bedürfnis der Steuergerechtigkeit und der praktischen Zolltarifanwendung. Vor allem sind es aber handelspolitische Erwägungen, die eine Zolltarifreform als unbedingt notwendig erscheinen lassen. Die Schweiz ist mit der Weltwirtschaft so verflochten, dass der Zolltarif die handelspolitische Aufgabe hat, als Waffe bei den Vertragsverhandlungen zu dienen. Die multilaterale europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit im Eahmen der OBOE hat den innereuropäischen Handel aus der Erstarrung des Bilateralismus gelöst, womit die Zölle wiederum erhöhte Bedeutung erhalten. Unsere Nachbarstaaten passten sich dieser Entwicklung rasch an und revidierten ihre Zolltarife im Sinne von Erhöhungen. Ohne einen
modernen Zolltarif ist die Schweiz weitgehend zu einer zollpolitischen Ohnmacht verurteilt. - Heute stehen weitere zollpolitische Entwicklungen bevor. Der Vertrag über den Gemeinsamen Markt ist so weit gediehen, dass in absehbarer Zeit eine erste zolltarifarische Diskriminierung bevorsteht, sofern bis dahin die Freihandelszone nicht zustandekommt. Für diesen Fall braucht die Schweiz zur Verteidigung ihrer handelspolitischen Interessen einen modernen Zolltarif.

Der Arbeitsausschuss der Zolltarif-Expertenkommission hat seine Arbeiten beendigt. Nach eingehender Überprüfung hat der Bundesrat am I.November 1957 die Anlagen A und B (Ein- und Ausfuhrzolltarif) des Entwurfs zu einem neuen Zolltarifgesetz genehmigt. Dadurch hat der Zolltarifentwurf den Charakter Bundesblatt. 110. Jahrg. Bd. I.

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18 eines R e g i e r u n g s e n t w u r f e s erhalten, von dem die Öffentlichkeit Kenntnis nehmen konnte und der den Mitgliedern der parlamentarischen Zolltarifkommissionen zugestellt worden ist. Er soll vorläufig als Grundlage zu internationalen Verhandlungen dienen. In den ersten Tagen des Monats November 1957 ist der Regierungsentwurf den Mitgliedern des GATT (Allgemeines Abkommen über Zölle und Aussenhandel) in Genf sowie dem Sekretariat der OECE (Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) in Paris übergeben worden. Damit hat die Schweiz ihre Bereitschaft, zu Verhandlungen auf Grund dieses Zolltarifs zum Ausdruck gebracht. Der Tarifentwurf stellt also vorläufig ein Verhandlungsinstrument dar. Bereits haben sich mehrere Staaten für multilaterale Zollverhandlungen im GATT angemeldet, die im zweiten Quartal 1958 beginnen dürften. Nach Abschluss dieser Verhandlungsetappe wird der besonders in seinen Ansätzen durch zwischenstaatliche Abmachungen im Sinne von Herabsetzungen modifizierte Tarifentwurf durch den Bundesrat den eidgenössischen Räten vorgelegt werden, die alsdann zu diesem Entwurf sowie zu den Ergebnissen der Zollverhandlungen allgemein Stellung nehmen und sich über die Einzelheiten aussprechen können. Wenn sich auch die eidgenössischen Räte somit erst in einem späteren Stadium der Zolltarifrevision mit dieser Materie zu befassen haben werden, so liegt uns doch daran, heute schon eine allgemeine Orientierung zu geben.

IV. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) Vom 17. Oktober bis 80.November hielten die GATT-Vertragsparteien in Genf wiederum ihre ordentliche Generalversammlung ab. Die Schweiz war wie üblich' durch eine Beobachterdelegation vertreten. Als bedeutendstes Traktandum behandelte die Konferenz die Frage, ob der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft den Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens entspreche oder nicht. Eine abschliessende Beurteilung dieser auch für die Schweiz sehr wichtigen Frage gelang angesichts der Kompliziertheit der Materie nicht. Das Intersessionskomitee wird sich weiterhin mit ihr beschäftigen.

Die Schweiz gab anlässlich dieser Konferenz dem Wunsch Ausdruck, mit den Vertragsparteien des GATT in Zollverhandlungen einzutreten, und zwar auf Grund des bundesrätlichen Zolltarif entwurf es. Es wurde vereinbart,
diese Verhandlungen im Verlaufe des Monats Mai 1958 zu beginnen, wobei die gegenseitigen Begehrenlisten am 28.Februar 1958 ausgetauscht werden sollen. Bis zum Datum der Ausarbeitung dieses Berichtes haben sich folgende Länder zu Zollverhandlungen mit der Schweiz angemeldet: Österreich Brasilien Kanada Tschechoslowakei

Indien Italien Japan Norwegen

19 Dänemark Dominikanische Eepublik Finnland Frankreich

Schweden Türkei Grossbritannien Bénélux

V. Die Pläne für eine wirtschaftliche Integration in Europa und die Schweiz Am 25.März 1957 wurde in Born durch die Vertreter von Westdeutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Holland und Luxemburg der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet. Die Parlamente dieser Staaten führten bis Ende des Jahres das Genehmigungsverfahren durch, so dass er am 1. Januar 1958 in Kraft getreten ist. Damit haben die Unterzeichnerstaaten eine wichtige Etappe zu dem von ihnen angestrebten Ziel der politischen Integration Europas zurückgelegt.

Der Bömer Vertrag enthält einerseits handelspolitische Grundsätze und Verpflichtungen, welche nach Ablauf einer zwölf- bis fünfzehnjährigen Übergangszeit das Gebiet der Mitgliedstaaten in eine Zollunion verwandeln sollen; anderseits soll er auch eine grössere Zahl weiterer Elemente der allgemeinen Wirtschaftspolitik dieser Staaten aneinander angleichen und vereinheitlichen (z.B. Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, Arbeitsmarkt-, Sozial-, Investitionsund Wettbewerbspolitik), so dass das Gebilde schlussendlich die Form einer eigentlichen Wirtschaftsunion annehmen wird. Eigene Organe, welche die verschiedenen politischen Gewalten vertreten, sollen die Politik der Gemeinschaft verwirklichen und werden im Laufe der Übergangszeit in zunehmendem Masse mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet, die sie von den nationalen Behörden mehr und mehr unabhängig machen.

Die Entstehung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" berührt die Drittstaaten und insbesondere die mit dem Gemeinsamen Markt eng verbundenen Mitglieder der OECE auf mannigfache Weise. Die Signatarstaaten des Eömer Vertrages werden im Laufe der Übergangszeit die Zölle und mengenmässigen Beschränkungen, die den Warenverkehr im Innern der Gemeinschaft belasten, nach und nach gänzlich abbauen. Gleichzeitig wird ein gemeinsamer Zolltarif gegen aussen errichtet, und die Behörden der Gemeinschaft werden deren handelspolitische Interessen gegenüber Drittstaaten koordinieren und einheitlich vertreten. Gegenüber dem heutigen Zustand werden sich die Verhältnisse schliesslich insofern ändern, als die Produzenten der Gemeinschaft ihre Erzeugnisse auf deren Gebiet, ohne Handelsschranken vorteilhafter anbieten können, während die Exporteure der Drittstaaten im Verkehr mit dem Gemeinsamen Markt recht
ansehnliche Zollschranken oder Kontingente zu überwinden haben.

Nachdem sich anfangs 1956 die Bestrebungen der sechs Staaten immer deutlicher abzeichneten, versuchten die übrigen in der OECE zusammengeschlossenen Länder unter Führung Grossbritanniens, einen Weg zu finden, um den Nachteilen dieser Entwicklung vorzubeugen und um die Vorteile in einem grös-

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seren gesamt-europäischen Rahmen zu verwirklichen. Im Juli 1956 fasste der OECE-Rat den Beschluss, es sei zu untersuchen, ob sich die übrigen in der OECE zusammengeschlossenen Drittstaaten mit dem Gemeinsamen Markt in der Form einer Freihandelszone verbinden können. In der Freihandelszone würden die Mitglieder ähnliche Verpflichtungen hinsichtlich des Abbaus der zwischen ihnen bestehenden Handelsschranken übernehmen, während sie im Gegensatz zu den Staaten der Wirtschaftsgemeinschaft in der Gestaltung ihrer Handelspolitik gegen aussen autonom bleiben würden. Dieser Unterschied bedingt eine Kontrolle des Ursprungs der zwischen den Zonenpartnern ausgetauschten Waren, da sonst Importe aus Drittstaaten missbräuchlicherweise über die zollgünstigsten Grenzen in die Zone gelangen könnten.

Die mit der Prüfung dieser Fragen betraute Arbeitsgruppe unterbreitete im Februar 1957 dem OECE-Rat ihren Bericht, worin sie zum Schluss kam, dass die Errichtung einer solchen Zone durchaus möglich sei. Seither befassten sich verschiedene Arbeitsgruppen der OECE mit der Klärung der einzelnen Fragen, und seit Oktober 1957 bemüht sich ein intergouvernementaler Ausschuss der Organisation, allgemein annehmbare Lösungen zu finden, die als Grundlage eines Vertrages dienen könnten.

Die Verhandlungen mussten sich infolge der nicht immer gleichgelagerten Interessen der OECE-Partner zwangsläufig schwierig gestalten. Die sechs Länder der Europäischen Gemeinschaft scheinen zur Ausdehnung des unter ihnen geltenden freihändlerischen Handelsregimes auf die übrigen OECEPartner nur unter der Bedingung gewillt zu sein, dass sich die letzteren auch zu den übrigen wichtigeren Verpflichtungen des Römer Vertrages bekennen.

Grossbritannien ist im Rahmen eines europäischen Wirtschaftssystems nicht bereit, die ökonomischen Bindungen, die es mit seinen Besitzungen und dem Commonwealth zusammenhalten, einfach aufzugeben. Es verlangte deshalb, dass der landwirtschaftliche Sektor von den handelspolitischen Verpflichtungen ausgeschlossen werde. Damit geriet es in Gegensatz zu einzelnen AgrarAusfuhr-Ländern, für die das Gleichgewicht in einer Freihandelszone nur gewahrt bliebe, wenn ihre Exportgüter der gleichen Vergünstigungen teilhaftig würden, die sie selbst auf den Einfuhren zu gewähren hätten. Schliesslich erachtet eine Reihe von i n d u s t
r i e l l n o c h weniger e n t w i c k e l t e n L ä n d e r n selbst den verzögerten Abbau des handelspolitischen Schutzes nicht für möglich, weil dadurch der Aufschwung ihrer jungen Industrien gefährdet werden könnte. Sie verlangen ein spezielles Ausnahmestatut und eine bedeutende Kapitalhilfe für den Ausbau ihres Wirtschaftspotentials.

Die schweizerischen Behörden waren sich der Bedeutung des Problems von Anfang an bewusst. Rund 89 Prozent unserer Ausfuhr und 560Prozent unserer Einfuhr entfielen im Jahre 1956 auf den Verkehr mit den Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Eine Diskriminierung unserer Ausfuhr nach diesem Gebiete würde in dem Masse spürbar, als die Regeln der Zollunion angewendet würden ; Schwerwiegende Rückwirkungen auf das schweizeri-

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sehe Wirtschaftsleben wären nicht ausgeschlossen. -Auch wäre ,zu befürchten, dass die Verwirklichung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ohne gleichzeitige Verbindung mit den übrigen westeuropäischen Partnern die wertvolle wirtschaftliche Zusammenarbeit in internationalem Bahmen, wie. sie bisher von der OECE mit Erfolg und mit schweizerischer Unterstützung durchgeführt wurde, stark beeinträchtigen könnte. Wirtschaftliche wie politische Überlegungen führten den Bundesrat deshalb dazu, in den bisherigen Verhandlungen gegenüber dem Gedanken einer europäischen Freihandelszone eine positive Haltung einzunehmen. Unser Land hat an den Untersuchungs- und Vorbereitungsarbeiten lebhaften Anteil genommen und sich immer dafür eingesetzt, gemässigten Lösungen, die auch unseren Interessen gerecht werden, zum Durchbruch zu verhelfen.

Wir lassen uns dabei zur Hauptsache von folgenden Grundgedanken leiten : 1. Der Kreis der Produkte, die von den Zonenregeln erfasst werden sollen, ist möglichst gross zu halten. Benachteiligungen, die aus einem kleinlichen Zertifizierungsverfahren für die Beglaubigung des europäischen Ursprungs entstehen würden, sollten wenn irgend möglich von vornherein ausgeschaltet werden.

2. Im Zonenstatut sollten Verpflichtungen nur auf solchen Gebieten eingegangen werden, die mit dem internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr in Beziehung stehen.

3. Für die landwirtschaftlichen Produkte muss eine Eegelung gefunden werden, welche die Interessen der Agrarländer berücksichtigt, die aber den Schutz unserer einheimischen Landwirtschaft gewährleistet.

4. Die Organe der Zone sollen die Ausführung des Vertrages und die Zusammenarbeit mit den Behörden der Wirtschaftsgemeinschaft sichern. Ihr Aufgabenbereich hat sich auf das nötigste zu beschränken.

5. Die Zonenverpflichtungen sollen die Freiheit der Teilnehmer in ihrem Verhältnis gegenüber Drittstaaten nicht berühren. Dies bedingt, dass bei einem sukzessiven Zollabbau der im Entwurf vorliegende neue Zolltarif als Ausgangsbasis gilt. Andernfalls könnte dieser Tarif auch gegenüber Drittstaaten nicht angewandt werden.

Die künftigen Verhandlungen werden von allen Seiten ein reiches Mass an Verständigungsbereitschaft fordern, damit der Vertrag über die Freihandelszone gleichzeitig mit den ersten Massnahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
wirksam werden kann.

Gestützt auf die vorstehende Berichterstattung stellen wir den Antrag, Sie möchten von den getroffenen Massnahmen in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen und beschliessen, dass sie weiter in Kraft bleiben sollen.

22 Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 3. Januar 1958.

3608

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Holenstein Der Bundeskanzler: Ch. Oser

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

56. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die gemäss Bundesbeschluss vom 28. September 1956 erlassenen wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland (Vom 3. Januar 1958)

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1958

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09.01.1958

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