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Bundesblatt 110. Jahrgang

Bern, den 4. September 1958

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Eappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern 9

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammmlung über die Erstellung einer Autobahn Genf--Lausanne (Vom 26. August 1958) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Beteiligung des Bundes an der Erstellung einer Autobahn Genf-Lausanne vorzulegen.

I. Allgemeines und Technisches !

1. Die bestehende Strassenverbindung Genf-Lausanne

Die Neuordnung der Bundesfinanzen für das Jahr 1950 und die Zeitspanne von 1951 bis 1958 war für das schweizerische Strassenwesen in dem Sinne von grundsätzlicher Bedeutung, als sie in beschränktem Umfang die Einleitung einer eidgenössischen Strassenbaupolitik ermöglichte. Durch den Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1950 über die Verteilung der Hälfte des Eeinertrages des Treibstoffzolles an die Kantone und die Ausführungsbeschlüsse des Bundesrates wurde der Bund in die Lage versetzt, jenes Netz schweizerischer Hauptstrassen primärer Bedeutung zu bestimmen, das mit Hilfe zweckgebundener Subventionen auszubauen war, und es wurde ihm die Aufgabe zugewiesen, die entsprechenden Ausbauprogramme festzulegen.

Schon im Zeitpunkt der Aufstellung des ersten Ausbauprogrammes, im Jahre 1951, standen für grössere Abschnitte der West-Ost-Transversale GenfSt. Gallen Neuanlagen in Diskussion. In der Subventionierung des Ausbaues der bestehenden Strasse wurde daher äusserste Zurückhaltung geübt. So konnten im Genferseegebiet dem Kanton Genf lediglich für den Umbau der sog. Route Suisse in eine vierspurige Ausfallstrasse und dem Kanton Waadt nur für die AnBundesblatt. 110. Jahrg. Bd. II.

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passung des Anschlusses Kredite zur Verfügung gestellt werden. Im übrigen wollte man abwarten, bis die künftige Linienführung und Ausbauform des ganzen Strassenzuges festgelegt sein werde. Auf Empfehlung des Eidgenössischen Oberbauinspektorates begann der Kanton Waadt schon zu dieser Zeit mit seinen Studien für eine eigentliche Autobahn Genf-Lausanne, deren Ergebnisse von der im Jahre 1954 vom Departement des Innern eingesetzten Kommission für die Planung des schweizerischen Hauptstrassennetzes übernommen worden sind.

Aus diesem Grunde sahen auch die vom Bundesrat in den Jahren 1958 und 1955 festgelegten Ausbauprogramme, abgesehen von Beiträgen für die Fertigstellung der begonnenen Arbeiten, für den Ausbau der Strasse Genf-Lausanne keine neuen Kredite mehr vor.

Dieses an sich zweckmässige, die knappen, für den Ausbau des Hauptstrassennetzes verfügbaren Mittel sparende Vorgehen brachte es freilich mit sich, dass die bestehende Strassenverbindung Genf-Lausanne in den letzten Jahren wohl noch an ihren gefährlichsten Stellen verbessert, im gesamten aber dem ständig wachsenden Verkehr nicht mehr angepasst werden konnte. Sie führt auch heute noch durch die zahlreichen Städtchen und Dörfer des Seegebietes, wo der ortsfremde Durchgangsverkehr von der Anwohnerschaft als eine schwere Belastung ertragen werden muss. Diese landeswichtige Durchgangsstrasse ist heute den Anforderungen des Verkehrs in keiner Weise mehr gewachsen ; ihre Überlastung und damit ihre Gefährlichkeit haben einen Grad erreicht, der nicht mehr länger verantwortet werden darf. Es scheint somit der Zeitpunkt gekommen, die bestehende Strassenverbindung Genf-Lausanne durch eine moderne, dem raschen Motorverkehr bis in eine weite Zukunft genügende Neuanlage zu ersetzen.

2. Untersuchungen und Antrag der Planungskommission Ihrem Auftrag entsprechend, jenes Netz von Autobahnen festzulegen, das ^ die aus den verschiedensten Gegebenheiten des Landes gegenwärtig und künftig erwachsenden Verkehrsbedürfnisse am besten befriedigt, hatte die Planungskommission auch die in Projektierung begriffene Autobahn Genf-Lausanne im Rahmen der gesamtschweizerischen Strassenplanung zu prüfen. Da jedoch weder die Notwendigkeit dieser Neuanlage, noch die Linienführung oder die Ausbauform im Grundsatz bestritten waren, empfahl die Kommission schon in einer ihrer
ersten Plenarsitzungen die von den Kantonen Waadt und Genf vorgelegten Projekte zur Weiterbearbeitung und zur Verwirklichung. In ihrem, Ende Mai 1958 erschienenen zusammenfassenden Bericht «Das schweizerische Nationalstrassennetz » hat die Planungskommission ihren Antrag auf Erstellung einer vierspurigen, richtungsgetrennten Autobahn Genf-Lausanne im Eahmen des schweizerischen Nationalstrassennetzes eingehend begründet (vgl. S.7 und insbesondere S.10 ff. des Berichtes).

3. Das Projekt Am S.Juni 1957 genehmigte das Eidgenössische Departement des Innern das ihm vom Kanton Waadt unterbreitete generelle Projekt für die Erstellung

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einer Autobahn von der waadtländisch-genferischen Kantonsgrenze bis Ecublens (Lausanne) mit Ausnahme eines Teilstückes bei Morges, das noch einer weiteren Abklärung bedurfte. Bereits am 20. März 1958 konnte das Departement auch das Projekt für jene Teilstrecke genehmigen, nachdem die sich stellenden schwierigen Probleme einlässlich geprüft und in bestmöglicher Weise gelöst worden waren. Im Gebiet des Kantons Genf steht die Linienführung in grossen Zügen ebenfalls fest und das Departement des Innern gewärtigt die Einreichung des generellen Projektes, damit auch dieses sobald als möglich genehmigt und zur weitern Bearbeitung freigegeben werden kann.

a. Die Linienführung Die Linienführung der Autobahn Genf-Lausanne wird durch vier Fixpunkte bestimmt, nämlich durch den Anschluss des Flughafens Genf-Cointrin an die Autobahn bei Les Tuileries, die Überquerung der Aubonne bei Allaman, die Autobahnverzweigung in Eichtung Lausanne und Bern bei Ecublens und den Endpunkt der neuen Verbindung bei La Maladière, von wo aus die Zufahrt zur Stadt Lausanne über verschiedene Strassenäste vorgesehen ist.

Die Beschaffenheit des Geländes zwischen Genf und Lausanne und die Lage der Ortschaften in diesem Eaume lassen praktisch - abgesehen von einigen, durch die örtlichen Verhältnisse bedingten Untervarianten - nur eine einzige Möglichkeit der Trasseführung offen. Von der Umgebung des Internationalen Arbeitsamtes in Genf ausgehend, folgt die Autobahn dem Seeufer, durchquert das Gehölz von Vengeron, nimmt bei Les Tuileries linker Hand die Anschlußstrecke von Genf-Cointrin auf, führt nördlich an Mies und Nyon vorbei, folgt dem Hangfuss des Rebgebietes der Côte nördlich der Bundesbahnlinie Genf-Lausanne und überquert die Aubonne im Norden von Allaman. Nach der Durchfahrt von Morges auf der Nordseite des Bahnhofes unterfährt das Trasse östlich dieser Ortschaft die Geleise der Schweizerischen Bundesbahnen, durchstösst in einem kurzen Tunnel den nördlich von Ecublens liegenden Hügel, führt südlich an Eenens und Prilly vorbei und erreicht bei La Maladière den Endpunkt der Autobahn GenfLausanne.

Abgesehen von den Anschlüssen an die städtischen Strassennetze von Genf und Lausanne sowie an den Flughafen Genf-Cointrin sind solche vorgesehen bei Bellevue, Chavannes-de-Bogis, Nyon, Gland, Eolle, Allaman sowie westlich und östlich
von Morges, ferner die Abzweigung der künftigen Autobahn LausanneBern bei Ecublens.

Allgemein darf die projektierte Neuanlage als günstig bezeichnet werden.

Sie verbindet die wichtigen Zentren Genf und Lausanne auf kürzestem Wege und ermöglicht die Umfahrung der zahlreichen, in der Nähe des Seeufers liegenden Ortschaften. Vom landesplanerischen Standpunkt aus betrachtet, erscheint die Neuanlage zweckentsprechend, weil sie einerseits den lokalen Verkehrsbeziehungen der Gegend Eechnung trägt, anderseits das durchfahrene Gebiet direkt mit den beiden Zentren Genf und Lausanne verbindet. Die gewählte Linien-

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führung berücksichtigt auch die Belange der Landwirtschaft in grösstmöglichem Masse. Freilich beansprucht die Autobahn mit Ausnahme ihrer beiden Endstücke und der Durchfahrt durch Morges wertvolles Kulturland und Eebgelände. Die gewählte Linienführung nimmt jedoch auf die einzelnen Betriebe weitgehend Eücksicht und erleichtert die landwirtschaftliche Nutzung, indem sie den Wirtschaftsgrenzen der einzelnen Ortschaften folgt. Durch geeignete Landumlegungen und andere Massnahmen, wie die Erstellung von Über- und Unterführungen, sollen zudem nachteilige Folgen des Autobahnbaues für die Landwirtschaft auf ein erträgliches Mindestmass reduziert werden. Hinsichtlich der Durchfahrt von Morges darf schliesslich auf Grund eingehender Untersuchungen festgestellt wer' den, dass die vorgesehene Führung der Autobahn entlang der Bundesbahnlinie die einzige Lösung darstellt, die sich ohne unverantwortlich schwere Eingriffe in die bestehenden Verhältnisse im Bereiche von Morges und seiner Nachbargemeinden noch verwirklichen lässt.

b. Die A u s b a u f o r m Die Neuanlage Genf-Lausanne soll als vierspurige, richtungsgetrennte Autobahn erstellt werden. Nach den Untersuchungen der Planungskommission erlangt eine Strasse dann die verkehrstechnische Autobahnreife, wenn sie im Jahresmittel von 5000 Automobilen pro Tag befahren wird. Die Verkehrszählungen im Jahre 1955 ergaben für die bestehende Strasse Genf-Lausanne im Jahresmittel einen täglichen Verkehr von 8003 Automobilen bei Bellevue (Genf), von 6913 Motorwagen bei Morges und von 4674 Autos bei Eolle ; die Strassenverbindung GenfLausanne hat also heute schon die Autobahnreife voll erreicht. Nach den Berechnungen der Planungskommission wird die Verkehrsbelastung der Autobahn im Jahre 1980 an den entsprechenden Stellen zwischen rund 19600 und 10000 Personenwagen-Einheiten je Tag schwanken. Wenn die ungefähre Leistungsfähigkeit einer vierspurigen, richtungsgetrennten Autobahn auf 25 000 PersonenwagenEinheiten pro Tag angesetzt wird, steht daher fest, dass der der Autobahn GenfLausanne im Jahre 1980 mutmasslich anfallende Verkehr bereits einen grossen Teil der Leistungsfähigkeit dieser Neuanlage beanspruchen wird. Die Erstellung einer vierspurigen Autobahnanlage ist somit eine dringende Notwendigkeit.

Die 57,8 km lange Autobahn Genf-Lausanne soll nach den von der
Planungskommission ausgearbeiteten Normalien in einer Gesamtbreite von 26 m, d.h.

mit zwei Fahrbahnen von je 7,5 m Breite, einem Mittelstreifen von 4 m, zwei seitlichen Abstellstreifen von je 3 m Breite und anschliessenden Banketten von je 0,5 m erstellt werden. Lediglich auf langen Viadukten und im Gebiete der Stadt Morges ist das Normalprofil der Neuanlage zufolge topographischer und bautechnischer Schwierigkeiten auf das zulässige Mindestmass von 19 m einzuschränken. Im Bahmen der schweizerischen Strassenplanung sind für das Gebiet der Stadt Genf eingehende Verkehrsuntersuchungen durchgeführt worden. Es hat sich dabei ergeben, dass die Verbindung vom Flughafen Genf-Cointrin nach der Autobahn noch auf lange Zeit nicht eine so grosse Belastung erhalten wird,

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dass sich der Bau einer vierspurigen Autobahn rechtfertigen liesse. In diesem 4 km langen Abschnitt soll daher zunächst nur eine zweispurige Autostrasse erstellt werden, die später zu einer vierspurigen Anlage ausgebaut werden kann, wenn dies die Entwicklung des Verkehrs erfordern sollte. In gleicher Weise wie die Autobahn selbst sind auch die Autobahnanschlüsse, die Verzweigungsbauwerke bei Genf und Ecublens sowie die Nebenanlagen der Autobahn wie Tankstellen usw. nach den von der Planungskommission festgelegten Normalien auszubilden (vgl. zusammenfassender Bericht der Kommission, S.4 ff.).

c. Die Baukosten Die Baukosten der Autobahn Genf-Lausanne sind für die Strecke vom Internationalen Arbeitsamt in Genf bis zu ihrem Endpunkt bei La Maladière (Lausanne), einschliesslich der Anschlußstrecke vom Flughafen Genf-Cointrin, auf 265 Millionen Franken veranschlagt worden. Auf die im Kanton Waadt liegende Strassenstrecke von 46,6 km entfällt ein Kostenbetrag von 210 Mil-, Honen Franken, währenddem die 15,2 km lange Genfer Teilstrecke auf 55 Millionen Franken zu stehen kommt.

Diese neuen, von den Kantonen auf Grund eingehender Berechnungen erstellten Baukostenvoranschläge weichen von den Angaben der Planungskommission, die sich für diese Autobahnstrecke auf die Angaben der Kantone glaubte verlassen zu können, wesentlich ab. Das Departement des Innern beabsichtigt, die Ausführungsprojekte für die Autobahn, die ihm zu gegebener Zeit zur Genehmigung vorzulegen sind, einlässlich auf eine möglichst sparsame Bauausführung hin zu überprüfen. Die Zusicherung des Bundesbeitrages an die Erstellungskosten der Autobahn auf Grund eines generellen Kostenvoranschlages entspricht jedoch durchaus dem Vorgehen des Bundes bei der Subventionierung öffentlicher Werke.

4. Die Dringlichkeit der Verwirklichung des Werkes Im Frühsommer des Jahres 1964 wird die VI. Schweizerische Landesausstellung inLausanne ihre Tore öffnen, und es darf angenommen werden, dass diese während Monaten täglich Zehntausende von Besuchern anziehen wird. Da vermutlich ein grosser Teil der Besucher mit dem Motorfahrzeug nach Lausanne gelangen-wird, ist der Kanton Waadt bestrebt, auf diesen Zeitpunkt hin die wichtigsten Zufahrtsstrassen zu der Kantonshauptstadt in einen Zustand zu versetzen, der eine sichere und reibungslose Abwicklung des Verkehrs
gestattet. Wie wir weiter oben dargelegt haben, vermöchte insbesondere die bestehende Strasse Genf--Lausanne den zu erwartenden zusätzlichen Besucherverkehr nicht mehr zu bewältigen. Die Kantone Waadt und Genf sind daher entschlossen, die Autobahn Genf-Lausanne bis zur Eröffnung der Schweizerischen Landesausstellung zu vollenden. Da nun der Bau eines Werkes von der Grosse der projektierten neuen Strassenverbindung fünf bis sechs Jahre erfordern wird, ist die Auffassung der Kantone Waadt und Genf durchaus zu teilen, ^wonach mit den Bauarbeiten der Autobahn spätestens im Herbst dieses Jahres begonnen werden muss, wenn Gewähr dafür bestehen soll, dass das Werk fristgerecht fertiggestellt werden kann.

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u. Die rechtlichen Grundlagen für die Beteiligung des Bundes an der Verwirklichung des Werkes 1. Die neuen Strassenartikel der Bundesverfassung Am 6. Juli 1958 haben Volk und Stände mit überwältigendem Mehr der ihnen von der Bundesversammlung unterbreiteten Strassenbauvorlage zugestimmt und die drei vorgeschlagenen Artikel 36bls, 36terund 37 zumVerfassungsrecht erhoben.

Die neuen Strassenbauartikel der Bundesverfassung übertragen dem Bunde insbesondere die Kompetenz, auf dem Wege der Gesetzgebung die Errichtung und Benützung eines Netzes von Nationalstrassen sicherzustellen, und sie enthalten u.a. die Grundsätze über die Bereitstellung der finanziellen Mittel, die für die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Nationalstrassen erforderlich sind.

Da es indessen nicht möglich sein wird, das Ausführungsgesetz über die Nationalstrassen sowie die generellen Finanzierungsbeschlüsse so rechtzeitig zu erlassen, dass die Vorbereitungshandlungen und die beginnenden Bauarbeiten an der Autobahn Genf-Lausanne schon unter die Bestimmungen des Nationalstrassengesetzes fallen und die Zusicherungen des Bundes über seine finanzielle Beteiligung bereits gestützt auf die Ausführungsgesetzgebung abgegeben werden könnten, ist die Verwirklichung des Werkes nur dadurch sicherzustellen, dass die Bundesversammlung die absolut erforderlichen Ersatzverfügungen in einem besonderen Bundesbeschluss trifft und diesen direkt auf die neuen Strassenbauartikel abstützt.

2. Die Autobahn Genf-Lausanne als Bestandteil des künftigen Nationalstrassennetzes Gemäss Artikel 36bls der Bundesverfassung können diejenigen Strassenzüge zu Nationalstrassen erklärt und damit hinsichtlich ihrer Errichtung, ihres Betriebes und Unterhaltes einer bundesrechtlichen Sonderregelung unterstellt werden, die von gesamtschweizerischer Bedeutung sind. In der Meinung, dass es Aufgabe der Ausführungsgesetzgebung sein soll, die zur Festlegung des Nationalstrassennetzes zuständige Bundesbehörde zu bezeichnen, blieb diese Frage im Verfassungsartikel offen. In unserem Bericht über das Volksbegehren für die Verbesserung des Strassennetzes (BB1 1957, II, 817 ff.) wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, dass es nicht zweifelhaft sein könne, welcher Bundesbehörde die Bestimmung des Nationalstrassennetzes zufallen müsse, denn allein die Bundesversammlung sei die
geeignete Instanz, um über das neue Strassennetz und die allgemeine Führung der Strassen zu befinden.

Es bedarf wohl keiner eingehenden Ausführungen, dass die zu erstellende Autobahn Genf-Lausanne die Kriterien einer wichtigen Strassenverbindung von gesamtschweizerischer Bedeutung vollauf erfüllt. Das gesamtschweizerische Interesse an einer Strassenverbindung ergibt sich u.a. insbesondere aus z-wei Gesichtspunkten : der erforderlichen Sicherstellung guter Verbindungen zwischen den wesentlichen Wirtschaftszentren des Landes und aus der Gewährleistung eines zweckmässigen Anschlusses an das kontinentale Durchgangsstrassennetz.

671 Hier offenbaren sich die Interessen, die notwendigerweise von Bundes wegen wahrzunehmen sind. Für die Strassenverbindung Genf-Lausanne treffen beide Gesichtspunkte in hervorragendem Masse zu. Die Strasse verbindet die grossen Städte und Wirtschaftszentren Genf und Lausanne auf kürzestem Wege miteinander, und sie bildet als sog. Eoute Suisse überhaupt die einzige Verbindung zwischen der Stadt sowie dem Kanton Genf und der übrigen Schweiz. Sodann ist die Strasse Bestandteil des durch die UNO-Deklaration vom 16. September 1950 bezeichneten UNO-Europastrassennetzes, bzw. des Strassenzuges E4: Lissabon-Madrid-Mmes-Genf-Basel-Frankfurt a.M.-Hamburg-KopenhagenStockholm-Helsinki. Gestützt auf diese Hinweise erscheint die Aufnahme der zu erstellenden Autobahn in das künftige Nationalstrassennetz durch die Bundesversammlung unbestritten.

Mit der Bezeichnung dieses Strassenzuges als Nationalstrasse im Sinne von Artikel 36bls der Bundesverfassung wird dem Bunde die Möglichkeit gegeben, sich an den Erstellungskosten der Autobahn angemessen zu beteiligen, und es steht ihm die wichtige Befugnis zu, bei der Errichtung des Werkes die erforderlichen Anordnungen zu treffen und eine weitgehende Oberaufsicht auszuüben.

3. Die Beteiligung des Bundes an den Erstellungskosten Artikel 36Ws, Absatz 4, der Bundesverfassung bestimmt, dass die Erstellungskosten der Nationalstrassen auf Bund und Kantone zu verteilen sind, wobei die Belastung der einzelnen Kantone durch die Nationalstrassen sowie ihr Interesse und ihre Finanzkraft zu berücksichtigen sind. Für die Festlegung der beidseitigen 'Kostenanteile sind also drei Kriterien massgebend. Sie können in der Weise herangezogen werden, dass von einem mittleren Anteil des Bundes ausgegangen und dann für jedes einzelne Kriterium festgestellt wird, ob es sich im Sinne einer Erhöhung oder einer Verminderung des Bundesanteiles auswirkt.

Da es sich im Bahmen des vorliegenden Bundesbeschlusses gar nicht darum handeln kann, den Kantonen Waadt und Genf bestimmte Bundesanteile an den Erstellungskosten der Autobahn endgültig zuzusichern, konnte sich der Bundesrat darauf beschränken, den vorläufigen Beitragssatz zu bestimmen, der den beiden Kantonen im Sinne einer späteren Verrechnung mit den definitiven Bundesanteilen an den Erstellungskosten der Autobahn vorschussweise ausgerichtet
werden soll.

Bei allen, nach Artikel 36bls, Absatz 4, der Bundesverfassung zu berücksichtigenden Kriterien ergibt sich für den Kanton Waadt ein höherer vorläufiger Beitragssatz als für den Kanton Genf. Sowohl hinsichtlich der Belastung durch die projektierten Nationalstrassen wie bezüglich der Finanzlage stellt sich der Kanton Genf wesentlich günstiger als der Kanton Waadt. Etwas anders liegen die Dinge hinsichtlich des Interesses der beiden Kantone an der Autobahn. Das Interesse des Kantons Waadt an einer Autostrasse von Lausanne nach Genf ist offensichtlich. Die heutige Strasse ist überlastet und hat sich nicht mehr als ausbauwürdig erwiesen. Der Kanton hätte sich also über kurz oder lang

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zu einer durchgreifenden Verbesserung dieses wichtigen Strassenzuges entschliessen müssen, selbst wenn die Neuordnung im Strassenwesen nicht gekommen wäre. Dass gute Strassenverbindungen als lebenswichtig anerkannt werden, haben die Kantone Waadt und Genf auch durch ihre Beteiligung an den ausserhalb ihres Gebietes liegenden Tunneln durch den Grossen St. Bernhard bzw. durch den Mont Blanc bewiesen. In ähnlicher Weise ist auch das grosse Interesse des Kantons Genf an einer Autobahnverbindung mit Lausanne und der übrigen Schweiz offenbar. Die Autobahn wird die den europäischen Sitz der Vereinigten Nationen beherbergende Stadt nicht nur mit der übrigen Schweiz, sondern über das Netz der UNO-Strassen mit dem ganzen mitteleuropäischen Baum verbinden. Zudem dürfte die Autobahn das ihre zur Förderung des Flughafens Genf-Cointrin beitragen.

Wie bereits gesagt, werden wir bei der Gesamtregelung der Materie auf diese Fragen eingehender zurückkommen. Um die Gesetzgebung in keiner Weise zu präjudizieren, die Ausführung der Strecke Lausanne-Genf des zukünftigen Nationalstrassennetzes jedoch sicherzustellen, halten wir es für angemessen, den Kantonen Waadt und Genf vorläufig einmal nach Massgabe des Baufortschrittes Vorschüsse von 80 Prozent für den Kanton Waadt und von 70 Prozent für den Kanton Genf der Baukosten auszurichten. Nach dem Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung über die Nationalstrassen wird dann die Abrechnung zwischen dem Bund und den beiden Kantonen auf Grund des definitiven Kostenteilers vorzunehmen sein.

4. Das Anordnungsrecht des Bundes und die Oberaufsicht über die Erstellung der Autobahn Artikel 36Ws der Bundesverfassung überträgt dem Bunde die Kompetenz, auf dem Wege der Gesetzgebung alle diejenigen Obliegenheiten und Anordnungsbefugnisse des Bundes festzulegen, die für die Erstellung, den Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen notwendig sind. Dank dem von der Planungskommission ausgearbeiteten Gesetzesentwurf über die Nationalstrassen und den inzwischen durchgeführten bundesinternen Vorarbeiten zum Erlass der Ausführungsgesetzgebung besteht in der Frage, welche Befugnisse dem Bunde zur Sicherstellung des Werkes notwendigerweise übertragen werden müssen, weitgehend Klarheit. Der Bundesrat wäre daher in der Lage, ohne Verzug die erforderlichen Ausführungsvorschriften zu dem
Bundesbeschluss zu erlassen, der über die Erstellung der Autobahn Genf-Lausanne zu fassen sein wird.

Angesichts der Tatsache, dass die neue Strassenverbindung gesamtschweizerischen Interessen dienen und überwiegend auf Kosten des Bundes erstellt werden soll, dürften die Kantone durch die Ausführungsvorschriften verhalten werden, die Detailprojektierung der Autobahn und ihrer Nebenanlagen in gegenseitiger enger Zusammenarbeit sowie in Zusammenarbeit mit der zuständigen Bundesbehörde auszuführen. Die Ausführungsprojekte für die einzelnen Anlageteile und die jährlichen Bauprogramme sollen dem Eidgenössischen Departement des Innern vor Beginn der Bauarbeiten rechtzeitig zur Genehmigung vorgelegt wer-

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den. Sodann sind die zuständigen Bundesstellen über den Landerwerb und die Massnahmen auf dem laufenden zu halten, die - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorschriften - zur Erhaltung einer wirtschaftlichen Bodennutzung betroffen werden. Zur Gewährleistung eines wirtschaftlichen Bauvorganges ist die Grosse der Baulose so zu bestimmen, dass die Bauarbeiten nach den neuesten Methoden des Strassenbaues unter Einsatz von Maschinen ausgeführt werden können. Die Arbeitsvergebung hat sich nicht auf die kantonsansässigen Baufirmen zu beschränken, vielmehr sind die grossen Bauarbeiten zu freier Beteiligung gesamtschweizerisch auszuschreiben, und die Arbeitsvergebung soll der Genehinigung durch die zuständigen Bundesbehörden unterstehen. Endlich sollen die zu erlassenden Ausführungsvorschriften eine genügende Kontrolle der Bauausführung durch die zuständigen Bundesbehörden sicherstellen.

Es kann nicht fraglich sein, dass die künftige Bundesgesetzgebung über die Nationalstrassen mit ihrem Inkrafttreten auch für die Erstellung der Autobahn Genf-Lausanne massgebend sein wird, soweit das Werk nicht schon nach den Bestimmungen des zu erlassenden Bundesbeschlusses und den Vollzugsvorschriften des Bundesrates ausgeführt worden ist. Die Vorschriften der künftigen Gesetzgebung über den Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen werden vollumfänglich auf die Autobahn anwendbar sein, weshalb der nachstehende Beschlussesentwurf auf eine Eegelung dieser Materien verzichten kann. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der künftigen Bundesgesetzgebung über die Nationalstrassen wird somit die Nationalstrassenstrecke Genf-Lausanne das rechtliche Schicksal der übrigen schweizerischen Nationalstrassen teilen.

Die neuen Strassenbauartikel der Bundesverfassung verpflichten den Bund, die Eechtsnormen über die Errichtung von Nationalstrassen auf dem Gesetzgebungswege zu erlassen. Insbesondere die in Artikel 5 des Beschlussesentwurfes vorgesehene Ermächtigung des Bundesrates zum Erlasse allgemeiner Vorschriften über die Erstellung der Autobahn kann demzufolge nur in einem referendumspflichtigen Bundesbeschluss erteilt werden. Der vorgesehene Bundesbeschluss ist daher als allgemeinverbindlich zu erklären und dem Referendum zu unterstellen.

Gestützt auf die Darlegungen dieses Berichtes bitten wir Sie, dem nachstehenden Entwurf zu
einem Bundesbeschluss über die Erstellung einer Autobahn Genf-Lausanne zuzustimmen.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 26.August 1958.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Holenstein Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Erstellung einer Autobahn Genf-Lausanne

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 86Ms und 36ter der Bundesverfassung, nach Einsieht in eine Botschaft des Bundesrates vom 26. August 1958, beschliesst:

Art. l Die zu erstellende Strassenverhindung Genf (Internationales Arbeitsamt/ Genf-Cointrin)-Morges-Lausanne (La Maladière) wird als Bestandteil des künftigen Nationalstrassennetzes erklärt.

Art. 2 Die Strasse ist mit Ausnahme der Anschlußstrecke von Genf-Cointrin als vierspurige, richtungsgetrennte Autobahn auszubilden.

2 Die Arbeiten sind so zu fördern, dass die Autobahn spätestens am 30. April 1964 dem Verkehr geöffnet werden kann. Der Bundesrat kann diese Frist verlängern, wenn wichtige Gründe die Durchführung der Arbeiten verzögern.

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Art. 3 Nach Inkrafttreten der Bundesgesetzgebung über die Nationalstrassen beteiligt sich der Bund an den Erstellungskosten der Autobahn Genf-Lausanne entsprechend den festgesetzten Anteilen des Bundes an den Erstellungskosten von Nationalstrassen.

2 Zu Lasten des Bundesanteils an den auf 265 Millionen Franken (210 Millionen Waadt, 55 Millionen Genf) veranschlagten Erstellungskosten der Autobahn leistet der Bund dem Kanton Waadt Vorschüsse von 80 Prozent, dem Kanton Genf solche von 70 Prozent nach Massgabe des Baufortschrittes, unter Vorbehalt der spätem Erhöhung oder Herabsetzung des endgültigen Beitragssatzes.

3 Die geleisteten Vorschüsse sind bei der Feststetzung der endgültigen Bundesanteile zu verrechnen.

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Art. 4 1

Der Bund leistet seine Vorschüsse aus dem für den Strassenbau bestimmten Teil des Eeinertrages des Zolles auf Treibstoffen für motorische Zwecke sowie allfälligen, gemäss Artikel 36ter, Absatz 2, der Bundesverfassung beschlossenen zusätzlichen Mitteln.

2 Die Auszahlung der Vorschüsse erfolgt nach den vom Bundesrat zu bestimmenden Zahlungsmodalitäten.

Art. 5 Die Autobahn ist nach den neuesten Erkenntnissen der Strassenbautechnik und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erstellen.

2 Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Vorschriften über die technische Ausgestaltung des Werkes und seiner Nebenanlagen, über die Projektierung, den Landerwerb und die Massnahmen zur Erhaltung einer wirtschaftlichen Bodennutzung, die Arbeitsvergebung und die Bauausführung.

3 Der Bundesrat kann den Kantonen das Enteignungsrecht im Sinne des Artikel 3, Absatz 2, des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung übertragen.

Art. 6 1 Die jährlichen Bauprogramme bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

2 Die Ausführungsprojekte für die Autobahn und die einzelnen Anlageteile sind dem Departement des Innern rechtzeitig zur Genehmigung zu unterbreiten.

3 Das Eidgenössische Departement des Innern übt die Oberaufsicht über die Erstellung der Autobahn aus; es trifft insbesondere die Anordnungen, die zur Gewährleistung eines wirtschaftlichen Bauvorganges und einer genügenden Baukontrolle notwendig sind.

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Art. 7 Die Anwendung der künftigen Bundesgesetzgebung über die Nationalstrassen auf die Autobahn Genf-Lausanne bleibt vorbehalten.

Art. 8 Der Bundesrat wird beauftragt, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Bundesbeschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erstellung einer Autobahn Genf--Lausanne (Vom 26. August 1958)

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