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Bundesblatt 110. Jahrgang

Bern, den 81. Oktober 1958

Band II

Erscheint wöchentlich. Frei» 3O franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Durchstich eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard (Vom 21. Oktober 1958) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 23.Mai 1958 unterzeichneten in Bern Vertreter der schweizerischen und der italienischen Regierung unter dem Vorbehalt der Ratifikation ein Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard. Am gleichen Tag verpflichteten sich Vertreter der Kantone Waadt und Wallis ebenfalls in einem Abkommen mit der Eidgenossenschaft, die eidgenössischen Behörden von jeder finanziellen Haftung sowohl in bezug auf den Bau wie den Betrieb des Tunnels zu entlasten.

Das Werk, das die beiden für den Bau gebildeten Gesellschaften zu unternehmen beabsichtigen, wird quer durch die Alpen das Tal von Entremont auf schweizerischer Seite mit dem Tal des Grossen St. Bernhard auf italienischer Seite verbinden und einen direkten Verkehrsweg zwischen den Strassennetzen der Westschweiz und Norditaliens schaffen.

Wir beginnen diese Botschaft mit einem kurzen geschichtlichen Überblick und legen dann dar, wie dieses Projekt ins Auge gefasst, geprüft und ausgearbeitet wurde und wie entsprechende Verhandlungen zwischen der Eidgenossenschaft und den Kantonen Waadt und Wallis sowie dem Stadtrat der Gemeinde Lausanne eingeleitet und durchgeführt wurden. Sie waren das Vorspiel zu den zwischenstaatlichen Verhandlungen mit Italien, die zum Abschluss des schweizerisch-italienischen Abkommens vom 23.Mai 1958 führten. Nach einer kurzen Analyse dieses Abkommens sowie desjenigen zwischen der Eidgenossenschaft und den Kantonen Waadt und Wallis werden wir abschliessend die technische und die finanzielle Seite des Projekts erläutern.

Bundesblatt. 110. Jahrg. Bd. II.

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1006 Geschichtlicher Überblick Der Pass des Grossen St.Bernhard kann auf eine bedeutsame Vergangenheit zurückblicken. Sein Ausbau fällt in die Zeit der Eömer ; diese schufen aus dem schmalen Pfad, den die Gallier gelegt hatten, eine dem Heer und dem Handel dienende breite Hauptverbindungsstrasse mit Helvetien, Germanien und einem grossen Teil Nordgalliens. Dieser Pass spielte bis ins 15. Jahrhundert hinein eine wichtige Eolle für den Verkehr zwischen dem Mittelmeer und dem Norden. In der Folge büsste er seine Bedeutung weitgehend ein, und andere, besser ausgebaute Pässe wurden ihm vorgezogen. Der Übergang über die Alpen ist indessen an dieser Stelle zugleich schmal, bequem und rasch und weist keine Gegensteigung auf. Martigny, die südlichste auf der Alpennordseite gelegene Schweizer Stadt, ist von Aosta tatsächlich nur 80 km entfernt.

Erst in neuerer Zeit kam man auf den Gedanken, die Strecke dieses Alpenübergangs zu verkürzen. Im Jahre 1839 war erstmals die Eede von einem Tunnel, der Martigny und Aosta verbinden sollte. Ein Verbindungsweg durch die Alpen in diesem Abschnitt sollte der Förderung des Handelsverkehrs und des kulturellen Austausches mit Italien dienen.

Im Jahr 1873 schlugen Henri Lefèvre und Juvenal Dorsaz von Liddes vor, einen 5,8 km langen Eisenbahntunnel unter dem Menouve-Pass auf 1815 m Höhe zu bauen. Einige Jahre'später, nämlich 1884, legte Baron de Vauthéleret ein anderes Projekt für einen Eisenbahntunnel unter dem Grossen St.Bernhard vor; dieser sollte auf 1620 m Höhe errichtet werden und eine Länge von 9500 Metern auf weisen. Mangels finanzieller Mittel wurde keines dieser Projekte j e verwirklicht.

Infolge der Errichtung der Eisenbahntunnel erst unter dem St. Gotthard und dann unter dem Simplon verlor ohnehin der Gedanke an einen Durchstich unter dem Grossen St. Bernhard das Interesse, das er während einiger Zeit gefunden hatte.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte man die Entwicklung des Automobils, das im Wirtschaftsleben aller Länder bald zu einem wichtigen Faktor wurde. Der Strassenbau erfuhr dadurch einen bedeutenden Aufschwung.

Jedes Tal bemühte sich, einen Verbindungsweg herzustellen, um seine Bewohner an den Vorteilen des Verkehrs teilhaben zu lassen. Unter diesen Umständen ist es nicht erstaunlich, dass 1936 ein Ingenieur von Turin in Zusammenarbeit
mit einem schweizerischen technischen Büro ein Projekt für einen das ganze Jahr offenen Strassentunnel vorlegte, der unter dem Ferret-Pass hindurch Martigny direkt mit Aosta verbinden sollte.

Der Kanton Wallis bekundete unverzüglich sein Interesse an der Verwirklichung eines solchen Gedankens, indem er am 3. Juni 1938 die für den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels und seiner Zufahrtsstrassen erforderliche Bewilligung erteilte und erklärte, dass dieses Vorhaben im öffentlichen Interesse hege. Der Zweite Weltkrieg sollte indessen die Weiterverfolgung dieses Projekts vorübergehend unterbrechen.

1007 Der Zeitabschnitt von 1946 bis 1958 Am 29. August 1946 bildete sich in Lausanne unter der Oberleitung der Waadtländischen Handelskammer eine schweizerische Kommission für das Studium und den Bau eines transalpinen, Martigny mit Aosta verbindenden Strassentunnels. Im Dezember des gleichen Jahres gründeten verschiedene Persönlichkeiten der an der Verwirklichung dieses Projekts interessierten italienischen Gegenden ein Initiativkomitee in Turin. Mailand folgte dieser Bewegung Anfang 1947. Im gleichen Jahre veranstaltete die Waadtländische Handelskammer in Lausanne eine erste Zusammenkunft der «Commission romande pour le tunnel routier transalpin Suisse-Italie». Mehrere Projekte gelangten zur Diskussion. Am 28. August 1947 richtete diese Kommission an den Bundesrat ein Schreiben, in dem sie ihre bisherige Tätigkeit darlegte. Sie führte darin insbesondere aus: «Unser Aktionskomitee hat es für unerlässlich erachtet, bevor es sich dem Studium des endgültigen Projekts zuwendet, die Frage in ihrem gegenwärtigen Stand dem Bundesrat und den verschiedenen interessierten Departementen zur Kenntnis zu bringen, damit sie sich über die Bedeutung und das nationale Interesse dieses Projekts Eechenschaft geben können, ganz besonders auch mit Eücksicht auf das Projekt des Mont Blanc-Durchstichs, das, wenn es allein zur Ausführung gelangen sollte, einen beträchtlichen Verkehrsstrom von der Schweiz ableiten würde.» Der Bundesrat beauftragte das Departement des Innern, bzw. das Eidgenössische Oberbauinspektorat, das in Frage stehende Projekt zu prüfen. Die Schlussfolgerungen dieser Stelle lauteten negativ. Eine vom Departement des Innern zu diesem Zweck gebildete Expertengruppe prüfte dann den Bericht des Eidgenössischen Oberbauinspektorates unter dem Gesichtspunkt des Tourismus, der Transportwirtschaft und der Landesverteidigung und gelangte zu den gleichen Schlussfolgerungen. Diese offizielle Ansicht entmutigte jedoch die Befürworter des Projekts nicht; sie gründeten nämlich am 27.März 1951 das «Syndicat pour la réalisation du tunnel routier du Grand Saint-Bernard» (Konsortium für die Verwirklichung des Strassentunnels des Grossen St. Bernhard), dessen Leitung Herr Maurice Troillet, alt Staatsrat und ehemaliges Mitglied der eidgenössischen Eäte, übernahm. Unter seinem Antrieb setzten die Anhänger des Projekts ihre
Bemühungen bei den Bundesbehörden fort, um zu bewirken, dass ihre Begehren in Erwägung gezogen würden.

Schliesslich erkundigte sich das Politische Departement im Jahr 1953, welche Haltung die Italiener in bezug auf den Durchstich eines Strassentunnels unter dem Grossen St.Bernhard einnehmen würden. Aus dem Palazzo Chigi kam die Antwort, dass die italienische Eegierung einem solchen Vorhaben wohlwollend gegenüberstehe. Anfang 1955 wurde den eidgenössischen Behörden ein Vorprojekt eingereicht, in dem vorgesehen war, die beiden Ortschaften BoürgSaint-Pierre und Saint-Ehémy durch Erstellung einer gedeckten, durch einen Strassentunnel ergänzten Strasse miteinander zu verbinden.

Im September 1955 gelangten die Staatsräte der Kantone Waadt und Wallis, der Stadtrat der Gemeinde Lausanne und das Konsortium für die Ver-

1008 wirklichung des Strassentunnels des Grossen St. Bernhard gemeinsam an den Bundesrat und ersuchten ihn, im Hinblick auf die Bildung einer schweizerischitalienischen Gesellschaft, die die Ausführung des Durchstichs unter dem Grossen St. Bernhard an die Hand nehmen würde, diplomatische Verhandlungen mit Italien einzuleiten. Es wurde präzisiert, dass für die Errichtung dieses Werkes nicht um eine Bundessubvention nachgesucht würde. Die beiden Kantone betonten ebenfalls die grosse Bedeutung dieses Tunnels für die Schweiz und insbesondere für die Westschweiz, die Gefahr laufe, durch den Mont Blanc-Tunnel vollständig vom europäischen Nord-Süd-Verkehr abgeschnitten zu werden.

Zum ersten Male erklärten die Kantone offiziell, dass die Eidgenossenschaft um keinerlei direkte Hilfe für die Erbauung dieses Tunnels angegangen würde.

Es war indessen nicht möglich, dem Ansuchen der Kantone Waadt und Wallis, des Stadtrats der Gemeinde Lausanne und des Initiativkonsortiums unverzüglich Folge zu geben, da der Bundesrat keinen Entscheid treffen wollte, bevor die Kommission des Departements des Innern für die Planung des Hauptstrassennetzes sich zur Zweckmässigkeit des Projekts geäussert hatte.

Die schweizerischen und die italienischen Befürworter des Projekts setzten ihre Bemühungen in vermehrtem Masse fort. Sie wurden sogar in Born vom damaligen italienischen Aussenminister, Martino, empfangen, und im Dezember 1955 begaben sie sich nach Bern, wo Bundesrat Petitpierre, der damals Bundespräsident war, ihnen eine Audienz gewährte. Bei dieser Gelegenheit bestätigten sie, dass die Finanzierung des Werkes italienischerseits durch private Initiative und schweizerischerseits durch die am Projekt interessierten kantonalen und kommunalen Behörden sichergestellt sei.

Im Mai 1956 wandten sich die Staatsräte der Kantone Waadt und Wallis und der Stadtrat der Gemeinde Lausanne erneut an den Bundesrat. Sie ersuchten ihn, auf Grund von Artikel 10, Absatz l, der Bundesverfassung seine guten Dienste zur Verfügung zu stellen, um eine Fühlungnahme zwischen der italienischen Eegierung und einer Delegation des Bundesrates zu ermöglichen.

Im Juli 1956 befasste sich die Kommission für die Planung des Hauptstrassennetzes mit der Frage der Strassentunnel für den winterlichen Transitverkehr durch die Alpen. Als Grundlage zu ihren
Beratungen dienten ihr Studien des Eidgenössischen Oberbauinspektorates. Ausserdem lagen ihr Gutachten vor über die Bedeutung der Alpenübergänge für den Fremdenverkehr und die Warentransportunternehmen, ferner Untersuchungen über die Möglichkeit, den Bahntransport der Motorfahrzeuge zu verbessern, und schliesslich die Vernehmlassungen der wichtigsten interessierten Wirtschafts- und Berufsverbände. Nachdem die Kommission für die Planung des Hauptstrassennetzes den gesamten Fragenkomplex und die zur Diskussion stehenden Vorsehläge geprüft hatte, legte sie ihre Auffassung im folgenden Antrag an das Departement des Innern nieder : «Da der für den winterlichen Motorfahrzeugtransport durch den Simplon voll ausgebaute Verladedienst bis etwa 1980 den gesamten für die Alpenübergänge im obern Ehonegebiet in Frage kommenden Verkehrsanfall wird bewäl-

1009 tigen können, besteht vom Standpunkt des Verkehrs aus gesehen vorderhand kein dringendes Bedürfnis nach einem Strassentunnel durch den Grossen St. Bernhard.

Dagegen kann der Strassentunnel durch den Grossen St. Bernhard für den Fall, dass der Mont Blanc-Tunnel nicht erstellt werden sollte, als wirtschaftlich noch vertretbar bezeichnet werden.

Wenn der Mont Blanc-Tunnel jedoch gebaut wird, erscheint der Grosse St. Bernhard-Strassentunnel auf absehbare Zeit unter Voraussetzung tragbarer Durchfahrtsgebühren als nicht eigenwirtschaftlich.» Trotz dieser Stellungnahme hielten die Kantone Waadt und Wallis, der Stadtrat der Gemeinde Lausanne und das Konsortium für die Verwirklichung des Strassentunnels des Grossen St.Bernhard an ihrem Entschlüsse fest, das geplante Werk zu bauen, und gelangten erneut an den Bundesrat. Dieser beschloss in seiner Sitzung vom 30. November 1956, dem Begehren der Kantone Waadt und Wallis stattzugeben und seine guten Dienste für die Einleitung von Verhandlungen mit Italien zum Zwecke der Gründung einer schweizerisch-italienischen Gesellschaft für den Bau des Grossen St. Bernhard-Tunnels zur Verfügung zu stellen. Es wurde jedoch präzisiert, dass die Eidgenossenschaft bei der Aufnahme der Verhandlungen ausdrücklich feststellen werde, dass sie hinsichtlich der finanziellen Folgen, die sich aus der Ausführung des Projekts und dem Betrieb des Tunnels ergeben könnten, keine Haftung übernehmen werde.

Anfang 1957 entsprach die italienische Eegierung der Anregung des Bundesrates, und Verhandlungen fanden im September des gleichen Jahres in Eom statt. Bei dieser Gelegenheit wurde ein erster Entwurf eines schweizerischitalienischen Abkommens ausgearbeitet.

Zwei Fragen rechtlicher Natur, die sich übrigens schon von Anfang an gestellt hatten, mussten in der Folge aufmerksam geprüft werden, nämlich : 1. ob die Eidgenossenschaft das Abkommen mit Italien in ihrem eigenen Namen oder im Namen der beteiligten Kantone abschliessen sollte ; 2. ob das Abkommen eine Bestimmung vorsehen sollte, die der mit dem Betrieb betrauten Gesellschaft gestatten würde, Wegzölle zu erheben.

1. In seinem Beschluss vom 80. November 1956 sah der Bundesrat vor, dass das Abkommen im Namen der Kantone unterzeichnet würde, da sie in dieser Angelegenheit die Initiative ergriffen hatten. Nach den Verhandlungen in
Eom zeigte es sich jedoch, dass es vorzuziehen wäre, das Abkommen im. Namen der Eidgenossenschaft abzuschliessen. Der Abkommensentwurf, der mit den italienischen Behörden ausgearbeitet worden war, enthielt nämlich mehrere in die Zuständigkeit der eidgenössischen Behörden fallende Bestimmungen. Ausserdem gab man sich darüber Eechenschaft, dass die Eröffnung eines neuen internationalen Verbindungsweges, der durch die Erstellung eines Strassentunnels durch die Alpen geschaffen wird, ein Unternehmen darstellt, das über den lokalen und regionalen Eahmen hinausgeht, innerhalb welchem gemäss der Ausleguüg von Artikel 9 der Bundesverfassung allein gestattet wäre, ein Abkommen

1010 im Namen der Kantone abzuschhessen. Dazu kommt noch, dass selbst wenn das schweizerisch-italienische Abkommen im Namen der beteiligten Kantone abgeschlossen würde, die Eidgenossenschaft für jede Verletzung dieser zwischenstaatlichen Vereinbarung durch die Kantone der italienischen Regierung gegenüber verantwortlich wäre.

Die Kantone Waadt und Wallis pflichteten dieser neuen Ansicht der eidgenössischen Behörden bei, die sie als richtig erkannten, und darauf unterzeichnete die Eidgenossenschaft am 28.Mai dieses Jahres das Abkommen in ihrem eigenen Namen.

2. Artikel 6 des schweizerisch-italienischen Abkommens sieht die Erhebung von Gebühren für die Durchfahrt durch den Tunnel vor. Diese Bestimmung schien anfangs nicht mit Artikel 80, Absatz 2, der Bundesverfassung in Einklang zu sein, der allgemein als Verbot, Wegzölle zu erheben, ausgelegt wurde. Durch die Aufnahme von Artikel 37, Absatz 2, in die Bundesverfassung, der in der Volksabstimmung vom 6. Juli 1958 angenommen wurde und den oben erwähnten Artikel 30, Absatz 2, aufhob, ist jedoch eine klare Eechtslage geschaffen worden^ Die neue Verfassungsbestimmung lautet folgendermassen : «Für den Verkehr auf Strassen, die im Eahmen ihrer Zweckbestimmung der Öffentlichkeit zugänglich sind, dürfen keine Gebühren erhoben werden. Die Bundesversammlung kann in besonderen Fällen Ausnahmen bewilligen.» Angesichts dieser Bestimmung bestand somit kein Einwand mehr dagegen, dass die in Artikel 6 enthaltene Anordnung, bei den Konzessionsverleihungen die Erhebung von Durchfahrtsgebühren vorzusehen, im schweizerisch-italienischen Abkommen beibehalten werde. Die im vorgenannten Verfassungsartikel erwähnten «besonderen Fälle», für die das Eecht, Gebühren zu erheben, erteilt werden kann, beziehen sich nämlich ohne jeden Zweifel hauptsächlich auf die Strassentunnel.

Wir haben deshalb einen Artikel, der die Erhebung von Durchfahrtsgebühren gestattet, in den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des schweizerisch-italienischen Abkommens aufgenommen. Nach Artikel 37, Absatz 2, BV, wäre die Bundesversammlung zuständig, nicht nur die Erhebung von Gebühren dem Grundsatz nach zu bewilligen, sondern auch die zulässige Höhe festzusetzen. In der Eegel wird es sich rechtfertigen, die Bewilligung nur für ziffernmässig begrenzte Gebühren zu erteilen; denn der
Entscheid, ob die Gebühren sich rechtfertigen, muss von einer Abwägung der im Spiele stehenden Interessen abhängen, wobei vor allem auch das Interesse des Verkehrs zu beachten ist, von untragbaren Gebühren verschont zu bleiben. Eegelmässig wird eine solche Interessenabwägung nur möglich sein, wenn ziffernmässig bestimmte Gebühren zur Diskussion stehen. Im vorliegenden Fall kann es aus den folgenden Gründen aber verantwortet werden, wenn die Bundesversammlung ihre Kompetenz zur Bestimmung der höchstzulässigen Ansätze an die Konzessionsbehörde delegiert. Einmal ist darauf hinzuweisen, dass nicht ein privates Unternehmen die Höhe der Gebühren bestimmt, sondern eine kantonale Behörde, die angesichts ihrer öffentlichen Aufgabe zu einer Interessenabwägung verpflichtet ist. Sodann muss die Konzessionsurkunde gemäss Artikel 9 des

1011 Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Kantonen Waadt und Wallis im Einvernehmen mit den eidgenössischen Behörden ausgestellt werden. Diesen wäre somit Gelegenheit geboten, bei der Festsetzung zu hoher Gebühren Einspruch zu erheben. Endlich stehen der Erhöhung der Gebühren über eine tragbare Grenze hinaus auch zwingende betriebswirtschaftliche Erwägungen entgegen.

Analyse des schweizerisch-italienischen Abkommens Der Bau des Tunnels wird von einer schweizerischen und einer italienischen Gesellschaft ausgeführt, während ein einziges Unternehmen, das von diesen beiden Gesellschaften in Form einer Aktiengesellschaft gebildet wird, den Betrieb des Werks besorgt. Diese Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in der Schweiz, und der Verwaltungsrat setzt sich je zur Hälfte aus schweizerischen und aus italienischen Staatsangehörigen zusammen. Das Betriebs- und Unterhaltspersonal umfasst gleich viele Italiener wie Schweizer. Diese Eegel gilt indessen nicht für das mit der Lüftung betraute spezialisierte Personal (Art. l und 2).

Die beiden Eegierungen werden sich bei der Verleihung der Konzessionen, deren Inhalt möglichst gleichartig sein soll, konsultieren. Dieser darf nur nach gegenseitigen Konsultationen geändert werden. Die Konzessionen endigen 70 Jahre nach der Abnahme der Arbeiten; darauf wird der Tunnel Eigentum der von den beiden Staaten bezeichneten juristischen Personen des öffentlichen Eechts (Art.3 und 4).

Die während der Erbauung des Tunnels gefundenen Gewässer und Mineralien sollen nach den gesetzlichen Bestimmungen desjenigen Staates, auf dessen Gebiet die Entdeckung erfolgte, zugeteilt werden (Art. 5).

Die Frage der Erhebung von Durchfahrtsgebühren soll im Eahmen der Konzessionen geregelt werden. Was die Festlegung der Grenze betrifft, wird die schon bestehende Kommission für den Unterhalt der Grenze zwischen den beiden Staaten die notwendigen Massnahmen treffen (Art. 6 und 7).

Zur Eegelung- der Fragen hinsichtlich Zoll, Polizei sowie in monetären, fiskalischen und sozialen Angelegenheiten können besondere Abmachungen getroffen werden. Eine gemischte Kommission, die sich aus vier schweizerischen und vier italienischen Mitgliedern zusammensetzt, wird für die richtige Durchführung des Abkommens sorgen. Allfällige Streitigkeiten zwischen den beiden Eegierungen
betreffend die Auslegung und Anwendung des Abkommens werden gemäss dem schweizerisch-italienischen Vertrag vom 20. September 1924 zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren erledigt.

Das Abkommen unterliegt dem Batifizierungsverfahren und tritt am Tage des Austausches der Eatifikationsurkunden in Kraft (Art.8, 9, 10 und 11).

Analyse des Abkommens zwischen der Eidgenossenschaft und den Kantonen Wie wir zu Beginn dieser Botschaft ausführten, wurde zum Zwecke der klaren Abgrenzung der gegenseitigen Positionen am 23.Mai 1958 ebenfalls ein

1012 Abkommen zwischen dem Bundesrat und den Kantonen Waadt und Wallis unterzeichnet. Wir erachten es für zweckmässig, Ihnen zur Vervollständigung Ihrer Unterlagen eine kurze Übersicht darüber zu geben : Nach der Feststellung, dass die Verhandlungen und der Abschluss des schweizerisch-italienischen Abkommens auf Anregung der Kantone Waadt und Wallis erfolgten, wird der Grundsatz ausgesprochen, dass die Eidgenossenschaft von jeder finanziellen Haftung in bezug auf den Bau und den Betrieb des Tunnels befreit ist (Art. l und 2).

Auf den in ihre Zuständigkeit fallenden Gebieten trifft die Eidgenossenschaft im Interesse des Werkes alle geeigneten Massnahmen, insbesondere was die Festlegung der Grenze im Tunnelinnern und die Zollkontrolle anbelangt. Die kantonalen Behörden werden darüber auf dem laufenden gehalten. Hinsichtlich der Polizeikontrolle sollen die nötigen Massnahmen im gemeinsamen Einverständnis getroffen werden (Art.3, 4 und 5).

Im übrigen wird jede Haftung, die der Eidgenossenschaft in dieser Angelegenheit auf internationaler Ebene erwächst, intern von den Kantonen Waadt und Wallis übernommen (Art. 6).

Die Konzessionsurkunden werden von den kantonalen Behörden im Einvernehmen mit den eidgenössischen Behörden ausgestellt ; die kantonalen Amtsstellen können sich in dieser Angelegenheit direkt mit den italienischen Behörden in Verbindung setzen (Art.9 und 10).

Die Mitglieder der schweizerischen Delegation in der gemischten schweizerisch-italienischen Kommission, die mit der Durchführung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien betraut ist, werden von den kantonalen Behörden bezeichnet. Die eidgenössischen Behörden ernennen ihre Delegierten für die in ihre Zuständigkeit fallenden Fragen. Desgleichen obliegt es den eidgenössischen Behörden, im Einvernehmen mit den kantonalen Behörden gegebenenfalls die nötigen Massnahmen betreffend die Anwendung des Vergleichs- und Schiedsverfahrens zu treffen (Art. 11 und 12).

Die technische Seite des Projekts Nach den Angaben des Initiativkonsortiums für die Verwirklichung des Strassentunnels des Grossen St.Bernhard umfasst das Projekt das Strassenstück, das Bourg-Saint-Pierre mit Saint-Bhémy verbindet.

Nördlich von Bourg-Saint-Pierre, ungefähr auf 1680 m Höhe, wird eine 7 Meter breite Strassengalerie mit einer Steigung von 6 Prozent errichtet
werden, die sich bis zum Eingang des Tunnels erstrecken soll. Sie wird dem See entlangführen, den die «Forces motrices du Grand Saint-Bernard» durch die Staumauer Toules erstellen und der die Cantine de Proz überdecken wird ; bei der Cantine d'En-Haut beginnt dann der eigentliche Strassentunnel.

Auf dem Südabhang wird eine gedeckte Autostrasse alle Windungen der Zufahrtsstrasse Nr. 27 ausschalten. Ihr Ausgangspunkt liegt bei Kote 1540 m unterhalb von Saint-Bhémy. Sie wird eine Länge von 9670 Metern, eine Breite

1013 von. 9 Metern und eine Steigung von weniger als 5 Prozent aufweisen. Sie passiert unter der gegenwärtigen Strasse bei deren Kilometer 26, schneidet den Wildbach des Grossen St.Bernhard und führt dann direkt zum Eingang des Tunnels. Sie bildet das Anfangsstück der von Italien projektierten Autostrasse Grosser St.Bernhard-Aosta-Turin-Mittelmeer.

Diese Lösung setzt die Kosten des Durchstichs beträchtlich herab: der eigentliche Tunnel wird nämlich nur 5854,34 Meter messen.

Die nördliche Einfahrt des Tunnels liegt bei der Cantine d'En^Haut, bei Kote 1918, und die Südeinfahrt bei Kote 1875.

Die verhältnismässig hohe Lage ist durch die Topographie des Geländes und die Toules-Staumauer bedingt; dieser Nachteil wird jedoch .durch die gedeckte Strasse'zum Teil aufgehoben.

Nach den Aussagen des Initiativkonsortiums sind die geologischen Voraussetzungen, die eingehenden Untersuchungen unterzogen wurden, günstig: die betreffende Zone gehört zur Ordnung der kristallinischen Felsen ohne Mergel(Ton-)Kalk, Mergel oder brüchigen Tonschiefer. Diese Beschaffenheit des Gesteins gestattet eine Aushöhlung unter idealen Bedingungen und ein Vorrücken im VoUausbruch. Es scheint, dass hinsichtlich des Durchsickerns von Wasser keine Überraschungen zu befürchten sind.

Das Profil des Tunnels wurde laut Angaben des Initiativkonsortiums sowohl in bezug auf die Anforderungen des Verkehrs und der Lüftung wie in bezug auf die geologischen Bedingungen geprüft. Die Fahrbahn ist 7,50 Meter breit, und der darüberliegende Eaum ist 4,50 Meter hoch. Auf jeder Seite verläuft ein 0,90 Meter breiter Gehweg. Das Gefalle beträgt auf der schweizerischen Seite 0,2 Prozent und auf der italienischen Seite 1,69 Prozent.

In einem Strassentunnel kommt der Lüftung grösste Bedeutung zu, da die verkehrenden Fahrzeuge Kohlenoxyd ausströmen. Das beste Lüftungsverfahren verlangt, dass die Abfuhr der verbrauchten Luft und die Zufuhr frischer Luft durch Kanäle erfolgen, die vom Verkehrsraum vollständig getrennt sind: dies ist das System der Querlüftung. Der Tunnel wird nach diesem System angelegt.

Der elektrische Strom wird entweder gekauft oder in einem kleinen Werk erzeugt werden, das die Gesellschaft in der Nähe des Tunnels errichten könnte.

Bei den beiden Einfahrten werden je ein Verwaltungsgebäude und ein Parkplatz erstellt werden ; der
letztgenannte wird auf der schweizerischen Seite 10 000 Quadratmeter umfassen.

Die Kosten des Projekts Angesichts der Unterschiede, die zwischen der Schweiz und Italien auf finanziellem und sozialem Gebiet bestehen, sind das schweizerische und das italienische Konsortium übereingekommen, dass jede Gesellschaft den Ausbau des ihr zufallenden Stücks ausführen und die Gesamtkosten dafür übernehmen wird, da kein allgemeiner Voranschlag erstellt werden kann. Dagegen wird auf technischem Gebiet eine Koordinierung der schweizerischen und der italienischen

1014 Bauarbeiten erfolgen. Gemäss diesen Vereinbarungen baut die schweizerische Gesellschaft das Stück vom Tunneleingang bis zum zentralen Kamin, dieses inbegriffen, und bezahlt die entsprechenden Kosten, wobei sie für den Bau des Kamins einen Zuschuss von der italienischen Seite erhält; der Kanton Wallis übernimmt den Unterbau und die Lawinenverbauungen der Zufahrtsstrasse ; die schweizerische Gesellschaft ist für die Überdachung verantwortlich. Die italienische Gesellschaft ihrerseits hat sich verpflichtet, den ganzen Sektor südlich des zentralen Kamins bis unterhalb von Saint-Rhémy zu erstellen.

Die Anlagekosten, die der schweizerischen Seite erwachsen, werden gemäss den Angaben des Initiativkonsortiums auf folgende Beträge geschätzt : 1. Überdachung der Zuf ahrtsstrasse auf einer Länge von 5280 Fr.

Metern (Fahrbahn 7 Meter) 6 630 000 2. Tunnel von 2960,74 Metern Länge und zwei Kamine, mechanische und elektrische Einrichtungen für einen Verkehr von 250 Fahrzeugen in der Stunde, Einrichtung von Beleuchtung, Signalisation und Lüftung, Einrichtung des Telephons usw. . 19 800 000 Die schweizerischen Kosten würden sich somit auf schweizerischer Seite auf ungefähr 26 430 000 belaufen.

Die zu Lasten der italienischen Gesellschaft fallenden Kosten belaufen sich auf 4 450 000 000 Lire, d.h. ungefähr 35 Millionen Schweizer Franken.

Die Betriebskosten Die Lüftung spielt eine wichtige Eolle im Betrieb eines Strassentunnels.

Damit sie funktionieren kann, muss aber auch elektrischer Strom vorhanden sein ; ferner erfordert der Betrieb eines Strassentunnels einen Kontroll-, Pannenbehebungs- und Verkehrsdienst sowie eine Anlage für die vollkommene Beleuchtung des Tunnelinnern, die den Übergang vom Tageslicht herstellt. Schliesslich kommen noch der Anstrich, der Unterhalt und die Eeinigung hinzu. Es ergeben sich somit jährlich Betriebskosten, über die die nachstehende Aufstellung Auskunft erteilt: 1. Kosten des Personals : a. Verwaltungs-, kaufmännisches und technisches Personal .

b. Einnehmer, Kontrolleure, zusätzliches Personal, Soziallasten 2. Betriebskosten des Elektrizitätswerks, elektrischer Strom . .

3. Telephon, Jeep, Lampen, Anstrich, Unterhalt, Beinigung . .

4. Unkosten Gesamtbetriebskosten

Fr.

50 000 202 000 179 700 121 600 106700 660 000

oder 330 000 Franken zu Lasten der schweizerischen Seite im Jahre 1961.

1015 Zu den jährlichen Betriebskosten kommen die Aufwendungen für den Anleihedienst hinzu, die bei einem Zinssatz von e1^ Prozent und einem Gesamtbetrag von 17 Millionen Pranken 722500 Franken ausmachen. Anderseits werden die Anlagekosten die ersten fünf Jahresrechnungen mit je 884 000 Pranken belasten. · Das Total der Kosten wir sich somit ab 1961 auf l 486 500 Franken pro Jahr belaufen.

Die Finanzierung des Projekts Gemäss den Artikeln l und 2 des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien wird der Bau des Werkes einer schweizerischen Gesellschaft und einer italienischen Gesellschaft übertragen. Die letztgenannte ist die am 29. November 1957 gegründete «SITBASB», Società italiana per il traforo del Gran San Bernardo, mit Sitz in Turin. Ihr Gesellschaftskapital beträgt zwei Milliarden Lire; es ist voll gezeichnet worden, nämlich eine Milliarde von der Provinz Turin, der Stadt Turin und dem Aostatal, und eine Milliarde von der Firma FIAT. Die «SITBASB» wird im gegebenen Zeitpunkt zur Deckung der gesamten durch die Errichtung des Werkes verursachten Kosten in Italien ein öffentliches Anleihen aufnehmen.

Die schweizerische Gesellschaft, die in kurzem unter der Firmabezeichnung «Tunnel du Grand Saint-Bernard S.A.» («Grosser St.Bernhard-Tunnel AG») gegründet werden soll, wird ein Gesellschaftskapital von 10 Millionen Franken haben, von dem der Kanton Wallis 2/6, der Kanton Waadt 3/6 und die Stadt Lausanne 1/6 zeichnen. Die Erhöhung des Aktienkapitals durch Einladung an weitere Zeichner bleibt vorbehalten. Die schweizerische Gesellschaft wird ein öffentliches Anleihen in der Höhe von 16 bis 19 Millionen Franken begeben, um die für die Verwirklichung des gesamten Werks erforderlichen Mittel einschliesslich der Anlagekosten aufzubringen.

Der Grosse Rat des Kantons Wallis genehmigte einstimmig am 25. Juni 1958 das Dekret vom 10. Mai 1958, das den Staatsrat ermächtigt, für einen Höchstbetrag von 8 350 000 Franken Aktien der mit dem Kanton Waadt, der Stadt Lausanne und eventuellen weiteren Zeichnern zu bildenden Gesellschaft zu zeichnen.

Der Grosse Eat des Kantons Waadt ratifizierte auf Antrag des Staatsrates am S.September 1958 einstimmig das Abkommen vom 28.Mai 1958 zwischen der Eidgenossenschaft und den Kantonen Wallis und Waadt, und das Abkommen vom 27. Juni 1958 zwischen den beiden Kantonen und der
Gemeinde Lausanne. Er ermächtigte den Staatsrat gleichzeitig, sich mit einem Betrag von 5 Millionen Franken am Aktienkapital der zu bildenden Gesellschaft für den Bau des Strassentunnels des Grossen St. Bernhard zu beteiligen.

Der Gemeinderat von Lausanne ratifizierte am 7. Juli 1958, gestützt auf die vorgängige Meinungsäusserung des Stadtrates vom 24. Juni 1958, das Abkommen zwischen dem Kanton Wallis, dem Kanton Waadt und der Stadt Lausanne über die finanzielle Beteiligung der Gemeinde Lausanne an der Gründung der

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schweizerischen Gesellschaft für den Bau des Tunnels des Grossen St.Bernhard. Zu diesem Zweck bewilligte er einen Kredit von l 650 000 Franken für die Zeichnung der Aktien.

Schlussfolgerungen Wie Sie beim Durchlesen dieser Botschaft feststellen konnten, handelt es sich bei dem Werk, das die beiden für den Bau gebildeten Gesellschaften zu unternehmen beabsichtigen, um ein Vorhaben von grosser Bedeutung. Die Initianten des Projekts scheuten nicht, an dieses kühne Unternehmen heranzutreten, das zur Verbesserung der Verkehrswege zwischen der Schweiz und Italien beitragen wird. Es ist schwierig, schon heute über den Verkehr durch den zukünftigen Tunnel des Grossen St. Bernhard etwas auszusagen. Die Meinungen gehen in dieser Hinsicht übrigens auseinander. Die von der Firma FIAT, die am Werk finanziell beteiligt ist, durchgeführte Untersuchung ist sehr optimistisch. Dagegen sind die Schlussfolgerungen der Kommission des Eidgenössischen Departements des Innern für die Planung des Hauptstrassennetzes viel zurückhaltender.

Die schweizerische und die italienische Eegierung beschlossen, sich am Bau und Betrieb des Grossen St. Bernhard-Tunnels finanziell nicht zu beteiligen.

Da sie es jedoch für-nützlich erachteten, die von ihnen verlangte Unterstützung zu gewähren, traten sie in dieser Angelegenheit als Vermittler zwischen den beiden interessierten Gruppen auf, indem sie ein Abkommen abschlössen, das den auf internationaler Ebene unerlässlichen rechtlichen Eahmen für die Verwirklichung des betreffenden Werks bildet.

Gestützt auf die vorangehenden Erwägungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, das Abkommen vom 23.Mai 1958 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard gutzuheissen und uns durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes zur Eatifizierung zu ermächtigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 21.Oktober 1958.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Für den B u n d e s p r ä s i d e n t e n : Etter Der Bundeskanzler : Ch. Oser

1017 Entwurf

Bundesbeschluss betreifend

die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 37, Absatz 2, und 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, in Anbetracht des Abkommens zwischen der Eidgenossenschaft und den Kantonen Waadt und Wallis, vom 23.Mai 1958, durch das die eidgenössischen Behörden von jeder finanziellen Haftung sowohl in bezug auf den Bau wie den Betrieb des Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard befreit werden, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 21. Oktober 1958, beschliesst : Art. l Das am 23.Mai 1958 abgeschlossene Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eëpublik über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St.Bernhard wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, dieses Abkommen zu ratifizieren.

Art. 2 Die Gesellschaft, die mit dem Betrieb des Strassentunnels unter dem Grossen St.Bernhard betraut wird, erhält die Bewilligung, Durchfahrtsgebühren zu erheben, deren Höcbstbeträge in den Konzessionsurkunden festzusetzen sind.

Art. 3 Dieser Beschluss untersteht den Bestimmungen von Artikel 89, Absatz 3, der Bundesverfassung betreffend die Unterstellung der Staatsverträge unter das Referendum.

4063

1018 Übersetzung

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Italienischen E e p u b l i k in der Erkenntnis, dass die Errichtung eines Strassentunnels, der'durch das Massiv des Grossen St. Bernhard hindurch die beiden Ortschaften Bourg-SaintPierre und Saint-Rhémy miteinander verbindet, geeignet ist, die Verkehrswege zwischen den beiden Ländern zu verbessern, sind übereingekommen, zu diesem Zweck ein Abkommen abzuschliessen und haben demzufolge ihre Bevollmächtigten ernannt, nämlich: Der Schweizerische B u n d e s r a t : Herrn Jean de Eham, bevollmächtigten Minister, Chef der Abteilung für Internationale Organisationen des Eidgenössischen Politischen Departements; Der Präsident der Italienischen E e p u b l i k : Herrn Maurilio Doppini, ausserordentlichen und bevollmächtigten Botschafter Italiens in der Schweiz ; die, nach Austausch ihrer Vollmachten, folgende Bestimmungen vereinbart haben : Art. l Die Hohen Vertragsparteien kommen überein, die Erstellung einer Strassenverbindung zwischen dem schweizerischen und dem italienischen Hoheitsgebiet mittels des Baus eines Tunnels unter dem Grossen St.Bernhard zu gestatten. Zu diesem Zweck verpflichten sie sich zu veranlassen, dass von den zuständigen Behörden, und zwar jede innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit,

1019 den beiden in Absatz l des folgenden Artikels vorgesehenen Gesellschaften die Ausführung der Arbeiten für die Errichtung des Tunnels durch den Grossen St. Bernhard auf der Grundlage des von den zuständigen Behörden der beiden Staaten zu genehmigenden technischen Projekts bewilligt wird. Sie verpflichten sich ferner zu veranlassen, dass dem in Absatz 2 des folgenden Artikels vorgesehenen einzigen Unternehmen die Bewilligung zum Betrieb des Tunnels erteilt wird.

Art. 2 Der Bau des in Artikel l bezeichneten Werkes wird einer schweizerischen Gesellschaft und einer italienischen Gesellschaft übertragen, die beide je die Hälfte der Gesamtlänge des Tunnels gemäss den von den genannten Gesellschaften festgelegten Bedingungen ausführen, während der Bau der beiden zuführenden Strassenstücke von den beiden Gesellschaften je auf dem betreffenden Hoheitsgebiet übernommen wird.

Den Betrieb des in Artikel l bezeichneten Werkes besorgt ein einziges Unternehmen, das in. Form einer Aktiengesellschaft von den beiden in Absatz l dieses Artikels vorgesehenen Gesellschaften gebildet wird, die beide je die Hälfte des Aktienkapitals zeichnen.

Die in Absatz 2 dieses Artikels genannte Aktiengesellschaft hat ihren gesetzlichen Sitz in der Schweiz. Der Verwaltungsrat, die anderen Verwaltungsorgane und die Direktion der Gesellschaft setzen sich je zur Hälfte aus in der Schweiz wohnhaften schweizerischen Staatsangehörigen und aus italienischen Staatsangehörigen zusammen.

Präsident des Verwaltungsrates ist, auf die Dauer von fünf Jahren, abwechselnd ein Schweizer und ein Italiener.

Seine Stimme gibt den Ausschlag.

Das Betriebs- und Unterhaltspersonal umfasst grundsätzlich für jede Kategorie gleich viele Schweizer wie Italiener.

In Abweichung davon kann das mit der Lüftung betraute Personal spezialisiertes Personal sein, bei dessen Anstellung die Gesellschaft nicht an die Vorschrift des vorangehenden Absatzes gebunden ist.

Art. 3 .

Die schweizerische Eegierung und die italienische Eegierung werden sich über die Bestimmungen der von den zuständigen Behörden der beiden Staaten zu erteilenden Konzession und des dazugehörigen Pflichtenheftes sowie über jede Änderung der Konzessionen verständigen.

Sie werden sich bemühen, beidseitig möglichst gleichartige Bestimmungen festzulegen, und sie in der Folge nur nach Übereinkunft abändern.

Die Konzessionen endigen siebzig Jahre von dem zwischen der schweizerischen und der italienischen Eegierung nach Abnahme der Arbeiten vereinbarten Datum an gerechnet.

1020 Art. 4 Bei Ablauf der Konzessionen wird der Tunnel gemeinsames und unteilbares Eigentum der beiden Staaten oder der juristischen Personen des öffentlichen Eechts, die jeder Staat auf Grund seiner internen Gesetzgebung bezeichnen kann; der Tunnel wird bei gleichen Eechten und Pflichten gemeinsam betrieben.

Die Modalitäten der gemeinsamen Verwaltung sollen Gegenstand einer vorgängigen Vereinbarung zwischen den beiden Vertragsparteien bilden.

Art. 5 Die im Laufe der Errichtung des Werkes gefundenen verwertbaren Gewässer und Mineralien sollen gemäss den gesetzlichen Bestimmungen des Staates zugeteilt werden, auf dessen Gebiet die Entdeckung erfolgte, und ohne Eücksicht darauf, welche Gesellschaft sie entdeckt hat.

Art. 6 In den von den zuständigen Behörden der beiden Staaten zu errichtenden Konzessionsurkunden soll für die Durchfahrt durch den Tunnel die Erhebung von Strassenzöllen durch die konzessionierte Gesellschaft vorgesehen werden.

Art. 7 Die italienisch-schweizerische Grenze im Innern des Tunnels wird bestimmt durch den Schnittpunkt der Tunnelachse mit der Senkrechten, die von einem Punkt der Grenzlinie an der Oberfläche aus gefällt wird.

Die ständige Kommission für den Unterhalt der schweizerisch-italienischen Grenze wird von den beiden Eegierungen mit der Durchführung der Vorkehrungen betraut, die zur Festlegung und Vermarkung der Grenze im Innern des Tunnels erforderlich sind.

Art. 8 Die durch den Bau und den Betrieb des Tunnels aufgeworfenen Fragen hinsichtlich Zoll und Polizei sowie in monetären, fiskalischen und sozialen Angelegenheiten sollen Gegenstand besonderer Abmachungen zwischen der schweizerischen Eegierung und der italienischen Eegierung bilden.

Art. 9 Die Hohen Vertragsparteien werden, sobald dieses Abkommen in Kraft getreten ist, eine gemischte Kommission bestellen, die sich aus vier schweizerischen und vier italienischen Mitgliedern zusammensetzt, die Sachverständige beiziehen können. Der Vorsitzende soll abwechselnd den schweizerischen und den italienischen Mitgliedern entnommen und von der Kommission selbst be-

1021 zeichnet werden; er hat nicht ausschlaggebende Stimme. Die gemischte Kommission sorgt für die richtige Durchführung dieses Abkommens und behebt alle Schwierigkeiten, die sich aus seiner Anwendung ergeben können.

Im Falle von Streitigkeiten zwischen der schweizerischen und der italienischen Delegation in der gemischten Kommission ist der Entscheid der beiden Eegierungen anzurufen.

Die gemischte Kommission erstattet den beiden Eegierungen jährlich einen mit Belegen versehenen Tätigkeitsbericht.

Art. 10 . Alle Streitigkeiten zwischen den beiden Eegierungen betreffend die Auslegung oder die Anwendung dieses Abkommens werden gemäss den Bestimmungen des am 20. September 1924 zwischen der Schweiz und Italien in Eom abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichsund Gerichtsverfahren erledigt.

Art. 11 Dieses Abkommen soll ratifiziert" und die Eatifikationsurkunden sollen in Eom ausgetauscht werden.

Es tritt am Tag des Austausches der Eatifikationsurkunden in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet und mit ihrem Siegel versehen.

Geschehen zu Bern am 23.Mai 1958 in zwei Urschriften in französischer Sprache.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft : (gez.) J. de Bham Für die Italienische Eegierung : (gez.) Maurilio Coppini

Bundesblatt.. 110. Jahrg. Bd. II.

72

1022 Übersetzung

Abkommen zwischen

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Kantonen Waadt und Wallis über den Strassentunnel unter dem Grossen St. Bernhard

Art. l Auf Wunsch und auf Rechnung der Kantone Waadt und Wallis schliesst die Eidgenossenschaft mit Italien ein Abkommen über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St.Bernhard ab.

Art. 2 Die Eidgenossenschaft ist von jeder finanziellen Haftung sowohl in bezug auf den Bau wie den Betrieb des Tunnels befreit.

Art. 3 Auf den in ihre Zuständigkeit fallenden Gebieten, deren wesentlichste in den Artikeln 4 und 5 aufgeführt sind, trifft die Eidgenossenschaft alle geeigneten Massnahmen, um im Interesse der Beziehungen zwischen den beiden Ländern den Bau und den Betrieb des Werkes zu erleichtern.

Art. 4 Für die Fragen betreffend die Bestimmung und Festlegung der schweizerisch-italienischen Grenze im Innern des Tunnels sind ausschliesslich die eidgenössischen Behörden zuständig. Diese halten jedoch die kantonalen Behörden über die in dieser Beziehung getroffenen Beschlüsse auf dem laufenden.

Art. 5 Die Fragen betreffend Zollkontrolle sind ausschliesslich Sache der eidgenössischen Behörden. Die in dieser Beziehung getroffenen Massnahmen sind den kantonalen Behörden zur Kenntnis zu bringen. Zu den Fragen der Polizei-

1028 kontrolle sollen die nötigen Massnahmen im gemeinsamen Einverständnis zwischen den kantonalen und den eidgenössischen Behörden getroffen werden.

Art. 6 Jede Haftung, die der Eidgenossenschaft auf internationaler Ebene aus dem Abschluss des schweizerisch-italienischen Abkommens über den Bau und den Betrieb eines Tunnels unter dem Grossen St.Bernhard erwächst, wird intern von den Kantonen Waadt und Wallis übernommen.

Art. 7 Das technische Projekt über die Ausführung des Durchstichs eines Tunnels durch den Grossen St. Bernhard, das in Artikel l des in dieser Angelegenheit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik abgeschlossenen Abkommens vorgesehen ist, ist von den zuständigen kantonalen Behörden zu genehmigen. Diese Pläne sind den eidgenössischen Behörden, nämlich dem Oberbauinspektorat und der Oberzolldirektion, zur Kenntnisnahme zuzustellen.

Art. 8 Die Statuten der mit dem Betrieb des Tunnels beauftragten Aktiengesellschaft, die in Artikel 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Tunnels unter dem Grossen St.Bernhard vorgesehen ist, sollen den kantonalen Behörden zur Genehmigung vorgelegt werden. Nach ihrer Genehmigung sind die Statuten den eidgenössischen Behörden, nämlich dem Eidgenössischen Politischen Departement, zur Kenntnisnahme vorzulegen.

Art. 9 Die Konzessionsurkunden, die in- Artikel 3 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Tunnels unter dem Grossen St.Bernhard vorgesehen sind, werden von den kantonalen Behörden im Einvernehmen mit den eidgenössischen Behörden ausgestellt. Diese Konzessionsurkunden sind den eidgenössischen Behörden, nämlich dem Oberbauinspektorat und der Oberzolldirektion, zur Kenntnisnahme zuzustellen.

Art. 10 Die zuständigen Behörden der Kantone Waadt und Wallis werden ermächtigt, sich im Sinne von Artikel 8 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Tunnels unter dem Grossen St.Bernhard zwecks Festlegung der Konzessionsurkunden direkt mit den zuständigen italienischen Behörden in Verbindung zu setzen.

1024 Art. 11 Die Mitglieder der schweizerischen Delegation in der gemischten Kommission gemäss Artikel 9 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Tunnels unter dem Grossen St. Bernhard werden von den Staatsräten der Kantone Waadt und Wallis bezeichnet. Für die in die Zuständigkeit der Eidgenossenschaft fallenden Fragen (Zölle, Grenzfestlegung, Sicherheit) bezeichnet der Bundesrat seine Mitglieder, die von Sachverständigen begleitet sein können.

Art. 12 Hinsichtlich des Schiedsverfahrens gemäss Artikel 10 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Eepublik über den Bau und den Betrieb eines Tunnels unter dem Grossen St. Bernhard obliegt es dem Bundesrat, im Einvernehmen mit den kantonalen Behörden die nötigen Massnahmen zu treffen.

Art. 13 Dieses Abkommen soll ratifiziert werden. Das Datum seines Inkrafttretens wird von den beiden Parteien im gemeinsamen Einverständnis festgesetzt.

Geschehen zu Bern am 28.Mai 1958 in drei Urschriften.

--0

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft : (gez.) J. de Rham

Für den Kanton Waadt : (gez.) A.Märet Für den Kanton Wallis : (gez.) M.Gard

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Durchstich eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard (Vom 21. Oktober 1958)

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Jahr

1958

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43

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7681

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.10.1958

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1005-1024

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