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Bundesblatt 110. Jahrgang

Bern, den 10. Juli 1958

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im -Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha (Vom 4. Juli 1958) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiemit eine Botschaft samt Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Eomontscha/Lia Bumantscha zu unterbreiten.

1. Die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache

Die im Jahre 1938 erfolgte Anerkennung des Bätoromanischen als Nationalsprache der Schweiz durch die Revision der Artikel 116 und 107 der Bundesverfassung stellt einen Markstein dar in der Bewegung zur Wahrung und Förderung der rätoromanischen Sprache. Nachdem schon in den eidgenössischen Bäten die Vorlage einstimmig gutgeheissen worden war und die Beratung zu Kundgebungen der Sympathie gegenüber der kleinen rätoromanischen Bevölkerungsgruppe, ihrer Sprache und Kultur Anlass gegeben hatte, bewies auch das Schweizervolk an der denkwürdigen Abstimmung vom 20.Februar 1938 mit einem überwältigenden Mehr von 574 991 Ja zu 52 827 Nein sein Verständnis für die besondere Lage romanisch Bündens und darüber hinaus seine Aufgeschlossenheit für die Eigenart unseres eidgenössischen Staatsgedankens, der im Zusammenleben und in der freien Entfaltung verschiedener Sprachen und geistiger Kräfte begründet ist.

In unserer Botschaft vom l. Juni 1937 (BB1 1937, II, 1), auf die wir verweisen möchten, legten wir die Ausgangslage und Tragweite einer Anerkennung des Bätoromanischen als Nationalsprache dar. Wir bemerkten u. a., dass das Prinzip der Gleichberechtigung unserer nationalen Sprachen zu den fundaBundesblatt. 110. Jahrg. Bd. II.

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mentalen Kechtsgrundsätzen unseres Staatswesens gehört. Diese freiheitliche Ordnung entspricht nicht nur der natürlichen Zusammensetzung unserer Bevölkerung und der föderalistischen Struktur unseres Staates, sondern auch der Ehrfurcht vor der menschlichen Persönlichkeit und damit der Ehrfurcht vor der Muttersprache. Nie in der Geschichte der Eidgenossenschaft ist der Versuch unternommen worden, die Freiheit der Sprache anderer anzutasten, selbst nicht gegenüber den ehemaligen Untertanenländern.

Das Prinzip der Gleichberechtigung der Sprachen wurde auch in der Helvetik aufrechterhalten. Und im Jahre 1848, im Zeitalter des modernen einsprachigen Nationalstaates, hat das Schweizervolk seine mehrsprachige -Gemeinschaft noch vertieft. Zwar erwähnten die Verfassungen von 1848 und von 1874 das Eätoromanische nicht; in ihren Artikeln 109 bzw. 116 bestimmten sie lediglich : « Die drei Hauptsprachen der Schweiz, die deutsche, französische und italienische, sind Nationalsprachen des Bundes.» Es waren offensichtlich Überlegungen praktischer Natur, wenn der Gesetzgeber darauf verzichtete, auch die vierte Sprache - das Rätoromanische - als Nationalsprache zu bezeichnen, da mit dem Begriff der Nationalsprache derjenige der Amtssprache verbunden wurde. Mit der Formulierung «die drei Hauptsprachen» war aber das Bestehen einer weiteren Landessprache doch grundsätzlich festgestellt.

Von einer Erhebung des Eätoromanischen zur Amtssprache konnte im Hinblick auf die damit verbundenen personellen und finanziellen Auswirkungen nie die Bede sein. Dies hätte auch keiner Notwendigkeit entsprochen, gibt es doch kaum Eätoromanen, die nicht einer weiteren Landessprache mächtig wären. Dessen war man sich bei den Bestrebungen um die Anerkennung als Nationalsprache durchaus bewusst. Die Erwähnung in der Verfassung sollte lediglich eine prinzipielle Gleichstellung mit den drei andern Sprachen unseres Landes herbeiführen. Daneben war die Überzeugung ausschlaggebend, dass eine solche Anerkennung den Kampf um die Erhaltung der rätoromanischen Sprache erleichtere. Es sollte dargelegt werden, dass es sich bei dieser Sprache um ein selbständiges Glied in der neulateinischen Sprachfamilie handle. Die Zustimmung zu diesem Anliegen entsprach einer Forderung vornehmsten geistigen Heimatschutzes und erschien als Verpflichtung gegenüber
einem kleinen eidgenössischen Volksstamm, der seit Jahrhunderten zäh an der angestammten Sprache festhält. Eeichtum und Grosse und auch geistige Widerstandskraft unseres Landes liegen nicht in der Einheitlichkeit, sondern in der Fülle des Verschiedenartigen und Mannigfaltigen. Der revidierte Artikel 116 der Bundes Verfassung stellte das Rätoromanische als Nationalsprache auf die gleiche Linie mit dem Deutschen, Französischen und Italienischen, als selbständige Sprache eigener Prägung und eigenen Eechts. Der Kreis der Amtssprachen wurde dagegen wie bisher auf das Deutsche, Französische und Italienische beschränkt.

Es ist an Ausdehnung ein kleines Gebiet, das'die rätoromanische Sprache umfasst, und es ist eine an Zahl kleine Bevölkerung, die diese Sprache spricht.

Das Eätoromanische hat aber vor den drei andern Landessprachen eines voraus : «Es ist ein rein schweizerisches Gewächs, während die drei anderen Landesteile

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sich zu Schriftsprachen bekennen, die alle ausserhalb unseres Landes gewachsen sind» (W. von Wartburg: «Von Sprache und Mensch»).

Mit dem Begehren um Anerkennung des Eätoromanischen als Nationalsprache wurden seinerzeit vom Kanton Graubünden noch weitere Wünsche vorgebracht. Sie betrafen einmal die Übersetzung grundlegender eidgenössischer Erlasse ins Eomanische, die Berücksichtigung der romanischen Namen bei Inund Anschriften und die Übertragung romanischer Gerichtsakten. Sodann wurde der Bund ersucht, die Bearbeitung und Herausgabe der verschiedenen romanischen Wörterbücher wie auch die Bestrebungen der Ligia Eomontscha/Lia Eumantscha zur Erhaltung und Förderung der romanischen Sprache und Kultur wirksam zu unterstützen.

Im Zusammenhang mit der Verfassungsrevision konnte auf diese Anliegen rechtlich nicht eingetreten werden. In der oben genannten Botschaft vom I.Juni 1937 wiesen wir darauf hin, dass die Erfüllung der erwähnten Begehren zum grössten Teil in den Eahmen von Verwaltungsakten und in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden oder der Bundesversammlung falle. In bezug auf die beiden ersten Gesuche erachteten wir ein Entgegenkommen grundsätzlich als angebracht. Die Übersetzungen von Gesetzen müssten jedoch auf jene Erlasse beschränkt bleiben, die das Eechtsleben des Volkes aufs engste berühren. Was die Wörterbücher betrifft, so stellten wir fest, dass der Bund sich gewissen vermehrten Leistungen nicht entziehen sollte.

Am Schluss der Botschaft äusserten wir uns dahin, dass die Verfassungsrevision an sich natürlich nicht hinreichend sein könne, um das Problem der Erhaltung der rätoromanischen Sprache zu lösen. Die Bewahrung, Förderung und Verteidigung seines altehrwürdigen Sprachgutes bleibe nach wie vor in erster Linie eine edle Aufgabe und Pflicht des rätoromanischen Volkes und des eidgenössischen Standes Graubünden. Aber die Verankerung des Eätoromanischen in der Verfassung werde den Bestrebungen zugunsten dieser Sprache eine mächtige Stütze leihen.

Die Anerkennung des Eätoromanischen als Nationalsprache des Bundes zeitigte mannigfache Auswirkungen. In den Bündner Tälern, in der ganzen Schweiz und selbst im Ausland vermehrte sich das Interesse für Sprache, Land und Volkstum der Eätoromanen. Die Bemühungen um Wahrung und Förderung der vierten Nationalsprache erhielten neuen
Auftrieb. 1939 erschien die erste Lieferung des bündnerromanischen Idiotikons «Dicziunari rumantsch grischun». 1943 erhielt eine grosse Zahl Gemeinden wieder ihre romanischen Bezeichnungen an Stelle der im 19. Jahrhundert offiziell gewordenen deutschen Namen. 1945 wurden die deutsch-romanischen Wörterbücher von Vieli und Bezzola/Tönjachen herausgegeben, denen die Lehrbücher von Nay und Vonmoos vorausgegangen waren. Im gleichen Jahr ist durch die Eröffnung von romanischen Kleinkinderschulen in den vom Eückgang des Eomanischen am meisten bedrohten Gebieten Mittelbündens und des Oberengadins eine neuartige Aktion zur Bückgewinnung von verlorenem Boden in die Wege geleitet worden. 1946 konnte in Samedan dank einer Stiftung der Familie von Planta-Samedan in

256 der. «Chesa Planta» vorübergehend ein rätoromanisches Arbeitszentrum mit Bibliothek eröffnet werden. Das rätoromanische Schrifttum erhielt bedeutenden Zuwachs. Die Gründung einer Wanderbühne «Culissa» und neue dramatische Werke verliehen dem romanischen Theaterleben kräftige Impulse. Die Schweizerische Kundspruchgesellschaft stellt seit Anfang der vierziger Jahre ihren Sender Beromünster für periodische rätoromanische Sendungen zur Verfügung.

1952 wurde die im Jahre 1946 gegründete «Cumünanza Eadio Bumantsch» als Mitglied in die Schweizerische Bundspruchgesellschaft aufgenommen. Noch manche Besultate wären aufzuzählen, deren Zustandekommen durch die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache gefördert wurde. Wir denken z. B. an die Landesausstellung 1939 in Zürich, an der die rätoromanische Sprache und Kultur als gleichberechtigtes Glied neben den drei andern Sprachen und Kulturen unseres Landes zur Darstellung kam. und an das Verfassungsjubiläum 1948 in Bern, das ebenfalls zu einer eindrücklichen Kundgebung der viersprachigen Schweiz wurde.

2. Entwicklung der rätoromanischen Sprache und Massnahmen zu ihrer Erhaltung a. Geschichtliche Entwicklung Als das Eömerreich zurückflutetete -- die Unterwerfung der Alpenvölker fällt in das Jahr 15 v.Chr. -- liess es in den zuvor fest unterworfenen Bäumen eine relative Spracheinheit zurück, aus der heraus sich allmählich die verschiedenen neulateinischen Sprachen entwickelten. Zu den älteren Formen dieser Entwicklung gehören die ladinischen Mundarten in einem Gebiete, das sich zwischen der italienischen und deutschen Sprachzone vom Bhein bis zur Adria hinzog. Diese geschlossene rätoromanische Sprachgemeinschaft erlitt im Laufe der Jahrhunderte beträchtliche Einbussen. Wenn wir nur das Gebiet unseres Landes in Betracht ziehen, so fielen ab das im Mittelalter in die Diözese Chur einbezogene St. Galler Oberland, später die Talsohle des Eheins bis zur Stadt Chur, in der nach der politischen (537) und kirchlichen (843) Umorientierung Eätiens nach dem Prankenreich und nach dem Metropolitansitz Mainz eine deutschsprachige Oberschicht die Führung übernahm. Etwa 1270 beginnt die Walserwanderung, die zahlreiche Oberwalliser in die obersten Talstufen der Bündner Täler brachte. Teils zur Sicherung der Pässe, teils zur Urbarmachung des Landes waren sie vom
Adel herbeigerufen worden. So gingen vom 13. Jahrhundert hinweg durch das Vordringen des Deutschen und die Innenkolonisation der Waiser das Prätigau und das Schanfigg verloren, und innerhalb der Surselva (Vorderrheintal), der Sutselva (Hinterrheintal) und des Oberhalbsteins bildeten sich deutschsprachige Enklaven, die dank der Zähigkeit der Siedler sieh grösstenteils durchsetzten. Diese Umgruppierungen fanden erst im 16. Jahrhundert ihren Abschluss. Seither war die Lage in Graubünden in sprachlicher Hinsicht mehr oder weniger stabilisiert, bis im 19. Jahrhundert mit der verkehrstechnischen · und wirtschaftlichen Erschliessung Bündens der rätoroma-

257 nischen Sprache neue Gefahren entstanden. Seit 537 ist Eätien nach dem Norden^ orientiert und blieb das ganze Mittelalter hindurch mit der politischen und gei-!

stigen Geschichte der Ost- und der Zentralschweiz verbunden. Die gemeinsamen' Interessen zur Erreichung und Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängig-, keit gegenüber dem landesfremden Adel und gegenüber Österreich und Mailand führten die Einheit des Landes herbei. Der Aufstieg zur selbstbewusstea .Sprachgemeinschaft der Eätoromanen wurde aber erst durch die Eeformatiori und Gegenreformation geschaffen, denn der Übergang zur Schriftsprache wäre ohne die Übersetzungen der Bibel und ohne die religiöse Literatur wohl kaum denkbar. 1560 übersetzte Giachen Bifrun aus Samedan das Neue Testamenti 1562 übertrug der Unterengadiner Duri Champell die Psalmen, anfangs des 17. Jahrhunderts trat auch das Eheinische Bünden mit einer Übersetzung des Neuen Testaments in Erscheinung.

. .: Das sprachliche Selbstvertrauen war mit den ersten Schriften gewonnen.; In der Folgezeit erschienen in andern Talschaften, im Domleschg, im Münstertal, im Oberhalbstein usw. ebenfalls Publikationen, und zwar jeweils in der Mundart der betreffenden Täler und Orte. Ein verbaltnismässig reiches rätor romanisches Schrifttum entwickelte sich, nicht nur an Schriften religiösen Inhalts, sondern auch an Liedern, Novellen, Märchen, dramatischen Bearbeitungen.

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: Die geographische Beschaffenheit Eätiens, das Selbstbewusstsein der Bündner, die konfessionelle Entwicklung und die zum Teil starke Verschiedenheit der Dialekte verhinderten eine sprachliche Vereinheitlichung. Es fehlte die einigende Kraft. Chur, als Hauptstadt und Bischofssitz dazu prädestiniert, war schon vor dem 16. Jahrhundert, d.h. vor der Entstehung der romanischen Schriftsprache, der Eätoromania verlorengegangen. Heute gibt es fünf Schriftsprachen : das Ladinische, das in das Ober- und Unterengadinisch zerfällt, den sutselvischèn Dialekt im Hinterrheintal, das Surmeirische, das im Albulaund Juliatal heimisch ist, und das Surselvische (Vorderrheintal). Diese Zersplitterung stellt für die romanische Sprache ganz allgemein ein schwerwiegendes Hindernis dar und wird vor allem zu einem Problem von finanzieller Tragweite, wenn man an das literarische Schaffen, vor allem aber an die Schulbücher denkt, die in den
verschiedenen Idiomen veröffentlicht werden müssen.

b. Heutige Lage - die Gefährdung der rätoromanischen Sprache und Kultur Die Bevölkerungszahl der Eomanen hat im Zeitraum zwischen den Volkszählungen von 1941 und 1950 keine wesentliche Änderung erfahren. 1941 zählte Graubünden 40187 romanischsprechende Einwohner, 1950 40109; es ergibt sich 'also ein Eückgang von 78 Eomanen, was der Einwohnerzahl einer kleinen Gemeinde entspricht. .

Wird die Bevölkerungsbewegung des ganzen Kantons betrachtet, so ist das Eesultat für das Eomanentum ungünstiger :

258 Jahr

1941 1950

Davon Muttersprache

Gesamt-

bevölkerung 128 247 137 100

+8853

Deutsch

Italienisch

Romanisch

andere Sprachen

70421 77096 +6675

16438 18079 + 1641

40187 40109

1201 1816 + 615

--78

Dem Kückgang der romanischen Bevölkerung steht also eine erhebliche Zunahme der deutsch- und italienischsprechenden Bevölkerung gegenüber, die hauptsächlich auf die Zuwanderung aus anderen Kantonen zurückzuführen ist.

Bei der Beurteilung der Bevölkerungsbewegung des Kantons ist zu berücksichtigen, dass die Zahl jener Eomanen, die ausserhalb des romanischen Gebietes, im deutschsprachigen Kantonsteil niedergelassen sind, ständig im Zunehmen begriffen ist. Im Laufe der Generationen dürften diese Eomanen dem ßomanentum verlorengehen. Die Schwächung des rätoromanischen Anteils an der Gesamtbevölkerung ist daher schwerwiegender, als dies aus einer zahlenmässigen Gegenüberstellung der Sprachgruppen des Kantons hervorgeht.

Am stärksten ist die rätoromanische Sprache heute in Mittelbünden gefährdet. So weisen die Kreise Ehäzüns, Domleschg, Thusis und Schams merkliche Verschiebungen in der sprachlichen Struktur der Bevölkerung zuungunsten des romanischen Anteils auf: Gesamtbevölkerung Kreis

Rhäzüns Domleschg Thusis Schams

1941

3559 3044 3911 1677

1950

4507 3090 4400 1653

Zunahme (+) oder Abnahme (-)

+ 948 + 46 + 489 -- 24

Anteil der Bomanen absolut 1941

1950

2148 1029 615 1031

2322 847 601 915

Zunahme (+) oder Abnahme (-- )

+ 174 --182 -- 14 --116

in Prozenten Zunahme (+) 1941 oder 1950 Abnahme (-)

60 38 15,5 61,5

51,5 27,5 13,5 55

-- 8,5 --10,5 -- 2 -6,5

Die Ursachen der starken Zuwanderung aus dem Unterland in das rätoromanische Gebiet liegen vor allem im raschen Aufschwung des Hotelgewerbes, der mit der Entdeckung der landschaftlichen Schönheiten und der klimatischen Vorteile der betreffenden Bergtäler einherging, in der Niederlassung von Industriezweigen, im Kraftwerkbau u.a.m. Im Verlaufe von wenigen Jahrzehnten vermehrte sich die Bevölkerung mancher Orte in beträchtlichem Ausmass. Die Auswanderung ist anderseits bedingt durch die reicheren beruflichen Möglichkeiten, die das Unterland bietet.

Es ist aber nicht nur die Bevölkerungsverschiebung, die das romanische Sprachgebiet bedroht. Der Verkehr mit der anderssprachigen Bevölkerung, die Beziehungen mit dem übrigen Bünden und der übrigen Schweiz, die Schulen,

259 der Eundspruch, die deutschsprachigen Tageszeitungen, Bücher und Zeitschriften - denen verhältnismässig wenig romanische Publikationen gegenüberstehen - u.a.m. haben die Kenntnis der deutschen Sprache zu einer Lebensnotwendigkeit gemacht. Die vor 50 Jahren noch weitverbreitete Binsprachigkeit in den romanischen Bezirken Graubündens 'ist zu einer tatsächlichen Doppelsprachigkeit geworden. Dieser durch die praktischen Verhältnisse gebotene Zustand stellt einerseits eine sprachliche Erschwerung dar, anderseits birgt er die Gefahr allmählichen Zurückgedrängtwerdens des Eomanischen vor der in der praktischen Bedeutung weit überlegenen deutschen Sprache in sich. Es ist denn auch nicht weiter verwunderlich, dass es selbst unter den Romanen immer Stimmen gab, die einer Förderung der rätoromanischen Sprache skeptisch gegenüberstanden. Die Stellung der vierten Nationalsprache ist eine andere als die der drei anderen Landessprachen, die mit grossen Kulturräumen gleicher Sprache in Wechselbeziehungen stehen und die innerhalb des Landes sprachlich geschlossene Territorien einnehmen. Das Eätoromanische ist auf kleinsten und für die wirtschaftliche Entwicklung durch die Natur behinderten Eaum beschränkt. Wenn es sich aber um die Erhaltung einer Sprache handelt, so dürfen nicht utilitaristische Aspekte in den Vordergrund gerückt werden. Die Sprache ist mit der gesamten Kultur eines Volkes untrennbar verbunden. Ihre Erhaltung bedeutet im wahrsten Sinne Schutz der Heimat.

c. Massnahmen zur Erhaltung der rätoromanischen Sprache und Kultur Die der rätoromanischen Sprache drohenden Gefahren weckten bald den Widerstandsgeist der um sie besorgten Eomanen. Es brauchte allerdings viele Jahre, bis geschlossene Aktionen möglich wurden. Zunächst waren es mehr wissenschaftlich orientierte Kreise, die des Eeichtums von Kultur und Sprache Eomanisch-Bündens gewahr wurden und diesen Eeichtum zu erforschen und festzuhalten suchten. In das Jahr 1886 fällt die Gründung der ersten romanischen Gesellschaft, der Società Eetorumantscha, die sich vor allem drei Ziele setzte: Ausarbeitung eines bündnerromanischen Idiotikons, Herausgabe eines Jahrbuches, der «Annalas», Annäherung und Vereinheitlichung der verschiedenen Idiome. Das bündnerromanische Idiotikon, «Dicziunari rumänisch grischun», bezweckt, den gesamten erreichbaren Wortschatz
der rätoromanischen Idiome systematisch aufzunehmen und zu verarbeiten. Der Plan zu diesem grossen wissenschaftlichen Nachschlagewerk wurde 1899 durch den Bündner Indogermanisten Eobert von Planta (1864 bis 1937) entworfen. Die systematische Sammlung setzte im Jahre 1904 ein. Die erste Lieferung erschien 1939.

Bis heute sind 29 Hefte veröffentlicht worden; die ersten beiden Bände, umfassend die Buchstaben «A» und «B», konnten 1945 bzw. 1957 abgeschlossen werden. Die «Annalas» anderseits sind das einzige Organ, in dem alle rätoromanischen Idiome zum Worte kommen; sie stellen eine reiche Fundgrube rätoromanischen Sprach- und Kulturgutes dar. Die Società Eetorumantscha ist vorwiegend eine wissenschaftliche Gesellschaft. Die später gegründeten regionalen Vereinigungen (Uniun dals Grischs, Eomania, Renania, Uniun Eumantscha

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da Surmeir) waren eher geeignet, die Sprachbewegung ins Volk zu tragen. Aber erst nach dem ersten Weltkrieg kam mit der am 26. Oktober 1919 an einer Tagung in Chur beschlossenen Gründung der Ligia Bomontscha (surselv i s c h ) / L i a Eumantscha (ladinisch)-nachstehendLBbezeichnet-, die alle regional, mundartlich und konfessionell zersplitterten Gruppen und Vereinigungen über die Gegensätze hinweg zu einer Dachorganisation zusamrnenschliesst, eine Bewegung zustande, die sich praktische Massnahmen zur Erhaltung der Sprache und zur Wahrung der gesamtromanischen Interessen zur Aufgabe machte. Initiant der Gründung war Giachen Conrad.

Zunächst hatte die LE die Grundlagen für die vorgesehenen Aktionen zur Erhaltung und Wiederausbreitung der rätoromanischen Sprache zu schaffen.

So war es erforderlich, den Sprachschatz zu reinigen, schwankende Schreibweisen zu fixieren und für Ausdrücke des modernen Lebens entsprechende romanische Wörter zu finden. Um der Bevölkerung die nötigen Werkzeuge zur Lenkung des unsicher gewordenen Sprachgefühls in die Hand zu geben, erwies sich die Ausarbeitung deutsch-romanischer bzw. romanisch-deutscher Wörterbücher und von Grammatiken als unumgänglich. Diese Arbeiten sind angesichts der bestehenden sprachlichen Schwierigkeiten und auch im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden knappen finanziellen Mittel sehr zeitraubend und zum Teil heute noch nicht abgeschlossen. Das deutsch-surselvische und das deutschladinische Wörterbuch, die als erste 1945 veröffentlicht werden konnten, benötigten z. B. eine über zwanzigjährige Arbeit.

Von Anfang an lenkte die LE ihre Aufmerksamkeit auch auf die Schule, indem sie sich für eine bessere Berücksichtigung der romanischen Sprache auf allen Schulstufen des romanischen Kantonsgebietes und am Lehrerseminar einsetzte, denn es ist offensichtlich, dass die Schulen bei der sprachlichen Erziehung eines Volkes von allererster Bedeutung sind. In dieser Hinsicht war in einigen romanischen Landesteilen manches vernachlässigt worden. Ende des letzten und zu Anfang dieses Jahrhunderts machten sich da und dort mit Erfolg Bestrebungen geltend, das Eomanische ganz aus den Schulen zu verdrängen. Die komplizierten sprachlichen Verhältnisse, die Notwendigkeit einer guten Erlernung des Deutschen, die Lehrerausbildung für die romanischen Schulen u.a.m.
stellen schwierige Probleme dar, die in erster Linie Aufgaben der Gemeinden und des Kantons sind. Die Bemühungen der LE gehen denn auch vor allem nur dahin, anzuregen, Wege zu weisen und die zuständigen Stellen und die Bevölkerung vom Gewinn und Nutzen romanischen Volksschulunterrichts zu überzeugen. Darüber hinaus hat sie sich bisher verschiedentlich mit der Herausgabe rätoromanischer Schulbücher befasst.

Trotz der mit bewundernswertem Eifer verfolgten Bemühungen um die Bewahrung jahrhundertealten Eigenlebens musste in den letzten Jahren ein weiterer Eückgang der romanischen Sprache festgestellt werden. So haben im Zeitraum von 1941 bis 1950 die folgenden Gemeinden die 50-Prozent-Grenze in bezug auf den romanischen Sprachanteil unterschritten : Ilanz, Strada, Flims, Paspels, Trans, Andeer, Marmorera, Siisi.E., Celerina/Schlarigna, Madulain und Zuoz.

261 Es sind vor allem die Täler Mittelbündens und das Oberengadin, die für die Erhaltung der romanischen Sprache und Kultur als am meisten gefährdet gelten.

Kann dieser allmähliche Zersetzungsprozess nicht aufgehalten bzw. rückgängig gemacht werden, dann ergibt sich immer mehr das Bild einer Aufteilung rätoromanisch Bündens in zwei voneinander völlig isolierte Gebiete, die heute noch überwiegend romanisch sind, aber in einigen ihrer Gemeinden ebenfalls einen Eückgang" des romanischen Bevölkerungsanteils aufweisen, das Vorderrheintal einerseits und das Unterengadin anderseits. Ohne sprachliche Verbindung und auf sich allein gestellt, wäre es dann wohl nur eine Frage der Zeit, dass auch diese Gebiete langsam der deutschen Sprache erliegen würden. Die Erhaltung der rätoromanischen Sprache in Mittelbünden und im Oberengadin wurde daher zu einer zentralen Aufgabe der LE. Sie mahnt, dass es allerhöchste Zeit sei zur Bettung des angestammten Idioms und dass die Bemühungen als gescheitert angesehen werden müssten, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingen sollte, in den gefährdeten Gebieten eine Umkehr zu erreichen.

Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Situation entschloss sich die LE im Jahre 1945 zu einer neuartigen, aber sehr kostspieligen Aktion, zur Errichtung von romanischen Kleinkinderschulen (scolettas). Man ging dabei von der Einsicht aus, dass das Schicksal einer Sprache bereits durch das Kind im vorschulpflichtigen Alter entschieden wird. Das Kind hat Anspruch auf eine feste muttersprachliche Grundlage, und diese Muttersprache soll nach den Intentionen der LE in den romanischen Bezirken Graubündens das Eätoromanische sein. Nur auf diesem muttersprachlichen Untergrund kann nach Meinung der Initianten das Eomanische wieder genesen. Die Kleinkinderschulen sollen die Freude und auch den Mut zum Eeden in der Muttersprache wecken, nicht nur in den Schulen selbst, sondern auch auf den Strassen und in den Familien. Es sind die gleichen Aufgaben, die in den deutschschweizerischen Kindergärten erfüllt werden, wo der muttersprachliche Dialekt die Schulsprache ist, auf den dann in der Primarschule der Unterricht in der Schriftsprache aufbauen kann. Auf der Grundlage des Eomanischen soll die zweite Schulsprache, das Deutsche, erlernt werden. Über die Wichtigkeit einer festen romanischen
Sprachgrundlage und die heutigen unhaltbaren Sprachverhältnisse in den sprachgefährdeten romanischen Bezirken Graubündens hat sich der 1952 verstorbene Philologe Professor Dr. J. Jud, der sich um die wissenschaftliche Erforschung der rätoromanischen Sprache verdient machte, in einem Gutachten vom Mai 1948 zuhanden des Kleinen Eates des Kantons Graubündens wie folgt geäussert: Der langsame Niedergang der den vitalen Bedürfnissen einer Dorfgemeinschaft genau angepassten Haussprache, die gewissermassen alle früheren Generationen mit der heutigen durch die älteste lebende Generation hindurch aufs engste verbindet, führt zunächst zu einem sprachlichen Chaos, dessen Opfer die jüngste Generation ist.

Denn die Kinder erlernen bei den Eltern, die noch romanisch reden, aber muttersprachlich kapitulieren, ein Kauderwelsch, eine derart verfilzte Mischsprache, dass im deutschen Klassenunterricht nicht einmal ein deutschsprachiger Lehrer mehr den sprachlichen Wirrwarr zu regulieren vermag. Das wundert uns nicht ; das sprachliche Fundament, das während der ersten Kinderjahre im Kreise der Eltern und Geschwister

262 gelegt werden muss, wird beim sprachlichen Versagen des Elternhauses überall brüchig, da ja den romanischen Eltern jeder sichere sprachliche Instinkt im Deutschen abgeht.

Man kann sich das sprachliche Unvermögen für die im Dorf verbleibende Bevölkerung, die in einem Mischidiom führerlos hin und her pendelt, gar nicht schlimm genug vorstellen: die Menschen fühlen sich in ihrem ganzen Leben ausdrucksmässig nirgends beheimatet, verfügen über keine muttersprachlichen Reserven. Eine solche Jahrzehnte dauernde sprachliche Doppelführung des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks innerhalb einer Dorfgemeinsohaft, die ihr angestammtes Idiom im Stiche lässt, darf der kommenden Generation in der gesamten Rätoromania auf keinen Fall zugemutet werden, sofern man nicht die ökonomischen Aufstiegsmöglichkeiten und die Einordnung der jungen Romanen in den bündnerischen und schweizerischen Lebensraum dauernd und schwer gefährden will.

Ob die Kleinkinderschulaktion die in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen, das heisst einen dauernden sprachlich-chaotischen Zustand zu verhindern und dem Eomanischen wieder die Stellung einer starken Muttersprache zu verleihen vermag, wird sich erst in der Zukunft zeigen. Auf jeden Fall besteht der Eindruck, dass bei den Initianten, den Kindergärtnerinnen und allen Mitarbeitern mit starkem und freudigem Einsatz gearbeitet wird und dass auch die Bevölkerung Anteil an der Sache nimmt. Der Besuch der Kleinkinderschulen ist über Erwarten gut (mehr als 800 Kinder). Selbst deutschsprachige Eltern vertrauen ihre Kinder den romanischen Kleinkinderschulen an.

Die LE besitzt heute 17 verbandseigene Kleinkinderschulen, und zwar in Flims-Dorf, Flims-Waldhaus, Ilanz, Tomils, Paspels, Almen, Scharans, Eodels, Cazis, Cazis/Eealta, Praz, Innerferrera, Andeer, Zillis, Feldis, Chur (zwei Schulen). Die Gemeinden stellen die Schullokale zur Verfügung und bezahlen die Heizungskosten. Je nach ihrer finanziellen Lage leisten sie darüber hinaus Jahresbeiträge zwischen 100 und 1500 Franken. Einige der erwähnten Gemeinden könnten aus finanziellen Gründen niemals selbst eine Kleinkinderschule unterhalten. In anderen Gemeinden mit zum Teil deutschsprachiger Mehrheit bestünde die Gefahr, dass die romanischen «scolettas» in deutschsprachige Kindergärten umgewandelt würden, wenn nicht die LE diese Schulen
selbst weiterführte und demzufolge die sprachliche und pädagogische Leitung innehätte. Weitere 17 Kleinkinderschulen werden von der LE finanziell unterstützt; es sind dies die Schulen in Alvaneu, Alvaschein, Bergün, Tiefencastel, Gastrisch, Domat/Ems (drei Schulen), Lantsch, Pontresina, Samedan, St.Moritz, Gelerina/Schlarigna, Ehäzüns, Tinizong, Trin und Zuoz. Diese Kindergärten wurden durch die Gemeinden selbst oder durch Frauenvereinigungen gegründet, die für ihr Weiterbestehen besorgt sind. Sie befinden sich alle im sprachlich gefährdeten Gebiet. Die LE unterstützt diese Kleinkinderschulen in der Eogel mit jährlich je 500 Franken.

Die romanischen Kleinkinderschulen beanspruchen sehr hohe Mittel. Allein die Besoldungen der 17 Kindergärtnerinnen machten im Jahre 1957 an den verbandseigenen Schulen rund 48 000 Franken aus. Dieser Betrag zeigt aber auch, dass die Gehälter der Kindergärtnerinnen, an die verhältnismässig hohe Anforderungen gestellt werden und von deren Fähigkeiten der Erfolg der Aktion im wesentlichen abhängt, sehr bescheiden sind. Die Instruktion der Kinder-

263 gärtnerinnen und die Aufsicht der Schulen benötigten 1957 rund 11 000 Franken.

Im Jahre 1954 wurde nämlich die Stelle einer Inspektorin geschaffen, die Einführungs- und Weiterbildungskurse für Kindergärtnerinnen durchzuführen, die Anfängerinnen zu betreuen, die Schulen zu besuchen und die administrativen Arbeiten zu besorgen hat.

Die Aktion ist mit mannigfachen Schwierigkeiten verbunden. Schon angesichts der geringen Besoldung ist es nicht leicht, geeignete Kindergärtnerinnen zu finden. Dazu kommt, dass im Hinblick auf die Verschiedenheiten der Ortsdialekte, die von den Lehrerinnen beherrscht werden müssen, die Auswahl an Bewerberinnen von vorneherein sehr beschränkt ist. Ferner bedarf es vermehrter Aufklärung der Bevölkerung über den Wert der romanischen Kleinkinderschulen. Schliesslich erschweren die ungenügenden finanziellen Mittel eine erfolgreiche Gestaltung der Aktion.

Nur dann sind aber die romanischen Kleinkinderschulen sinnvoll, wenn das Eomanische in den anschliessenden Primarschulen weitergeführt wird. Es ist der LE gelungen, in den Orten mit romanischen Kleinkinderschulen wenigstens einen bescheidenen Bomanischunterricht von wöchentlich ein bis zwei Stunden zu erreichen. Da nur an eine Weiterführung der in den Kindergärten gesprochenen Ortsmundart zu denken ist, mussten für die Sutselva eigene Lehrmittel geschaffen werden, wobei der Kanton bei der Finanzierung mithalf. Was die°Lehrerausbildung an der Kantonsschule in Chur betrifft, so hat die LB u.a.

wiederholt verlangt, dass von jedem Seminaristen, der einmal eine Schule in der romanischen Gegend zu übernehmen gedenkt, die Beherrschung der romanischen Sprache gefordert werden muss. Die Behörden konnten den Wünschen der LE bisher durch die Einführung spezieller Kurse für die romanischen Seminaristen an den oberen Seminarklassen entgegenkommen. Ferner sollen die Seminaristen eine obligatorische vierwöchige Lehrpraxis im Gebiet ihrer Muttersprache absolvieren. Auf Anregung der LE hat das Erziehungsdepartement des Kantons Graubünden schliesslich seit 1931 im Intervall von einigen Jahren Lehrerbildungskurse abgehalten über die Methodik des romanischen und deutschen Unterrichts an romanischen Schulen.

Im Eahmen der Bemühungen zur Erhaltung der rätoromanischen Sprache fällt auch der verlegerischen Tätigkeit der LE wesentliche Bedeutung
zu. Der Absatz der Bücher ist im allgemeinen zu klein, um die Druckkosten bezahlt zu machen, so da%s die Veröffentlichungen zum Teil beträchtliche finanzielle Aufwendungen erfordern. Bis heute hat> die LE etwa 40 Schriften und Bücher verlegt oder mitverlegt und über 30 Buchausgaben durch finanzielle Unterstützung ermöglicht. Es handelt sich um literarische Publikationen, Liedersammlungen, dramatische Werke u.a.m. Diese Veröffentlichungen zeugen auch von den Bemühungen der LE auf den Gebieten der Musik und des Theaters.

Es darf gesagt werden, dass die LE keine Anstrengungen unterlässt, um der rätoromanischen Sprache in romanisch Bünden eine festere Grundlage zu verschaffen, den drohenden Gefahren zu begegnen und in den vergangenen Jahren verlorenes Land zurückzugewinnen.

264 Über die erweiterten und neuen Aufgaben, die sich die LE gestellt hat und die in einer Eingabe an den Bundesrat vom Mai 1956 näher umschrieben sind, soll später noch ausführlicher die Bede sein (vgl. unten Ziff. 4).

3. Bisherige Leistungen des Bundes zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur Den Bestrebungen zur Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur hat der Bund seit jeher seine Unterstützung geliehen.

Es war zunächst die « Bätoromanische Chrestomathie » von Caspar Decurtins, deren Herausgabe der Bund in den Jahren 1892 bis 1919 mit Beiträgen von insgesamt 82 000 Franken förderte. Dieses umfangreiche Werk, das einen reichen Schatz rätoromanischen Schrifttums festhält, hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Wiedererweckung der heimatlichen Sprache.

Seit 1905 gewährt sodann der Bund regelmässige Subventionen an die Bearbeitung und Publikation des bereits erwähnten «Di cziunari rumänisch grischun».

Die anfänglich sehr bescheidenen Beiträge wurden in der Folge wiederholt heraufgesetzt und erreichten im Jahre 1954 den Betrag von 30 000 Franken. Durch den Bundesbeschluss vom 23. Juni 1955 betreffend die Unterstützung der nationalen schweizerischen Wörterbücher (BB1 1955, I, 1161) sind die Leistungen des Bundes nicht nur auf eine feste rechtliche Grundlage gestellt, sondern no'chmals kräftig erhöht worden. Gemäss Artikel 2 des genannten Beschlusses übernimmt der Bund jetzt 75 Prozent der jährlichen Kosten des Dicziunari rumantsch grischun, höchstens aber 60 000 Franken pro Jahr.

Auf dem Gebiete der Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund findet die rätoromanische Sprache eine weitere, spezielle Berücksichtigung. Schon gemäss dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1903/15.März 1930 wurde dem Kanton Graubünden ausser dem Grundbeitrag nicht nur ein Bergzuschlag von 60 Bappen pro Einwohner, sondern überdies ein Sprachzuschlag in gleicher Höhe, berechnet pro Kopf der Bevölkerung romanischer und italienischer Sprache, gewährt. Das neue Bundesgesetz vom 19. Juni 1953 (AS 1953, 947) trägt den Schwierigkeiten der Bergkantone und den sprachlichen Verhältnissen.

der Kantone Graubünden und Tessin noch in höherem Masse Bechnung. Als Berechnungsgrundlage für die Primarschulsubvention dient nicht mehr die Wohnbevölkerung, sondern die Zahl der 7- bis 15jährigen
Kinder; anderseits hat das Gesetz die Bergzuschläge (jetzt Sonderzuschläge genannt) und Sprachzuschläge wesentlich erhöht, wobei bei den Sprachzuschlägen die rätoromanische Sprache speziell berücksichtigt worden ist. Der Sprachzuschlag beläuft sich für den Kanton Graubünden auf 15 Franken für jedes 7- bis 15jährige Kind italienischer und auf 30 Franken für jedes 7- bis 15jährige Kind rätoromanischer Sprache. Nach der neuen Begelung erhält der Kanton Graubünden zur Zeit jährlich total 466 446 Franken, d.h. 254 675 Franken mehr als gestützt auf das frühere Gesetz. Allein der Sprachzuschlag hat eine Erhöhung von bisher 84 912 Franken auf 224 850 Franken erfahren.

265 Durch den Bundesbeschluss vom 21. September 1942 über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart (B S 4, 252) ist erstmals auf rechtlicher Ebene der rätoromanischen Sprache ganz allgemein die Unterstützung des Bundes zugesichert worden. Gemäss Artikel 4 dieses Beschlusses erhält der Kanton Graubünden seit 1943 einen jährlichen Bundesbeitrag von 10 000 Franken «zur Wahrung der sprachlichen und kulturellen Eigenart seiner Talschaften rätoromanischer Sprache». Über die Verwendung dieses Beitrages beschliesst der Kleine Eat des Kantons Graubünden, nach Anhörung der in Frage kommenden Sprachvereinigungen und unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat. Der Beitrag ist bisher jeweils der LB zur Verteilung an die ihr angeschlossenen Vereinigungen und für spezielle Zwecke überwiesen worden.

Schliesslich hat der Bund der LB schon bald nach ihrer Gründung direkt seine finanzielle Hilfe geliehen; denn von Anfang an war die LB auf Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen. Nachdem der Kanton bereits 1920, d.h. in dem der Gründung der LB folgenden Jahr, eine jährliche Subvention von 10 000 Franken bewilligt hatte, gelangte die Gesellschaft am 7. Juni 1920 auch an den Bundesrat mit dem Gesuch um Gewährung eines gleich hohen Beitrages. Diesem Begehren konnte entsprochen werden, und die Summe von 10 000 Franken wurde erstmals in das Budget der Eidgenossenschaft pro 1921 aufgenommen und bis zum Jahre 1947 - mit Ausnahme einer vorübergehenden Kürzung im Eahmen der Finanzprogramme der dreissiger Jahre - aufrechterhalten. Im Februar 1947 ersuchte die LB um eine Erhöhung des Beitrages auf 60 000 Franken. Sie begründete das Begehren mit der Notwendigkeit vermehrter Anstrengungen zur Bettung des Rätoromanischen in den sprachlich gefährdeten Gebieten, wobei vor allem auf die 1945 ins Leben gerufene Aktion der Kleinkinderschulen hingewiesen wurde. Die eidgenössischen Bäte bewilligten eine Erhöhung auf 50 000 Franken. Einem im Jahre 1952 eingereichten weiteren Gesuch um Festsetzung des Bundesbeitrages auf jährlich 90 000 Franken konnte angesichts der finanziellen Lage der Eidgenossenschaft nicht entsprochen werden. Seit
1948 sind es daher 50 000 Franken, die der Bund der LB aus einem Budgetkredit direkt ausrichtet.

Ferner darf auf die Leistungen des Bundes für die Übersetzung wichtiger eidgenössischer Erlasse ins Romanische hingewiesen werden. Schon 1872 und 1874 wurden die Vorlagen betreffend die Revision der Bundesverfassung in die beiden romanischen Hauptdialekte, das Ladinische und das Surselvische, übertragen. Später konnten durch Übernahme der ganzen oder eines Teils der Kosten auch Übersetzungen des Schweizerischen Obligationenrechtes, 'des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, des Schweizerischen Strafgesetzbuches, des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und des Landwirtschaftsgesetzes ermöglicht werden.

266

Damit sind die Aufwendungen, aus Bundesmitteln zugunsten der rätoromanischen Sprache noch nicht erschöpft. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die Beiträge der mit Bundesgeldern arbeitenden Stiftung Pro Helvetia. Diese hat 1944 mit dem Kanton Graubünden eine Abmachung getroffen, wonach die Mittel, die Pro Helvetia für die Förderung der rätoromanischen Kultur zur Verfügung stellt, wie folgt verwendet werden sollen: a. für die Unterstützung von kulturellen und sprachlichen Zeitschriften, soweit diese nicht durch den Kanton gefördert werden; b. für die Herausgabe von Büchern, soweit diese nicht aus andern Krediten des Bundes oder durch den Kanton aus den Mitteln der Bundessubvention gefördert werden; 0. für die Förderung von Aktionen auf dem Gebiete der Musik und des Theaters; d. für die Förderung von Bestrebungen, welche dahin zielen, das Kätoromanische den übrigen Sprachgebieten nahezubringen und umgekehrt; e. für die Unterstützung von Aktionen zur Förderung der Kultur in den abgelegenen Gebirgsgegenden.

Zur Aussprache über die bestehenden Projekte treffen sich Vertreter des Erziehungsdepartementes des Kantons Graubünden und der Stiftung Pro Helvetia einmal jährlich.

Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung bewilligte in den Jahren 1953 und 1956 für die Ausarbeitung und' Herausgabe des «Bätischen Namenbuches» total 68 000 Franken. Der Nationalfonds unterstützt auch die Veröffentlichung des« Vocabulari sursilvan-tudestg».

4. Die erweiterten und neuen Aufgaben der Ligia Romontscha/Lia Rumantscba In einer neuen Eingabe an den Bundesrat vom Mai 1956 ersucht die LE um Erhöhung der jährlichen Bundessubvention von bisher 50 000 auf 150 000 Franken und um Verankerung dieses Beitrages in einem Bundesbeschluss. Die LB begründet das Gesuch mit dem Erfordernis eines jährlichen periodischen Mehrbedarfs von 115 000 Franken, der sich auf folgende Ausgabenposten verteilt : Franken a. Aktion Kleinkinderschulen 12 600 fe. Primär-und Sekundärschulen, Lehrerbildungskurse 1000 c. Sprachkurse für Nichtromanen 18000 d. Vortragsdienst 8 400 e. Das Bomanische in Sport, Verkehr und Technik l 000 /. Bomanische Inschriften 4 000 g. Pflege des Dorftheaters (Vervielfältigungen und Drucke) . . .

2 000 h. Literarisches Schaffen, Preise, Druckzuschüsse und Stipendien 3 000 1. Periodica und Beiträge an angeschlossene Gesellschaften . . .

15 500 Übertrag

55 500

267 Franken

Übertrag

55 500

fe. Andere Verlagswerke l. Kinderbücher und Jugendschriften m. Gesangbücher, musikalisches Schaffen n. Aktivierung der «Cuort Ligia Grischa» und «Chesa Planta» . .

o. Zentralsekretariat p. Lokalzinse in der Casa Eomontscha

2 000 6 000 2 000 30 000 18 000 l 500 115 000

Die über den vom Bund anbegehrten Mehrbetrag von 100 000 Pranken hinausgehenden 15 000 Franken erwartet die LE von anderer Seite, insbesondere vom Kanton Graubünden.

Was die Motivierung der einzelnen Posten betrifft, so ist der Eingabe der LE u. a. folgendes zu entnehmen : ad a. Aktion Kleinkinderschulen.

Der erwähnte Betrag ist bestimmt für die Errichtung von zwei neuen Kleinkinderschulen in Obervaz und Lenzerheide, für die Einrichtung des ganzjährigen .

Betriebs (bisher halbjährig) an vier bestehenden Kleinkinderschulen und für die Ausrichtung von Teuerungszulagen an die Kindergärtnerinnen. Die grosse Bedeutung der Kleinkinderschulaktion haben wir bereits hervorgehoben.

ad o. Primär- und Sekundärschulen, Lehrerbildungskurse.

Der Erfolg der Kleinkinderschulen kann, wie ebenfalls schon früher dargelegt, nur von Dauer sein, wenn an den ihnen folgenden Volksschulen die Pf lege des Eätoromanischen nicht vernachlässigt wird. Die Bemühungen der LE sind vor allem auf das Gebiet Mittelbündens gerichtet und beschränken sich im wesentlichen darauf, die Bevölkerung aufzuklären und die Herausgabe romanischer Lehrbücher zu fördern.

ad c. Sprachkurse für Nichtromanen.

Die-LE misst solchen Kursen allergrösste Bedeutung bei. Sie finden jeweils im Winterhalbjahr statt und umfassen 30 Unterrichtsstunden. Finanziell können sie sich nicht selbst erhalten, da das Kursgeld 15 Franken nicht übersteigen darf. Die LE muss bei einer durchschnittlichen Teilnehmerzahl von acht Personen pro Kurs mit einem Zuschuss von rund 230 Franken rechnen..

Es sind über 40 Anfängerkurse vorgesehen, denen sich Kurse für Fortgeschrittene und solche zur Einführung in die Literatur anschliessen sollen. Für diese Sprachkurse sind speziell vorbereitete Primär- und Sekundarlehrer zu verpflichten. Die LE verspricht sich von der Aktion eine wesentliche Stärkung der sprachlichen Position. Bis heute konnte in dieser Eichtung nur wenig geschehen.

268

ad d. Vortragsdienst.

Bisher kamen Vorträge in romanischer Sprache nur von Fall zu Fall zur Durchführung. Die LK hält einen organisierten Vortragsdienst für das ganzo romanische Gebiet für notwendig. Hiefür sind zusätzliche Mittel erforderlich.

ad e. Das Eomanische in Sport, Verkehr und Technik.

Das Eomanische ist als Bauernsprache arm an Wendungen für das moderne Leben. Es fällt schwer, die deutschen Begriffe, die mit einem neuen Produkt, einer neuen Maschine, einem neuen Beruf usw. einmal Eingang gefunden haben, durch romanische Wortbildungen zu ersetzen. Durch die Herausgabe kleiner Wörtersammlungen oder Wortlisten sollen die romanischen Ausdrücke Verbreitung finden.

ad/. Eomanische Inschriften.

Die romanischen Aufschriften (Dorfnamen, Wegweiser usw.) sind sichtbarer Ausdruck des Eomanentums. Die LE bzw. die ihr angeschlossenen Gesellschaften erreichen die Änderung vielfach nur bei Übernahme der ganzen oder eines Teils der Kosten.

ad g. Pf lege des D o r f t h e a t e r s .

Die Eomanen sind ein theaterliebendes Volk. Während der Wintermonate wird fast in jedem grösseren Dorf Theater gespielt. Die Vorbereitung einer Vorstellung ist auch gleichzeitig ein ausgezeichneter Sprech- und Sprachkurs für die Spielenden selbst, die ja, sobald sie der Schule entwachsen sind, selten mehr Gelegenheit haben, in gebundener Eede ein gutes Komanisch zu sprechen oder anzuhören. Orientierende Vorträge über Fragen der Wirtschaft, des Handels, Verkehrs und der Erziehung werden meist auf Deutsch gehalten, auch in gut romanischem Gebiet. Auch beim Radio.steht der Romane vorwiegend unter deutschem Einfluss. Daraus erhellt erst recht die Bedeutung des romanischen Dorftheaters. Die heutige romanische Theaterkultur ist auf alter Tradition begründet. Die von der Uniun dals Grischs vor etwa 50 Jahren eingeleitete Bewegung zugunsten des romanischen Theaters im Engadin hat durch die von der LE sowie von der Società Retorumantscha organisierten Theaterkurse einen erfreulichen Auftrieb erfahren. In der Zeit von 1918 bis 1943 sind insgesamt ca. 1000 romanische Stücke aufgeführt worden. Für die Weiterführung und den Ausbau der Theateraktion sind die Bereitstellung neuer Theaterliteratur sowie Beratung und Aufklärung jener Ortsvereine, die das romanische Theater noch nicht kennen, notwendig.

ad li. Literarisches Schaffen.
Nachdem die LE unter dem Zwang der Verhältnisse ihre Aufmerksamkeit bisher hauptsächlich der Schaffung von Wörterbüchern, Grammatiken, Schulbüchern und der Kleinkinderschulaktion schenkte, hat sie sich nun auch der Förderung des literarischen Schaffens zugewendet. So gewährte sie der «Uniun de scripturs romontscha» einen Beitrag von 3000 Franken zur Verleihung von

-- .-· ---

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269

Preisen an Schriftsteller für wertvolle neue Schriftwerke. 1954 gingen 11 Arbeiten .ein, von denen 4 mit Preisen und 7 mit einem Aufmunterungsbetrag bedacht worden sind. 1955 wurden der Jury 12 Arbeiten unterbreitet. Die LE will weiterhin bei der Herausgabe von Büchern behilflich sein, sei es durch Gewährung von Druckzuschüssen oder durch Veröffentlichungen im Selbstverlag.

Für diese Aufgaben benötigt die Gesellschaft vermehrte Mittel.

ad i. Periodica und Beiträge an angeschlossene Gesellschaften^ Den der LK angeschlossenen und von ihr unterstützten Gesellschaften, die die Träger der Arbeit für das Komanische in den Dörfern sind, erwachsen aus der Herausgabe ihrer Periodicas - «Annalas» der Società Eetorumantscha, «Ischi» und «Tschespet» der Eomania, «Chalender ladin» der Uniun dals Gris'chs,.

«Per mintga gi» der Eenania, «Sulom» der Uniun Eumantscha da Surmeir andauernd Defizite. Die Vielzahl dieser Jahrbücher für ein verhältnismässig kleines Gebiet ergibt sich aus den linguistischen Differenzierungen; sie ist aber auch die Ursache, dass die einzelnen Publikationen nicht selbsttragend sein können. Die Gesellschaften benötigen deshalb höhere Beiträge von Seiten der Dachorganisation.

.

' .

ad fc. Andere Verlagswerke.

Der Betrag von 2000 Franken soll Verwendung finden für die Herausgabe von Volksliteratur, einer Bibliographie romanischer Schriften und eines kleinen sprachlichen Wegweisers.

ad l. Kinderbücher, Jugendschriften und andere Publikationen.

Die LE hofft, für die von ihr zusammen mit dem Schweizerischen Jugendschriftenwerk herausgegebene romanische Schriftenreihe gelegentlich wieder, wie schon 1953, aus dem Ergebnis der Bundesfeiersammlung einen Beitrag zu erhalten. Sie unterstützt im übrigen die ihr angeschlossenen Vereinigungen bei der Herausgabe der Weihnachtskinderbücher. Diese Büchlein werden als sehr wertvoll bezeichnet; ihre Herausgabe ist aber stets defizitär, da nur ein bescheidener Verkaufspreis angesetzt werden kann und die Bändchen eigentlich unentgeltlich abgegeben werden sollten. Die verschiedenen Gesellschaften bemühen sich, die bestehende grosse Lücke in romanischer Volks- und Gebrauchsliteratur auszufüllen. Sie benötigen hierfür vermehrte Mittel.

ad m. Musik.

Die Tätigkeit der romanischen Gesangvereine, die bewusst auch der Mission der Sprachpflege dienen, ist
für die gesamte rätoromanische Bewegung nach innen und aussen zweifellos von grossem Wert. Es besteht ein Mangel an Liederbüchern, deren Herausgabe der finanziellen Hilfe der LE bedarf.

ad n. «Cuort Ligia Grischa» und «Chesa Planta».

Von 1946 bis 1950 bestand in der Chesa Planta in Samedan versuchsweise ein Teilsekretariat der LE in Personalunion mit der Fundaziun Chesa Planta Bundesblatt. 110. Jahrg. Bd. II.

18

270

Samedan, die das Haus besitzt und dort eine romanische Bibliothek unterhält.

Es gelang, aus der Chesa Planta ein Zentrum für einen regen mündlichen und schriftlichen Informationsdienst zu schaffen. Von hier aus konnten die Interessen des Romanischen in den Kleinkinder- und Primarschulen des Engadins und Albulatals, im gesellschaftlichen und Alltagsleben wahrgenommen und durch Rücksprache, Vorträge und Kurse der Sinn für die reiche und mannigfaltige Engadiner Kultur geweckt und wachgehalten werden.

Aus verschiedenen Gründen musste dieses Teilsekretariat im Jahre 1950 nachChur verlegt werden. Es bestand aber auf Seiten derLR und ihrer Mitgliedgesellschaften immer der Wunsch auf Reaktivierung der «Chesa Planta» und gleichzeitig auch nach der Schaffung eines zweiten kulturellen Zentrums in der «Cuort Ligia Grischa» in Trun für die Surselva. Dies setzt jedoch voraus, dass vollamtliche Leiter eingesetzt werden, die von diesen Zentren aus alle sprachlichkulturellen Belange ihres Bezirkes im direkten Kontakt mit der Bevölkerung, mit Schule, Kirche, Gemeinde und Jugendorganisationen zu betreuen hätten.

ad o. Zentralsekretariat der LR.

Die LR beschäftigte - mit einigen Unterbrechungen - von 1920 bis 1950 einen halbamtlichen und von 1950 bis 1954 einen vollamtlichen Sekretär. Seither ruht die gesamte Arbeitslast wiederum auf dem Präsidenten der LR. Angesichts der zu bewältigenden grossen Aufgaben ist jedoch für die Zukunft die Anstellung eines ständigen hauptamtlichen Sekretärs unumgänglich.

Mit den beiden Leitern der Zentren in der «Chesa Planta» und im «Cuort Ligia Grischa» sollen also drei vollamtliche Stellen geschaffen werden.

Neben dem periodischen Mehrbedarf von jährlich 115 000 Franken erwähnt die Eingabe noch einen Bedarf an einmaligen Beiträgen in der Höhe von 875 500 Franken. Dieser einmalige Bedarf soll insbesondere zur Deckung der Auslagen für die Herausgabe von Wörterbüchern (245 000 Fr.), von Grammatiken (30 000 Fr.), «anderer Verlagswerke» (89 500 Fr.), von Antologien für Schulen und-Erwachsene (30 000 Fr.), von Kinderbüchern und Jugendschriften (16 000 Fr.) verwendet werden. Für die Aufbringung dieser Mittel ist die LR an den Landeslotteriefonds des Kantons Graubünden, an die Stiftungen Anton Cadonau, Pro Helvetia, Pro Juventute sowie an das Schweizerische Bundesfeierkomitee und, für
Werke wissenschaftlicher Art, an den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gelangt.

Die Arbeit der LR war von Anfang an dadurch erschwert, dass die Rätoromania nicht ein einheitliches Gebiet bildet, wie z. B. der Kanton Tessin. Jeder Aufruf zu gemeinsamer Arbeit und zu gemeinsamem Vorgehen ist in seinem Gelingen davon abhängig, ob sich die regionalen, idiomatischen, konfessionellen und politischen Gegensätze überbrücken lassen. Im grossen und ganzen war das auf romanischem Gebiet möglich. Das Gesuch der LR ist nach eingehender Besprechung und in Mitarbeit mit den angeschlossenen regionalen Gesellschaften entstanden und von diesen gebilligt worden. Die LR legt Wert darauf, diese

271 Tatsache zu betonen. Die regionalen Gesellschaften sind sich mit der LE bewusst, dass es gerade in den nächsten Jahren eines verstärkten Einsatzes bedarf, um die romanischen Positionen auf der ganzen Linie zu stärken. Zu diesem Einsatz ist die LE freudig bereit. Es ist ihre Sache, die finanziellen Grundlagen dafür zu schaffen, und es steht der LE für zusätzliche regelmässige Beiträge kein anderer Weg offen, als an den Bund und den Kanton zu gelangen.

5. Würdigung der Eingabe Das in Ziffer 4 skizzierte Aktionsprogramm der LE erachten wir als zweckmässig. Die in Aussicht genommenen neuen und erweiterten Aufgaben dürften durchaus geeignet sein, das rätoromanische Sprachgut und die damit verbundene Kultur zu erhalten und zu fördern, im Interesse des kleinen romanischen Volksteils und darüber hinaus im Interesse unseres ganzen so vielgestaltigen Landes. Es erscheint als gerechtfertigt, dass der Bund durch Erhöhung seiner bisherigen Subvention zur Verwirklichung des neuen Programms der LE beiträgt und dass anderseits âurch Verankerung des Bundesbeitrages in einem Bundesbeschluss der LE für längere Zeit eine feste finanzielle Grundlage verliehen wird.

Was die Höhe der Bundesleistungen betrifft, so ist allerdings darauf Bedacht zu nehmen, dass diese in ein angemessenes Verhältnis zu stehen kommen zu den Aufwendungen, die der Kanton Graubünden zugunsten der LE erbringt, denn nach der föderalistischen Struktur unseres Staatswesens sind die Kantone und Gemeinden die primären Träger der kulturpolitischen Aufgaben. Es ist daher in erster Linie Sache des Kantons Graubünden, die rätoromanische Sprache und Kultur zu betreuen. Ausgeprägt ist die Zuständigkeit der Kantone auf dem Gebiete des Schulwesens. In diesem Zusammenhang verdient festgehalten zu werden, dass es gerade die Kleinkinderschulen sind, die seit ihrer Einrichtung die LE am stärksten belasten.

Ein Vergleich der bisherigen regelmässigen Beiträge des Bundes zugunsten der LE mit denjenigen des Kantons ergibt ein Übergewicht der Bundesleistungen. An jährlichen regelmässigen Beiträgen richtet der Kanton seit 1920 eine Subvention von 10 000 Franken an die allgemeinen Aufwendungen der LE und seit 1948 zusätzlich eine solche von 18 000 Franken für die Sondermassnahmen der LE in den sprachlich gefährdeten Gebieten Mittelbündens aus. Dazu kommen Beiträge
aus andern Quellen, insbesondere dem Landeslotteriefonds, zur Finanzierung bestimmter Einzelaktionen. Käme der Bund dem neuen Begehren der LE in vollem Umfange nach, so würde das Verhältnis zwischen regelmässigen Bundes- und kantonalen Leistungen noch unausgeglichener, wird doch vom Bund ein Mehrbetrag von 100 000 Franken, vom Kanton aber lediglich ein solcher von 11 000 Franken erwartet. Eine derartige Aufteilung der Mehrlasten könnte mit der primären Zuständigkeit des Kantons auf kulturellem Gebiet nicht mehr in Einklang gebracht werden.

272 Bei Berücksichtigung aller Aspekte, die sich stellen, kommen wir daher zum Schlüsse, dass eine Erhöhung des Bundesbeitrages an die LE um 50 000 Franken gegeben ist, unter der Voraussetzung jedoch, dass auch der Kanton seinen regelmässigen jährlichen Beitrag gegenüber 1957 um mindestens den gleichen Betrag erhöht.

6. Der Entwurf zu einem Bundesbeschluss Die Zuständigkeit des Bundes zur Unterstützung einer schweizerischen Nationalsprache ergibt sich aus Artikel 116 der Bundesverfassung. Der Anerkennung des Bätoromanischen als Nationalsprache kommt nicht nur die Bedeutung zu, dass die romanische Sprache Nationalsprache ist, sondern auch, dass sie es bleiben soll. Mit der Anerkennung wird der Bestand einer Nationalsprache garantiert und die Erhaltung der überlieferten Ausdehnung sichergestellt (Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 1949, S. 394).

Wenn daher Artikel 116' der Bundesverfassung bezweckt, den Bestand der Nationalsprache zu sichern, so muss diese Bestimmung auch die Kompetenz des Bundes einschliessen, für die Erhaltung einer Nationalsprache zu sorgen.

So bietet denn der Nationalsprachenartikel eine feste verfassungsrechtliche Grundlage für die Ausrichtung von Bundessubventionen an die LE und die Verankerung dieser Beiträge in einem besonderen Bundesbeschluss. Wir weisen darauf hin, dass sich auch der Bundesbeschluss vom 21. September 1942 über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart u. a. auf Artikel 116 der Bundesverfassung stützt.

Artikel l unseres Entwurfes setzt den jährlichen Bundesbeitrag an die LE auf 100 000 Franken fest. Das sind - wie er.wähnt - 50 000 Franken mehr, als die LE seit 1948 jährlich erhält. Unberührt bleiben die 10 000 Franken gemäss .

Bundesbeschluss vom 21. September 1942 über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart, die der Kanton Graubünden erhält.

Artikel 2 bestimmt, dass die Ausrichtung des Bundesbeitrages nur unter der Voraussetzung erfolgt, dass der Kanton Graubünden
seine eigenen regelmässigen jährlichen Leistungen zugunsten der LE ira Vergleich zum Jahre 1957 um mindestens 50 000 Franken erhöht. Als regelmässige Leistungen des Kantons im Jahre 1957 gelten die jährlichen Subventionen von 10 000 Franken an die allgemeinen Kosten der LE und von 18 000 Franken an die Sondermassnahmen der LE in Mittelbünden.

Artikel 3: keine Bemerkungen.

273

Artikel 4 des Entwurfs beschränkt die Gültigkeit des Bundesbeschlusses auf die Dauer von 10 Jahren. Spätestens mit Ablauf dieser Frist wären demnach die Leistungen des Bundes an die LE neu zu überprüfen.

Gestützt auf diese Ausführungen empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. Juli 1958.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Holenstein Der Bundeskanzler : Ch. Oser

274

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 116 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4. Juli 1958, beschliesst:

Art. l Der Bund gewährt der Ligia Eomontscha/Lia Eumantscha für ihre Tätigkeit zur Wahrung und Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur im Kanton Graubünden einen jährlichen Beitrag von 100 000 Franken.

Art. 2 Die Ausrichtung des Beitrages erfolgt unter der Voraussetzung, dass der Kanton Graubünden seine eigenen regelmässigen jährlichen Leistungen zugunsten der Ligia Bomontscha/Lia Eumantscha im Vergleich zum Jahre 1957 um mindestens 50 000 Franken erhöht.

Art. 3 Die Ligia Eomontscha/Lia Eumantscha hat durch Vermittlung der kantonalen Behörde dem Eidgenössischen Departement des Innern jeweilen Bericht und Eechnung über das abgelaufene sowie das Tätigkeitsprogramm und den Voranschlag für das kommende Jahr einzureichen.

Art. 4 Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt am I.Januar 1959 in Kraft. Er gilt bis zum 31. Dezember 1968.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha (Vom 4. Juli 1958)

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