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10930 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption und Art. 321 ZGB) (Vom 12. Mai 1971)

Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Wir unterbreiten Ihnen hiermit Botschaft und Entwurf für eine Revision der Artikel 264 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) über die Adoption und des Artikels 321 ZGB über die Sicherstellungspflicht im Vaterschaftsprozess.

1. Übersicht Der Schwerpunkt des Entwurfes liegt auf der durchgreifenden Revision der Artikel 264-269 ZGB (Abschn. I Ziff. l des Entwurfes). Diese macht die Revision weiterer Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (Abschn. I Ziff. 3 des Entwurfes) und vereinzelter Bestimmungen dreier anderer Erlasse notwendig, nämlich der Bundesgesetze über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts, über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter und über die Organisation der Bundesrechtspflege (Abschn. II des Entwurfes, mit Kommentar in Ziff. 3 der Botschaft, ausgehend von Abschn. I Ziff. l und 3 des Entwurfes). Die Revision berücksichtigt die beiden internationalen Konventionen in dieser Materie, nämlich das Europäische (sogenannte Strassburger) Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern und das (sogenannte Haager) Übereinkommen vom 15. November 1965 über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt, deren Genehmigung wir Ihnen gleichzeitig mit separaten Botschaften beantragen. Gegenstand der Ihnen unterbreiteten Vorlage bildet ausserdem Artikel 321 ZGB über die Sicherstellungspflicht im Vaterschaftsprozess (Abschn. I Ziff. 2 des Entwurfes, mit Kommentar in Ziff. 4 der Botschaft). Der Entwurf sprengt insofern den Rahmen des Adoptionsrechtes und erstreckt sich auf eine besonders revisionsbedürftige Bestimmung des Ausserehelichenrechtes, unbeschadet der Revision des übrigen Ausserehelichenrechtes, die sich im Schosse der Expertenkommission (unten Ziff. 2.2.) zurzeit in Vorbereitung befindet.

1201 2. Vorgeschichte 2.1.

Studienkommission

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hatte am 13. Dezember 1957 zwecks Vorprüfung der parlamentarischen und ausserparlamentarischen Anregungen1' für die Revision des Familienrechts und, je nach dem Ergebnis der Prüfung, zwecks Ausarbeitung eines formulierten Vorentwurfes eine Studienkommission bestellt; diese setzte sich unter dem Vorsitz von Prof. Dr.

Jacques-Michel Grossen (Neuenburg), aus Frl. Dr. Elisabeth Nägeli (Winterthur), damals Vizepräsidentin des Bundes Schweizerischer Frauenvereine und Geschäftsführerin der Bürgschaftsgenossenschaft SAFFA, Frau Dr. Lotti Ruckstuhl (Wil [SG]), Dr. Gerd Spitzer (Zürich), Vizepräsident der Vormundschaftsbehörde, und Bundesrichter Dr. Werner Stocker (f 1964) zusammen.

Sie entledigte sich ihres Auftrages nach insgesamt 34 Sitzungen in Berichten vom 13. Juni 1962 und 28. Juni 1965 an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement. Ein begleitender Vorentwurf enthielt Empfehlungen für die Revision des Adoptions-, Ausserehelichen-, Ehe- und Vormundschaftsrechts. Die Studienkommission befürwortete darin eine einschneidende Revision des Ehegüterrechts im Sinne vermehrter Gleichberechtigung der Ehegatten und in Form der Einführung eines neuen gesetzlichen Güterstandes, der sogenannten Eigenverwaltung; im übrigen beschränkte sie sich bewusst darauf, eine den geltenden Rechtszustand möglichst wahrende, punktuelle Revision einzelner Bestimmungen zu empfehlen. Das trifft auch auf die Revision des Adoptionsrechts zu, für welches schon das Postulat Allemann vom 20. September 1955 über das Bürgerrecht des Adoptivkindes - als erste parlamentarische Intervention in dieser Materie - nur eine einzige Neuerung gefordert hatte und für welches die Studienkommission, schon erheblich weiter gehend, in ihrem Vorentwurf folgende Lösung befürwortete :

1

' In erster Linie damals 6, heute 14 Postulate: Grendelmeier, Nr. 6620 vom 20. September 1955 (a.e. Kindesverhältnis); Bodenmann, Nr. 6671 vom9. Juni 1955 (Scheidungsrenten); Huber, Nr. 6920 vom 20. September 1955 (a.e. Kindesverhältnis): Allemann, Nr. 6926 vom 20. September 1955 (Bürgerrecht des Adoptivkindes); Gitermann, Nr. 7452 vom 4. Juni 1958 (elterliche Gewalt); Buchi, Nr. 7499 vom 11. Juni 1958 (Ehegüterrecht); Grendelmeier, Nr. 7965 vom 29. Juni 1960 (Name der geschiedenen Frau); Schaffer, Nr. 8571 vom 11. Dezember 1963 (Vormundschaft); BöschjHuber, Nr. 8721 vorn 3. März 1964 (Scheidungsrenten); Hayoz, Nr. 9204 vom 23. Juni 1966 (Klagefrist für Vaterschaftsklage); Jaccottet, Nr. 9273 vom 24. März 1966 (Unterhaltspflicht); Buri, Nr. 9283 vom 16. März 1966 (Adoption); Korner, Nr. 9877 vom 3. Oktober 1968 (Art. 321 ZGB); Muheim, Nr. 10005 vom 13. März 1969 (Adoption und a.e. Kindesverhältnis); daneben Eingaben der zentralen Frauenverbände (Bund Schweizerischer Frauenvereine, Sozialdemokratische Frauengruppen der Schweiz, Schweizerischer Katholischer Frauenbund).

1202 Art. 264 Die Kindesannahme ist in der Regel nur solchen Personen gestattet, die wenigstens fünfunddreissig Jahre alt sind und keine ehelichen Nachkommen haben.

2 Aus wichtigen Gründen kann auch anderen Personen die Kindesannahme gestattet werden, namentlich Ehegatten, dtegemäss ärztlichem Zeugnis keine Nachkommenschaft oder nach der Geburt eines Kindes kein weiteres zu erwarten haben, 3 Der Annehmende muss um wenigstens achtzehn Jahre älter sein als die anzunehmende Person.

1

Art. 268 Die angenommene Person erhält die volle Rechtsstellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden.

2 Sein Bürgerrecht erwirbt sie jedoch nur, wenn sie minderjährig ist, ein ausländisches Kind, wenn sein Alter zwölf Jahre nicht übersteigt.

3 Alle familien- und erbrechtlichen Beziehungen der angenommenen Person zu ihren leiblichen Eltern und übrigen Blutsverwandten erlöschen, es sei denn, jemand nehme das Kind seines Ehegatten an.

1

CWi. Abwelchungen

Art. 268TMs 1 Im Annahmevertrag können Abweichungen vereinbart werden über: {. die Vermögens- und erbrechtlichen Verhältnisse zwischen der anzunehmenden Person einerseits und den leiblichen Eltern oder dem Annehmenden anderseits; 2. die persönlichen Beziehungen und die Unterstützungspflicht zwischen der anzunehmenden Person und ihren Blutsverwandten.

2 Die leiblichen Eltern haben dabei mitzuwirken, soweit Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und dem Kinde beibehalten werden.

Art. 269 Der Richter kann die Kindesannahme auf Begehren des Annehmenden oder der angenommenen Person aus wichtigen Gründen aufheben.

2 Die Aufhebung berührt den Familiennamen und das Bürgerrecht der angenommenen Person nicht, beseitigt aber im übrigen jede künftige Wirkung der Kindesannahme und ist unwiderruflich.

Abs. 3 : Streichen.

1

1

Art. 328 Abs. 2 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Kindesannahme.

Art. 465 Die angenommene Person und ihre Nachkommen haben zum Annehmenden und seinen Verwandten das gleiche Erbrecht wie die ehelichen Nachkommen.

2 Der Annehmende und seine Blutsverwandten sind gegenüber der angenommenen Person und ihren Nachkommen erbberechtigt.

3 Vorbehalten bleibt abweichende Vereinbarung im Annahmevertrag.

1

1203 Bürgerrechtsgesetz Art. SMS Das von einem Schweizerbürger an Kindes Statt angenommene (adop- Durch Kindestierte) ausländische Kind erwirbt das Schweizerbürgerrecht, wenn es im annähme Zeitpunkt der für die Kindesannahme vorgeschriebenen Zustimmung der zuständigen Behörde nicht mehr als zwölf Jahre alt ist.

Art. 4 Wer gemäss Art. l, 2, 3 oder 3Ma Schweizerbürger ist, besitzt das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Person, deren Stand er folgt.

Art. 7 Streichen.

Der Vorentwurf für die Revision von Artikel 321 ZGB lautete folgendermassen : Art. 321 Wird die Vaterschaft glaubhaft gemacht und befindet sich die Mutter in Not, so kann der Richter den Vater auch ohne den Nachweis, dass der Anspruch gefährdet sei, schon vor dem Urteil anhalten, die mutmasslichen Kosten der Entbindung und des Unterhaltes der Mutter während mindestens vier Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt sowie des Unterhaltes des Kindes für die ersten drei Monate vorzuschiessen.

2.2. Expertenkommission

Über den Vorentwurf der Studienkommission eröffnete das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement am 5. April 1966 ein breit angelegtes Vernehmlassungsverfahren. Vernehmen Hessen sich u. a. die meisten Kantonsregierungen, die Konferenzen der kantonalen Vormundschaftsdirektoren und der kantonalen Zivilstandsaufsichtsbehörden, die Obergerichte der Kantone Zürich, Freiburg und Basel-Stadt sowie rund 20 interessierte Organisationen, an ihrer Spitze der Schweizerische Juristenverein, der u. a. den Vorsitzenden der Studienkommission und Vertreter des Bundesgerichts beizog; das Bundesgericht als solches verzichtete darauf, sich vernehmen zu lassen. Die systematische Zusammenfassung der Vernehmlassungen, die allein für das Adoptionsund das Ausserehelichenrecht zahlreiche kritische Bemerkungen ergab, führte zu der Erkenntnis, dass der Vorentwurf der Studienkommission viele Erwartungen offenbar nicht erfüllte. Der Vorentwurf löste auch mehrere Veröffentlichungen aus'2). Es lag daher nahe, ihn durch eine repräsentative Expertenkom2

> Bosch F. W., Das neue Recht der nichtehelichen Kinder in Deutschland, ein Vergleich mit schweizerischem Recht und schweizerischen Reformbestrebungen, Basler juristische Mitteilungen i (BJM) 1970, 101 ff. = Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 7970, 157 ff.; Hegnauer C., Die Revision des Adoptionsrechts, SJZ 1969, 85 ff. und dort in Fussnote 13 zit. Literatur; von Overbeck A., Quelques observations sur la revision du droit de l'adoption, ZSR 1967 I 241 ff. ; Keel R., Die Familienrechtsreform, eine Nachlese zui den Anträgen der Studienkommission, ZSR 7967 I 147 ff.; Frischkopf E., Die gemeinsame Ausübung der

1204 mission überarbeiten und spruchreif machen zu lassen. Eine gewisse Ergänzung hätte sich übrigens schon im Hinblick auf die Strassburger Konvention vom 24. April 1967 aufgedrängt.

Die Expertenkommission wurde noch 1968 bestellt; der Vorsitzende der aufgelösten Studienkommission, 1969 zum Direktor der Eidgenössischen Justizabteilung gewählt, wurde als Vorsitzender der Expertenkommission bezeichnet. Ausser ihm gehören der Expertenkommission folgende 24 Persönlichkeiten an: Grossrat Walter Ackermann, Präsident des Schweizerischen Verbandes «Pro Familia» (Luzern); Frau Fürspr. Dr. Elisabeth Blunschy-Steiner (Schwyz); Fürspr. Max Brand (Bern); Biaise Bühler, Sekretär FOV (Lausanne); Frau Valentine Degoumois, Direktor des kantonalen Jugendamtes (Genf) ; Prof. Dr. Henri Deschenaux (Freiburg) ; Dr. Hans Farner, Zentralsekretariat der Stiftung PRO JUVENTUTE (Zürich); Bundesrichter Dr. Rolando Forni; Frau Bezirksrichter Aimée Graber (Lausanne); Oberrichter Dr. Cyril Hegnauer (Horgen); Frl. Fürspr. Verena Jost (Biel); Bundesrichter Dr. Werner Kämpfer; Frl. Fürspr. Dr. Verena Keller (Aarau); Prof. Pierre Lalive (Genf); Departementssekretär Arno Liesch (Chur); Prof. Arthur Meier-Hayoz (Meilen); Frl. Dr. Elisabeth Nägeli (Winterthur); Prof. Alfred von Overbeck (Freiburg) ; Frau Fürspr. Dr. Edith Plattner-Rüttimann (Grancy); Frau Grossrat und Bezirksrichter Janine Robert-Challandes (St-Blaise); Amtsvormund Dr. Carl Schlatter (Zürich); Prof. Dr. Bernhard Schnyder (Freiburg); Dr. Gerd Spitzer (Zürich); Bezirksgerichtspräsident und - heute - Nationalrat Dr. Rolf Weber (Arbon).

Die Expertenkommission begann am 14. Januar 1969 ihre Beratungen über das Adoptionsrecht und den Artikel 321 ZGB. Sie widmete diesen Traktanden insgesamt 18 Sitzungen der Plenarkommission und dreier Subkommissionen. Die redaktionelle Bereinigung des von ihr am 17. Juni 1970 materiell verabschiedeten Entwurfes und Berichtes erforderte einen Zeitraum bis gegen Ende 1970. Der Bundesrat stützt sich im wesentlichen auf den überzeugenden Kommissionsentwurf, von dem er nur in zwei Punkten - Artikel 369c über die Adoptivkindervermittlung und Artikel 321 Hegnauer stammt. Die Kommission setzt ihre Arbeit fort und befasst sich zurzeit mit dem Ausserehelichenrecht ohne den mit der Revision des Adoptionsrechts vorweggenommenen Artikel 321 ZGB.

elterlichen Gewalt (Diss. Freiburg 1970); Larese W., Wesen und Bedeutung der Realien, Wege zu ihrer Erkenntnis (Diss. Zürich 1968). Dasselbe gilt vom Vorentwurf der Expertenkommission: Grossen J.-M., A propos des conditions de l'adoption, Zeitschrift für Vormundschaftswesen (ZVW) 7970, 121 ff.; BlunschySteiner E., Wünsche zur Revision des Adoptionsrechts und die praktischen Folgen, Zeitschrift für Gemeinnützigkeit 1970, 228 ff,

1205 2.3. Etappenweise Revision des Familienrechts

Die Revision des Adoptionsrechts und des Artikels 321 ZGB soll die erste Etappe der Familienrechtsrevision bilden; in einer zweiten Revisionsetappe kommt das übrige Ausserehelichenrecht, in einer dritten Etappe das Ehegüter-, Ehescheidungs- und übrige Eherecht, in einer vierten Etappe das Vormundschaftsrecht an die Reihe. Der Entschluss, dem Adoptionsrecht die Priorität einzuräumen, erfolgte in der Meinung, dass es sich dabei um eine Materie handle, deren Behandlung vordringlich sei und verhaltnismässig rasch zur Unterbreitung eines Revisionsentwurfes führen könne. Dazu kam, dass das Postulat Buri vom 16. März 1966, eine Kleine Anfrage Haller vom 2. Dezember 1968 und das Postulat Muheim vom 13. März 1969 zugunsten dieser Prioritätsordnung lauteten. Von ihr ging stillschweigend auch eine Kleine Anfrage Ziegler vom 24. September 1970 über die Einreise von Waisenkindern aus Entwicklungsländern aus. Die Vorwegnahme von Artikel 321 ZGB erklärt sich aus der besonderen Revisionsbedürftigkeit dieser Bestimmung, die eine Eingabe des Regierungsrates Basel-Stadt vom 6. Mai 1968, das Postulat Korner vom 3. Oktober 1968 und das Bundesgericht in seinen Geschäftsberichten 3 > hervorgehoben haben.

Das Prinzip der etappenweisen Revision herrscht, ausser offenbar in den Niederlanden, auch in den Nachbar- und vergleichbaren europäischen Staaten, die von der Revisionsbewegung nicht verschont bleiben 4) ; sie kennen keine Neukodifikation des gesamten Familienrechts nach dem Muster der Oststaaten, zuletzt der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Dezember 19655).

Im besonderen scheint auch Frankreich trotz einem Vorentwurf für die Revision des gesamten Personen- und Familienrechts etappenweise vorzugehen6*. Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang dieses etappenweise Vorgehen auf der Besonderheit des Familienrechts7' oder auf einem Unvermögen unserer Zeit zu kodifikatorischen Leistungen beruht. Schon Friedrich Karl von Savigny (1779-1861) hat für seine Zeit, die ähnlich der unsrigen eine solche des geistigen und politischen Umbruchs war, die Berufung zur Gesetzgebung bezweifelt. Das Ende dieser zeitbedingten Entwicklung lässt sich nicht absehen.

Sie geht an der Familie als der Keimzelle der Gesellschaft nicht spurlos vorüber, bietet aber doch nicht den Ansatz zu verpflichtenden neuen Leitbildern81, an die eine Gesamterneuerung des Familienrechts anknüpfen müsste. Das Adops > 4

1969, 232/233; 1968, 417/418.

> Bosch, Aktuelle Probleme des Familien- und Erbrechts, FamRZ 1970,498 ff. ; Grossen, Observations comparatives à propos de la réforme du droit suisse de la famille, ZVW 1966, 121 ff. ; Piilo A., Projet pour un nouveau Code civil néerlandais, Revue internationale de droit comparé (RDC) 1956, 39 ff.

6 ) Granzow Ch., Das neue Familiengesetzbuch der DDR, FamRZ 1966, 217 ff.

6 > Carbonnier /., Droit civil (8e éd. 1969) I 62; Houin R., Le droit de la famiUe dans Favant-projet de Code civil français, RDC 1957, 373 ff.; La technique de la réforme des Codes français de droit privé, RDC 1956, 5 ff.

7 > Grossen, Quelques remarques sur la situation et la méthode du droit de la famille, ZSR 1966I 48 ff.

8 > « Une aspiration confuse à plus de sérieux dans le droit de la famille » : Carbonnier II9.

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tionsrecht lassi am ehesten solche Ansätze erkennen. Sie bedeuten, auf eine einfache Formel gebracht, den Abbau vorhandener Diskriminierungen, die möglichst weitgehende Gleichstellung des Adoptivkindes mit dem leiblichen, des ausserehelichen mit dem ehelichen Kind. Die sich anbahnende Angleichung der nationalen Rechtsordnungen hat sich bisher ebenfalls zunächst im Adoptionsrecht manifestiert9).

Eine das Gebiet des Familienrechts erfassende Erneuerung bedeutet nicht eine Geringschätzung des Zivilgesetzbuches, sondern ist als Fortschritt auf dem Wege zu verstehen, den dieses Gesetzes werk selber eingeschlagen hat Io>. Der Bundesrat hält den Zeitpunkt für gekommen, auf diesem Wege einen ersten Schritt zu tun, in dem er Ihnen den Entwurf zu einer Revision des Adoptionsrechts und des Artikels 321 ZGB vorlegt.

3. Revision des Adoptionsrechts 3.1. Entwicklung der Adoption

Der Gedanke, dass ein Kindesverhältnis nicht bloss durch Abstammung, sondern auch künstlich durch Rechtsakt begründet werden könne, ist schon im ältesten Recht verwirklicht. Lag ihm zunächst das Bedürfnis zugrunde, dem Kinderlosen die Fortsetzung des Ahnenkultes zu sichern und sein Geschlecht vor dem Aussterben zu bewahren, so tritt später der /weck, einen Erben zu schaffen, in den Vordergrund11'. Für das heutige Recht besonders bedeutsam ist die Ausbildung der adoptio minus quam piena und der adoptio piena im justinianischen Recht 12>. Sie kennzeichnen die beiden Phasen, in denen sich die Entwicklung des im Mittelalter fast völlig vergessenen Institutes im Recht der Neuzeit vollzieht. Die adoptio minus quam piena, welche das Kind aus seiner leiblichen Familie nicht völlig löst und nur teilweise mit der Adoptivfamilie verbindet, findet Eingang in die Kodifikationen der Aufklärung, ins Allgemeine Preussische Landrecht von 1794, in den französischen Code civil von 1804, ins österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811, aber auch in spätere Gesetze des 19. Jahrhunderts, wie namentlich in den italienischen Codice civile von 1865 und ins deutsche Bürgerliche Gesetzbuch von 189613). Das Institut bleibt jedoch - wohl nicht zuletzt wegen seiner sehr engen ·> Neuhaus P.H., Europäisches Familienrecht? Festschrift für Hans Dolle 1963 II 419 ff. ; Yung W., Le Code civil suisse et nous, ZSR 1961II 340 ff.

> Liver P., Das Zivilgesetzbuch, geschriebenes Rechtsgewissen des Schweizervolkes, SJZ 1962, 211/212; Jäggi P., Grundfragen der Privatrechtsentwicklung, Festschrift des Schweizerischen Juristenvereins 1964, 162 ff.

ll > Thalberg J., Die Adoption im heutigen deutschen Rechte (Diss. Zürich 1906) 19 ff.; Béguin L., L'adoption dans le projet de Code civil suisse (Diss. Lausanne 1904) 11 ff. ; Weiss E., Institutionen des römischen Privatrechts (Basel 1949) 470 ff. ; teilweise abweichend Wackernagel W., Die rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes nach Schweiz. Recht. - Der Ursprung der Adoption (Diss. Basel 1952) 46 ff.

12 > Weiss E. 472 ff. ; Käser M., Das römische Privatrecht (München 1959) II 146 ff.

13 > Secretati Ph., L'adoption, étude de droit civil comparé (Thèse Lausanne 1914).

10

1207 Voraussetzungen und seiner schwachen Wirkungen - ohne grosse praktische Bedeutung14'. Ungefähr mit Beginn dieses Jahrhunderts wird eine neue Entwicklungsphase eingeleitet; sie ist gekennzeichnet durch den Übergang zur adoptio piena mit voller Eingliederung des Kindes in die Adoptivfamilie und deutlicher Ausrichtung der Voraussetzungen auf die Erziehungsadoption. In dieser neuen Gestalt verbreitet sich die Adoption nun in ganz Europa, Amerika, Australien und in verschiedenen Staaten Asiens und Afrikas. Auch die bestehenden Adoptionsgesetze erfahren eingreifende Änderungen15'.

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Adoptionen - zumal nach dem Zweiten Weltkrieg - stark zu16>.

In der Schweiz fasste die Adoption nur langsam FUSS. Nach dem Vorbild des französischen Code civil fand sie Eingang im Berner Jura, in den Kantonen Genf, Tessin, Neuenburg, Solothurn und - in selbständigerer Ausgestaltung in Zürich, Thurgau und St. Gallen, ausserdem ohne gesetzliche Regelung in Basel-Land17'. Dem Recht der übrigen Stände blieb die Adoption bis zum Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches fremd.

Die Aufnahme in das Zivilgesetzbuch war nicht unbestritten, beantragte doch das Justizdepartement des Kantons Waadt, die Adoption nicht zu gestatten, eventuell den Kantonen freizustellen, sie ihren Bürgern zu untersagen18'.

Fand dieser Antrag zwar nicht Gehör, so lassen die Erläuterungen zum Vorentwurf doch deutliche Zurückhaltung gegenüber dem ungewohnten Institut erkennen19': Bedienen mag sich desselben, wer es mit seinen familienrechtlichen Anschauungen für verträglich erachtet. Es gehört zur Freiheit der Rechtsordnung, dass sie Hilfen nicht versagt, die annehmbar sind, wäre auch vorauszusehen, dass verhältmsmässig nur selten im Rechtsleben davon Gebrauch gemacht wurde.

14

> Zu Beginn dieses Jahrhunderts ging in Frankreich die Zahl der Adoptionen, die schon bis dahin jährlich nur etwa 100 betragen hatte, noch mehr zurück; Secretan sagte, sie befinde sich «dans l'abandon» (XI, 15, 168).

16 ' AncelM,, L'adoption dans les législations modernes (Paris 1958).

16 ' Grossbritannien USA: Bundesrepublik ohne Nordirland : Deutschland: 1926: 2967 1938: 16000 1950:4279 1946:23500 1953: 90000 1968:7092 1968: 26986 1957: 91000 1967: 158000 1968: 166000 Belgien : Niederlande : 1950: 814 1957: 40 1967: 1708 1968: 898 1968:1906 1969:1037 "> Huber, Schweizerisches Privatrecht I 410 ff.; Thalberg 118 ff. Vor 1912 wird die durchschnittliche Zahl der jährlichen Adoptionen in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich mit je 7-8 und in Genf mit l angegeben : Monnard Ch., L'adoption dans la pratique juridique suisse (Thèse Lausanne 1943) 14.

"' Hoffmann, StenBull 1905, 1172 (Ständerat).

18 ' Eri. (2.A. 1914) I 238.

1208 Ähnlich heisst es in der bundesrätlichen Botschaft20': Auch die Kindesannahme wird man im einheitlichen Rechte nicht entbehren wollen, obgleich nicht erwartet werden darf, dass häufig von ihr Gebrauch gemacht werde.

Von der Begeisterung eines Cambacérès, der 1793 die Adoption als «une vaste carrière pour les deshérités»21' pries, ist nichts mehr zu spüren. Auch fehlt jeder Hinweis auf die vornehme Aufgabe, die Johann Caspar Bluntschli der Adoption als Hilfe für jene zudachte, die «sich völlig unglücklich fühlen, wenn sie nicht die Liebe und Sorge eines Vaters oder einer Mutter betätigen und die Freuden der Eltern an dem Wachstum und der Wohlfahrt eines Kindes gemessen können»32'. Es erstaunt daher nicht, dass das Zivilgesetzbuch die Adoption im wesentlichen übereinstimmend mit dem Vorentwurf und dem Entwurf23' nur knapp und allgemein regelt.

Über die Häufigkeit der Adoptionen für die ersten Jahrzehnte nach Inkrafttreten des ZGB gibt es keine amtlichen Angaben. Für die Zeit von 1912 bis 1940 darf die Zahl der jährlichen Adoptionen in der Schweiz auf 150 bis 250 geschätzt werden24'. Seither hat ihre Häufigkeit stark zugenommen und nimmt weiter zu. Die eidgenössische Statistik zeigt von ihrem Beginn an folgende Ergebnisse25': Durchschnitt der Jahre

1953-57 1958-62 1963-67 1968 1969 1970 2 °> al

Adoptionen

451 501 609 705 686 647

BB1 1904 IV 35 > Zitiert nach Ancel 5. Ähnlich 1801 Berlier im französischen Conseil d'Etat: «la consolation des mariages stériles et une vaste carrière de secours pour les enfants ... de pères et mères pauvres», Fenet, Recueil des travaux préparatoires du Code civil, Bd.10, S.247; daselbst S.288, 301 die denkwürdigen Worte von Napoleon als Erster Konsul: «Qu'est-ce donc? Une imitation par laquelle la société veut singer la nature. C'est une espèce de nouveau sacrement; car je ne peux pas trouver dans la langue de mot qui puisse bien définir cet acte. Le fils des os et du sang passe, par la volonté de la société, dans les os et le sang d'un autre. C'est le plus grand acte qu'on puisse imaginer ... Si l'adoption ne doit pas faire naître entre l'adoptant et l'adopté les affections et les sentiments de père et de fils, et devenir une imitation parfaite de la nature, il est inutile de l'établir. Elle n'est plus en effet qu'une simple institution d'héritier; et on peut la remplacer en étendant la faculté de disposer. Mais si on veut la faire tout ce qu'elle doit être, il faut l'organiser de manière ä frapper assez vivement l'imagination pour que le père adoptif obtienne dans le coeur du fils adopté la préférence sur le père naturel».

22 ' Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich (3. A. Zürich 1855) 1200.

23 > Vorentwurf Art. 289-295; Entwurf Art. 274-279; Erläuterungen zum Vorentwurf I 238, 255; 326 ff.; Prot. Exp. Komm. I 335-340; Botschaft, BB11904 IV 35; StenBull 7905, 735-741 (Nationalrat), 1170-1176 (Ständerat); 1907, 230, 261, 270-271 (Nationalrat).

24 > Monnard 13 ff.

25 > Mitteilung des Eidg. Stat. Amtes, für 1970 provisorisch.

1209 Vergleichsweise sei angeführt, dass im Durchschnitt der Jahre 1963 bis 1967 nur 361 Kinder mit Standesfolge anerkannt wurden 26 '. Die Adoptionen sind somit beinahe doppelt so häufig. Ihre Zahl wäre ohne Zweifel noch erheblich grösser, ständen nicht vielen Adoptionsabsichten die Schranken des geltenden Rechts entgegen.

Über die Aufhebung von Adoptionen fehlt eine amtliche Statistik. Für die Zeit von 1912 bis 1941 wurden in den Kantonen Zürich, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Land, Appenzell Ausser-Rhoden, St. Gallen und Thurgau insgesamt 35 Adoptionen eimittelt, die durch beidseitige Zustimmung gemäss Artikel 269 Absatz l ZGB aufgehoben wurden"'. Im Bezirk Zürich kam es 1963 bis 1967 zu vier solchen Aufhebungen; in zwei Fällen war das Adoptivkind schon im Zeitpunkt der Adoption mündig gewesen. Die gerichtliche Aufhebung gemäss Artikel 269 Absatz 2 ZGB ist noch viel seltener.

Die Gliederung der Adoptionen nach den persönlichen Verhältnissen der Beteiligten wird durch die amtliche Statistik nicht erfasst. Eine Auswertung der Adoptionen der Jahre 1963 bis 1967 im Bezirke Zürich zeigt folgendes Bild: Adoptivkinder


Insgesamt

341 = 100

Männer Frauen

169 = 49,56 172 = 50,44

Unmündige Mündige

292 = 85,63 49 = 14,37

Eheliche Aussereheliche Adoptierte28'

85 = 24,92 206 = 60,41 50 = 14,67 Davon mündig adoptiert

Insgesamt

49 = 100

Männer Frauen

16 = 32,66 33 = 67,34

Verwandte des verstorbenen oder noch lebenden Ehegatten : - aussereheliche Kinder 8 - Kinder aus früherer Ehe 19 - adoptierte Kinder 6 - Nichten 3 Fremde Pflegekinder

36 = 73,48

«> Stat. Jahrbuch 1968, 55.

Monnard 87.

Adoptivkinder des Ehegatten.

13 = 26,52

1210

Adoptiveltern

%

Insgesamt Männer Frauen

469 = 100 262 = 55,86 207 = 44,14

:

Verheiratete Unverheiratete

451 = 96,1 18 = 3,9 Davon verheiratet

Insgesamt

451 = 100

Gemeinsam adoptierten: Einzeln adoptierten: - ein fremdes Kind (Voradoption) - das Adoptivkind des Ehegatten - das leibliche Kind des Ehegatten - ein verwandtes Kind 29 >

256 = 56,76 195 = 43,24 82 = 18,18 48 = 10,64 61 = 13,53 4 = 0,89

Davon unverheiratet Insgesamt

18

Männer : verwitwet Frauen : ledig

2 3

verwitwet geschieden

12 l

Es adoptierten: - das leibliche Kind des verstorbenen Ehegatten - das Adoptivkind des verstorbenen Ehegatten - die eigene Nichte oder die des ändern Ehegatten - ein fremdes Pflegekind

4 2 3 9

Durchschnittsalter der Adoptiveltern Adoption Unmündiger Adoption Mündiger Adoption durch Alleinstehende 29

'.

Männer Frauen 43,6 43 55,3 58 62 57,3

> Zwei Nichten des Ehegatten des Adoptierenden. Zwei Enkel des Ehegatten des Adoptierenden.

1211 3.2. Funktionen der Adoption 30>

Die Adoption gemäss geltendem Recht erfüllt verschiedene soziale Funktionen, die innerlich eng zusammenhängen.

Im Vordergrund steht die Erziehung eines Kindes. Die Adoption ermöglicht dem famüienlosen Kind, in der Geborgenheit einer Familie aufzuwachsen, den Adoptierenden, das Glück der Elternschaft zu erleben. Dabei lassen sich nach der Beziehung zwischen Adoptierenden und Adoptivkind drei Haupttypen unterscheiden : Die Fremdadoption ist zahlenmässig die häufigste. Es geht hier um die Adoption fremder Kinder, deren Eltern sich um die Erziehung nicht kümmern wollen oder können. Dazu gehören vorab aussereheliche Kinder, gelegentlich auch ehelich geborene Kinder, die im Ehebruch empfangen worden sind, deren Ehelichkeit vom Ehemann aber nicht angefochten worden ist.

Auch bei der Verwandtenadoption fällt die Erziehung durch die leiblichen Eltern aus. An ihre Stelle treten Onkel, Tante, Grosseltern, Paten oder der verwitwete Stiefelternteil. Diese Gruppe ist nicht gross, aber in ihrer sozialen Bedeutung nicht zu unterschätzen.

Stärker verbreitet ist schliesslich die Stiefkindadoption: der eine Ehegatte adoptiert das voreheliche Kind des ändern, das dieser in seiner Obhut hat und in die neue Ehe mitbringt. Von der Fremdadoption und von der Verwandtenadoption unterscheidet sich die Situation darin, dass nur ein Elternteil ausfällt und der Adoptivelternteil, der ihn ersetzt, neben den ändern leiblichen Elternteil tritt. Dort geht es darum, elternlosen Kindern Eltern zu geben, hier dagegen darum, das aussereheliche oder aus geschiedener oder durch Tod aufgelöster Ehe stammende Kind in die neue Familie seines leiblichen Elternteils zu integrieren. Als eine Abart der Stiefkindadoption erscheint auch die Adoption des Adoptivkindes des einen Ehegatten durch den ändern. Sie kommt heute häufig vor, wenn die gleichzeitige Adoption durch beide Ehegatten nicht möglich ist, weil nur der eine das Mindestalter vollendet hat.

In allen diesen Fällen hat die Adoption eine hervorragende soziale Bedeutung. Das infolge ausserehelicher Geburt oder wegen Scheidung oder Todes der Eltern familienlose Kind ist in besonderem Masse gefährdet. Indem die Adoption ihm zu einer neuen Familie verhilft, erfüllt sie eine wichtige Funktion des Kindesschutzes. Die Allgemeinheit ist daher in hohem Masse an der sachgemässen Gestaltung
des Institutes interessiert.

Der Adoption Erwachsener kommt dagegen geringere Bedeutung zu. Abgesehen von gelegentlicher Annahme Fürsorgebedürftiger entfallt hier eine besondere künftige Verantwortung für die adoptierte Person. In vielen Fallen ist freilich eine solche Aufgabe vorher im Rahmen einer Pflegekindschaft erfüllt worden und die Adoption während der Unmündigkeit nur deshalb unterblieben, weil ihr rechtliche Hindernisse entgegenstanden, ihre Umtriebe gescheut wurden oder einfach der Entschluss hiefür noch nicht gereift war. In diesen "> Dazu allgemein Marmier M.-P., Sociologie de l'adoption (Paris 1969) 298 B.

1212 Fällen geht es bei der Adoption lediglich noch darum, die durch die Erziehung bereits geschaffene Verbundenheit der Pflegeeltern und des Pflegekindes rechtlich zu befestigen. In den übrigen Fällen sind die Zwecke der Adoption überaus verschiedenartig. Vereinzelt mag es darum gehen, einen Nachfolger für ein Unternehmen oder ein Gut zu finden. Öfters mögen emotionale Motive bestimmend sein, wie etwa das Bedürfnis, einer engen persönlichen Beziehung, die erst nach der Volljährigkeit der adoptierten Person entstanden ist, aus Zuneigung und Dankbarkeit rechtlichen Bestand zu geben. Nicht selten sind es sachfremde Motive, wie etwa die Absicht, durch Adoption pflichtteilsgeschützte Geschwister oder Geschwisterkinder vom Erbrecht auszuschliessen, die Erbschaftssteuern zu manipulieren, der zu adoptierenden Person einen ändern Namen zu verschaffen, die Erteilung einer Einreise-, Aufenthalts-, Niederlassungs- oder Arbeitsbewilligung zu begünstigen oder eine sonst verpönte Hausgemeinschaft zu ermöglichen31'. Solche Motive rechtfertigen die Adoption gemäss Artikel 267 Absatz 2 ZGB nicht und werden daher verheimlicht.

Ihre Aufdeckung ist schwierig. Darin liegt eine nicht zu übersehende Problematik der Erwachsenenadoption.

3.3. Reformbedürftigkeit der Adoption Die Adoption hat seit dem Inkrafttreten des ZGB im schweizerischen Rechtsleben festen FUSS gefasst. Sie entspricht echten Bedürfnissen auf Seiten des angenommenen Kindes wie der annehmenden Eltern und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau und Gedeihen der Familie. Es kann aber nicht verkannt werden, dass die geltende Regelung des Instituts Mängel aufweist, die eine Verwirklichung seines Sinnes in verschiedener Hinsicht ernstlich beeinträchtigen. Sie betreffen in erster Linie die Voraussetzungen der Adoption, die als zu eng erscheinen und die Adoption in vielen Fällen zum Nachteil der Beteiligten verunmöglichen, überdies aber auch die Interessen der natürlichen Eltern ungenügend berücksichtigen. Sodann kann nicht verkannt werden, dass das geltende Recht den Risiken, die der Adoption innewohnen, zu wenig Rechnung trägt. Unbefriedigend ist im weitern, dass das Kind infolge Fortdauer wesentlicher Beziehungen des angestammten Kindesverhàltnisses einerseits und Beschränkung der Wirkungen der Adoption anderseits nur unvollkommen in die Adoptivfamilie
integriert wird. Endlich lässt das Adoptionsverfahren wegen seiner Unklarheit und Kompliziertheit viel zu wünschen übrig.

Der entscheidende Anstoss zur Revision geht vom Funktionswandel der Adoption aus. Ihre Aufnahme in die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts war hauptsächlich von der Absicht bestimmt, Interessen der Adoptierenden zu be31

> Schon das römische Recht hatte sich mit solchen Missbräuchen zu befassen, Béguin 25, Ancel 5. Vgl. dazu auch Monnard 20 ff.; Picot A., L'adoption, ses avantages et ses inconvénients, SJZ1918/19, 58; Piolet P., Les droits successoraux de l'adopté et de l'adoptant parents du sang, ZbJV 1967, 198; Dolle H., Familienrecht II 579.

1213 friedigen. Mochte zwar dabei der Gedanke mitspielen, damit auch das Wohl des Kindes zu fördern, so hielten die Rücksicht auf die natürliche Familienordnung und die Furcht vor Missbräuchen den Gesetzgeber doch davon ab, ihm bei der Ausgestaltung des Institutes massgebenden Einfluss zu gewähren.

In jener beschränkten Zielsetzung entsprach die Adoption aber keinem wirklichen Bedürfnis und führte daher im Rechtsleben nur noch ein Schattendasein. Neues Leben erfüllte das Institut erst, als es sich der Aufgabe öffnete, unmündigen Kindern, welche familienlos oder in unvollständiger Familie leben, in der Familie der Adoptiveltern ein bergendes Heim zu verschaffen33'. Dieser Funktionswandel der Adoption, der mit der stärkeren Berücksichtigung des Kindeswohls im neuern Familienrecht einhergeht, kommt in einer allmählichen grundlegenden Umgestaltung des Adoptionsrechts zum Ausdruck.

Deutlich sichtbar wird der Anfang dieser Entwicklung am Beispiel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches : es setzt das Mindestalter von 50 Jahren, wie es in Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland galt, auf 40 herab und macht die Adoption davon abhängig, ob der Adoptierende dem Kind Fürsorge und Pflege erwiesen habe oder andere wichtige Gründe für sie vorliegen und dem Kinde aus ihr kein Nachteil entstehe (Art. 267 Abs. 2 ZGB). Seither hat das Leitbild der Erziehungsadoption allgemeine Anerkennung gefunden.. Davon legt die fruchtbare gesetzgeberische Tätigkeit eindrücklich Zeugnis ab, die um die Zeit des Ersten Weltkrieges begann und bis in die Gegenwart fortdauert. Sie hat die Adoption in vielen Ländern, u. a. in den skandinavischen Staaten, in England, dçn Niederlanden, Irland und Portugal, eingeführt und in anderen Ländern das bestehende Adoptionsrecht eingreifend verändert. So hat Frankreich seit 1923 die Bestimmungen über die Adoption dreizehnmal Revidiert, Österreich 1960, Italien 1967 und Belgien 1969 ein neues Adoptionsrecht geschaffen. Die Adoptionsbestimmungen des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches haben verschiedene Teilrevisionen erfahren, die wichtigste im Jahre 1961; eine umfassende Neuordnung ist in Aussicht genommen.

Die weltweite Bewegung, das Recht der Adoption Unmündiger umzugestalten, hat ihren Niederschlag auch in internationalen Übereinkommen gefunden. Im Oktober 1964 verabschiedete die
10. Tagung der Haager Konferenz für internationales Privatrecht das Übereinkommen über die behördliche Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt. Dieses trägt das Datum vom 15. November 1965 und wurde bis jetzt durch Österreich ratifiziert und durch die Schweiz und das Vereinigte Königreich unterzeichnet. Von grösserer Bedeutung für die Revision des materiellen Rechts ist das Europäische Übereinkommen über die Adoption, das einige Mitglieder des Europarates am 24. April 1967 in Strassburg unterzeichnet haben. Es enthält im Gegensatz zu den Haager Übereinkommen über internationales Privatrecht kein unmittelbar anwendbares Recht, sondern verpflichtet die Vertragsstaaten lediglich, für die Angleichung ihrer Gesetz32

> Dazu Baltensweiler M., Die Kindesannahme als fürsorgerisches Problem (Diss.

Zürich 1931).

Bundcsblatt. 123. Jahrg. Bd. I

75

1214 gebung an bestimmte grundlegende Vorschriften (Art. 4-16) zu sorgen und überdies gewisse weitere Bestimmungen (Art. 17-20) bei ihrer Gesetzgebung in Erwägung zu ziehen. Die Vernehmlassungen der Kantone und die erläuternden Bemerkungen der Eidgenössischen Justizabteilung befürworten grundsätzlich den Beitritt zum Übereinkommen, empfehlen aber - da das geltende Adoptionsrecht in mehrfacher Hinsicht von den Grundsätzen des Übereinkommens abweicht und die Zahl der möglichen Vorbehalte beschränkt ist - den Entscheid bis zur Beendigung der im Gang befindlichen Revision aufzuschieben. Obwohl die Schweiz somit an dieses Übereinkommen noch nicht gebunden ist, bildet es für die Revision doch einen wichtigen Richtpunkt33). Seine Bestimmungen verdienen um so mehr Beachtung, als schweizerische Delegierte bei seiner Ausarbeitung tatkräftig mitgewirkt haben.

Auch die schweizerische Revisionsbewegung ist vom Gedanken geleitet, das Institut der Adoption stärker den Bedürfnissen der Erziehungsadoption dienstbar zu machen. Die Kritik am geltenden Recht kam zunächst vor allem in der juristischen und jugendfürsorgerischen Literatur zum Ausdruck34'.

Schon 1960 veranstaltete der Dienst für Technische Hilfe der Vereinten Nationen (Genf) und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit unter Mitwirkung des Internationalen Sozialdienstes und der Internationalen Vereinigung für Jugendhilfe in Leysin ein Europäisches Seminar über zwischenstaatliche Adoptionen. Die Schweizerische Landeskonferenz für Soziale Arbeit führte 1963 auf Initiative des Internationalen Sozialdienstes der Schweiz und unter Mitarbeit der Stiftung Pro Juventute in Luzern eine erste Studientagung über schweizerische Adoptionsprobleme durch. Das zweite schweizerische Seminar für Adoptionsfragen wurde 1969 in Weggis von der Schweizerischen Landeskonferenz für Soziale Arbeit in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Juventute organisiert 35 >. Von diesen Tagungen gingen wesentliche Impulse aus. Schliesslich bildete die Revision des Adoptionsrechts auch Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse, in erster Linie des bereits genannten Postulats Allemann, welches den Ausgangspunkt für den Vorentwurf der Studienkommission bildete.

3.4. Materielle und formelle Grundzüge des Entwurfes Die Adoption ist heute - um es zu wiederholen - geprägt durch
die Aufnahme eines erziehungsbedürftigen Kindes in das Heim der Adoptiveltern und seine dauernde Eingliederung in deren Familie. Diese Funktion des Institutes in dem Masse zu verwirklichen, wie es nach der Natur der Sache und den Erfahrungen wünschbar und möglich erscheint, ist Anlass und Ziel der neuern 33

> Grossen, La Convention de Strasbourg et la revision du droit suisse de l'adoption,

Pro Juventute 1970, 56.

**'Vgl. Secretati 169; Baltensweiler 55 ff.; Kommentare Egger (1936) und Hegnauer (1960); Grossen, Le droit suisse de l'adoption dans les perspectives d'aujourd'hui, ZVW 1964, 301; Observations comparatives, ZVW 1966, 121; von Overbeck, ZSR 79571 241 ; Hegnauer, SJZ 1969, 85.

S6 > Pro Juventute 1963. 381 ff.; 1970, 3 ff.

1215 ausländischen Gesetzgebung und auch der Revision des schweizerischen Rechts. Deren Ziel ist nicht, die Adoption zu erleichtern, sondern sie ihrer Aufgabe besser dienstbar zu machen. Glaubte der Vorentwurf der Studienkommission sich dabei auf die Änderung einzelner Bestimmungen beschränken zu können, so hat die vertiefte Prüfung des Problems im Lichte der seitherigen Entwicklung und der Vernehmlassungen gezeigt, dass das Institut umfassend neugestaltet werden muss. Der Entwurf sieht demgemäss die Revision des gesamten dritten Abschnitts des siebenten Titels des ZGB vor, der die Voraussetzungen, die Wirkungen und das Verfahren der Adoption und ihrer Aufhebung regelt. Die Neugestaltung des Instituts erfordert ausserdem eine Anpassung der mit der Adoption zusammenhängenden Bestimmungen des Verwandtschaftsund Erbrechts, des Bürgerrechtsgesetzes und der Organisation der Bundesrechtspflege sowie besondere Übergangsbestimmungen. Endlich rufen die zahlreichen Adoptionen mit Auslandbeziehungen einer Revision des internationalen Privatrechts. Das neue Adoptionsrecht wird sich auch auf die Führung der Zivilstandsregister auswirken; eine Änderung des Gesetzes ist diesbezüglich jedoch nicht nötig, weshalb in diesem Zusammenhang darauf nicht naher einzugehen ist.

Alle materiellen Neuerungen finden ihre verfassungsmässige Grundlage in Artikel 64 Absatz 2 der Bundesverfassung. Die Adoption ist ein Institut des Familienrechts und gehört damit Unbestrittenermassen zum Zivilrecht im Sinne dieser Bestimmung. In der Kompetenz zur Zivilgesetzgebung eingeschlossen ist die Befugnis, öffentlich-rechtliche Vorschriften zu erlassen, wo solche für die Ordnung, die der Bund aufstellen will, unentbehrlich sind; das ist von Bedeutung für das Bürgerrecht des Adoptivkindes, das Adoptionsverfahren und die Aufsicht über die Adoptivkindervermittlung. Als zusatzliche Grundlage fällt heute auch Artikel 345uinduieB Absatz l der Bundesverfassung in Betracht; danach berücksichtigt der Bund in der Ausübung der ihm zustehenden Befugnisse und im Rahmen der Verfassung die Bedürfnisse der Familie. Er soll das nicht nur durch die in den Absätzen 2-4 der genannten Verfassungsbestimmung vorgesehenen besondern sozialpolitischen Massnahmen, sondern überall tun, wo sich ihm im Rahmen seiner Befugnisse hiezu Gelegenheit bietet39'. Das ist bei
der Revision des Adoptionsrechts der Fall.

Die grössere Bedeutung der Adoption im Rahmen des Familienrechts gelangt formell im breiteren Raum zum Ausdruck, den sie in den Artikeln 264-269 des Entwurfes einnimmt. Es liess sich nicht vermeiden, diese bisher 6 Artikel in deren 15 zu gliedern, um die umfangreichen materiellen Neuerungen unter Wahrung der bewährten Gesetzessprache des ZGB unterzubringen. Die terminologischen Neuerungen erschöpfen sich in einem Punkte. Der deutsche Wortlaut des ZGB verwendet die Ausdrücke «Kindesannahme», «Annahme», «der Annehmende», «das (die) anzunehmende Kind (Person)», «annehmen».

Die Umgangssprache meint damit jedoch meist das rechtliche unbestimmtere Verhältnis der Pflegekindschaft und zieht für das in den Artikeln 264-269 ZGB 36

> BB1 1944 1083

1216 geregelte Institut das Wort «Adoption» und die davon abgeleiteten Formen vor. So wurde bei Beratung der Entwürfe zum ZGB in der Expertenkommission und in den eidgenössischen Räten regelmässig von «Adoption» und nur ausnahmsweise von «Kindesannahme» gesprochen. Das Wort «Adoption» ist präziser und - obwohl Fremdwort - allgemeinverständlich. Es herrscht auch in der deutschsprachigen rechtsvergleichenden und rechtsgeschichtlichen Literatur vor. Zudem ist der Ausdruck den beiden ändern Amtssprachen des Bundes, dem Französischen und dem Italienischen, gemein, darüber hinaus dem Englischen und zahlreichen weitern Sprachen. Schliesslich gestattet er auch die Bildung wichtiger Zusammensetzungen wie « Adoptiveltern» oder «Adoptivkindervermittlung», welche mit den Ausdrücken «Annahme» oder «Kindesannahme» nicht oder nicht so leicht möglich sind. Er wird auch bereits im Strafgesetzbuch (Art. 110, 191, 192, 202) und in den Bundesgesetzen über die Bundesstrafrechtspflege (Art. 75), den Bundeszivilprozess (Art. 42), die Alters- und Hinterlassenenversicherung-(Art. 28) und die Invalidenversicherung (Art. 35) verwendet. Aus diesen Erwägungen spricht der deutsche Text des Entwurfes nicht mehr von «Kindesannahme», sondern von «Adoption». Die Bundesrepublik Deutschland hat sich - im Unterschied zu Österreich - den Ausdruck «Adoption» anstatt - wie in §§ 1741 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - «Annahme an Kindes Statt» in der am 8. Juli 1969 vereinbarten, im übrigen gemeinsamen deutsch/österreichisch/schweizerischen Übersetzung der Strassburger Konvention aus denselben Erwägungen zu eigen gemacht.

3.5. Erläuterung des Entwurfes 3.5.1 Voraussetzungen der Adoption 3.5.1.1 Allgemeine Voraussetzung (Art. 264) Die Adoption begründet wie die Ehe durch einen Rechtsakt ein Familienrechtsverhältnis. Während aber die Ehe in natürlichen und sozialen Gegebenheiten weitgehend vorgezeichnet ist, unternimmt es die Adoption, eine Rechtsbeziehung herzustellen, die ihrem Wesen nach sonst nur durch Abstammung geschaffen werden kann. Sie durchbricht und ergänzt die natürliche Familienordnung. Der Unterschied ist für die Gestaltung der Voraussetzungen bedeutsam. Diese lassen sich für die Ehe objektiv abschliessend umschreiben. Sind sie erfüllt, so schulden die Brautleute über ihren Entschluss zur Ehe keinerlei Rechenschaft. Bei
der Adoption genügen jedoch allgemeine, objektive Voraussetzungen zur sachgemässen Gestaltung nicht. Vielmehr bedarf das Institut wegen seiner ausserordentlichen Funktion darüber hinaus im konkreten Einzelfall noch einer besonderen Rechtfertigung. Sie ist gegeben, wenn das Kind, das nicht in Familiengemeinschaft mit seinem Vater und seiner Mutter aufwachsen kann, durch Adoption Aufnahme in eine neue Familie findet. Der entscheidende Sinn der Adoption liegt also darin, dass sie die Situation des Kindes verbessert, selbst wenn bei den Adoptiveltern das eigene Interesse an

1217 der Erziehung eines fremden Kindes im Vordergrund stehen mag 37 >. Demge'mäss verlangen die neueren Gesetze38 > und auch das Strassburger Übereinkommen (Art. 8 Ziff. 1), dass die Adoption dem Wohl des Kindes dienen müsse. Der Entwurf erhebt in Artikel 264 diesen Grundsatz zur ersten allgemeinen und zentralen Voraussetzung der Adoption. Sie1 verstärkt damit das geltende Erfordernis (Art. 267 Abs. 2 ZGB), dass aus der Adoption dem Kind kein Nachteil entstehen dürfe. Dabei sind alle für das Gedeihen des Kindes wesentlichen Umstände zu berücksichtigen. Grundlage der Beurteilung, ob die Voraussetzung dieses Artikels erfüllt sei, ist die Untersuchung gemäss Artikel 268« des Entwurfes. Hat der Adoptierende bereits eigene Kinder, so muss auch bedacht werden, wie sich die Adoption in dieser Hinsicht auswirken wird. Es muss Gewähr dafür bestehen, 'dass das Adoptivkind weder neben den eigenen Kindern zu kurz kommt noch diesen vorgezogen wird. In der Verkürzung des gesetzlichen Erbrechts allein liegt jedoch keine unbillige Zurücksetzung der leiblichen Kinder, wenn die Adoptiveltern ihre Pflichten ihnen gegenüber erfüllen und das Adoptiwerhältnis im übrigen innerlich gerechtfertigt ist.

Die Erwähnung anderer Kinder der Adoptiveltern bringt mittelbar den Verzicht auf das bisherige Erfordernis der Kinderlosigkeit zum Ausdruck.

Zu den ändern Kindern der Adoptiveltern gehören auch früher adoptierte.

Im geltenden Recht setzt die Adoption ausserdem voraus, dass der Annehmende dem Kinde Fürsorge und Pflege erwiesen hat oder andere wichtige Gründe vorliegen (Art. 267 Abs. 2 ZGB). Das Pflegeverhältnis stellt somit hier einen Rechtfertigungsgrund für die Adoption dar. Es bildet aber ausserdem die massgebende Grundlage, um zu beurteilen, ob die Adoption dem Wohl des Kindes diene, ohne andere Kinder zurückzusetzen ; bringt doch erst das PflegeVerhältnis Klarheit über die erzieherische Eignung der Adoptiveltern und die gegenseitige persönliche Beziehung zwischen ihnen und dem Kind. Da die Adoption die Rechtsstellung beider entscheidend umgestaltet und endgültig ist, macht Artikel 264 des Entwurfes das Pflegeverhältnis zur 'zwingenden Voraussetzung und verlangt überdies, damit es seinen Zweck als Probezeit wirklich erfüllen kann, eine Mindestdauer von zwei Jahren. Die Mindestdauer des Pflegeverhältnisses kann nicht
abgekürzt werden. Damit wird ungeduldigem Drängen enthusiastischer Adoptionsanwärter eine Schranke gesetzt. Werden mehrere Kinder adoptiert, so muss die Frist von jedem eingehalten werden.

3.5.1.2 Voraussetzungen in der Person der Adoptiveltern (Art. 264a) 3.5.1.2.1 Zivilstand der Adoptiveltern Im geltenden Recht ist die Ehe der Adoptierenden insofern von Bedeutung, als nach Artikel 266 ZGB die Adoption durch eine verheiratete Person der Zustimmung ihres Ehegatten bedarf und die gemeinschaftliche Adoption1 nur einem Ehepaar gestattet ist. Diese Regelung bedarf im Hinblick auf die besondere Eigenart der Erziehungsadoption der Überprüfung. Soll das familien37

> Soliva C., Zur Revisionsbedürftigkeit der schweizerischen Adoptionsgesetzgebung,

38

SJZ 1961, 362.

> Ancel 28; von Overbeck, ZSR 1967 I 250.

1218 lose Kind in einer Familie aufwachsen, so muss es Eltern - Vater und Mutter bekommen. Darum soll die Adoption durch Verheiratete erleichtert werden.

Aber das genügt nicht. Adoptiert ein Ehegatte allein, so entsteht zwischen dem ändern Ehegatten und dem Kind ein Stiefkindverhältnis. Das ist unerwünscht.

Die gemeinschaftliche Adoption - heute ein Recht der Verheirateten - ist ihnen daher in Artikel 264« Absatz l des Entwurfes grundsätzlich zur Pflicht zu machen. Der Entwurf nimmt damit eine Vorschrift auf, die bereits bei der Beratung des zürcheriscfaen Privatrechtlichen Gesetzbuches ernsthaft erwogen wurde 39 *, im hervorragenden, massgebend von Andreas Heusler gestalteten Entwurf eines Zivilgesetzes für den Kanton Basel-Stadt von 1865 figurierte40' und in zahlreiche neuere Gesetze aufgenommen worden ist41'. Will sich eine verheiratete Person der von seinem Ehegatten angestrebten Adoption nicht anschliessen, so ist es besser, wenn die Adoption überhaupt unterbleibt. Wenn heute die Einzeladoption durch Verheiratete verhaltnismässig oft vorkommt, so ist das, abgesehen von den Fällen der Stiefkindadoption, zur Hauptsache darauf zurückzuführen, dass die objektiven Voraussetzungen des Mindestalters und der Kinderlosigkeit nur bei einem Ehegatten erfüllt sind.

Personen, die nicht miteinander verheiratet sind, dürfen nicht gemeinschaftlich adoptieren. Das ist nach Artikel 264a Absatz l des Entwurfes selbstverständlich. Die Bestimmung des Artikels 266 Absatz 2 ZGB braucht daher nicht wiederholt zu werden.

Der Grundsatz der gemeinschaftlichen Adoption bedarf jedoch gewisser, in Artikel 264a Absatz 2 und 3 des Entwurfes verankerter Einschränkungen.

Die Einzeladoption muss vorab einer verheirateten Person gestattet werden, wenn sie das Kind des ändern Ehegatten betrifft. Sodann erscheint die Einzeladoption durch einen Ehegatten gerechtfertigt, wenn der andere dauernd urteilsunfähig oder unbekannten Aufenthaltes ist oder die Ehe auf unbestimmte Zeit gerichtlich getrennt ist. Fehlt nämlich die eheliche Gemeinschaft, so ist eine gemeinschaftliche Adoption durch die Ehegatten nicht mehr sinnvoll.

Freilich sind solche Umstände im allgemeinen einer Adoption nicht forderlich.

Es wird deshalb schwerlich ein Kind an einen solchen Platz zur spateren Adoption in Pflege gegeben werden. Treten aber Umstände,
welche die gemeinschaftliche Annahme ausscrJiessen, erst ein, nachdem sich wenigstens zum einen Ehegatten ein gutes Pflegeverhältnis entwickelt hat, so kann die Adoption durch diesen allein im Interesse des Kindes liegen.

Die Einzeladoption ist nicht gestattet, wenn die Ehe nach Artikel 147 auf bestimmte Zeit gerichtlich getrennt oder der gemeinsame Haushalt nach Artikel 170 aufgehoben ist. Das Verhältnis der Ehegatten ist hier zu unstabil. Sie dürfen aber gemeinsam adoptieren, sofern das im Interesse des Kindes liegt.

Unter dieser Voraussetzung dürfen aber auch Ehegatten, die auf unbestimmte Zeit gerichtlich getrennt sind, gemeinsam adoptieren.

39

40

' Bluntschli 201.

> § 237; dazu Bühler Th., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-70 (Basel 1963) 255 S.

41 > Ance! 23; von Overbeck, ZSR 1967 I 250.

1219

Ähnliches gilt von der Adoption durch Alleinstehende, seien sie ledig, verwitwet oder geschieden. Entfallen zwar auf sie nach der Zürcher Statistik nur etwa 4 Prozent der Adoptionen, so darf sie doch nicht, wie etwa im niederländischen Recht, ausgeschlossen werden. Es gibt Fälle wo sie ihren guten Sinn hat. Es ist etwa an eine ledige Ärztin zu denken, die ein invalides Kind, das sonst in keiner Familie plaziert werden kann, annimmt. Ebenso liegt, wenn die gemeinschaftliche Adoption infolge Todes des einen Pflegeelternteils unmöglich geworden ist, die Adoption durch den überlebenden allein im Interesse des Kindes.

3.5.1.2.2 Andere Kinder der Adoptiveltern Grundvoraussetzung war bisher das Fehlen ehelicher Nachkommen (Art. 264 Abs. l ZGB). Sie ergibt sich aus der überlieferten Vorstellung, dass die Adoption einem Interesse des Adoptierenden zu dienen habe, ein solches aber nicht vorhanden sei, wenn er bereits eigene Kinder hat. Vom Leitbild der Erziehungsadoption her gesehen ist dieses Erfordernis nicht mehr gerechtfertigt. Die Adoption vermag dem Kindeswohl auch dann zu dienen, wenn die Adoptiveltern eigene Kinder haben. Deutlich wird dies etwa bei der Stiefkindadoption. Auch diese ist heute nicht möglich, wenn der Stiefelternteil eigene Kinder hat, selbst wenn diese in völlig fremder Umgebung leben, schon erwachsen, oder gar von Dritten adoptiert sind. Aber auch Eltern ehelicher Kinder können ein schutzwürdiges Interesse an der Adoption eines fremden Kindes haben, zum Beispiel Ehegatten, die selber ein geistesschwaches, nicht in Hausgemeinschaft mit ihnen lebendes Kind haben42:> und ihre Pflicht an diesem erfüllen, das Glück der Elternschaft aber auch mit einem gesunden Kind erleben möchten, oder die - was häufiger vorkommt - nach Geburt eines eigenen Kindes kein zweites mehr erwarten dürfen. Im letzten Fall liegt die Adoption eines fremden Kindes auch im Interesse des eigenen Kindes selbst, damit es nicht als Einzelkind aufwachsen muss43>.

Allerdings ist nicht zu übersehen, dass der Erbteil der leiblichen Kinder durch die Adoption eines fremden Kindes verkürzt wird. Allein das rechtfertigt es nicht, das Erfordernis der Kinderlosigkeit beizubehalten. Was die Eltern dem Kind bei ihrem Tod an Vermögen hinterlassen, ist weniger wichtig, als was sie ihm bei Lebzeiten an Liebe, Fürsorge und Geborgenheit
zuteil werden lassen.

Im übrigen wird der Grundsatz der Kinderlosigkeit bereits im geltenden Recht nicht folgerichtig durchgeführt, wird doch die Gültigkeit der vollzogenen Adoption nicht berührt, wenn der Adoptierende nachher ein eigenes Kind bekommt. Das Recht nimmt also hier das Nebeneinander von Adoptiv- und leiblichen Kindern in Kauf. Die Erfahrungen zeigen, dass ein Adoptivverhältnis in der Regel durch die Geburt eines leiblichen Kindes nicht beeinträchtigt wird. Um so weniger sind Schwierigkeiten zu befürchten, wenn zu einem eigenen Kind ein fremdes hinzuadoptiert wird.

"> Mormard 33.

43 > von Overbeck, ZSR 19671 252.

1220 Beizufügen ist schliesslich noch, dass die Adoptivkindschaft schon nach geltendem Recht kein Adoptionshindernis darstellt. Der Kinderlose darf infolgedessen beliebig viele Kinder adoptieren. Darin liegt eine Inkonsequenz des geltenden Rechts.

Aus diesen Gründen verzichtet der Entwurf in Übereinstimmung mit der neuern Gesetzgebung44) und dem Strassburger Übereinkommen (Art. 12 Ziff. 2) auf das Erfordernis der Kinderlosigkeit, das übrigens dem römischen Recht45' und auch dem Basler Entwurf von 186546 ' nicht bekannt war. Die Zwischenlösung eines Verbotes mit Dispensvorbehalt, wie sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland seit 1950 vorsieht47) und die Studienkommission vorschlug, befriedigt nicht, da die Befreiungsgründe sich weder gesetzlich überzeugend umschreiben noch in der Praxis einheitlich handhaben lassen48'. Es darf im übrigen darauf vertraut werden, dass nur sehr gewichtige Gründe Eltern bewegen werden, neben eigenen Kindern noch fremde zu adoptieren. Wo aber die nach den Umständen gebotene natürliche Rücksicht auf die eigenen Kinder versagt, da bietet die allgemeine Voraussetzung von Artikel 264 des Entwurfes die Grundlage, um das Adoptionsgesuch abzuweisen.

3.5.1.2.3 Alter der Adoptiveltern Nach geltendem Recht muss der Adoptierende wenigstens 40 Jahre alt sein (Art. 264 Abs. l ZGB). Dieses Mindestalter soll möglichst dafür Gewähr bieten, dass die Kinderlosigkeit auch in Zukunft fortbestehe. Wird aber auf das letztere Erfordernis in Zukunft verzichtet, so entfällt insoweit auch die hauptsächliche Grundlage für das Mindestalter. Dieses ist aber auch unabhängig davon fragwürdig geworden und erschüttert seinerseits die Voraussetzung der Kinderlosigkeit.

Der Sinn der Erziehungsadoption erheischt nämlich, dass das Kind Adoptiveltern bekommt, welche ungefähr im Alter natürlicher Eltern stehen, während ein höheres Mindestalter die Adoption in die grosselterliche Altersstufe verschiebt.

Die Praxis behilft sich damit, dass das Kind zwar bei jungen Pflegeeltern plaziert wird, mit der Adoption aber zugewartet wird, bis wenigstens der eine von ihnen, in der Regel der Pflegevater, das Mindestalter erreicht hat. Diese Notlösung ist aber mit erheblichen Nachteilen verbunden. Das Kind muss während langer Zeit, vielleicht während seiner ganzen Jugend, im rechtlich unsichern Stand des Pflegekindes
verharren. Zudem bleibt es ungewiss, ob die Adoption später nicht scheitert, weil die Pflegeeltern in der Zwischenzeit ein eigenes Kind bekommen oder die leiblichen Eltern sich eines ändern besinnen und das Kind vom Pflegeplatz wegnehmen. Gelegentlich kommt es auch zur Adoption durch den altern Pflegeelternteil, während diejenige durch den Jüngern verunmöglicht wird, weil er inzwischen gestorben ist oder ein leibliches Kind geboren wird. Das ZGB versuchte diese Nachteile zu mildern, indem es das vordem nach kantonalen Rechten "> Ancel 21 ; von Overbeck, ZSR 19671 251 ff.

46 > Käser II 147.

46 > § 240 47 > § 1745aBGB 48 > Hegnauer, SJZ1969, 88.

1221 höhere Mindestalter von 6049) bzw. 50 auf 40 Jahre herabsetzte. Abgesehen davon, dass auch dieses Alter immer noch erheblich über dem Durchschnittsalter leiblicher Eltern von Kleinkindern liegt, ist auf diese Weise die Antinomie zwischen der herkömmlichen Funktion des Mindestalters und den Bedürfnissen der Erziehungsadoption überhaupt nicht zu lösen. Denn je niedriger das Mindestalter ist, um so weniger vermag es künftige Kinderlosigkeit zu gewährleisten. Bereits das Mindestalter von 40 Jahren erfüllt diese Funktion nur unvollkommen50, werden doch nicht selten kinderlose Frauen schwanger, nachdem sie ein fremdes Kind adoptiert oder auch nur in Pflege genommen haben51).

Diese Fälle kämen bei Herabsetzung des Mindestalters noch viel häufiger vor.

Erst recht verfehlt das Mindestalter jenen Zweck, wenn - wie dies das geltende Recht gestattet - der Ehemann allein adoptieren darf, sobald er das Mindestalter erreicht hat, auch wenn seine Frau noch viel jünger ist und sehr wohl noch eigene Kinder erwarten darf. Das Mindestalter lässt sich somit in seiner bisherigen Funktion nicht aufrechterhalten, weil es den Bedürfnissen der Erziehungsadoption widerspricht, in der Anpassung an diese aber jene Funktion nicht mehr zu erfüllen vermag.

Indessen kommt dem Mindestalter noch eine weitere Aufgabe zu. Natur und Tragweite der Adoption erfordern eine besondere geistige Reife, die mit der Ehemündigkeit noch nicht gegeben ist. Darum haben verschiedene neuere Gesetze für die Adoption ein höheres Mindestalter von 25, 30 oder 35 Jahren beibehalten52). Für den Normalfall der Adoption durch Verheiratete überzeugt diese Lösung nicht. Denn hier sind für den Adoptionsentschluss die bisherige und die voraussehbare künftige Entwicklung der Ehe und die Aussichten auf eigene Kinder entscheidend. Für beide Fragen ist aber die Dauer der Ehe viel bedeutungsvoller als das Alter der Ehegatten. Der Entwurf will daher in Artikel 264
Für die Adoption durch Alleinstehende und die Einzeladoption durch Verheiratete ist
freilich ohne ein Mindestalter nicht auszukommen. Handelt es sich hier meist um aussergewöhnliche Situationen, so müssen auch an die innere Reife der Adoptierenden besondere Anforderungen gestellt werden. Bei Alleinstehenden ist die Frage bedeutsam, ob sie noch heiraten werden, bei Verheirateten, wie ihre allenfalls notleidende Ehe sich entwickeln wird. Es rechtfertigt sich darum hier, das Mindestalter in Artikel 264a Absatz 2 und 3 des Entwurfes auf 35 *"> Tessin, Art. 141 CC 60 > 1961 -wurden in der Schweizvon Müttern im Alter zwischen 40 und 44 Jahren 2835 Kinder geboren (Statistisches Jahrbuch 1963, 54). Die Zahl der Kinder, die über 40jährigen Vätern geboren werden, ist natürlich noch viel grösser.

") Das scheint damit zusammenzuhängen, dass die Betätigung mütterlicher Gefühle gegenüber einem Kinde unbekannte hormonale Hindernisse der Empfängnis beseitigt.

"> Ancel 14/15; von Overbeck, ZSR 19671251.

*" Ancel 17; von Overbeck, ZSR 19671 251.

1222 Jahre festzusetzen. Es besteht übrigens in diesen wenigen Sonderfällen auch gar kein Bedürfnis nach einer stärkeren Herabsetzung, beträgt doch nach der Zürcher Statistik das Durchschnittsalter alleinstehender Adoptierender bei den Männern 62 und bei den Frauen 57 Jahre. Ein Vorschlag, das Mindestalter auf 30 Jahre anzusetzen, fand im Schosse der Expertenkommission keine Mehrheit.

Wird allerdings Alleinstehenden nach Vollendung des 35. Altersjahres die Adoption gestattet, so muss nach Artikel 264
3.5.1.3 Voraussetzungen in der Person des Adoptivkindes 3.5.1.3.1 Alter des Adoptivkindes (Art. 265 Abs. l, 266) Unmündigkeit oder Mündigkeit der anzunehmenden Person sind nach geltendem Recht - abgesehen von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Art. 265 Abs. 2 ZGB) - ohne Bedeutung. Demgemäss können Mündige ohne Rücksicht auf ihr Alter adoptiert werden. Zwischen der Adoption Unmündiger und Mündiger besteht aber ihrem Wesen nach ein grundlegender Unterschied. Zweck der Adoption Unmündiger ist regelmässig die Erziehung eines Kindes und die Erweiterung einer kinderlosen Ehe zur Vollfamilie. Die Adoption empfängt hier ihren Sinn im Blick auf eine langfristige künftige Aufgabe, deren Erfüllung wie in der ehelichen Familie eine enge und dauerhafte Gemeinschaft von Adoptiveltern und Adoptivkind begründet. Wird dagegen erst nach der Mündigkeit adoptiert, so ist die Entwicklung der Persönlichkeit bereits weitgehend abgeschlossen. Das für die seelische Beziehung von Eltern und Kindern entscheidende und prägende Erlebnis der Erziehung und Pflege fehlt.

Dazu kommt, dass das Adoptivkind rechtlich und oft auch wirtschaftlich selbständig ist und dementsprechend auch die häusliche Gemeinschaft mit den Adoptiveltern nur zufällig und nicht auf die Dauer angelegt ist. Auf die besondere Problematik der Motive ist bereits hingewiesen worden.

Die Gesetzgebung hat diese wesentlichen Unterschiede der Unmündigenund der Mündigenadoption in verschiedener Weise berücksichtigt. Die ursprüngliche Vorschrift des französischen Code civil, wonach eine Person erst nach Eintritt ihrer Volljährigkeit adoptiert werden durfte, beruhte freilich auf der mit der
Erziehungsadoption unvereinbaren und darum längst aufgegebenen Anschauung, dass die Adoption wegen ihrer grossen Tragweite erst erfolgen soll, wenn die betroffene Person handlungsfähig geworden ist und selber ihre Zustimmung bekunden kann. Bemerkenswerter ist, dass bereits das zürcherische Privatrechtliche Gesetzbuch die sachlichen Anforderungen an die Adoption Minderjähriger und Volljähriger verschieden regelte54) und der baselstädtische Entwurf von 1865 nur die Adoption von Kindern unter zwölf Jahren gestattete55 >. Die neuere ausländische Gesetzgebung schliesslich be"> §§ 237/238 ")§ 238

1223 kennt sich weit überwiegend zur Unmündigenadoption. Grossbritannien, Australien, Kanada, Neuseeland, die meisten Staaten der USA, Mexiko, Ecuador, Argentinien, die Niederlande, aber auch die Sowjetunion und die anderen Oststaaten, lassen nur die Adoption Minderjähriger zu56>. Frankreich beschränkt die adoption plénière auf Kinder unter 15 Jahren57*, Italien die adozione speciale auf solche unter 8 Jahren58). Die Bundesrepublik Deutschland verlangt seit 1961 Unmündigkeit des Adoptivkindes, sieht aber die Möglichkeit der Befreiung von diesem Erfordernis vor59'. Ebenso muss in Österreich seit 1960 das Adoptivkind unmündig sein, doch darf die Adoption Volljähriger bewilligt werden, wenn ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegt60).

Auch die Vernehmlassungen zum Vorentwurf der Studienkommission postulieren teilweise die Beschränkung der Adoption auf Unmündige. Hiefür spricht ausser den angeführten sachlichen Gründen die Tatsache, dass die Adoption Erwachsener nur eine verhältnismässig geringe Bedeutung hat, entfielen doch auf sie nach einer einen grösseren Teil des Landes erfassenden Statistik in den Jahren 1966-68 11 Prozent der Adoptionen, nach der Zürcher Statistik 14 Prozent. Freilich dürfte ein erheblicher Teil davon Fälle betreffen, wo das Kind nach geltendem Recht während seiner Unmündigkeit nicht adoptiert werden konnte, weil die Eltern das Mindestalter nicht erfüllt hatten. Gleichwohl darf ein gewisses Bedürfnis für die Adoption Erwachsener nicht geleugnet werden. Der Entwurf geht daher grundsätzlich von der Adoption Unmündiger als Regelfall aus (Randtitel A zu Art. 264), lässt aber in Artikel 266 Absatz l diejenige Erwachsener ausnahmsweise zu, wenn eine der Unmündigenadoption vergleichbare Situation besteht und sich aus diesem Grund die Herstellung eines ehelichen Kindesverhältnisses rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die Adoptiveltern für eine gebrechliche Person sorgen oder eine Person schon während deren Unmündigkeit erzogen und gepflegt haben; daneben sollen auch weitere Fälle berücksichtigt werden, die ähnlich gelagert sind, sofern schwerwiegende Gründe vorliegen.

Ein Widerspruchsrecht steht den Nachkommen der Adoptiveltern nach Artikel 266 Absatz 2 des Entwurfes nicht zu. Doch ist bei der Erwachsenenadoption besonders sorgfältig abzuklären,
ob sie nicht jene unbillig zurücksetze.

Die Anhörung erleichtert auch die Abklärung der Motive.

Absatz 3 entspricht demi geltenden Artikel 266 Absatz l ZGB. , Zu den in Absatz 4 sinngemäss anwendbar erklärten Bestimmungen über die Adoption Unmündiger gehört auch Artikel 264, ohne das Erfordernis des zweijährigen Pflegeverhältnisses, das durch die speziellen Voraussetzungen des Artikels 266 Absatz l Ziffer 1-3 ersetzt ist.

«·> Dolle II 580; Ancel 15 ff.

"> Art. 345 CC 68 > Art. 314/4 CC "> §§ 1744 Satz 3, 1745 BGB <"»§180aI2ABGB

1224 Das Erfordernis eines Mindestaltersunterschiedes zwischen den Adoptiveltern und dem Adoptivkind ist unbestritten. Es beträgt heute achtzehn Jahre (Art. 264 Abs. 2 ZGB). Daran kann die gemeinschaftliche Adoption durch Ehegatten, von denen der eine viel jünger ist als der andere, scheitern. Um solche Fälle, wenn nicht zu vermeiden, so doch spürbar zu vermindern, setzt Artikel 265 Absatz l des Entwurfes den Mindestaltersunterschied auf 16 Jahre fest.

Er entspricht damit dem früheren zürcherischen Recht61*. Das französische Recht begnügt sich mit fünfzehn Jahren, bei der Stiefkindadoption mit zehn Jahren62'. Andere Rechte sehen ebenfalls zehn Jahre vor 63) oder verlangen lediglich einen angemessenen Unterschied64'.

3.5.1.3.2 Zustimmung des Adoptivkindes (Art. 265 Abs. 2 und 3, 422 Ziff. 1) Die Adoption bedarf vorab der Zustimmung der von ihr am stärksten betroffenen Person : des Kindes. Nach geltendem Recht hat es diese Zustimmung persönlich zu erteilen, sofern es urteilsfähig ist (Art. 265 Abs. l ZGB). Urteilsfähigkeit wird in der Praxis im allgemeinen nach Vollendung des fünfzehnten Altersjahres angenommen. Andere Rechtsordnungen verlangen die Zustimmung des unmündigen Kindes von einem bestimmten Mindestalter an oder begnügen sich mit einer blossen Anhörung. Der Entwurf behält in Artikel 265 Absatz 2 die bewährte bisherige Regelung bei. Je nach den Umständen ist im Rahmen der allgemeinen Untersuchung der Verhältnisse auch eine geeignete Anhörung des urteilsunfähigen Kindes geboten, doch bedarf es hierüber keiner ausdrücklichen Vorschrift.

Ist ein unmündiges Kind bevormundet - und das ist hier regelmässig der Fall - so kann es - auch wenn es urteilsfähig ist - nur mit Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde adoptiert werden (Art. 265 Abs. 2, 422 Ziff. l ZGB). Auch diese Regelung ist unangefochten und in Artikel 265 Absatz 3 und Artikel 422 Ziffer l des Entwurfes beizubehalten.

Es erübrigt sich, für die Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde und des Adoptivkindes eine besondere Form vorzuschreiben. Der Entwurf entspricht auch insofern dem geltenden Recht.

3.5.1.3.3 Zustimmung der Eltern (Art. 265a-c, 286aj Artikel 265 Absatz 2 ZGB verlangt für die Adoption eines unmündigen Kindes alternativ die Zustimmung der Eltern oder der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde. Herrschende
Lehre und Rechtsprechung folgern daraus, dass auch die Eltern lediglich als gesetzliche Vertreter des handlungsunfähigen Kindes mitwirken, ihre Zustimmung demzufolge nur nötig ist, wenn ihnen die 61 > 68 > 63

§ 235 Buchst. c.PGB Art. 344 CC > Verschiedene Staaten der USA, Ance! 16.

**' Skandinavische Staaten, Oststaaten undseitl961 die Bundesrepublik Deutschland in §§ 1745, 17450 BGB, ebenso die Strassburger Konvention in Art. 8 Ziff. 3.

1225 elterliche Gewalt zusteht 6S>. Praktische Bedeutung hat diese Zustimmung bei der Stiefkindadoption, indem der Ehegatte des adoptierenden Stiefelternteils als solcher und als Inhaber der Gewalt zustimmt66'. Dagegen ist die Zustimmung von Eltern ohne elterliche Gewalt nicht notwendig. Dazu gehören vorab die aussereheliche Mutter, der die Gewalt gerade in den hier in Betracht kommenden Fällen nicht verliehen wird (Art. 324 Abs. 3 ZGB), und der geschiedene Elternteil, dem sie bei der Scheidung aberkannt worden ist (Art. 274 Abs. 3 ZGB). Hat sich in der Praxis zwar die Übung entwickelt, dass wenigstens die aussereheliche Mutter um ihre Zustimmung angegangen wird, so hat sie hierauf doch keinen rechtlichen Anspruch. Zudem besteht wenig Klarheit über Voraussetzungen und Wirkungen dieser Erklärung, die gewöhnlich als umfassender Verzicht formuliert wird.

Dieser Rechtszustand bedarf der Verbesserung. Die Adoption greift nachhaltig in die Rechtsstellung der leiblichen Eltern ein: Die durch die Abstammung begründeten Beziehungen zum Kind werden teils verdrängt, teils überlagert, ein erspriesslicher persönlicher Verkehr mit den leiblichen Eltern zum mindesten faktisch stark erschwert und die Möglichkeit für sie ausgeschlossen, jemals die Obhut oder gar die elterliche Gewalt über das Kind zu bekommen.

Der Entwurf schliesst sich darum in Artikel 265a Absatz l der in Lehre und Gesetzgebung immer mehr anerkannten Auffassung an, dass die Adoption der Zustimmung der Eltern bedarf, ohne Rücksicht darauf, ob ihnen die elterliche Gewalt zusteht67). Es handelt sich um einen Ausfluss ihres Persönlichkeitsrechts. Dieser Anspruch auf Einholung ihrer Zustimmung vor der Adoption ihres Kindes setzt selbstverständlich ein rechtliches Kindesverhältnis voraus, wie auch Artikel 5 Ziffer 5 der Strassburger Konvention bestätigt. Kein solches Kindesverhältnis besteht zwischen dem ausserehelichen Kind und seinem Zahlvater im Sinne von Artikel 319 ZGB; dasselbe gilt für die ausländische Mutter, die ihr Kind nicht anerkannt hat, wenn ihr Heimatrecht eine ausdrückliche Anerkennung verlangt, wie z.B. in Frankreich, Italien, Spanien., Die Zustimmung muss dem freien Willen der Eltern entspringen. Vor allem darf die aussereheliche Mutter nicht in der depressiven Situation der Schwangerschaft und Niederkunft dazu überredet oder gedrängt
werden. Der Entwurf sieht darum in Artikel 2656 Absatz l wie das englische Recht vor, dass die Zustimmung nicht vor Ablauf von sechs Wochen seit der Geburt gültig abgegeben 65

> Silbernagel, N. 4, 5; Egget], N. 5; Hegnauer, N. 11 zu Art. 265 ZGB; BGE 79II 249.

66 > ZVW 1957, 143; 1969, 140; 1970, 16. Es wird auch die Meinung vertreten, es müsste hier ein Beistand gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB mitwirken, da der mit dem Adoptierenden verheiratete Inhaber der Gewalt nicht imstande ist, ein allfälliges Interesse des Kindes an der unveränderten Beibehaltung des Kindesverhältnisses richtig zu wahren, dazu Hegnauer, Art. 265 N. 15; Rognon P.A., L'adoption d'enfants issus de parents divorcés, ZVW 7965, 60; Dolle II 89.

G!

> von Overbeck, Der Schutz der unehelichen Mutter bei der Adoption ihres Kindes, Zeitschrift für Rechtsvergleichung (ZRV) 1968, 1; ZSR 1967 I 253; Seiler U., Die Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption ihres Kindes (Diss. Freiburg 1969).

1226 werden könne98*. Die Zustimmung darf erst nach Ablauf der Sperrfrist erklärt werden ; eine frühere Zustimmung ist nicht gültig, auch wenn sie erst nachher eingereicht wird. Diese Frist erlaubt der Mutter, sich von den Folgen der Geburt hinreichend zu erholen, ohne die im Interesse des Kindes nötige frühzeitige Plazierung bei den künftigen Adoptiveltern erheblich zu verzögern. Darüber hinaus sollen nach dem Vorbild des französischen Rechts die Eltern ihre vielleicht übereilt oder unter äusserer Beeinflussung abgegebene Zustimmung innert einer weitern Frist von sechs Wochen widerrufen dürfen, wie Art. 2650 Abs. 2 vorsieht 69 >. Die Widerrufsfrist läuft von dem im Protokoll der Vormundschaftsbehörde vorgemerkten Zeitpunkt der Zustimmung an.

Die Zustimmung muss in einer Form abgegeben werden, die ohne besondere Umtriebe über ihren Inhalt und Zeitpunkt Klarheit schafft. Eine Adoption soll nicht daran scheitern, dass Eltern, die materiell durchaus bereit sind, sich von ihrem Kind zu trennen, aus Scheu, Eigensinn oder Bequemlichkeit sich weigern, umständliche Formerfordernisse zu erfüllen, oder aus objektiven Gründen - etwa mangels beständigen Aufenthalts - hiezu nicht bewogen werden können. Darum unterstellt Artikel 265a Absatz 2 des Entwurfes die Zustimmung der Eltern nicht der öffentlichen Beurkundung, sondern verlangt nur, dass sie mündlich oder schriftlich gegenüber der Vormundschaftsbehörde erklärt und von dieser im Protokoll vorgemerkt werde. Sie kann vor der Vormundschaftsbehörde mündlich zu Protokoll erklärt oder ihr schriftlich zugestellt werden. Im zweiten Fall darf sie von Dritten, z. B. vom Beistand des ausserehelichen Kindes, aufgesetzt werden. Weiter gehende Formerfordernisse sind angesichts der in Artikel 2650 Absatz 2 des Entwurfes eingeräumten Widerrufsmöglichkeit nicht nötig. Die vierfache örtliche Zuständigkeit soll die Abgabe der Zustimmungserklärung erleichtern.

Für das Gelingen der Fremdadoption ist es meist wesentlich, dass die Adoptiveltern den leiblichen Eltern nicht bekanntgegeben werden. Die Zulässigkeit der Blanko- und der Inkognito-Zustimmung ist aber im heutigen Recht umstritten'°>. Der Entwurf erklärt darum in Artikel 265a Absatz 3 ausdrücklich, dass die Zustimmung auch gültig sei, wenn die künftigen Adoptiveltern nicht genannt oder überhaupt noch nicht bestimmt
sind. Damit wird ein dringendes Postulat der Praxis erfüllt71'. Wird allerdings eine solche Zustimmung von Eltern abgegeben, denen die elterliche Gewalt zusteht, so setzen sie sich ausserstande, diese künftig auszuüben. In einem solchen Falle muss dem Kinde für die Zeit bis zum Vollzug der Adoption nach Artikel 286a des Entwurfes ein Vormund bestellt werden. Die Bestellung des Vormundes, die den Wegfall der elterlichen Gewalt bewirkt, steht der Vormundschaftsbehörde zu; 68

> Nach Art. 5 Ziff. 4 der Strassburger Konvention soll die Sperrfrist wenigstens sechs Wochen betragen. Andere Rechte sehen teils kürzere, teils längere Fristen vor: von Overbeck, ZRV 1968, 11.

69 > Parallele zu Art. 226c OR über den Abzahlungsvertrag.

'"> Hegnauer, N. 15, 16 zu Art. 265 ZGB; ZVW 1950, 61 ; Zentralblatt 1953, 364.

71 > Spitzer G., Der Blankoverzicht bei der Adoption, ZVW 1968, 81,

1227 es braucht kein Entziehungsgrund im Sinne von Artikel 285 Absatz l ZGB vorzuliegen, und das Verfahren bestimmt sich nach Artikel 379 ff., nicht nach Artikel 288 ZGB.

Das Erfordernis der elterlichen Zustimmung will die persönliche Beziehung der Eltern zum Kinde achten. Hiezu besteht keine Veranlassung, wo eine solche Beziehung überhaupt nicht oder nur in geringem Masse vorhanden ist. Das ist bei Eltern von Kindern, die für eine Adoption in Betracht kommen, nicht ungewöhnlich. Darum bedarf der Grundsatz der elterlichen Zustimmung gewisser Ausnahmen, die Artikel 265c Absatz l des Entwurfes regelt. Unbestritten ist der Fall von Ziffer l, dass nämlich die Zustimmung aus objektiven Gründen nicht eingeholt werden kann, weil ein Elternteil unbekannt oder während längerer Zeit unbekannt abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. Unbekannt sind u. a. die Eltern eines Findelkindes im Sinne von Artikel 330 ZGB und der beklagte Vater während des Vaterschaftsprozesses. Mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend sind Eltern, welche ihre Adresse den Pflegeeltern oder dem Vormund des Kindes nicht bekanntgeben und auch mit den nach den Umständen gebotenen Erhebungen nicht erreicht werden können.

Dauernd urteilsunfähig kann ein Elternteil infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche sein. Nicht erforderlich ist, dass er nach Artikel 369 ZGB entmündigt sei; immerhin sollte in diesem Falle, wie im Falle von Artikel 141 ZGB, dauernde Urteilsunfähigkeit nur auf Grund ärztlicher Feststellung angenommen werden.

Schwieriger ist dagegen die Frage, ob von der elterlichen Zustimmung abgesehen werden könne, wenn sie verweigert wird. Nach § 1747 Absatz 3 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches ist das zulässig, wenn der betreffende Elternteil seine Pflichten gegenüber dem Kind dauernd gröblich verletzt oder die elterliche Gewalt verwirkt und die Einwilligung böswillig verweigert hat; zudem muss das Unterbleiben der Adoption dem Kind zu unverhältnismässigem Nachteil gereichen72). § 181 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches stellt dagegen lediglich darauf ab, ob gerechtfertigte Gründe für die Weigerung vorliegen. Einen Mittelweg beschreitet Artikel 348-6 des französischen Code civil. Danach ist die elterliche Einwilligung entbehrlich, wenn ihre Verweigerung als missbräuchlich anzusehen ist, weil
die Eltern sich um das Ergehen des Kindes so wenig gekümmert haben, dass es in seinem körperlichen oder geistigen Wohle gefährdet wurde. Der Entwurf folgt in Artikel 265c Absatz l Ziffer 2 grundsätzlich dieser Lösung, indem von der Zustimmung soll abgesehen werden können, wenn die Eltern sich um ihr Kind nicht ernstlich gekümmert haben. Ein Elternteil kümmert sich nicht ernstlich um das Kind, wenn er die Sorge völlig ändern überlässt, wenn er ihm weder nachfragt noch sonst an dessen Ergehen Anteil nimmt. Die .Voraussetzung kann auch erfüllt sein, wenn Unterhaltsleistungen erbracht werden, die Verant72)

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat 1968 die Verfassungsmässigkeit von § 1747 Abs. 3 BGB, im besonderen dessen Vereinbarkeit mit Art. 6 - dem Familienschutzartikel - des Bonner Grundgesetzes bejaht, BVerfGE 24 (1969) 119 S.; Engler W., Zum Erfordernis der elterlichen Gewalt, FamRZ 1969, 63 ff.

1228 wortung für das Kind auf andere Weise aber nicht betätigt wird. Es kommt somit nur darauf an, ob die Eltern eine lebendige Beziehung zum Kinde aufgebaut und unterhalten haben. Die weitere Voraussetzung, dass das Verhalten der Eltern das Wohl des Kindes beeinträchtigt habe, ist dagegen nicht gerechtfertigt; denn die nachteiligen Folgen können ohne ihr Zutun ausgeblieben oder abgewendet worden sein. Da zudem vor allem das Interesse des Kindes an der Adoption auf dem Spiele steht, kann auch nichts darauf ankommen, ob die leiblichen Eltern ihre Pflichten schuldhaft vernachlässigt haben oder hiefür äussere Gründe verantwortlich sind.

Im allgemeinen ist dabei nach Artikel 265c Absatz 2 des Entwurfes auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Adoption abzustellen. Ist aber ein Kind von Anfang an zum Zwecke späterer Adoption bei Pflegeeltern untergebracht worden, was bei der Fremdadoption die Regel ist, so muss der Zeitpunkt dieser Plazierung massgebend sein. Haben die Eltern bis dahin dem Kind nicht nachgefragt, so sollen sie die Adoption nicht mehr vereiteln können, wenn sie später ändern Sinnes werden, das Kind aber an seinem Pflegeplatz bereits fest verwurzelt ist. Tatsache und Zeitpunkt der Plazierung dürften sich, wenn ein Vormund oder eine Vermittlungsstelle gehandelt hat, ohne weiteres aus den Akten ergeben. Ist die Zustimmungsbefugnis der Eltern verwirkt, so kann sie auch später durch Anerkennung (Art. 303 ZGB) oder Ehelicherklärung (Art. 258 ZGB) oder Betätigung elterlicher Zuneigung nicht wieder erworben werden. Immerhin hat die Behörde zu prüfen, ob die Adoption angesichts der veränderten Einstellung der Eltern noch im Interesse des Kindes liege. In allen anderen Fällen hängt es von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Adoption ab, ob auf die Zustimmung der Eltern verzichtet werden kann. So sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Adoption massgebend, wenn sich die Adoptionsabsicht erst nach der Unterbringung des Kindes entwickelt, wie dies bei der Stiefkind- und Verwandtenadoption regelmässig, bei der Adoption gewöhnlicher Pflegekinder gelegentlich der Fall ist.

Dem Elternteil, auf dessen Zustimmung verzichtet wird, weil er sich um das Kind nicht gekümmert hat, steht nach dem neu zu formulierenden Artikel 44 Buchstabe b des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (=Abschn. II
Ziff. 3 des Entwurfes) im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung die Berufung ans Bundesgericht offen. Damit die Berufungsfrist in Gang gesetzt wird, muss ihm nach Artikel 265c Absatz 3 des Entwurfes der Entscheid schriftlich mitgeteilt werden. Die Vorschrift von Artikel 268 Absatz 3 des Entwurfes über die Geheimhaltung der Adoptiveltern findet auch in diesem Falle Anwendung.

1229 3.5.2 Wirkungen der Adoption 3.5.2.1 Volladoption und Monismus der Adoption (Art. 267 Abs. l und 2) Das ZGB legt - den Kodifikationen des 19. Jahrhunderts folgend - der Adoption nur einzelne Wirkungen des ehelichen Kindesverhältnisses bei. Sie betreffen vor allem den Familiennamen, die Unterhaltspflicht, die elterliche Gewalt und - mit starken Einschränkungen - das Erbrecht, während im übrigen das angestammte Kindesverhàltnis fortdauert. Das Adoptivkind wird mit dieser sogenannten schwachen Adoption nur zum Teil aus seiner leiblichen Familie gelöst und in die Adoptivfamilie eingegliedert. Es gehört gleichzeitig beiden Familien an. Liess sich der Gesetzgeber dabei von der Rücksicht auf vermeintlich überwiegende Interessen der Adoptierenden und deren Familie leiten, so zeigen die Erfahrungen, dass diese Doppelstellung in den weitaus meisten Fällen von den Adoptierenden abgelehnt wird und auch dem Wohl des Kindes widerspricht. Das leuchtet in bezug auf die Fortdauer des Besuchsrechts73*, der Unterstützungspflicht74* und des Erbrechts ohne weiteres ein.

Ebenso nachteilig ist auch, dass die leiblichen Eltern ausfindig machen können, von wem das Kind adoptiert worden ist76'. Wenn die Adoption gleichwohl FUSS zu fassen vermochte, so keineswegs wegen, sondern trotz ihrer Beschränkten Wirkungen, bemühen sich doch die Adoptiveltern wie auch die Vormünder des Kindes regelmässig, jene Folgen des leiblichen Kindesverhältnisses soweit nur immer möglich auszuschalten. Das zeigt deutlich, dass ein Bedürfnis für ihre Beibehaltung nicht besteht. Die tragende Idee der Adoption ist, dass ein Kind bei den Adoptiveltern das bergende Heim finde, das seine leiblichen Eltern ihm nicht zu geben vermögen. Sind diese mit ihrem Kinde durch ein lebendiges Verhältnis verbunden, so braucht es keine Ersatzfamilie.

Das gilt auch, wenn ein Kind in Pflege genommen wird, um einer bedrängten verwandten, befreundeten oder fremden Familie einen Dienst zu erweisen, ohne dass beabsichtigt ist, die leiblichen Eitern zu ersetzen. Hier genügt ein gewöhnliches Pflegekindverhältnis, das gegebenenfalls durch Übernahme der Vormundschaft, Namensänderung und erbiechtliche Begünstigung im Rahmen der verfügbaren Quote befestigt werden kann. Ein Grund für die Herstellung familienrechtlicher Beziehungen, und sei es auch nur derjenigen der
schwachen Adoption, besteht hier nicht. Fehlt dagegen i ein näheres persönliches Verhältnis und geht es darum, dem familienlosen Kinde Eltern zu geben, so hat es auch kein Interesse daran, mit seiner leiblichen Familie rechtlich verbunden zu bleiben. Die rechtliche Doppelstellung entspricht daher in keiner Weise den tatsächlichen sozialen Gegebenheiten. Diese sind vielmehr ganz darauf angelegt, das Adoptivverhältnis so umfassend und ausschliesslich zu gestalten, wie es dem ehelichen Kindesverhàltnis eigen ist. Demgegenüber trägt das durch die schwache Adoption begründete Verhältnis den Stempel des Wider73 > Hegnauer, N. 36 zu Art. 268 ZGB.

'4> Hegnauer, N. 30 zu Art. 268 ZGB.

6 ' > Art. 138, 140 Zivilstandsverordnung; Hegnauer, Art. 267 N. 37; SJZ 1969, 93.

Bundesblau. 123. Jahrg. Bd. I

76

1230 sprüchlichen, indem es das Kind zwischen die leibliche und die Adoptivfamilie stellt. In dem für seine persönliche Entwicklung massgebenden gesellschaftlichen Bereich wird das Kind der Adoptivfamilie zugeordnet; gleichzeitig bleibt es aber rechtlich an seine ursprüngliche Familie gekettet, obwohl dieser Beziehung ausser der Tatsache der Abstammung die lebendige Substanz fehlt.

Wegen dieser schweren Nachteile der schwachen Adoption hat sich in der neuern Gesetzgebung die starke oder Volladoption durchgesetzt, welche dem Adoptivkind grundsätzlich die Stellung eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern einräumt und es praktisch völlig aus seiner bisherigen Familie löst76*. Diesen Grundsatz macht sich auch der Entwurf in Artikel 267 Absatz l zu eigen.

Ist die Einführung der Volladoption dem Grundsatz nach unbestritten, so gehen die Meinungen darüber auseinander, ob daneben wie in Belgien7? >, Frankreich78) und Italien79' die bisherige schwache Adoption beizubehalten sei. Eine solche Lösung, wie sie namentlich von der Konferenz der Aufsichtsbehörden im Zivilstandswesen befürwortet wird, ist jedoch abzulehnen. Abgesehen von den genannten Nachteilen der schwachen Adoption besteht auch kein wirkliches Bedürfnis für ihre Beibehaltung. Die durch die Volladoption bewirkte Zuordnung des Kindes zur Adoptivfamilie betrifft nur das rechtliche Verhältnis. Bestehen ausnahmsweise persönliche Beziehungen zwischen dem Adoptivkind und der angestammten Familie, so können sie freiwillig weitergepflegt werden. Bei der Adoption durch eine befreundete oder verwandte Familie ergibt sich das von selbst, ebenso wenn ein urteilsfähiges Kind oder ein Erwachsener adoptiert wird. Der Dualismus einer schwachen und einer starken Adoption wäre im übrigen mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden, Hesse sich doch das Verhältnis der beiden Kategorien nicht leicht regeln. Keinesfalls ginge es an, die Volladoption auf aussereheliche Kinder zu beschränken. Denn ein scheineheliches Kind, dessen Ehelichkeit nicht angefochten wird, und eine Waise können ebenso hilflos und verlassen sein wie ein aussereheliches Kind. Ebensowenig dürfte den Adoptiveltern die Wahl freigestellt werden. Denn sonst könnte es geschehen, dass in einer Familie nebeneinander Kinder beider Kategorien lebten. Mögen für die Zivilstandsbeamten keine
besonderen Schwierigkeiten damit verbunden sein, so liegt doch auf der Hand, dass die materiellrechtlichen Beziehungen in einer solchen Familie sich höchst unübersichtlich gestalten würden und die ungleiche Rechtsstellung einem gedeihlichen Verhältnis der Adoptivgeschwister nicht förderlich wäre. Schliesslich dürfte das Nebeneinander der beiden Kategorien auch internationalrechtliche Komplikationen nach sich ziehen.

") Ancel 45/46; von O verbeck, ZSR 19671 257; Bosch, FamRZ 1970, 503/504.

"»Adoption: Art. 345-367; légitimation par adoption: Art. 368-370 CC; dazu Schnyder H. R., ZZW 1970, 5 ff.

78 ' ' Adoption plénière: Art. 343-359; adoption simple: Art. 360-370-2 CC.

78 > Adozione: Art. 291-314; adozione speciale: Art. 314/1-314/28 CC; dawJayme E., Rechtsvergleichende Betrachtungen zur Einführung der Volladoption in Italien, FamRZ 1969, 527 ff.

1231 3.5.2.2 Konsequenzen (Art. 267 Abs. 2 und 3, Art. 328 Abs. 2) Die Wirkungen der Volladoption sind in ihrem persönlichen Bereich unbeschränkt. Sie beziehen sich auch auf das Verhältnis des Adoptivkindes und seiner Nachkommen zur Verwandtschaft der Adoptiveltern. Das Adoptivkind wird somit verwandt mit den Eltern, den Kindern und ändern Verwandten der Adoptiveltern; es tritt in ihre Schwägerschaft ein. MUSS es sich jedermann gefallen lassen, dass seine Verwandtschaft ohne sein Zutun durch Heirat wie auch durch eheliche oder aussereheliche Zeugung erweitert wird, so bestehen keine Bedenken, jene Wirkungen einem familienrechtlichen Verhältnis beizulegen, das nicht auf Willkür der Beteiligten beruht, sondern eine besondere innere Rechtfertigung voraussetzt.

Das Prinzip der Volladoption bedarf nur bei der Stief kindadoption einer Einschränkung, indem hier nach Artikel 267 Absatz 2 das Kindesverhältnis zum Elternteil, der mit dem adoptierenden Stiefelternteil verheiratet ist, nicht erlischt, sondern neben dem durch Adoption begründeten fortbesteht.

Sachlich betreffen die Wirkungen der Adoption wie bisher vorab den Familiennamen (Art. 270 ZGB), nicht zu verwechseln mit dem Personennamen (Art. 275 Abs 3 ZGB), der unter Vorbehalt von Artikel 267 Absatz 3 des Entwurfes unverändert bleibt; darnach können die Adoptiveltern dem Adoptivkind einen neuen, im Adoptionsentscheid festzuhaltenden Personennamen geben, ohne dass sie zu diesem Zwecke ein Namensänderungsverfahren (Art. 30 ZGB) durchzuführen brauchen. Die Pflicht zu Beistand und Rücksicht (Art. 271 ZGB), überdies gegenüber Unmündigen die elterliche Gewalt (Art. 273-282), die elterlichen Vermögensrechte (Art. 290-294) und die Unterhaltpflicht (Art. 272) bilden Gegenstand weiterer Wirkungen. Die umstrittene Frage, ob die Unterhaltspflicht der leiblichen Eltern erlösche80 \ wird mit der Volladoption eindeutig entschieden. Die Unterstützungspflicht wird, wie Artikel 328 Absatz 2 des Entwurfes bestätigt, künftig nur im Verhältnis zwischen dem Adoptivkind und der Adoptiwerwandtschaft bestehen. Mit dem bisherigen Kindesverhältnis geht auch das Besuchsrecht der leiblichen Eltern unter, was aber, wie erwähnt, nicht ausschliesst, dass der persönliche Verkehr mit Einwilligung der Adoptiveltern weitergeführt wird. Reflexwirkungen der Volladoption auf das
Verwaltungsrecht, im besonderen das Steuerrecht81), dürften nicht ausbleiben.

3.5.2.3 Ehehindernis im besonderen (Art. 100,120 Ziff. 3,129) Einer besonderen Regelung bedarf das Ehehindernis der Verwandtschaft.

Die Natur der Sache gebietet, trotz Einführung der Volladoption in Artikel 267 Absatz l und 2 des Entwurfes, dass es zwischen Adoptivkind und natürlicher Familie nicht erlösche; Artikel 100 Absatz 3 des Entwurfes bestätigt dies.

80

> Hegnauer, N. 29 zu Art. 268 > BGE 961 57

81

'

1232 In der Adoptivfamilie gilt das Ehehindernis der Verwandtschaft heute (Art. 100 Ziff. 3 ZGB) nur zwischen dem Adoptivkind und einem Adoptivelternteil oder zwischen einem von diesen und dem Ehegatten des anderen. Diese Beschränkung erübrigt sich, nachdem das Adoptivkind mit der Einführung der Volladoption unbeschränkt in die Verwandtschaft und Schwägerschaft der Adoptiveltern eintritt. Es empfiehlt sich, diese Verwandtschaft und Schwägerschaft grundsätzlich im normalen Umfang als Ehehindernis zu behandeln.

Dem genannten Zwecke dient Artikel 100 Absatz l Ziffer l des Entwurfes ( = Art. 100 Ziff. l ZGB mit einer entsprechenden Ergänzung, wahrend Ziffer 3 sich streichen lässt und Ziffer 2 keiner Ergänzung bedarf, damit sie auch die Schwägerschaft kraft Volladoption umfasst).

Das Ehehindernis hat hier jedoch nicht die nämliche Bedeutung wie zwischen Blutsverwandten. Darum rechtfertigt es sich, auf dem Wege des Dispenses von dem durch Adoption begründeten Ehehindernis in der Seitenlinie und der Schwägerschaft zu befreien, wenn schwerwiegende Gründe hiefür vorliegen; die entsprechende Bestimmung von Artikel 100 Absatz 2 des Entwurfes ist der Bestimmung von Artikel 96 Absatz 2 ZGB nachgebildet. Eine Eheschliessung zwischen dem Adoptivkinde und einem Adoptivelternteil oder zwischen einem von diesen und dem Ehegatten des ändern ist nach geltendem Recht zwar verboten, doch hat die Übertretung des Verbotes nach heute geltendem Artikel 129 keine Nichtigkeit der Ehe, sondern die Aufhebung der Adoption zur Folge. Der Entwurf beseitigt diese Bestimmung in der Meinung, dass eine Eheschliessung zwischen Adoptivverwandten in gerader Linie schlechthin verboten und eine in Übertretung des Verbotes geschlossene Ehe nichtig sein soll. Im Zusammenhang damit ist in Artikel 120 Ziffer 3 von «Verwandtschaft» anstatt von «Blutsverwandtschaft» die Rede; diese redaktionelle Korrektur betrifft nur den deutschen Wortlaut. Das Eheverbot zwischen dem Adoptivkind oder einem Adoptivelternteil und dem Ehegatten des ändern wäre dagegen wie erwähnt dem Dispens zugänglich.

3.5.2.4 Bürgerrecht im besonderen (Art. 267a) Nach geltendem Recht berührt die Adoption das Bürgerrecht des Adoptivkindes nicht82'. Das Prinzip der Einheit der Familie, das namentlich im Niederlassungs-, Fremdenpolizei- und Fürsorgerecht Folgerungen hat, wird
hier nicht anerkannt. Ist das Kind Ausländer, so braucht es einen fremden Pass und eine Aufenthaltsbewilligung. Daraus erwachsen der Adoptivfamilie mit unmündigen Kindern mannigfache Nachteile. Das Postulat Allemann verlangte Abhilfe gerade in diesem Punkte. Seither gestattet Neuenburg schweizerischen Adoptivkindern unter sechzehn Jahren die erleichterte Einbürgerung, und Luzern, Schwyz, Nidwaiden, Zug, Basel-Stadt, Basel-Land, Schaff hausen und Tessin lassen unmündige schweizerische Adoptivkinder von Gesetzes wegen in das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Adoptiveltern eintreten.

Die Adoption verschafft dem Adoptivkind das Bürgerrecht der Adoptiveltern ""> Hegnauer, N. 23 ff. zu Art. 268.

1233 in Grossbritannien, Irland, den Niederlanden und, bei der Volladoption, in Frankreich und Italien.

Der Entwurf übernimmt diesen Grundsatz in Artikel 267a für den Erwerb des Kantons- und Gemeindebürgerrechts, im neu zu formulierenden Artikel 7 des Bürgerrechtsgesetzes (BüG) ( = Abschn. II Ziff. 2 des Entwurfes) für den Erwerb des Schweizerbürgerrechts. Ergänzend dazu bestimmt der neu vorgeschlagene Artikel Sa BüG, dass ein unmündiger Schweizerbürger das Schweizerbürgerrecht mit der Adoption durch ausländische Adoptiveltern verliert, wenn er dank ihr die ausländische Staatsangehörigkeit der Adoptiveltern erwirbt oder diese neben dem Schweizerbürgerrecht bereits besitzt: ein Grundsatz, den Artikel 8 BüG bereits für das aussereheliche Kind anwendet. Endlich erübrigt sich in Artikel 15 Absatz 3 BüG die Begünstigung des ausländischen Adoptivkindes bei der ordentlichen Einbürgerung; sie lässt sich streichen, da das ausländische Adoptivkind mit der Adoption das Schweizerbürgerrecht von Gesetzes wegen erwirbt.

Die Befürchtung, die Adoption könnte, wie die Ehe, zur Umgehung der Bestimmungen über den Erwerb des Schweizerbürgerrechts missbraucht werden83', ist unbegründet. Denn im Gegensatz zu dieser unterliegt die Adoption einer eingehenden behördlichen Prüfung. Darum ist die Gefahr des Missbrauchs auch viel geringer als bei der Legitimation durch nachfolgende Ehe (Art. 258/259 ZGB) und der Anerkennung mit Standesfolge (Art. 303 ZGB). Zudem ist der Bürgerrechtserwerb auf Unmündige beschränkt, welche der Assimilation von vornherein leichter zugänglich und regelmässig während kürzerer oder längerer Zeit im Haushalt der Adoptiveltern aufgewachsen sind84). Mit der Nachfolge des Adoptivkindes in das Bürgerrecht der Adoptiveltern wird nicht nur das wichtige familienpolitische Postulat der rechtlichen Einheit der Familie verwirklicht, sondern auch das heikle internationalrechtliche Problem der Anerkennung der Adoption in der Heimat des Adoptivkindes wesentlich vereinfacht.

Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers ergibt sich aus Artikel 64 Absatz 2 der Bundesverfassung, kann er doch bei Regelung des Zivilrechts annexweise auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen erlassen, die für die Ordnung, die er herstellen will, unentbehrlich sind85). Diese Voraussetzung ist erfüllt, soweit das ZGB im Interesse der
Familiengemeinschaft das Bürgerrecht des Familienhauptes auf Ehefrau und Kinder überträgt88'. Legt der Bundesgesetzgeber der Adoption künftig die vollen Wirkungen des ehelichen Kindesverhältnisses bei, so anerkennt er sie neben der Abstammung als gleichwertige Grund83

> In diesem Sinne zuletzt Gervasoni M., Das Bürgerrecht des Adoptivkindes, Zeitschrift für Zivilstandswesen = ZZW 1970, 98 ff, ; dagegen Blunschy-Steiner, Zeitschrift für Gemeinnützigkeit 1970, 229.

84 > Ähnlich erwirbt nach Art. 2 Abs. l Buchst, c Bürgerrechtsgesetz nur das während der Unmündigkeit anerkannte ausländische Kind das Schweizerbürgerrecht.

85 > Burckhardt, Kommentar 588; Huber, N. 8 zu Art. 6 ZGB; Widmer P., Normkonkurrenz und Kompetenzkonkurrenz (Diss. Zürich 1966) 79.

"> Imboden, Zentralblatt 1966, 141.

1234 läge der Familie und muss demgemäss, wie Prof. Aubert in seinem Gutachten vom 28. Juni/17. September 1969 überzeugend darlegt, die Adoptivfamilie auch mit einem einheitlichen Bürgerrecht ausstatten dürfen. Das Prinzip dieser Einheitlichkeit legt es auch nahe, das Adoptivkind, welches bereits das Schweizerbürgerrecht besitzt und nach Artikel 267« des Entwurfes das Kantons- und , Gemeindebürgerrecht der Adoptiveltern erwirbt, sein bisheriges Kantons- und Gemeindebürgerrecht trotz den Bedenken, die Prof. Aubert gegen diese Konsequenz äussert, verlieren zu lassen.

3.5.2.5 Erbrecht im besonderen (Art. 465) Am ausgeprägtesten ist die Zwitterstellung des Adoptivkindes im Erbrecht. Sie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet : - Das gegenseitige Erbrecht zwischen dem Adoptivkind und seinen leiblichen Verwandten besteht fort (Art. 268 Abs. l ZGB).

- Das Erbrecht in der Adoptivfamilie ist beschränkt : - Das Adoptivkind hat ein Erbrecht gegenüber dem Adoptierenden; dieser ist aber gegenüber dem Kind nicht erbberechtigt (Art, 465 Abs. 2 ZGB).

- Das Erbrecht des Adoptivkindes entspricht zwar an sich dem eines ehelichen Kindes, kann aber durch Vereinbarung beschränkt oder beseitigt werden (Art. 268 Abs. 3 ZGB).

- Das Erbrecht des Adoptivkindes besteht nicht gegenüber den Verwandten des Adoptierenden (Art. 465 Abs. l ZGB).

Diese erbrechtliche Ordnung hat mannigfache Nachteile. Zunächst hindert die Fortdauer der Erbberechtigung zwischen dem Adoptivkind und seinen leiblichen Verwandten die Wahrung des Adoptionsgeheimnisses. Sodann hat sie bei Adoption eines verwandten Kindes die schwerwiegenden Komplikationen der doppelten erbrechtlichen Berufung in der leiblichen Verwandtschaft und in der Adoptivfamilie zur Folge8'). Überaus stossend ist im weitern, dass das Vermögen des vorverstorbenen Adoptivkindes, das es vielleicht gerade dank der ihm von den Adoptiveltern gewährten guten Ausbildung erwerben konnte, an die leiblichen Verwandten fällt, die sich nie um es gekümmert haben. Die für den Ausschluss des Erbrechts des Adoptierenden seinerzeit angeführten Gründe, die Adoption dürfe für den Adoptierenden keine Spekulation mit sich führen und es erscheine unbillig, wenn die natürlichen Eltern des Adoptivkindes durch ein Erbrecht des Adoptierenden in ihren Ansprüchen geschädigt oder gar vollständig hinter
diesen zurückgesetzt werden88', erscheinen nach den Erfahrungen der Adoptionspraxis als unstichhaltig.

Fragwürdig ist aber auch die Möglichkeit, das Erbrecht des Adoptivkindes vertraglich abweichend zu regeln. Regelmässig wird davon durch Wegbe87 88

> Piotet, ZbJV 7967, 185.

> Eri. I 327.

1235 dingung des Pflichtteils Gebrauch gemacht. Diese Möglichkeit öffnet jedoch der Willkür der Adoptiveltern Tür und Tor, bringt das Adoptivkind nicht selten in unwürdige Abhängigkeit von ihnen und wirkt sich auf das Verhältnis mehrerer Kinder ungünstig aus. Zudem bereiten Auslegung und Anwendung solcher Vereinbarungen nicht selten erhebliche Schwierigkeiten, wenn die Familienverhältnisse sich nach der Adoption durch Heirat, Scheidung, Geburt leiblicher oder Adoption weiterer Kinder verändert haben. Die Häufigkeit solcher Vereinbarungen rechtfertigt den Schluss nicht, sie müssten auch weiterhin gestattet werden, bezwecken sie doch weniger, den Adoptiveltern gegenüber dem Adoptivkind selbst freie Hand zu geben, als vielmehr zu verhüten, dass deren Nachlass bei kinderlosem Versterben des Adoptivkindes an dessen leibliche Verwandten falle. Die Befugnis zur Wegbedingung des gesetzlichen Erbrechts des Kindes im geltenden Recht ist somit die notwendige Korrektur des Erbrechts der leiblichen Verwandten, und umgekehrt bildet dieses den notwendigen Ersatz für das fehlende unbedingte Erbrecht in der Adoptivfamilie. Die Wegbedingung dieses Erbrechts lässt sich auch nicht mit den R isiken der Adoption rechtfertigen. Nicht nur vermag sorgfältige Vorbereitung der Adoption diese erheblich zu vermindern. Solche Risiken bestehen vielmehr auch bei der Eheschliessung und der leiblichen Kindschaft und werden durch die Bestimmungen über die ErbunWürdigkeit, die Enterbung und die Testierfreiheit im Rahmen der verfügbaren Quote ausreichend berücksichtigt. Auch kann ein ungünstiger Verlauf der Adoption durch die Adoptiveltern selbst verschuldet werden. Diese bieten zudem keine Gewähr dafür, dass sie von ihrer Verfügungsfreiheit in gerechter Weise Gebrauch machen. Wer ein fremdes Kind wirklich als eigenes annehmen will, tut es für gute und schlechte Tage. Vorbehalte, seien sie auch nur erbrechtlicher Art, sind damit nicht vereinbar.

Schliesslich erscheint auch die erbrechtliche Isolierung des Adoptivkindes gegenüber den Verwandten des Adoptierenden nicht gerechtfertigt. Müssen sie doch auch hinnehmen, dass ihr Erbrecht gegenüber dem Adoptierenden durch die Adoption ausgeschlossen wird. Ebenso kann niemand hindern, dass seine Angehörigen durch Heirat und Zeugung gesetzliche Erben schaffen 89 ).

Eine befriedigende Lösung
kann auch hier nur durch Übergang zur Volladoption gefunden werden. Der Entwurf sieht darum in Artikel 465 vor, dass die Erbberechtigung in der leiblichen Familie erlischt und in der Adoptivfamilie die vollen erbrechtlichen Wirkungen des ehelichen Kindesverhältnisses eintreten. Diese Lösung ist vorgezeichnet im Strassburger Übereinkommen (Art. 10 Ziff. l, 2 und 5). Ihre weite Verbreitung in der ausländischen Gesetzgebung905 entkräftet die Befürchtung, es könnte damit die Bereitschaft von Pflegeeltern zur Adoption ernstlich geschwächt werden. Der Auflösung der erbrechtlichen Beziehungen zur leiblichen Familie entspricht die Einräumung des vollen pflichtteilsgeschützten Erbrechts in der Adoptivfamilie, und zwar 8

»> Piotet, ZbJV 1967, 197.

">> Norwegen, England, Niederlande, Frankreich für die adoption pionière: Poetisch P., La filiation adoptive en droit comparé (Thèse Lausanne 1960) 40/41.

1236 auch im Verhältnis zu den Verwandten der Adoptiveltern. Da das Adoptivkind nach dem Entwurf regelmässig gemeinsames JCind der Adoptiveltern ist, können diese einander gemäss Artikel 473 ZGB begünstigen. Für eine weitergehende Zurücksetzung des Adoptivkindes im Verhältnis zum überlebenden Adoptivelternteil besteht kein Bedürfnis.

3.5.3 Verfahren (Art. 268, 268 a) 3.5.3.1 Verzicht auf öffentliche

Beurkundung

Nach geltendem Recht erfolgt die Adoption auf Grund einer öffentlichen Urkunde mit Ermächtigung der zuständigen Behörde (Art. 267 Abs. l ZGB).

Verfahren und sachliche Zuständigkeit werden vom kantonalen Recht sehr unterschiedlich geregelt91'. Ist in einem Kanton nur die Erklärung des Adoptierenden zu beurkunden, so in einem ändern auch die des Kindes, der leiblichen Eltern und des Ehegatten. Die Ermächtigung wird je nach dem Kanton von einer Gemeindebehörde, einer obern Verwaltungsinstanz oder einem Gericht ausgesprochen. Das Verfahren erfährt eine weitere Komplikation dadurch, dass die Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde zur Adoption bevormundeter Kinder teils vor der behördlichen Ermächtigung vorliegen muss, teils erst am Schluss erteilt wird. Diese verwirrende Vielfalt, die nicht altüberliefertes Rechtsgut, sondern zufälliges Ergebnis jüngerer partikulärer Rechtsbildung darstellt, erschwert nach dem Zeugnis erfahrener Amtsvormünder die fürsorgerisch erwünschte interkantonale Adoption in hohem Masse.

Überdies verursacht sie erhebliche Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung der einzelnen Verfahrensabschnitte und allfälliger ihnen anhaftenden Mängel.

Die Neugestaltung des Adoptionsrechts muss daher auch eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens anstreben.

Vorab drängt sich der Verzicht auf die öffentliche Beurkundung auf. Sie wurzelt in der Vorstellung, die Adoption sei ein Vertrag zwischen dem Adoptierenden und dem Kind. Indessen ist diese heute schon in den Kantonen aufgegeben, welche nur die Erklärung des Adoptierenden der Beurkundung unterstellen. Sie lässt sich denn auch auf die verbreitete Adoption von Kleinkindern nicht anwenden.

Vor allem aber ist die Vertragstheorie unvereinbar mit der entscheidenden Bedeutung der behördlichen Ermächtigung. Die neuere ausländische Gesetzgebung fasst daher, wie schon das römische Recht und die kantonalen Kodifikationen, die Adoption als staatlichen Hoheitsakt auf, der auf Antrag und mit Einwilligung bestimmter Personen ergeht92'. Für diesen Antrag ist eine besondere öffentliche Beurkundung, wie sie vom ZGB eingeführt wurde, so wenig 91

> Hegnauer, N. 3-10,17,18 zu Art. 267; Neue Gedanken zum Adoptionsverfahren, Pro Juventute 1970, 5 ff. ; Birrer A., Zum rechtlichen Charakter und zur Beurkundung der Adoption, SJZ 1969, 337.

92 > Ancel 29 ff. ; von Overbeck, ZSR 1967 I 258 ff. ; Bolla F., L'adozione svizzera non è contraria all'ordine pubblico italiano, Jus Gentium 1951, 21/22.

1237 nötig wie für das Begehren um irgendeine andere Standesänderung. Leitet das Gesuch der Adoptiveltern lediglich das Adoptionsverfahren ein, so bedarf es hiefür auch nicht eines feierlichen Rahmens im Gegensatz etwa zur Trauhandlung, welche konstitutive Wirkung hat. Notarielle Beratung und öffentliche Beurkundung sind auch wegen des Erbrechts nicht mehr nötig, wenn künftig abweichende Vereinbarungen wegfallen. Mit der erheblichen Vereinfachung des Verfahrens werden den Adoptiveltern überdies Beurkundungsgebühren erspart, die in einzelnen Kantonen eine beträchtliche Höhe erreichen. Angesichts der grossen sozialen Bedeutung der Adoption verdient auch dieser Vorteil Beachtung.

3.5.3.2 Zuständigkeit des Richters (Art. 268 Abs. 1) Für das nach Wegfall der öffentlichen Beurkundung verbleibende Adoptionsverfahren steht die Frage der sachlichen Zuständigkeit im Vordergrund.

Die neuen Regeln über die Voraussetzungen und die Wirkungen der Adoption erweitern die Aufgabe der Adoptionsbehörde wesentlich. Der sachgemässen Ordnung der Entscheidungsbefugnis kommt daher grosse Bedeutung zu. Sie ist künftig bundesrechtlich zu sichern.

In der eingreifenden Umgestaltung des Familienstandes ist die Adoption vergleichbar mit der Ehelicherklärung durch den Richter (Art. 260 ZGB\ mit der Anfechtung der Ehelichkeit (Art. 253), der Ehelicherklärung (Art. 262) und der Anerkennung (Art. 306), mit der Klage auf Abweisung des Einspruchs gegen eine Anerkennung (Art. 305) und auf Zusprechung mit Standesfolge (Art. 323), mit der Ordnung der Elternrechte und -pflichten bei der Scheidung (Art. 156/157), mit der Verschollenerklärung (Art. 50), mit der Feststellung eines streitigen Zivilstandes oder der Berichtigung eines umstrittenen Zivilstandsregistereintrags (Art. 45). Das Zivilgesetzbuch übertragt somit den Entscheid über Herstellung und Aufhebung des Familienstandes dem Richter.

Hievon sind nur Eingriffe geringerer Tragweite ausgenommen wie die Mündigerklärung (Art. 15), die Namensänderung (Art. 30) und die Ehemündigerklarung (Art. 96).

Dass bei der Adoption die unmittelbar Beteiligten meist einig sind, spricht nicht gegen die richterliche Kompetenz. Denn ebenso verhält es sich regelmässig bei der Ehelicherklärung durch den Richter und oft auch bei den übrigen angeführten Klagen. Umgekehrt kann die Frage, ob nicht andere
Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückgesetzt werden oder ob von der elterlichen Zustimmung abgesehen werden dürfe, auch eine Entscheidung zwischen entgegengesetzten Standpunkten notwendig machen.

Öffentliche Interessen stehen in den genannten familienrechtlichen Verfahren nicht weniger auf dem Spiel als bei der Adoption. Ihre Wahrung wird durch die Offizialmaxime gewährleistet, die von Bundesrechts wegen für alle Statussachen gilt 93) . Das gerichtliche Verfahren ist zudem formell strenger als 93

> Guldener, Zivilprozessrecht 147; BGE 82 II 3.

1238 das Verwaltungsverfahren und vermag darum eher die Funktionen der öffentlichen Beurkundung zu übernehmen. Im weitern bietet es auch den Vorteil grösserer Unmittelbarkeit, während beim Verwaltungsverfahren im allgemeinen die Stelle, welche den Fall materiell behandelt und den Entscheid vorbereitet, mit der Instanz, welche ihn nach aussen trifft, nicht identisch ist.

Aus diesen Gründen schlagen wir im Einklang mit der fast einstimmigen Expertenkommission vor, in Artikel 268 Absatz l des Entwurfes den Entscheid über die Adoption dem Richter zu übertragen, wie es übrigens auch die meisten ausländischen Staaten tun 84 '. Die damit erzielte Vereinheitlichung sprengt den Rahmen von Artikel 64 Absatz l und 2 der Bundesverfassung nicht. Die örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz der Adoptiveltern deckt sich mit dem geltenden Rechtszustand (Art. 267 Abs. l ZGB). Im übrigen bleiben Organisation und Verfahren dieser freiwilligen Gerichtsbarkeit95) bis auf Artikel 268 Absatz 2 und 3, Artikel 268a des Entwurfes und Artikel 44 Buchstabe b des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (=Abschn. II Ziff. 3 des Entwurfes) den Kantonen vorbehalten.

3.5.3.3 Übriges Verfahren (Art. 268 Abs. 2 und 3, Art. 268a) Das Verfahren wird nach Artikel 268 Absatz 2 des Entwurfes nicht schon gegenstandslos, wenn die Adoptiveltern während des Verfahrens sterben oder urteilsunfähig werden. Die Adoption kann trotzdem bewilligt werden, wenn sie im Lichte von Artikel 264 des Entwurfes noch einen Sinn behält. Diese Möglichkeit war bisher umstritten. Stirbt hingegen das Adoptivkind während des Verfahrens, so wird dieses selbstverständlich gegenstandslos.

Die Fremdadoption steht und fällt nach den Erfahrungen der Praxis mit der Wahrung des Adoptionsgeheimnisses. Damit soll namentlich verhütet werden, dass die leiblichen Eltern sich nachträglich in das Verhältnis zwischen dem Kind und seinen Adoptiveltern einmischen und damit das soziale Gelingen der Adoption gefährden oder beeinträchtigen. Der Entwurf sieht darum in Artikel 268 Absatz 3 ausdrücklich vor, dass die Adoptiveltern ohne ihre Zustimmung den Eltern des Kindes weder unmittelbar noch mittelbar bekanntgegeben werden dürfen. Diese Pflicht gilt für alle Amtsstellen, die sich mit der Adoption zu befassen haben, nicht nur für den Richter.

»*> von Overbeck, ZSR
7967 I 260. Die Zuständigkeit des Richters ist möglicherweise auch in Art. 6 Ziff. l der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgezeichnet, wonach der Richter über zivilrechtliche Ansprüche entscheidet. Der Begriff der zivilrechtlichen Ansprüche im Sinne dieser Bestimmung ist unklar, dazu schon BB11968 II1101 ; eine Klärung ist vom Ausgang der Streitsache Ringeisen gegen Österreich zu erwarten, die zurzeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hängig ist. - Eine richterliche Behörde ist in 5 Kantonen vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, deren Zuständigkeit, alternativ zu der Zuständigkeit der Kantonsregierung, die Vormundschaftsdirektorenkonferenz befürwortet, ZVW 1970, 131/132; Verzeichnis der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden in Egger, N. 21 zu Art. 361 ZGB.

6 * > Guldener, Freiwillige Gerichtsbarkeit 12.

1239

Der Richter darf sich nicht mit der Feststellung zufrieden geben, dass die formellen Voraussetzungen in bezug auf das Pflegeverhältnis, das Alter oder die Dauer der Ehe der Adoptierenden, den Altersunterschied und die Zustimmung der Beteiligten erfüllt seien. Zentrales Erfordernis der neuen Adoption ist nach Artikel 264 des Entwurfes, dass sie dem Wohl des Kindes diene, ohne andere Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückzusetzen. Ob das der Fall sei, kann nur auf Grund einer umfassenden Untersuchung aller Verhältnisse beurteilt werden. Diese «enquête sociale», der bereits heute einzelne Behörden grosse Beachtung schenken, kommt angesichts der Risiken der Adoption besondere Bedeutung zu. Sie wird darum im Strassburger Übereinkommen (Art. 9) eingehend geregelt und auch in Artikel 268a des Entwurfes ausdrücklich vorgeschrieben und umschrieben.

Zwecks Abklärung der Verhältnisse im Sinne von Artikel 268« Absatz l des Entwurfes bedient sich der Richter mit Vorteil erfahrener Sozialarbeiter.

Er holt ausserdem eine ärztliche Expertise ein, wenn die Erhebungen jener Sozialarbeiter an der psychischen oder physischen Gesundheit des Adoptivkindes oder, was schwerer wiegt, der Adoptiveltern im Sinne von Artikel 268a Absatz 2 Zweifel wecken sollten. Die wirtschaftliche Lage der Adoptiveltern im Sinne von Absatz 2 bedeutet die Fähigkeit, dem Adoptivkinde einen angemessenen Unterhalt zu gewähren; vermöglich zu sein brauchen die Adoptiveltern nicht, aber sie dürfen nicht gerade mittellos sein.

Heute ist die zivilrechtliche Berufung an das Bundesgericht gegen einen Adoptionsentscheid überhaupt nicht gegeben. Es rechtfertigt sich jedoch, sie künftig im neu gefassten Artikel 44 Buchstabe b des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege ( = Abschn. II Ziff. 3 des Entwurfes) für zwei besonders einschneidende Fälle vorzusehen. Der erste betrifft das Absehen von der Zustimmung der leiblichen Eltern, die sich um ihr Kind nicht ernstlich gekümmert haben. Ausserdem sollen Adoptionsbewerber - Eltern und Kind - gegen die Verweigerung der Adoption Berufung einlegen können.

3.5.4 Aufhebimg der Adoption (Art. 269-2690) Die Adoption wird nach Artikel 267 Absatz 2 des Entwurfes von Gesetzes wegen durch eine zweite Adoption aufgehoben, es sei denn, jemand adoptiere das Kind seines Ehegatten. Heiraten
sich Personen, denen im Hinblick auf das Ehehindernis der Adoption die Ehe verboten ist, so soll die Ehe nichtig anstatt umgekehrt, wie nach Artikel 129 ZGB, die Adoption von Gesetzes wegen aufgehoben sein ; zu diesem Zwecke soll Artikel 129 gestrichen und der deutsche Wortlaut von Artikel 120 Ziffer 3 redaktionell angepasst werden (oben Ziff. 3.5.2.3 am Ende).

Sodann stellt sich die Frage, ob die Adoption ungültig sei oder angefochten werden könne, wenn sie in Verletzung gesetzlicher Vorschriften zustandegekommen ist. Das geltende Recht beantwortet sie nicht. Die Praxis bietet ein widersprüchliches Bild. Es besteht Unsicherheit darüber, ob und unter welchen

1240 Voraussetzungen eine mangelhafte Adoption angefochten werden könne, wer hiezu legitimiert sei und wer hierüber zu entscheiden habe96'. Das neue Recht muss darum auch hierüber Klarheit schaffen. Es stellt dafür die Anfechtungsklage zur Verfügung.

Die Anfechtungsklage nach Artikel 269 ff. des Entwurfes zielt auf die nachträgliche Aufhebung einer Adoption ab, die sich für die Anfechtung auf dem Rechtsmittelweg nicht eignet, weil sie unter Mängeln leidet, die nicht vor Ablauf einer Rechtsmittelfrist zur Kenntnis der Anfechtungsberechtigten zu gelangen brauchen. Immerhin gebietet die Rechtssicherheit eine Frist auch für diese Klage; die Frist bemisst sich nach Artikel 2696 des Entwurfes auf sechs Monate seit der Entdeckung des Mangels, höchstens aber zwei Jahre seit der Adoption.

Die Klage ist nach Artikel 269 Absatz l zunächst zulässig, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung nicht eingeholt worden ist. Sie steht in diesem Fall dem betroffenen Zustimmungsberechtigten zu, nämlich dem Adoptivkind im Falle von Artikel 265 Absatz 2, seinen leiblichen Eltern im Falle von Artikel 265c Absatz l Ziffer l und dem Ehegatten des Adoptivkindes im Falle von Artikel 266 Absatz 3. Die fehlende Zustimmung führt jedoch für sich allein nicht zur Gutheissung der Klage; die Klage kann trotzdem abgewiesen werden, wenn die Aufhebung der Adoption das Wohl des Adoptivkindes ernsthaft beeinträchtigen würde. Je ernsthafter diese Beeinträchtigung erscheint, desto ausgeprägter ist der Vorrang, den das Kindeswohl vor dem Interesse der Zustimmungsberechtigten, die Adoption mangels Zustimmung wieder aufzuheben, geniesst.

Im Falle von Artikel 265c Absatz l Ziffer 2, wenn also die Zustimmung der leiblichen Eltern nicht eingeholt worden ist, weil sie sich um ihr Kind nicht gekümmert haben, steht ihnen nach Artikel 269 Absatz 2 die Klage nicht zu.

Hier stehen ihnen die Rechtsmittel unmittelbar gegen die Adoption zu; zu diesem Zweck ist ihnen der Entscheid darüber nach Artikel 265c Absatz 3 zu eröffnen. Letztinstanzliche kantonale Endentscheide im Sinne von Artikel 48 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) unterliegen nach dem neuen Artikel 44 Buchstabe b OG ( = Abschn. II Ziff. 3 des Entwurfes) der zivilrechtlichen Berufung an das Bundesgericht, wie nach Artikel 44 OG, Ingress, letztinstanzliche
kantonale Endentscheide über die Anfechtungsklage.

Leidet die Adoption unter anderen schwerwiegenden Mängeln, so ist nach Artikel 269a des Entwurfes die Klage zulässig, wenn der Mangel inzwischen nicht behoben ist oder sich ausschliesslich in einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erschöpft. Er muss objektiv, d. h. nach seiner Art und Bedeutung, schwer wiegen; nur dann überwiegt das Interesse der Kläger ein gegenteiliges Interesse der Adoptiveltern und des Adoptivkindes. Ist ein Adoptivelternteil in 6

> BGE 41 II l, 50 I 267, 70 II 191, 79 II 244; SJZ 1938/39, 38, Nr. 8; 7947, 189, Nr. 85; 1960, 106, Nr. 37; ZZW1934,142,160; ZVW1965, 154,

1241 Verletzung von Artikel 265 Absatz l nur fünf Jahre älter als das Adoptivkind oder bezweckt die Adoption in Verletzung von Artikel 264 eine erbrechtliche Diskriminierung anderer Kinder der Adoptiveltern oder in Verletzung von Artikel 2 Absatz 2 ZGB eine rechtsmissbräuchliche Erschleichung des Bürgerrechts, so ist die Klage zu schützen. Nicht zu schützen wäre sie, wenn der gesetzliche Altersunterschied zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind nur um Tage oder Wochen unterschritten wäre, zumal wenn im übrigen die Adoption sich gedeihlich entwickelt hat.

Die Dauer der Adoption kann Mängel heilen, die an sich schwer wiegen.

Diese Behebung durch Zeitablauf kommt für eine schwerwiegende Verletzung von Artikel 264 über die Mindestdauer des Pflegeverhältnisses, von Artikel 264a über die Mindestdauer der Ehe oder das Mindestalter der Adoptiveltern, von Artikel 266 Absatz 2 über die Anhörung leiblicher Kinder der Adoptiveltern im Falle der Adoption eines mündigen Kindes in Frage.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit nach Artikel 268 Absatz l gehört zu den Verfahrensvorschriften, deren Verletzung für sich allein nicht zur Gutheissung der Klage führt. Eine liederliche Untersuchung der Verhältnisse erschöpft sich dann nicht in der Verletzung der Verfahrensvorschrift von Artikel 268a, wenn sie eine Tatsache nicht aufgedeckt hat, die sich als schwerwiegender und in der Zwischenzeit nicht behobener Mangel qualifiziert.

Die Klage aus Artikel 269a soll jedermann, der ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung hat, im besonderen auch der Heimat- und Wohnsitzgemeinde des Adoptivkindes, zustehen, in Anlehnung an Artikel 121 Absatz l ZGB über die Nichtigerklärung der Ehe und Artikel 306 ZGB über die Anfechtung der Anerkennung.

Nach geltendem Recht kann eine Adoption nachträglich mit beidseitiger Zustimmung der Parteien oder durch gerichtliches Urteil auf Klage einer Partei aufgehoben werden (Art. 269 ZGB). Mit dem Erlöschen des bisherigen Kindesverhältnisses und der vollen Eingliederung des Kindes in die Adoptivfamilie ist das kaum mehr vereinbar. Deshalb sieht das ausländische Recht im allgemeinen, abgesehen von der beschränkten Anfechtung wegen Mängeln, keine Aufhebung der Volladoption vor. Die Mehrheit der Kommission schliesst sich dieser Lösung an. Eine starke Minderheit wollte dagegen wenigstens nach der Mündigkeit des Kindes die gerichtliche Aufhebung der Adoption gestatten, wenn die Weiterführung der Adoption den Parteien nicht mehr zugemutet werden kann.

3.5.5 Adoptivkindervermittlung (Art. 269c) Bei der Fremdadoption wird das Kind in der Regel durch Dritte bei adoptionswilligen Pflegeeltern plaziert. Die richtige Wahl dieses Pflegeplatzes hat für das Gelingen der Adoption und damit für das Kind wie für die Pflegeeltern schicksalhafte Bedeutung97 ). Sie stellt aber ausserordentlich hohe Anforderungen an Wissen, Erfahrung und Charakter, denen nicht alle, die auf diesem Ge") Baltensweiler 33 ff. ; Ancel 26 ff. ; von Overbeck, ZSR 19671 262.

1242 biete tätig sind, genügen; gibt es doch Leute, welche aus Unfähigkeit, Gleichgültigkeit oder Gewinnsucht Kinder zwecks späterer Adoption vermitteln, ohne sich um deren Eigenart oder die Eignung der Pflegeeltern zu kümmern.

Diese Missstände sind besonders häufig bei der Adoptionsvermittlung aus der Schweiz ins Ausland und umgekehrt, treten aber auch bei der Vermittlung im Inland auf. Darum beantragen verschiedene gemeinnützige Institutionen, die über reiche Erfahrungen auf diesem Gebiete verfügen, die Adoptionsvermittlung wie im Ausland8S) unter öffentliche Aufsicht zu stellen.

Diese Aufsicht ist ein wesentliches Element des modernen Adoptionsrechts, so dass der Bund nach Artikel 64 Absatz 2 der Bundesverfassung befugt ist, darüber zu legiferieren. Artikel 269c Absatz l delegiert die Ausübung dieser Aufsicht den Kantonen, im Rahmen von Bestimmungen, die der Bundesrat darüber nach Artikel 269c Absatz 3 des Entwurfes erlässt. Der Entwurf weicht in diesem Punkte vom Vorentwurf der Expertenkommission ab, der in Absatz 3 den Bundesrat ermächtigte, aber nicht verpflichtete, die Kantone zum Vollzug heranzuziehen, in der Meinung, dass sich eine Bundesbehörde für die Ausübung der Aufsicht besser eigne und auch insofern das Heft in der Hand behalten müsse ; eine Auffassung, die den Bundesrat jedenfalls in dieser Materie nicht überzeugt.

Die berufsmässige Vermittlung, die ausser gewerbsmässigen, d. h. entgeltlich betriebenen, Vermittlungsstellen beispielsweise auch Entbindungsanstalten, Mütterheime und Kinderheime umfasst, unterliegt nach Artikel 269c Absatz 2 des Entwurfes der Aufsicht in Form einer Bewilligungspflicht. Vormundschaftliche Organe im Sinne von Artikel 360 ZGB, in erster Linie Amts- oder Privatvormünder und Vormundschaftsbehörden, werden von der Bewilligungspflicht befreit, da von ihnen im grossen und ganzen die erforderliche Sachkenntnis und Gewissenhaftigkeit erwartet werden darf; sie unterliegen jedoch nach Artikel 269c Absatz l einer Aufsicht in anderer Form, mindestens einer Meldepflicht, damit die Behörde, welche die Aufsicht über die Vermittlung ausübt, nötigenfalls einschreiten kann. Eine Bewilligungspflicht für die nicht berufsmässige Vermittlung wird in Artikel 269c Absatz 2 nicht zwingend vorgeschrieben, kann aber dafür nach Artikel 269c Absatz l eingeführt werden; die Einführung
erscheint u. a. für die besonders heikle Vermittlung ins Ausland oder aus dem Ausland angezeigt.

3.5.6 Intertemporales Recht (Art.l2a, 12b SchlT ZGB) Das intertemporale Recht beschränkt sich heute auf Artikel 12 Absatz l SchlT ZGB; das Eltern- und Kindesrecht im Sinne dieser Bestimmung umfasst auch das Adoptionsrecht. Die darin statuierte Rückwirkung des neuen Adoptionsrechts erscheint für den Übergang zur Volladoption jedoch nicht als angemessen. Es genügt auch nicht, umgekehrt zu bestimmen, dass das neue Adoptionsrecht allgemein nicht zurückwirkt. Eine Kompromisslösung, wie sie der Entwurf für Artikel 12a und 126 SchlT ZGB trifft, drängt sich daher auf; dar88 > So z. B. in Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Griechenland, USA

1243

nach bleibt auf die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts ausgesprochene Adoption das alte Recht anwendbar, und das neue wirkt nicht zurück, wenn Adoptivkind und Adoptiveltern nicht binnen fünf Jahren die Adoption dem neuen Recht unterstellen. Vereinbarungen im Sinne von Artikel 268 Absatz 3 des alten Rechts bleiben dann in Kraft.

Die Möglichkeit dieser Unterstellung altrechtlicher Adoptionen unter das neue Recht wird in Artikel 120 Absatz l SchlT ZGB an die Bedingung geknüpft, dass das Adoptivkind als unmündiges adoptiert wurde; die in der Zwischenzeit eingetretene Mündigkeit hindert nach Artikel 126 Absatz 2 die Unterstellung nicht. Das als unmündiges adoptierte Kind, auch das inzwischen mündig gewordene, erwirbt mit der Unterstellung die vollen Rechte eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern, nach Art. 267a des Entwurfes und Artikel 57 Absatz 5 des Bürgerrechtsgesetzes ( = Abschn. II Ziff. 2 des Entwurfes) auch das Bürgerrecht der Adoptiveltern, und Vereinbarungen im Sinne von Artikel 268 Absatz 3 des alten Rechts fallen mit der Unterstellung stillschweigend dahin.

Die Unterstellung geschieht durch den Richter auf gemeinsamen Antrag von Adoptivkind und Adoptiveltern, im Verfahren nach den Artikeln 268 und 268o des Entwurfes und, nach den Artikeln 265a und 265c des Entwurfes, unter Einholung der Zustimmung der leiblichen Eltern des im Zeitpunkt der Unterstellung noch unmündigen Adoptivkindes, wie Artikel 120 Absatz 3 SchlT ZGB bestimmt.

Die Unterstellung spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle für Ehegatten, von denen nach altem Recht nur einer adoptieren konnte. Kann nach neuem Recht auch der andere adoptieren und adoptiert er das Adoptivkind seines Ehegatten, so kann letzterer mit der Unterstellung seiner Adoption unter das neue Recht erreichen, dass diese beiden sukzessiven Adoptionen ein und desselben Kindes im Schosse ein und derselben Adoptivfamilie dieselben Wirkungen entfalten.

3.5.7 Internationales Recht (Art. 8-8c NAG = Abschn. II Ziff. l des Entwurfes) Die starken Bevölkerungswanderungen bringen verhältnismässig viele Adoptionen mit Auslandsbezieh'ungen mit sich. Nach der (unvollständigen) Landesstatistik der Jahre 1966 bis 1968 waren von 1581 adoptierten Personen 261 ausländischer Nationalität. Die Bestimmungen der Artikel 8 und 32 des Bundesgesetzes über die zivilrechtlichen
Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter (NAG), wonach sich die Zuständigkeit und das anwendbare Recht für solche Adoptionen durch Schweizer oder Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz nach dem Heimatrecht des Adoptierenden richten, reichen jedoch nach den praktischen Erfahrungen für eine befriedigende Beantwortung der Fragen nicht aus98'.

"> Dazu neuestens Bachmann W., Die Adoption von Ausländern in der Schweiz (Diss. Freiburg 1969).

1244 Zur Lösung der mannigfaltigen mit der internationalen Adoption verbundenen Probleme beizutragen, ist der Zweck des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt. Die Schweiz hat dieses Übereinkommen unterzeichnet und beabsichtigt, es zu ratifizieren ; seine Genehmigung bildet Gegenstand einer separaten Botschaft. Es gilt jedoch nur für die Adoption Unmündiger unter achtzehn Jahren. Auch müssen die Adoptiveltern und das Adoptivkind die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem solchen haben. Dem schweizerischen Kollisionsrecht wird daher auch nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens ein beträchtliches Anwendungsgebiet verblei ben. Da eine Gesamtrevision des NAG noch längere Zeit auf sich warten lassen dürfte, erscheint es geboten, im Zusammenhang mit der Revision des materiellen Rechts auch Artikel 8 NAG, soweit er die Adoption betrifft, zu ändern und zu ergänzen.

Der Entwurf beschränkt sich dabei auf die wesentlichen Fragen, die der Richter bei jeder Adoption mit internationalem Einschlag beantworten muss : Zuständigkeit, anwendbares Recht. Probleme dagegen, die sehr selten auftauchen, wie die Anfechtung einer Adoption, oder für welche eine einfache und überzeugende Regelung nicht möglich schien, wie die Anerkennung ausländischer Adoptionen und das Recht, das deren Wirkungen beherrscht, wurden dagegen beiseite gelassen. Die Lösung des Haager Übereinkommens ist umfassender, und schon aus diesem Grunde ist zu hoffen, dass es für möglichst viele Staaten in Kraft treten wird. Für die Zuständigkeit, eine Adoption auszusprechen, stellt das Übereinkommen alternativ auf gewöhnlichen Aufenthalt und Staatsangehörigkeit ab. Für eine einzelstaatliche Regelung sind dagegen etwas andere Gesichtspunkte massgebend, und der Entwurf knüpft daher in Artikel 8a Absatz l grundsätzlich an den Wohnsitz des oder der Adoptierenden an. Es erschien zweckmässiger, bei dem Begriff des Wohnsitzes zu bleiben, der dem Richter vertraut ist, als zu dem in internationalen Abkommen üblichen gewöhnlichen Aufenthalt überzugehen. Schweizern mit Wohnsitz im Ausland wird in Artikel Sa Absatz 2 die heimatliche Zuständigkeit eingeräumt, sofern sie an ihrem
Wohnsitz nicht adoptieren können. Wird eine solche Adoption im Wohnsitzstaat nicht anerkannt und erwächst dem Kinde daraus ein schwerer Nachteil, so soll sie allerdings nicht ausgesprochen werden. Schweizerisches Recht ist nach Artikel 86 grundsätzlich auf Voraussetzungen und Wirkungen der Adoption anzuwenden. Für die Voraussetzungen ist aber nach Artikel 8c das Heimatrecht der Adoptierenden zu berücksichtigen, wenn sonst die Adoption in ihrer Heimat nicht anerkannt würde und dem Kind daraus ein schwerer Nachteil erwüchse; erscheint aber auch auf diese Weise die Anerkennung der Adoption nicht gesichert, so ist das Gesuch abzuweisen.

Die Hinweise auf die Adoption in Artikel 8 NAG lassen sich im Hinblick auf Artikel Sa-c des Entwurfes als überflüssig streichen.

1245

4. Revision des Artikels 321 ZGB über die Sicherstellungspflicht im Vaterschaftsprozess 4.1. Anlass der Revision des Artikels 321 ZGB Die Eltern haben für den Unterhalt ihres Kindes gemeinsam aufzukommen. Fällt ein Elternteil aus, so trägt der andere die volle Unterhaltspflicht.

Das hat im ausserehelichen Kindesverhältnis zur Folge, dass die Mutter den vollen Unterhalt des Kindes bestreiten muss, wenn und solange der Vater nicht rechtskräftig zu Leistungen verurteilt worden ist. Dies konnte bereits bisher je nach den Umständen längere Zeit dauern. Immerhin war eine mehr als einjährige Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens eher selten.

Diese Zeitspanne ist mit der Einführung des anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens (AEG) in den Vaterschaftsprozess wesentlich verlängert worden. Denn das AEG kann erst erstattet werden, wenn das Kind wenigstens drei Jahre alt ist. Das Kind ist dann mindestens dreieinhalb Jahre alt, bevor der Prozess abgeschlossen werden kann. Wird die Sache an die kantonale Berufungsinstanz und das Bundesgericht weitergezogen, so dauert der Prozess wenigstens ein Jahr länger. Ein streitiger Vaterschaftsprozess kann daher gegen den Willen des Beklagten nicht erledigt werden, bevor das Kind viereinhalb bis fünf Jahre alt ist. Tatsächlich dauern die Prozesse jedoch oft noch viel länger.

Denn die wenigen in der Schweiz als Gutachter tätigen Anthropologen vermögen den grossen Anfall von Aufträgen nicht zu bewältigen. Zur Zeit betragen die Wartefristen 6 bis 24 Monate. Es häufen sich daher die Fälle, in denen das Kind bei Abschluss des kantonalen Verfahrens bereits das schulpflichtige Alter erreicht hat.

Das AEG ist ein Ähnlichkeitsvergleich zwischen Mutter, Kind und Mann, der eine Vielzahl von morphologischen Merkmalen erfasst. Es dient dem positiven wie dem negativen AbstammungsbeweisIoo>.

Die Klägerschaft kann damit die Vaterschaft des Beklagten in all jenen Fällen beweisen, wo die Vermutung der Vaterschaft mangels Nachweises der Beiwohnung nicht hergestellt werden kann (Art. 314 Abs. l ZGB) oder infolge Mehrverkehrs oder unzüchtigen Lebenswandels der Mutter zerstört worden ist (Art. 314 Abs. 2, 315 ZGB). In diesem Falle ermöglicht das AEG, eine Klage, die bisher abgewiesen werden musste, zum Erfolg zu führen. Die Verzögerung des Prozesses ist in diesem Falle für die Klägerschaft
das geringere Übel, besteht doch auf diese Weise Aussicht, den Beklagten zu Beiträgen an den Unterhalt des Kindes heranzuziehen, der sonst von der Mutter allein bestritten werden musste.

Dem Beklagten steht das AEG zur Verfügung, um die durch Nachweis der Beiwohnung begründete Vermutung seiner Vaterschaft (Art. 314 Abs. l ZGB) zu widerlegen, wenn die übrigen Beweismittel (Gutachten über Blutmerkmale, Reifegrad, Zeugungsfähigkeit) erfolglos geblieben sind. Hier wirkt sich nun die mit dem AEG verbundene Verzögerung zum Nachteil des Kindes 100

> Hegnauer, N. 175 ff. zu Art. 314/315 ZGB.

Bundesblatt. 123.Jahrg. Bd.I

77

1246 aus. Denn sie rückt die sonst gewisse Gutheissung der Vaterschaftsklage in eine unbestimmte Zukunft. Das müsste in Kauf genommen werden, wenn einige Aussicht bestünde, dass die Beweislage durch das AEG zugunsten des Beklagten verändert würde. Dies ist jedoch erfahrungsgemäss kaum je der Fall.

Deshalb holten die Gerichte zunächst das AEG-Gutachten nur dann ein, wenn der Beklagte Anhaltspunkte für Mehrverkehr der Mutter namhaft machte.

Das Bundesgericht hat aber 1965 dem Beklagten einen unbedingten Anspruch auf Einholung des AEG zum Nachweis seiner Nichtvaterschaft zuerkannt101'.

Seither muss praktisch in jedem streitigen Vaterschaftsprozess ein AEG eingeholt werden. Damit ist die geschilderte vieljährige Dauer der Vaterschaftsprozesse zum Allgemeinzustand geworden.

Die Expertenkommission hat darüber 1969 eine Umfrage einerseits bei den ihr bekannten Gutachtern102', anderseits bei den Gerichten der Kantone Zürich, Bern, Luzern und Basel-Stadt103' veranstaltet, die folgendes Bild zeigte:

101

> BGE 91 II 159, immerhin mit einer gewissen Abschwächung im BGE 96II 314, anderseits mit einer gewissen Übersteigerung in einem Urteil des Kantonsgerichts Waadt vom 26. Mai 1970 i.S. S. gegen L. : «Sur le fond, on constate qu'en vertu de l'art. 234 CPC chaque partie a un droit absolu à une seconde expertise ...» (Journal des Tribunaux [JdT] 7970 III 87).

K«) Frau Dr. Dora Pfannenstiel, Riehen (= im folgenden Pf), Prof. Dr. Kurt Gerhardt, Riehen ( = Ge), Prof. Dr. Josef Biegert, Zürich ( = Bi), Dr. Rolf Sieg, Bern, Prof. Dr. Marc Thélin, Lausanne, Prof. Dr. Jean-Aimé Baumann, Genf = Ba). Keine Antwort ging von Prof. Thélin ein, und Dr. Sieg lehnte eine Antwort ab, weil der Fragebogen die grundlegenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse verkenne; zu diesen Erkenntnissen sein Referat in SJZ 1970, 213 ff. Pf, Ge und Bi wenden die Methode des morphologischen Ähnlichkeitsvergleichs an, weshalb ihre Antworten in einem Zwischentotal zusammengefasst werden; Ba befolgt hingegen die anthropobiometrische Methode.

103 > Mit einer Wohnbevölkerung 1970 von 2 612 700 = 41,75% der gesamten Wohnbevölkerung.

1247 Gutachten und Gutachter Fragen

1.

Anzahl Gutachten 104) 1964 a überhaupt b. in Vaterschaftsprozessen 1965 a überhaupt b. in Vaterschaftsprozessen 1966 a. überhaupt b. in Vaterschaftsprozessen 1967 a überhaupt b. in Vaterschaftsprozessen 1968 a überhaupt . . . .

b. in Vaterschaftsprozessen 1964- a überhaupt 1968 b. in Vaterschaftsprozessen

Ge

Antworten Bi Total

6 6 6 6 10 8 22 20

6 6 19 19 37 37 62 62

36 30 40 33 62 58 77 74 100 90 315 285

10

36

24

12

43 27

Pf

..

..

..

..

..

..

Ba

Total

18

54

21

61

31

93

30

107

39

139

139 136

454 421

139

30

169

6-9

-

6

-

6 4

4 4

53 35

22 22

75 57

7 36

1 5

2 2

10 43

19 3

29 46

6

1

2

9

19

28

36 30 40 33 50 46 52 49 53 45 231 203

2. Hängige Aufträge in Fallen, in wel- 93 chen das Kind drei Jahre alt war106 > 3. Wartezeit bis zur Erstattung des Gut106 acltitens, in Monaten '

4. Anthropologische Gutachten, welche die Vaterschaft eines Exploranden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschlössen106' ü überhaupt b in Vaterschaftsprozessen 5. Von den Ausschlüssen gemäss 4a beruhten auf 106 ' a. Einmanngutachten b. Zwei- oder Mehrmanngutachten .

6. Von den Ausschlüssen gemäss 5a be-

ruhten106 ' a. massgeblich auf der anthropologischen Untersuchung b. massgeblich auf der serologischen Untersuchung

104

1

1

1

> Die Antworten auf Frage l zeigen die starke Zunahme der AEG seit 1964, zur Hauptsache wohl eine Folge von BGE 91 II 159.

> Die Antworten zu den Fragen 2 und 3 lassen die starke Überlastung der Sachverständigen und die sich daraus ergebenden Wartefristen über das Mindestalter des Kindes hinaus erkennen.

106) Die Fragen 4-6 befassen sich mit den Ergebnissen. Die 454 AEG 1964-1968 ergaben durch Einmanngutachten 28 an Sicherheit grenzende Ausschlüsse (= 6,1 %).

Beim morphologischen Ähnlichkeitsvergleich betragen die Zahlen 315 bzw. 9 ( = 2,8%). Zu beachten ist bei der Würdigung dieser Zahlen, dass darin auch die Ehelichkeitsanfechtungsprozesse und jene Vaterschaftsprozesse eingeschlossen sind, in welchen das AEG auf Antrag der Klägerschaft zum positiven Beweis der Vaterschaft des Beklagten eingeholt wurde.

105

1248 Fragen

Bi

Antworten Total

Pf

Ge

7. Durchschnittliche Kosten für ein a. Einmanngutachten in Fr

1200

b. Zweimanngutachten in Fr

1400

1100- 600 1300 1400 800

Ba

-

450

-

610

Total

Gutachten und Gerichte Fragen

ZH

BE

1. Wieviele Vaterschaftsprozesse waren eingestellt, weil das Kind das Mindestalter für die anthropologische Begutachtung noch nicht erreicht hatte?

43

40

2. In wievielen weiteren Vaterschaftsprozessen war der Gutachtensauftrag erteilt, das Gutachten aber noch nicht erstattet ? 107 > 26

Antworten LU

BS

Total

13

5

101

35

16

16

93

3. In wievielen der in Ziff. l und 2 genannten Prozesse wurde die anthropologische Begutachtung angeordnet108' a. zum Beweis der Klägerschaft, dass der Beklagte der Vater oder ein bestimmter Dritter nicht der Vater sei?

14 b. zum Beweis des Beklagten, dass er nicht der Vater sei?

55

33

8

6

61

36

23

15

129

4. In wievielen Prozessen gemäss 3b wurde die unentgeltliche Prozessführung bewilligt: a. der Klägerschaft?

21 b. dem Beklagten?

5

23 7

17 5

14 4

75 21

107

> Die Überlastung der Experten geht aus der Antwort auf Frage 2 hervor. Die Zahl der ausstehenden AEG ist beinahe so gross wie die Zahl der Fälle, in denen das Kind das Mindestalter noch nicht erreicht hat.

l08 ) Die Antwort auf die Frage 3 macht die prozessuale Bedeutung des AEG und damit das Anwendungsgebiet einer vorläufigen Zahlungspflicht deutlich. In 61 Fällen ( = rund l/3) dient es der Klägerschaft, um eine sonst der Abweisung verfallene Klage zu retten. Hier kommt die vorläufige Zahlungspflicht nicht in Betracht, wohl aber unter Umständen die Hinterlegungspflicht. Dagegen wird in 129 Fällen ( = rund 2/3) das AEG zum Beweis der Nichtvaterschaft des Beklagten eingeholt. Hier hat das AEG die lange Verzögerung eines Prozesses zur Folge, der sonst sofort durch Gutheissung erledigt werden könnte. In diesen Fällen kommt die vorläufige Zahlungspflicht des Beklagten in Frage.

1249 Fragen

ZH

BE

5 . Wieviele anthropologische Gutachten sind 1 seit 1964 erstattet worden, welche auf Grund der Untersuchung von Mutter, Kind und Vaterschaftsbeklagten allein (Einmanngutachten) die Vaterschaft des letztgenannten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verneinten?109'

4

Antworten LU BS

3

-

Total

8

io») j)as AEG kann, wie die Antworten auf Frage 5 zeigen, auch in Einmannfällen die Nichtvaterschaft eines bestimmten Mannes feststellen. Die vier bernischen Falle gehören jedoch nicht hierher. Ihre nähere Abklärung hat ergeben, dass ein Fall einen serologischen Ausschluss und ein zweiter ein Zweimanngutachten in einem Ehelichkeitsanfechtungsprozess betrifft. Im dritten Fall wurde die Vaterschaft des Beklagten nur «mit hoher Wahrscheinlichkeit» ausgeschlossen und im vierten als «eher unwahrscheinlich als wahrscheinlich» beurteilt. Die vier aus Zürich und Luzern gemeldeten AEG betreffen Fälle im Sinne von Frage 3a, wobei die Klägerschaft die Vaterschaft des Beklagten zu beweisen hatte, weil die Vaterschaftsvermutung nicht erstellt oder infolge Mehrverkehrs oder unzüchtigen Lebenswandels zerstört war, also Fälle, in denen die vorläufige Zahlungspflicht ohnehin nicht in Betracht kommt. Das Untersuchungsgut der vier Kantone enthält somit keinen einzigen Fall, in dem ehi Beklagter, dessen Vaterschaft zu vermuten war, mit dem AEG zu beweisen vermochte, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Vater sei.

1250 4.2. Revisionsbedürftigkeit des Artikels 321 ZGB Die ungünstigen Auswirkungen dieser langen Prozessdauer liegen auf der Hand. Die Mutter hat nicht nur vorübergehend, sondern während Jahren für das Kind allein aufzukommen. Ihre wirtschaftliche Bedrängnis wird damit zum Dauerzustand. Es wird ihr erschwert, ihr Kind selber aufzuziehen; oft wird sie genötigt, es in Adoption wegzugeben oder es an einem ungeeigneten Pflegeplatz unterzubringen. Zwar darf sie in der Regel auf die Hilfe von Angehörigen oder der Fürsorge110' zählen. Doch wird diese Hilfe auch heute nicht selten nur unter demütigenden Bedingungen gewährt. MUSS die Mutter für das Kind allein aufkommen, so werden ihre ohnehin geringen Heiratsaussichten noch weiter vermindert. Ist sie verheiratet, so wirkt sich jene Unterhaltslast auf die Beziehung der Ehegatten und das Verhältnis des Stiefvaters zum Kind nachteilig aus. Auch wenn später die Klage gutgeheissen wird und der Beklagte die seit der Geburt fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge zu zahlen hat, können die früheren Entbehrungen, welche Mutter und Kind auf sich nehmen mussten, nicht mehr gutgemacht werden. Im übrigen ist er in der Regel gar nicht imstande, die gewaltigen Rückstände neben den laufenden Beiträgen und den hohen Prozesskosten zu zahlen. Da verfallene Unterhaltsansprüche in der Schuldbetreibung nur beschränkt privilegiert sind111', können diese Rückstände meist überhaupt nicht mehr eingetrieben werden. Die Verwirklichung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen den Erzeuger (Art. 319, 325 Abs. 2 ZGB) wird damit während einer Zeitspanne, die nicht selten bis einen Drittel der Dauer der Unterhaltspflicht erreicht, vereitelt. Diese harten Folgen für Mutter und Kind haben der Revision von Artikel 321 ZGB eine besondere Aktualität verliehen.

Vereinzelt wurde die Meinung vertreten, das Problem könne ohne Revision von Artikel 321 ZGB gelöst werden, etwa indem die Kantone auf Grund ihrer Kompetenz zur Regelung des Zivilprozessrechts über die vorläufige Leistungspflicht des Beklagten Bestimmungen aufstellen112'. Dieser Weg ist indessen nicht gangbar. Eine vorläufige Zahlungspflicht des Vaterschaftsbeklagten hat ihre Grundlage in den Bestimmungen des ZGB über die Unterhaltspflicht des ausserehelichen Vaters, und die Regelung solcher einstweiligen Verfügungen ist darum
Bundessache113'. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Erlass von Artikel 321 ZGB von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht.

Demgegenüber nahm das Appellationsgericht Basel-Stadt an, es liege in bezug auf die vorläufige Leistungspflicht des Vaterschaftsbeklagten während 110

' Interessantes Surrogat das Reglement des Regierungsrates Zürich vom 27. November 1969 über die Gewährung von Überbrückungshilfen an aussereheliche Mütter und Kinder während der Dauer des Vaterschaftsprozesses, Zürcher Gesetze, Bd. 43, 389.

1U > BGE 87III 8, 89 III 67.

lla > Abravaml Ph., La preuve anthropologique dans la recherche delà paternité, JdT 7959 III 6/7.

113 > Guldener, Zivilprozessrecht 383, N. 4, und ZSR 1961II 52; Voyante, ZSR 1961II 167; BGE 63 II 67.

1251 der durch das AEG bedingten langen Prozessdauer eine echte Gesetzeslücke vor, die in Anwendung von Artikel l Absatz 2 ZGB durch eine unbefristete Sicherstellungspflicht auszufüllen seilu>. Dieses im Ergebnis begrüssenswerte Urteil vermag in seiner Begründung nicht zu überzeugen ; angesichts des klaren Wortlauts von Artikel 321 kann von einer echten Gesetzeslücke im Ernst nicht gesprochen werden. Das Amtsgericht Hochdorf, das Obergericht Zürich und das Bundesgericht haben daher diese Lösung - mit Bedauern - als unzulässig abgelehnt115».

Es ist somit Aufgabe des Bundesgesetzgebers, durch Revision von Artikel 321 ZGB Abhilfe zu schaffen. Diese Revisionsbedürftigkeit von Artikel 321 ZGB wird in der erwähnten Praxis, in den Referaten Hegnauer und Lalive für den Juristentag 1965 über die Revision des Ausserehelichenrechts116) und in den Vernehmlassungen zu dem Vorentwurf der Studienkommission bejaht, die überwiegend eine weitergehende vorläufige Leistungspflicht des Beklagten für das Kind befürworten, als sie jener Vorentwurf empfiehlt. Das Postulat Korner vom 4. März 1968, eine Eingabe des Regierungsrates Basel-Stadt vom 6. Mai 1968 an den Bundesrat und das Bundesgericht in seinen Geschäftsberichten117 ) bezeichnen die Revisionsbedürftigkeit von Artikel 321 ZGB als vordringlich.

Die Vorwegnahme dieses im Ausserehelichenrecht dringendsten Revisionspostulates, unbeschadet der in Vorbereitung befindlichen Revision des übrigen Ausserehelichenrechts, weckt keine rechtssystematischen Bedenken und stösst auch rechtstechnisch auf keine Schwierigkeiten. Im besonderen braucht sich eine entsprechende Revision von Artikel 321 ZGB nicht unbedingt heute schon auf die Ansprüche der Mutter im Sinne von Artikel 317 Ziffern l und 2 zu erstrecken, deren Sicherstellung ebenfalls Artikel 321 regelt.

Die Studienkommission hatte zwar in ihrem Vorentwurf empfohlen, in Artikel 321 auch diese Sicherstellungspflicht des Beklagten in eine Leistungspflicht umzuwandeln und in Artikel 317 Ziffer 2 den Unterhaltsarispruch der Mutter auf einen Zeitraum von acht Wochen nach der Geburt auszudehnen. Diese Neuerung erscheint jedoch im Vergleich zu der Einführung einer Leistungspflicht des Beklagten für den Unterhalt des Kindes nicht so vordringlich; sie bleibt im Zusammenhang mit dem übrigen Ausserehelichenrecht zu prüfen und für
dessen Revision vorgemerkt.

Dasselbe gilt für eine Revision von Artikel 310 ZGB, die den Anspruch des Beklagten beschränkt, ein AEG einzuholen. Es trifft zwar nach dem Gesagten zu, dass die Aussichten des Beklagten, durch ein Einmanngutachten den Beweis seiner Nichtvaterschaft zu erbringen, äusserst gering sind. Immerhin bleibt im Zusammenhang mit dem übrigen Ausseiehelichenrecht zu prüfen, ob die Fol1U

> SJZ 1966, 189 Nr. 112 = BJM 1966, 123 = ZVW 7957, 144, Nr. 21.

> SJZ 1966, 327, Nr. 183; 1966, 374, Nr. 234; BGE 91II169,931 401.

116 > ZSR 1965 II175 ff., 778 ff.; zuletzt wieder Hegnauer, Ehelichkeit und Ausserehelichkeit heute, ZbJV 1971, 6; Revisionsvorschläge zum Ausserehelichenrecht, Zeitschrift für Gemeinnützigkeit 1970, 224/225.

117 > 1969, 232/233; 1968, 417/418.

116

1252 gerungen aus dieser Tatsache nicht eher vom Richter als vom Gesetzgeber zu ziehen wären, solange die Möglichkeit besteht, dass künftige Fortschritte der Erbbiologie die Aussageleistung des Einmanngutachtens verbessern.

Eine Verlängerung der Klagefrist bis zu dem für das AEG nötige Mindestalter des Kindes, wie das Postulat Hayoz vom 23. Juni 1966 sie fordert, ändert an der geschilderten Problematik von Artikel 321 ZGB nichts und braucht daher nicht in dessen Revision einbezogen zu werden. Sie wird jedoch allgemein zu prüfen bleiben.

4.3. Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung

Privatrechtlich lässt sich das Problem - abgesehen von der Unterstützungspflicht der Blutsverwandten - nur auf der Grundlage der Verantwortlichkeit des Erzeugers lösen. Dieser Gedanke wurde im gemeinen Recht durch ein decretum interimisticum, eine vom Richter zu treffende provisorische Verfügung verwirklicht; darnach konnte der Beklagte, sofern er geständig oder die Beiwohnung erwiesen war, schon während des Prozesses zur Leistung von Alimenten an das Kind verpflichtet werden. Die Prozesskosten waren darin inbegriffen. Bei Festsetzung des Betrages war auf die steigenden Bedürfnisse des Kindes Rücksicht zu nehmen118'. Im vorrevolutionären Recht Frankreichs konnte der von der Mutter unter Eid als Vater bezeichnete Mann durch provisorische Verfügung zu Unterstützungsleistungen an sie und Beiträgen an den ersten Unterhalt des Kindes verpflichtet werden. Bei Abweisung der Klage bestand ein Rückerstattungsanspruch gegenüber der Mutter UB >. Vereinzelt finden sich ähnliche Bestimmungen im kantonalen Recht. So konnte in Uri und Nidwaiden der ausländische Beklagte, in dessen Heimat das Kind nicht aufgenommen wurde, vom Zeitpunkt der Anzeige der Schwangerschaft an verpflichtet werden, Sicherheit zu leisten. In Uri konnte überdies jeder Beklagte hiezu angehalten werden, wenn Verdacht bestand, er wolle sich der gegen ihn erhobenen Vaterschaftsklage entziehen120'. Nach dem früheren Landbuch von Nidwaiden konnte der Rat den Beklagten anhalten, schon vor der Geburt einen Beitrag an die mittellose Mutter zu leisten121'.

Der Vorentwurf zum ZGB befasste sich mit dem Problem nicht. Die Expertenkommission fügte - offensichtlich nach dem Vorbild von § 1716 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches - eine Bestimmung über die Pflicht des Beklagten ein, die Kosten der Entbindung und des Unterhalts des Kindes wäh118

> Glück, Ausführliche Erläuterungen der Pandecten (Erlangen 1826) 204; Mohr G. R., Die Vaterschaftsklage des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Bern 1912) 110 N. 1.

118 > Silbernagel, Art. 321 N. l ; Robert L. H., De la condition juridique de l'enfant naturel dans le code civil suisse et le code civil allemand (Diss. Genève 1912) 26 ff., 303 ; Peyer O., Die famihenrechtliche Stellung der unehelichen Kinder im schweizerischen Privatrecht (Zürich 1908) 9/10.

1!0 > Landbuch von Uri, S.Teil (1891), §§ 10, 11; Bürgerliches Gesetzbuch für den Kanton Unterwaiden nid dem Wald (1852), § 105 Abs. 2.

"V Mohr 11.

1253 rend der ersten drei Monate nach der Geburt zu hinterlegen. Man wollte damit vermeiden, dass der Beklagte durch Wegzug die Vollstreckung der Ansprüche vereitle122'. Im Ständerat stiess die Bestimmung auf Widerstand. Es wurde eingewendet, durch eine solche vorsorgliche Massnahme werde der Endentscheid über die Klage zum Nachteil des Beklagten präjudiziert123'; die Sicherstellung dieser im Verhältnis zu den gesamten Ansprüchen von Mutter und Kind bescheidenen Beträge falle ausserdem praktisch kaum ins Gewicht, und im übrigen sei es ohne Nachweis einer Gefährdung nicht gerechtfertigt, die ganz ausserordentliche und abnorme Massnahme der Sicherstellung eines streitigen Anspruches anzuordnen 124>.

Den geltend gemachten Bedenken wurde dadurch Rechnung getragen, dass die Sicherstellungspflicht von einer Notlage der Mutter abhängig gemacht wurde. Der Einwand Scherrers, das sei sinnlos, weil der Mutter, die sich in einer Notlage befinde, mit einer Sicherstellung nicht geholfen sei, blieb unbeachtet.

Es herrschte mehrheitlich die Auffassung, es werde auf diese Weise immerhin «wenigstens für die erste notwendige Hilfe gesorgt»125).

Artikel 321 ZGB hat in der Praxis nur geringe Bedeutung erlangt, zur Hauptsache deshalb, weil die sichergestellten Beiträge an Mutter und Kind erst ausbezahlt werden dürfen, nachdem die Klage rechtskräftig gutgeheissen worden ist 126 ). Die Mutter ist somit ohnehin genötigt, die Kosten der Entbindung und des Unterhalts des Kindes aus ändern Mitteln zu bestreiten. Die Sicherstellung liesse sich zwar bevorschussen; dieser geringfügige Vorteil lohnt aber den Aufwand eines besonderen Verfahrens kaum. Immerhin zeigt der im folgenden wiedergegebene Wortlaut eines formulierten Revisionsvorschlages aus den dreissiger Jahren127), dass die Praxis schon damals den wunden Punkt von Artikel 321 ZGB erkannte: Wird die Vaterschaft glaubhaft gemacht, so kann der Richter auf Antrag der Mutter oder des Kindes den Vater auch ohne den Nachweis, dass der Anspruch gefährdet sei, schon vor dem Urteil anhalten, an die Mutter die mutmasslichen Kosten der Entbindung und die Kosten des Unterhalts während je vier Wochen vor und nach der Geburt, und an das Kind die Kosten des Unterhalts für die ersten drei Monate alsbald nach der Geburt zu zahlen und die erforderlichen Beträge rechtzeitig zu hinterlegen.
Auch die ausländische Gesetzgebung hat sich mit dem Problem befasst.

So bestimmte das Bürgerliche Gesetzbuch in Deutschland in § 1716 ursprünglich: Schon vor Geburt des Kindes kann auf Antrag der Mutter durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, dass der Vater den für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalt alsbald nach der Geburt an die Mutter oder an den 122

> > > 126 > 126 >

Prot. Exp. Komm. I 391.

Richard, Sten. Bull. 1905, 1212.

Scherrer, Sten.Bull. 1905, 1213.

Brenner, Sten.Bull. 7905, 1214.

BGE 63 II 65; SJZ 1964, 158, Nr. 93; Silbernagel, N. 11, und Hegnauer, N. 19 zu Art. 321 ; a. M. Egger. N. 5 zu Art. 321.

127 > Grob H., Zur Änderung gesetzlicher Bestimmungen und ihrer Anwendung zugunsten des ausserehelichen Kindes, pro Juventute 1936, 206.

123 12ä

1254 Vormund zu zahlen und den erforderlichen Beitrag angemessene Zeit vor der Geburt zu hinterlegen hat. In gleicher Weise kann auf Antrag der Mutter die Zahlung des gewöhnlichen Beitrages der nach § 1715 Absatz l zu ersetzenden Kosten an die Mutter und die Hinterlegung des erforderlichen Betrags angeordnet werden. Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des Anspruchs glaubhaft gemacht wird.

Ausserdem hat die deutsche Rechtsprechung gestützt auf § 940 der Zivilprozessordnung (ZPO) über vorsorgliche Massnahmen im Prozess eine Pflicht des Beklagten zur vorläufigen Leistung von Unterhalt während des Vaterschafts-1 Prozesses angenommen; die richterliche Verfügung kann je nach der wirtschaftlichen Lage von Mutter und Kind auf Zahlung oder Sicherheitsleistung gehen188'.

Die Bundesrepublik Deutschland hat in ihrem Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969129> den § 1716 des Bürgerlichen Gesetzbuches durch einen § 1615 o ersetzt; diese Bestimmung lautet folgendermassen : 1

Auf Antrag des Kindes kann durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat oder der nach § 1600 o als Vater vermutet wird, den für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalt zu zahlen hat. Der Antrag kann bereits vor der Geburt des Kindes durch die Mutter oder einen für die Leibesfrucht bestellten Pfleger gestellt werden; in diesem Falle kann angeordnet werden, dass der erforderliche Betrag angemessene Zeit vor der Geburt zu hinterlegen ist.

2 Auf Antrag der Mutter kann durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat oder der nach § 1600 o als Vater vermutet wird, die nach den §§ 1615 k, 1615 /voraussichtlich zu leistenden Beträge an die Mutter zu zahlen hat; auch kann die Hinterlegung eines angemessenen Betrages angeordnet werden.

3 Eine Gefährdung des Anspruchs braucht nicht glaubhaft gemacht zu werden.

(§ 1615 k regelt den Anspruch der Mutter auf Ersatz der ihr durch die Entbindung und die Schwangerschaft entstandenen Kosten, § 1615 / ihren Anspruch auf Unterhalt während sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt). Ein neuer § 641 d ZPO folgenden Wortlauts sieht weitergehende Leistungen für das Kind vor : 1 In einem Rechtsstreit auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft kann das Gericht auf Antrag durch einstweilige Anordnung bestimmen, dass der Mann dem Kinde Unterhalt zu zahlen oder für den Unterhalt Sicherheit zu leisten hat, und die Höhe des Unterhalts regeln.

2 Der Antrag ist zulässig, sobald die Klage eingereicht ist. Er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Der Anspruch und die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung sind glaubhaft zu machen. Die Entscheidung ergeht auf Grund mündlicher Verhandlung durch BeschlusS. Zuständig ist das Gericht des ersten la

»> Dolle II 486 ff.; Knöpfe! G., Der Regierungsentwurf des Einführungsgesetzes zum Unehelichenrecht, FamRZ 1968, 365/366; Reinheimer H., Die einstweilige Verfügung im Alimentenprozess, FamRZ 1969, 388 ff.

129 > BGB11969 l 243; dazu allgemein Bosch, BJM 7970, 101 ff. = FamRZ 7970, 157 ff. ; Einführung in das neue Nichtehelichenrecht, FamRZ 7969, 505 ff. ; Brüggemann D., Die verfahrensrechtliche Neuordnung des Unehelichenrechtes, FamRZ 1969, 120 ff.

1255 Rechtszuges und, wenn der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz schwebt, das Berufungsgericht.

Ausserdem bildet § 641 g ZPO eine hier interessierende wesentliche Bestimmung : Ist die Klage auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen, so hat das Kind dem Manne den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der einstweiligen Anordnung entstanden ist.

Die auf drei Monate nach der Geburt des Kindes befristete Zahlungspflicht nach dem Vorbild von § 1716 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches findet sich auch im österreichischen (§ 168 ABGB), polnischen (§ 78) und tschechoslowakischen (§ 77) Recht. Griechenland, Jugoslawien und Schweden dagegen sehen eine während des Prozesses unbefristete Zahlungspflicht des Beklagten vor. So bestimmen Griechenland in An. 1552 BGS (1940): Ist die Vaterschaft sehr wahrscheinlich und lebt die Mutter in Armut, so kann das Gericht oder in dringenden Fällen der Vorsitzende des Gerichts erster Instanz auch vor jedem Urteil über die Anerkennung den Vater verpflichten, dem Vormund des Kindes bis zum Urteil eine entsprechende Summe für den von ihm geschuldeten Unterhalt monatlich zu zahlen.

Jugoslawien in § 37 des Gesetzes über die Beziehung der Eltern und Kinder (1947) : In Streitfällen über die Unterhaltspflicht ... kann das Gericht entscheiden, dass bis zur Beendigung des Streitfalles der Beklagte dem Kläger eine bestimmte Summe bezahlt, über die nach Beendigung des Streitfalles abgerechnet wird.

Schweden im Elterngesetz von 1949/1958, Kap. 20, § 12 Abs. l und§ 13 Abs. 1: In einer Unterhaltssache kann das Gericht eine Person, die wahrscheinlich beitragspflichtig ist, nach Billigkeit verpflichten, schon für die Zeit bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides Beiträge zu leisten.

Hat das Gericht die Unterhaltspflicht des Mannes rechtskräftig verneint, so kann dieser die auf Grund einer Verfugung gemäss § 12 an das aussereheliche Kind oder die Mutter bezahlten Unterhaltsbeiträge nicht vom Empfänger, sondern nebst 6% Zinsen aus öffentlichen Mitteln zurückfordern.

4.4. Vorläufige Zahlungspflicht und Sicherstellungspflicht Die Lage der ausserehelichen Mutter in der Zeit zwischen Geburt und rechtskräftiger Beurteilung der Vaterschaftsklage ist nur eine der vielen Situationen, in welchen die Mutter zivilrechtlich allein für ihr Kind aufkommen muss. In gleicher Lage befindet sich die aussereheliche Mutter nach
Abweisung der Vaterschaftsklage, sodann die aussereheliche und die geschiedene eheliche Mutter, wenn der Vater nicht zahlt und mit den Mitteln der Schuldbetreibung nicht zur Zahlung gezwungen werden kann, und schliesslich die eheliche Mutter, deren Gatte seine Unterhaltspflicht nicht erfüllt oder gestorben ist. Dieses Problem lässt sich umfassend nur öffentlich-rechtlich - sei es durch eine Leistungspflicht des Gemeinwesens, sei es mit den Mitteln der Sozialversicherung - lösen. In der Schweiz besteht diese Regelung erst für den Fall des Todes oder der Erwerbsunfähigkeit des Vaters; doch ist bereits vorgeschlagen worden,

1256 nach skandinavischem Vorbild einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen das Gemeinwesen auf Bevorschussung des Unterhaltsanspruches bei Verzug des Schuldners zu gewähren. Diese Postulate können jedoch im Rahmen der vordringlichen Revision von Artikel 321 ZGB nicht weiter verfolgt werden.

Wie Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung zeigen, kommen für die privatrechtliche Lösung des Problems grundsätzlich eine Sicherstellungspflicht und eine vorläufige Zahlungspflicht des Beklagten in Betracht. Die Sicherstellung bietet dem Kläger Gewähr für die Vollstreckung des Urteils bei Gutheissung der Klage; der Beklagte läuft im Falle der Abweisung der Klage nicht Gefahr, seine provisorischen Leistungen zu verlieren. Die Sicherstellung nimmt jedoch der Klägerschaft die Last nicht ab, während der Dauer des Prozesses für den Unterhalt des Kindes allein aufkommen zu müssen. Zwar kann sie unter Umständen die Sicherstellung durch die öffentliche Fürsorge oder eine Privatperson bevorschussen lassen ; Anspruch darauf hat sie jedoch nicht. Diese Lösung erscheint dann zumutbar, wenn ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass die Klage abgewiesen wird. Ist die Wahrscheinlichkeit einer Klageabweisung jedoch gering, so ist es nicht gerechtfertigt, der Klägerschaft während der langen Prozessdauer die Auszahlung von Unterhaltsbeiträgen zu versagen und sie auf die unsichere Möglichkeit der Bevorschussung zu verweisen. Bei der Revision von Artikel 321 ist daher nicht von der Alternative Sicherstellungs- oder Vorschusspflicht auszugehen; vielmehr ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die beiden Lösungen sich so umschreiben lassen, dass diese sachgemäss miteinander kombiniert werden können. Die Einführung einer vorläufigen Zahlungs- neben der Sicherstellungspflicht wird denn auch in den Vernehmlassungen zum Vorentwurf der Studienkommission überwiegend bejaht; abgelehnt wird sie von den Anwälten und Notaren. Diese befürchten eine Präjudizierung des Endentscheides. Auch empfinden sie die Neuerung als Verstoss gegen den Grundsatz, dass eine zivilrechtliche Schuld nur existiert, wenn sie vom Richter festgelegt ist ; es bestehe daher die Gefahr unabsehbarer Konsequenzen. Ähnliche Bedenken wurden, wie dargelegt, seinerzeit auch gegen die Sicherstellungspflicht vorgebracht. Gleichwohl rechtfertigt es sich,
in Kürze darauf einzugehen. Denn es handelt sich bei der Leistungspflicht des Beklagten während des Prozesses bei der Form sowohl der Sicherstellung wie der vorläufigen Zahlung in der Tat um aussergewöhnliche Rechtsbehelfe.

Beide dienen der Sicherung eines behaupteten Rechtes : die Sicherstellung der Sicherung der künftigen Zwangsvollstreckung, die vorläufige Zahlung der vorläufigen Vollstreckung dieses Rechtes. Beide Institute stehen damit in Einklang mit den anerkannten Zwecken vorsorglicher Massnahmen. Sehen zwar bereits Artikel 9 Absatz l des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb, Artikel 10 des Kartellgesetzes und Artikel 77 des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente vorsorgliche Massnahmen zur vorläufigen Vollstreckung streitiger Unterlassungsansprüche vor, so fallen hingegen vorsorgliche Massnahmen für Leistungsansprüche im allgemeinen nicht in Betracht und für Alimente

1257 nur, sofern die Unterhaltspflicht als solche ausser Frage steht130*. Sie bedürfen daher einer besonderen Rechtfertigung.

Die Rechtfertigung liegt einmal in der Natur des geltend gemachten Anspruchs. Der Unterhaltsanspruch verdient mehr als irgendeine andere Forderung Schutz. Dieser Gedanke kommt etwa in seiner Privilegierung in der Schuldbetreibung (Art. 92, 93, 224 SchKCj, bei der Verrechnung (Ait. 125 Ziff. 2 OR) und im Eheschutzv erfahren (Art. 171 ZGB) zum Ausdruck. Besonders schutzwürdig erscheint der Unterhaltsanspruch des Kindes und, angesichts der im allgemeinen bedrängten Lage seiner Mutter, vorab der des ausserehelichen Kindes. Die Vollstreckung dieses Anspruches ist aber, wie gezeigt, in hohem Masse gefährdet. Darin liegt die Rechtfertigung der Sicherstellungspflicht. Hinzu kommt, dass Unterhalt seinem Zwecke nach laufend zu leisten ist. Geschieht dies nicht, so bedeutet das für das Kind regelmässig, dass es sich mit einer geringeren Lebenshaltung begnügen muss, als es nach Artikel 319 beanspruchen könnte, oft sogar auch der mütterlichen Pflege entbehren und bei Dritten untergebracht werden muss. Dass dies für das heranwachsende Kind besonders nachteilig ist, liegt auf der Hand. Daraus folgt, dass die vorläufige Vollstreckung behaupteter Ansprüche gerade beim Unterhaltsanspruch seine besondere innere Berechtigung hat. Weil es sich um eine singuläre Situation handelt, ist auch nicht zu befürchten, dass die Einführung der vorläufigen Zahlungspflicht unabsehbare Konsequenzen für andere Fälle nach sich zöge.

Namentlich ist der Vergleich mit dem Haftpflichtprozess nicht stichhaltig.

Nicht nur steht die Solvenz des Haftpflichtversicherers ausser Zweifel, vielmehr leistet jede Versicherung, die etwas auf ihren geschäftlichen Ruf hält, Vorschüsse, sobald über ihre Leistungspflicht einigermassen Klarheit besteht.

Für die vorläufige Leistungspflicht des Beklagten spricht auch seine Beziehung zum klagenden Kinde. Er wird als Vater belangt. Im ehelichen Kindesverhältnis hat der Ehemann bis zur rechtskräftigen Gutheissung seiner Ehelichkeitsanfechtungsklage für den Unterhalt des Kindes auch dann aufzukommen, wenn die Umstände von allem Anfang an gegen seine Vaterschaft sprechen. Erscheint das im Interesse des Kindes gerechtfertigt, so besteht kein Grund, dem Vaterschaftsbeklagten zu gestatten,
sich bis zum Urteil jeglicher Leistung zu entziehen, selbst wenn schon lange vor dem Urteil erhebliche Wahrscheinlichkeit über seine Vaterschaft besteht.

Ein letzter Grund liegt schliesslich in der rechtlichen Regelung der Mutterschaft. Da das Kindesverhältnis von Gesetzes wegen mit der Geburt entsteht (Art. 302 Abs. l ZGB), ist die Mutter auch von der Geburt an ohne weiteres unterhaltspflichtig. Sie hat nicht, wie in den Rechtsordnungen, die dem französischen Code civil folgen, die Möglichkeit, durch Verleugnung des Kindes sich der Unterhaltspflicht zu entziehen. Die schweizerische Regelung ist im Verhältnis zum Kinde befriedigender. Sie bedeutet aber gegenüber der Mutter, der zunächst die volle und alleinige Unterhaltspflicht obliegt, eine Härte. Diese ist in billiger Weise auszugleichen, indem mit der Sicherstellungspflicht Ge130

> Guldener, Zivilprozessrecht 382/383.

1258

währ für die spätere Vollstreckung geboten und darüberhinaus der Beklagte, für dessen Vaterschaft gewichtige Gründe sprechen, schon während des Prozesses zu Leistungen an den Unterhalt herangezogen wird.

4.5. Erläuterung des Entwurfes

4.5.1 Hinterlegungspflicht (Art. 321) Nach geltendem Recht muss die Vaterschaft des Beklagten glaubhaft gemacht werden. Diese Voraussetzung ist für die Sicherstellung ohne zeitliche Beschränkung beizubehalten. Da die hinterlegten Beiträge bei Abweisung der Klage dem Beklagten ohne weiteres zurückerstattet werden können, sind an die Glaubhaftmachung verhältnismässig geringe Anforderungen zu stellen. Es muss genügen, wenn ernstliche Indizien für die Beiwohnung bestehen oder diese nach Ort, Zeit und weiteren Umständen substantiiert dargetan ist und ihr Zeitpunkt nach der Dauer der Schwangerschaft mit der Möglichkeit einer Konzeption ernstlich zu rechnen erlaubt. Dagegen ist sie nicht glaubhaft, wenn Unmöglichkeit oder Mehrverkehr oder unzüchtiger Lebenswandel der Mutter sofort bewiesen werdenm). Mit dem Fortschreiten des Beweisverfahrens, wie namentlich mit der Erstattung des serologischen Gutachtens, wird die Glaubhaftmachung verstärkt oder abgeschwächt.

Die Sicherstellung soll sich ihrem Gegenstand nach wie bisher auf die Kosten der Entbindung und diejenigen des Unterhalts des Kindes beschränken.

Dagegen soll die Befristung auf die ersten drei Monate wegfallen. Darin liegt die wichtigste Änderung dieser Bestimmung. Ob auch die Ansprüche der Mutter auf Ersatz ihres eigenen Unterhalts und anderer infolge der Entbindung notwendig gewordener Auslagen (Art. 317 Ziff. 2 und 3 ZGB) sicherzustellen seien, soll erst bei der Revision des übrigen Ausserehelichenrechts geprüft werden.

Artikel 321 bestimmt ausdrücklich, dass die Sicherstellung auch ohne Gefährdung des Anspruchs anzuordnen sei. Daran ist auch festzuhalten, wenn in Zukunft die Befristung auf drei Monate wegfällt. Die Gefährdung liegt darin, dass die mögliche Schuld des Beklagten während des Prozesses mit jedem Monat grösser wird und ihre Erfüllung im Zeitpunkt des Urteils die Leistungsfähigkeit des Beklagten oft übersteigt.

Dagegen besteht die Sicherstellungspflicht heute nur, wenn die Mutter sich in Not befindet. Diese Voraussetzung ist unangebracht, da die Notlage durch Sicherstellung allein in keiner Weise gemildert wird. Ihre Rechtfertigung hat die Sicherstellung lediglich im Risiko, dass die bis zum Urteil fällig werdenden Beiträge nicht mehr eingetrieben werden können. Auf diese Sicherheit jedoch haben Mutter und Kind unabhängig von
ihrer allfälligen Notlage Anspruch. Auf das Erfordernis der Notlage der Mutter ist aus diesen Überlegungen künftig zu verzichten132).

Der Ausdruck «Sicherstellung» lässt offen, ob eine Barleistung oder eine Real- oder Personalsicherheit (Pfand, Bürgschaft, Garantie) gemeint sei. Sie soll 131

> Hegnauer, N. 5-8 zu Art. 321 ZGB.

> Appellationsgericht Basel-Stadt, SJZ 1966, 190.

132

1259

Gewähr bieten, dass bei Rechtskraft des gutheissenden Urteils die verfallenen Unterhaltsbeiträge sofort, d. h. ohne weitere Vorkehren, zur Verfügung stehen.

Deshalb ist es angezeigt, den Beklagten zu einer Barleistung zu verpflichten. Dies ist mit dem Begriff « Hinterlegung » zum Ausdruck zu bringen. Hinterlegungsstellen sind die vom kantonalen Recht bezeichneten Depositenanstalten. Ist eine Barleistung zu erbringen, so dürfte sie auf dem Wege der Betreibung auf Zahlung (nicht auf Sicherheitsleistung) zu vollstrecken sein.

Artikel 319 ZGB ist sinngemäss anzuwenden. Es ist demgemäss ein Beitrag festzusetzen, der der Lebensstellung der Mutter und des Beklagten entspricht, mindestens aber einen angemessenen Beitrag an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung des Kindes darstellt. Der Beitrag ist periodisch zum voraus, in der Regel monatlich, zu hinterlegen. Dieser Entscheid präjudiziert die Festsetzung des Beitrages im Endurteil nicht. Wird mehr zugesprochen, so hat der Beklagte eine Nachzahlung zu leisten. Ist der endgültige Beitrag geringer, so erhält der Beklagte einen Teil des hinterlegten Betrages zurück.

4.5.2 Vorläufige Zahlungspflicht (Art. 321 a) Die vorläufige Vollstreckung eines Leistungsanspruches ist nur gerechtfertigt, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Anspruch begründet ist und im Endurteil geschützt wird. Diese Voraussetzung lässt sich im Vaterschaftsprozess verhältnismässig leicht verwirklichen. Er zerfällt heute in zwei Zeitabschnitte: - das Hauptverfahren und das anschliessende Beweisverfahren mit Vernehmung der Parteien und Zeugen sowie Einholung des serologischen Gutachtens und gegebenenfalls eines solchen über Reifegrad und Zeugungsfähigkeit. Besondere Situationen vorbehalten, dauert dieser erste Zeitabschnitt in erster Instanz im allgemeinen nicht länger als ein Jahr ; - die Ergänzung des Beweisverfahrens durch das AEG. Da das Kind hiefür mindestens drei Jahre al^sein muss und die anthropologischen Sachverständigen stark überlastet sind, dauert dieser zweite Zeitabschnitt in der Regel mehrere Jahre. Die Erfahrungen zeigen nun eindrücklich, dass die Beweislage am Ende der ersten Phase durch das AEG zwar oft zugunsten der Klägerschaft, nur ganz selten aber zugunsten des Beklagten verändert wird.

Es erscheint darum sachlich, aber auch mit Rücksicht
auf das zeitliche Verhältnis der beiden Abschnitte gerechtfertigt, die vorläufige Zahlungspflicht davon abhängig zu machen, dass die Klage unter Vorbehalt des AEG gutgeheissen werden müsste. Dies setzt voraus, - dass die Vaterschaftsvermutung gemäss Artikel 314 Absatz l ZGB begründet ist - und weder durch Nachweis von Mehrverkehr oder unzüchtigem Lebenswandel der Mutter zerstört (Art. 314Abs. 2, Art. 315ZGB), - noch durch ein serologisches Gutachten oder ein solches über den Reifegrad oder die Zeugungsfähigkeit widerlegt worden ist.

1260 Ein AEG zum Nachweis der Nichtvaterschaft des Beklagten kommt unter diesen Umständen praktisch nur als Einmanngutachten in Betracht. Es ist zwar theoretisch möglich, dass ein solches den Beklagten ausschliesst; aber die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall in der geschilderten prozessualen Konstellation eintritt, ist überaus gering. Er ist, wie aus der Erhebung der Expertenkommission hervorgeht, seit 1964 in den Kantonen Zürich, Bern, Luzern und Basel-Stadt nicht vorgekommen. Das dürfte damit zusammenhängen, dass einerseits die serologische Ausschlusswahrscheinlichkeit bereits heute beträchtlich ist und durch die Entdeckung neuer Systeme immer grösser wird; anderseits ist es in Einmannfällen schwieriger, mit dem AEG eine Nichtvaterschaft festzustellen als eine Vaterschaft nachzuweisen. Um die Berücksichtigung künftiger neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in keiner Weise zu erschweren, vermeidet es Artikel 321« Absatz l des Entwurfes, die heute bekannten Gutachten zu nennen.

Die vorläufige Zahlungspflicht darf nicht von einer Notlage der Mutter abhängig gemacht werden. Unter den gegebenen sachlichen Voraussetzungen hat das Kind Anspruch auf einen auch der Lebensstellung des präsumtiven Vaters entsprechenden Unterhalt. Im übrigen vermag die alleinstehende Mutter nach der Lebenserfahrung für den Unterhalt des Kindes nicht allein aufzukommen, sondern ist auf Beiträge des Vaters oder Dritter angewiesen. Die Notlage ergibt sich gewissermassen aus der Natur der Sache. Die seltenen Fälle, in denen die Mutter für das Kind allein aufzukommen vermag, rechtfertigen nicht, die Notlage zur gesetzlichen Voraussetzung der vorläufigen Zahlungspflicht zu machen.

Auch würde der Entscheid unnötig kompliziert, wenn auch beurteilt werden müsste, ob eine Notlage vorhanden sei. Im übrigen würde es auch nicht genügen, von einer Notlage der Mutter zu sprechen. Ist sie gestorben oder kümmert sie sich nicht um das Kind, so müssten die Zahlungen gleichwohl wegen der Notlage des Kindes zugesprochen werden.

Die Möglichkeit, dass der Beklagte, der Unterhaltsbeiträge an das Kind geleistet hat, am Ende doch obsiegt, lässt sich trotz den strengen Bedingungen, die Artikel 321 « an seine vorläufige Zahlungspflicht knüpft, nicht ganz ausschliessen.

Die Expertenkommission gelangte dazu, für diesen Ausnahmefall, der nach
dem Gesagten höchst selten eintreten dürfte, dem Beklagten einen Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Beiträge einzuräumen ; dieser ergibt sich begrifflich aus der Vorläufigkeit dieser Zahlungen und darüber hinaus aus dem Grundsatz, dass niemand eine fremde Schuld zu bezahlen hat. Heikler als der grundsätzliche Rückerstattungsanspruch war die Frage, gegen wen er sich richten sollte; diesbezüglich prüfte die Expertenkommission drei Lösungen.

Die erste bestand darin, die aus den Beiträgen ungerechtfertigt bereicherten Personen, nämlich das Kind, seine Mutter, seinen wirklichen Vater und gegebenenfalls die unterhaltspflichtigen Verwandten im Sinne von Artikel 328 ZGB rückerstattungspflichtig zu erklären. Diese Lösung weist den Vorteil auf, dass sie auf dem Boden des Zivilrechts verbleibt ; sie findet sich in den Artikeln 62 ff. des Obligationenrechts über die ungerechtfertigte Bereicherung vorgezeichnet. Diese allgemeinen Bestimmungen machen besondere Bestimmungen für jenen höchst selten eintretenden Ausnahmefall entbehrlich. Ein Nachteil liegt darin, dass sie

1261

für den Beklagten die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs kompliziert, mit dem Risiko, dass zuguterletzt doch nur ein Verlustschein herausschaut.

Die Rückerstattungspflicht der öffentlichen Hand nach dem Muster Schwedens bildet die zweite denkbare Lösung. Sie liesse sich damit rechtfertigen, dass der Beklagte die öffentliche Fürsorge entlastet. Logischerweise sollte sie daher das Gemeinwesen treffen, dem die öffentliche Fürsorge obliegt, was nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten auf interkantonaler und interkommunaler Ebene mit sich brächte; besitzt das Kind kein Fürsorgedomizil im Inland, so versagt sie vollends.

Dritte denkbare Lösung, unbestreitbar die günstigste für den Beklagten, wäre eine Rückerstattungspflicht des Bundes. Sie besticht durch ihre Einfachheit.

Die Expertenkommission gab ihr deshalb den Vorzug; sie erinnerte ausserdem daran, dass das Bundeszivilrecht vereinzelt ungleich höhere finanzielle Leistungen des Bundes vorsehe, beispielsweise in Artikel 39 Absatz l SchlT ZGB über die Grundbuchvermessung und in den Artikeln 74-76 des Strassenverkehrsgesetzes über die Strassenverkehrshaftpflicht.

Es sind denn auch nicht Erwägungen der Sparsamkeit, aus denen wir diese Empfehlung der Expertenkommission ablehnen und statt dessen die ersterwähnte Lösung empfehlen. Wenn wir darnach in Artikel 3210 des Entwurfes für die Rückerstattungspflicht stillschweigend die allgemeinen Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung vorbehalten und auf besondere Bestimmungen über die Rückerstattungspflicht verzichten, so geschieht es aus grundsätzlichen Erwägungen. Der Grundsatz lautet dahin, die Frage, um deren Lösung es sich handelt, nach Möglichkeit mit den Mitteln des gemeinen Zivilrechts zu lösen.

Die Expertenkommission hat diese Möglichkeit aus reinen Zweckmässigkeitserwägungen verneint, die, so einleuchtend sie auf den ersten Blick erscheinen, im Lichte jenes Grundsatzes nicht zu überzeugen vermögen. Das gilt im besonderen für die Präzedenzfälle, auf diesich die Expertenkommission zum Vergleich beruft.

Ein Vergleich mit anderen Rückerstattungsansprüchen aus dem Kindschaftsrecht läge näher; solche kommen beispielsweise im Gefolge einer Anfechtung der Ehelichkeit oder einer Anfechtung der durch Täuschung bewirkten Anerkennung in Frage. Auch in diesen Fällen bleibt der obsiegende
Kläger auf die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung angewiesen. Es gibt keinen zwingenden Grund, den Beklagten im Vaterschaftsprozess günstiger zu stellen.

4.5.3 Zuständiger Richter (Art. 321b) und intertemporales Recht (Art. 13 Abs. 2"18 SchlT ZGB) Der Entscheid über die Hinterlegungs- und die vorläufige Zahlungspflicht steht nach Artikel 3216 des Entwurfes dem für die Beurteilung der Vaterschaftsklage zuständigen Richter zu. Dies liegt im Interesse der einheitlichen Beurteilung dieser Begehren und der Vaterschaftsklage. Diese Lösung ermöglicht aber auch ohne weiteres, dass der Richter ein Begehren um vorläufige Zahlungen gegebenenfalls nicht einfach abweist, sondern wenigstens im Sinne der Hinterlegung gutheisst, bei späterer Anordnung der vorläufigen Zahlungspflicht und namentlich bei Gutheissung der Klage aber auch darüber befindet, was mit den bereits Bundesblatt. 123. Jahrg. Bd. I

79

1262 hinterlegten Beträgen zu geschehen habe. Er bringt das neue, für Mutter und Kind günstigere Recht auch zur Anwendung, wenn die Mutter das Kind vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts geboren hat, wie Artikel 13 Absatz 2ble SchlT ZGB abweichend von Artikel 13 Absatz 2 SchlT ZGB bestimmt.

5. Schlussbemerkungen 5.1. Verfassungsmässigkeit Die Adoption und Artikel 321 ZGB bilden Materien des Zivilrechts im Sinne von Artikel 64 Absatz 2 der Bundesverfassung. Der Entwurf greift zwar in Artikel 267« über das Bürgerrecht des Adoptivkindes, in den Artikel 268, 268a über das Adoptionsverfahren und in Artikel 269c über die Adoptivkindervermittlung in öffentliches, Staats-, Verwaltungs- und Verfahrensrecht über, dessen Erlass an sich den Kantonen zusteht, dessen Vereinheitlichung im Bundesrecht im vorgeschlagenen Umfang aber für ein sachgerechtes Adoptionsrecht und dessen Verwirklichung unentbehrlich ist. Dieses formelle Zivilrecht, dessen das Adoptionsrecht nicht entraten kann, ist durch Artikel 64 Absatz 2 der Bundesverfassung ebenfalls gedeckt, wie bereits in den Erläuterungen zum Entwurf dargetan wurde (oben Ziff. 3.4, 3.5.2.4, 3.5.3.2 und 3.5.5).

5.2. Verhältnis zur Strasshurger und Haager Konvention Der Entwurf steht im Einklang mit den beiden internationalen Konventionen in dieser Materie, deren Genehmigung wir Ihnen gleichzeitig mit separaten Botschaften beantragen, nämlich mit dem Europäischen (sogenannten Strassburger) Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern und mit dem (sogenannten Haager) Übereinkommen vom 15. November 1965 über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt.

5.3. Abschreibung von Postulaten Die Postulate Allemann, Nr. 6926 vom 20. September 1955 (Bürgerrecht des Adoptivkindes), Buri, Nr. 9283 vom 16. März 1966 (Adoption), und Korner, Nr. 9877 vom 3. Oktober 1968 (Art. 321), finden sich mit unserem Entwurf erfüllt, so dass wir mit dem Antrag, ihn zum Beschluss zu erheben, auch die Abschreibung dieser Postulate beantragen dürfen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 12. Mai 1971 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Gnägi Der Bundeskanzler: Huber

1263

(Entwurf)

Bundesgesetz über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Adoption und Art. 321)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1971 *> beschliesst:

Änderung des Zivilgesetzbuches l. Der Dritte Abschnitt des siebenten Titels wird wie folgt geändert : Dritter Abschnitt: Die Adoption Art. 264

Ein Kind darf adoptiert werden, wenn ihm die künftigen Adoptiveltern während wenigstens zwei Jahren Pflege und Erziehung erwiesen haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines ehelichen Kindesverhàltnisses diene seinem Wohle, ohne andere Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückzusetzen.

A. Adoption Unmündiger I. Allgemeine Voraussetzungen

Art. 264a (neu) 1

Ehegatten dürfen gemeinschaftlich adoptieren, wenn beide das fünfunddreissigste Altersjahr zurückgelegt haben oder ihre Ehe fünf Jahre gedauert hat.

2 Ein Ehegatte darf das Kind des ändern adoptieren, wenn er das fünfunddreissigste Altersjahr zurückgelegt oder die Ehe zwei Jahre gedauert hat.

^ BEI 19711 1200

II. Voraussetzungen auf Seiten der Adoptiveltern

1264 3

Eine unverheiratete Person darf allein adoptieren, wenn sie das fünfunddreissigste Altersjahr zurückgelegt hat, ebenso eine verheiratete Person, deren Ehegatte dauernd urteilsunfähig oder mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder deren Ehe gerichtlich auf unbestimmte Zeit getrennt ist.

Art. 265 III. Voraussetzungen auf Seiten des Kindes 1. Alter, Zustimmung

1

Das Kind muss wenigstens sechzehn Jahre jünger sein als die Adoptiveltern.

2 Ist das Kind urteilsfähig, so ist zur Adoption seine Zustimmung notwendig.

3 Ist es bevormundet, so kann, auch wenn es urteilsfähig ist, die Adoption nur mit Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde erfolgen.

Art. 265a (neu)

2. Zustimmung der Eltern a. Form

1

Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes.

2 Die Zustimmung ist von der Vormundschaftsbehòrde am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes entgegenzunehmen und im Protokoll vorzumerken.

3 Sie ist gültig, selbst wenn die künftigen Adoptiveltern nicht genannt oder noch nicht bestimmt sind.

Art. 265b (neu)

6. Zeitpunkt

1

Die Zustimmung darf nicht vor Ablauf von sechs Wochen seit der Geburt des Kindes erteilt werden.

2 Sie kann binnen sechs Wochen seit ihrer Entgegennahme widerrufen werden.

Art. 265c (neu)

c. Absehen · der Zustimmung

1

Die Zustimmung ist nicht erforderlich, 1. wenn sie nicht eingeholt werden kann, weil ein Elternteil unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist, 2. wenn ein Elternteil sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert hat.

2 Massgebend sind die Verhältnisse um die Zeit der Unterbringung des Kindes bei den Adoptiveltern, wenn sie zum Zwecke späterer Adoption erfolgte, in den ändern Fällen die Verhältnisse um die Zeit der Adoption.

1265 3

Wird von der Zustimmung eines Elternteils abgesehen, weil er sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert hat, so ist ihm der Entscheid schriftlich mitzuteilen.

1

Art. 266 Eine mündige oder entmündigte Person darf nur adoptiert B. Adoption

, Werden,

Mundiger und Entmündigter

1. wenn sie infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd hilfsbedürftig ist und die Adoptiveltern ihr während wenigstens fünf Jahren Pflege erwiesen haben, 2. wenn sie vor Vollendung ihres zwanzigsten Lebensjahres während wenigstens fünf Jahren von den Adoptiveltern auferzogen wurde, 3. wenn andere schwerwiegende Gründe die Herstellung eines ehelichen Kindesverhältnisses rechtfertigen.

2 Nachkommen der Adoptiveltern sind vor der Adoption anzuhören.

3 Eine verheiratete Person kann nur mit Zustimmung ihres Ehegatten adoptiert werden.

4 Im übrigen finden die Bestimmungen über die Adoption Unmündiger entsprechende Anwendung.

Art. 267 1

Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines ehelichen c. Wirkung L Im Kindes der Adoptiveltern.

»u«emeinen 2 Das bisherige Kindesverhältnis erlischt; vorbehalten bleibt dasjenige zum Eltern teil, der mit dem Adoptierenden verheiratet ist.

3 Bei der Adoption kann dem Kind ein neuer Personenname gegeben werden.

Art. 267a (neu) Das unmündige Kind erhält anstelle seines bisherigen Bürger- n. Heimat rechts dasjenige der Adoptiveltern.

Art. 268 1

Die Adoption wird vom Richter am Wohnsitz der Adoptivel- D. verfahren ma Bl:me tern ausgesprochen.

" nen " 2 Ist das Adoptionsgesuch eingereicht, so hindert Tod oder Eintritt der Urteilsunfähigkeit des Adoptierenden die Adoption nicht, sofern deren Voraussetzungen im übrigen nicht berührt werden.

3 Die Adoptiveltern dürfen ohne ihre Zustimmung den Eltern des Kindes nicht bekanntgegeben werden.

1266 Art. 268a (neu) II. Untersuchung

E Anfechtung I. Grunde 1. Fehlen der Zustimmung

1

Die Adoption darferst nach umfassender Untersuchung aller wesentlichen Umstände, nötigenfalls unter Beizug von Sachverständigen, ausgesprochen werden.

2 Namentlich sind die Persönlichkeit und die Gesundheit der Adoptiveltern und des Adoptivkindes, ihre gegenseitige Beziehung, die erzieherische Eignung, die wirtschaftliche Lage und die Beweggründe der Adoptiveltern sowie die Entwicklung des Pflegeverhältnisses abzuklären.

Art. 269 1

Ist eine Zustimmung ohne gesetzlichen Grund nicht eingeholt worden, so können die Zustimmungsberechtigten die Adoption anfechten, sofern dadurch das Wohl des Kindes nicht ernstlich beeinträchtigt wird.

2 Den Eltern steht diese Klage jedoch nicht zu, wenn sie den Entscheid über die Adoption ans Bundesgericht weiterziehen können.

Art. 269a (neu) 1

2. Andere Mangel

Leidet die Adoption an anderen schwerwiegenden Mängeln, so kann jedermann, der ein Interesse hat, namentlich auch die Heimat- oder Wohnsitzgemeinde, sie anfechten.

2 Die Anfechtung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Mangel inzwischen behoben ist oder ausschliesslich Verfahrensvorschriften betrifft.

Art. 269b (neu)

II. Klagefnst

Die Klage ist binnen sechs Monaten seit Entdeckung des Anfechtungsgrundes und in jedem Falle binnen zwei Jahren seit der Adoption zu erheben.

Art. 269c (neu)

F. Adoptivkmdervermittlung

1

Die Kantone üben die Aufsicht über die Vermittlung von Kindern zur spätem Adoption aus.

a Wer diese Vermittlung berufsmässig oder im Zusammenhang mit seinem Berufe betreibt, bedarf einer Bewilligung; die Vermittlung durch vormundschaftliche Organe bleibt vorbehalten.

s Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften.

2. Artikel 321 wird wie folgt geändert : 3. Vorsorgliche Massregeln a. Hinterlegung

Art. 321 Ist die Klage angebracht und die Vaterschaft glaubhaft gemacht, so hat der Beklagte auf Begehren des Klägers die Entbin-

1267 dungskosten und angemessene Beiträge an den Unterhalt des Kindes schon vor dem Urteil zu hinterlegen.

Art. 32la (neu) Ist die Vaterschaft zu vermuten und wird die Vermutung durch &. Vorläufige die ohne Verzug verfügbaren Beweismittel nicht zerstört, so hat der a ung Beklagte auf Begehren des Klägers schon vor dem Urteil angemessene Beiträge an den Unterhalt des Kindes zu leisten.

Art. 321b (neu)

Über die Hinterlegung und die vorläufige Zahlung entscheidet c. zustandigder für die Beurteilung der Vaterschaftsklage zuständige Richter.

3. Die übrigen Bestimmungen werden wie folgt geändert :

Art. 100 Die Eheschliessung ist verboten : B. Ehehindernisse 1. zwischen Verwandten in gerader Linie, zwischen voll- und i. verwandthalbbürtigen Geschwistern und zwischen Oheim und Nichte, Neffe und Tante, seien sie einander ehelich oder ausserehelich, durch Abstammung oder durch Adoption verwandt, 2. zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern und zwischen Stiefeltern und Stiefkindern, auch wenn die Ehe, die das Verhältnis begründet hat, für ungültig erklärt oder durch Tod oder Scheidung aufgelöst worden ist.

2 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann, wenn schwerwiegende Rücksichten es rechtfertigen, die Eheschliessung zwischen Adoptiwerwandten gestatten, ausgenommen zwischen denen in gerader Linie.

3 Die Adoption hebt das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft und der Schwägerschaft zwischen dem Adoptivkind und seinen Nachkommen einerseits und seiner angestammten Familie anderseits nicht auf.

1

Art. 120 Ziff. 3 3. wenn die Eheschliessung infolge Verwandtschaft oder Schwägerschaft unter den Ehegatten verboten ist,

Art. 129 Aufgehoben

1268 Art. 286a (neu) 3. Bei Adoption

Haben die Eltern in eine künftige Adoption des Kindes durch ungenannte Dritte eingewilligt, so ist dem Kinde, das sich unter ihrer elterlichen Gewalt befindet, ein Vormund zu bestellen.

Art. 328 Abs. 2 (neu) 2

Die Unterstützungspflicht unter Adoptiwerwandten tritt anstelle derjenigen unter Blutsverwandten.

Art. 422 Ziff. l 1. Adoption eines Bevormundeten oder durch einen Bevormundeten,

Art. 465 C. Adoptivkinder

1

Das adoptierte Kind und seine Nachkommen haben zu den Adoptiveltern und deren Verwandten 'das gleiche Erbrecht wie die ehelichen Nachkommen.

2 Die Adoptiveltern und ihre Verwandten sind gegenüber dem Adoptivkind und dessen Nachkommen erbberechtigt.

Schlusstitel Art. 12a (neu) b

m ". Adopi'.°Fortdauer des bisherigen

Die Adoption, die vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen ^es Bundesgesetzes vom über die Änderung des Zivilgesetzbûches ausgesprochen worden ist, steht weiterhin unter dem am 1. Januar 1912 in Kraft getretenen Recht.

Art. 12b (neu)

2. Unterstellung unter das neue Recht

1

Eine nach dem bisherigen Recht ausgesprochene Adoption einer unmündigen Person kann auf Begehren der Adoptiveltern und des Adoptivkindes binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen diesen unterstellt werden.

2 Der Eintritt der Mündigkeit des Adoptivkindes steht diesem Begehren nicht entgegen.

3 Anwendbar sind die neuen Bestimmungen über das Verfahren und die Zustimmung der Eltern.

1269 Art. 13 Abs. 2Ws (neu)

abis £)je neuen Bestimmungen über die vorsorglichen Massregeln des Bundesgesetzes vom über die Änderung des Zivilgesetzbuches finden jedoch mit ihrem Inkrafttreten auch auf die vor diesem Zeitpunkt geborenen ausserehelichen Kinder Anwendung.

II

Änderung anderer Erlasse 1. Das Bundesgesetz vom 25. Juni 1891 betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter wird wie folgt geändert : Art. 8 1

Der Familienstand einer Person, insbesondere die Frage der ehelichen oder unehelichen Geburt und die Frage der Wirkungen einer freiwilligen Anerkennung oder einer durch die Behörden erfolgten Zusprechung Unehelicher, bestimmt sich nach dem heimatlichen Recht und unterliegt der Gerichtsbarkeit der Heimat.

2 Als Heimat gilt in diesen Fällen der Heimatkanton des Ehemannes oder des Vaters.

Art. 8a (neu) 1

Der schweizerische Richter ist zuständig, eine Adoption auszusprechen, wenn die adoptierende Person oder die adoptierenden Ehegatten ihren Wohnsitz in der Schweiz haben.

2 Ist eine Adoption durch einen Schweizer oder durch schweizerische Ehegatten an ihrem ausländischen Wohnsitz nicht möglich, so ist der schweizerische Richter des Heimatortes zuständig, die Adoption auszusprechen, es sei denn, diese werde im Wohnsitzstaat nicht anerkannt und es erwachse daraus dem Kind ein schwerer Nachteil.

Art. 8b (neu) Die Voraussetzungen und Wirkungen einer in der Schweiz ausgesprochenen Adoption bestimmen sich nach schweizerischem Recht.

Art. 8c (neu) Zeigt sich, dass eine Adoption in der Heimat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten nicht anerkannt würde und daraus dem Kind ein schwerer Nachteil erwüchse, so berücksichtigt der Richter ausser den Voraussetzungen des schweizerischen Rechts auch diejenigen des Heimatrechtes der adoptierenden Personen ; erscheint auch auf diesem Wege die Anerkennung nicht als gesichert, so ist das Gesuch abzuweisen.

1270 2. Das Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts wird wie folgt geändert :

Art. 7 Adoption

Wird ein unmündiges ausländisches Kind von einem Schweizerbürger adoptiert, so erwirbt es das Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Adoptierenden und damit das Schweizerbürgerrecht.

Art. 8a (neu) Durch Adoption

1

Wird ein unmündiger Schweizerbürger von einem Ausländer adoptiert, so verliert er mit der Adoption das Schweizerbürgerrecht, wenn er damit die Staatsangehörigkeit des Adoptierenden erwirbt oder diese bereits besitzt.

2 Wird die Adoption aufgehoben, so gilt der Verlust des Schweizerbürgerrechts als nicht eingetreten.

Ar 1.15 Abs. 3 3

Für Kinder, die mit ihrer Mutter ausländischer Herkunft und deren schweizerischem Ehemann zusammenleben, wird auch die schon vor dem zehnten Lebensjahr in der Schweiz verbrachte Zeit doppelt gerechnet.

Art. 57 Abs. 5 (neu) 5

Artikel 7 gilt auch für die Adoption mündiger Personen, die in Anwendung von Artikel 12b Absatz 2 des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches ausgesprochen wird.

3. Das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege wird wie folgt geändert :

Art. 44 Nicht vermdgensrechtliche Zivilsachen

Die Berufung ist zulässig in nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten sowie in folgenden Fällen : a. Verweigerung der Einwilligung des Vormundes zur Eheschliessung (Art. 99 ZGB) ; (unverändert) b. Bewilligung der Adoption ohne Zustimmung der Eltern und Verweigerung der Adoption (Art. 265cAbs. l Ziff. 2, Art. 268 Abs. l ZGB); (neu) c. Entziehung und Wiederherstellung der elterlichen Gewalt (Art. 285 und 287 ZGB); (bisher Buchst, b) d. Entmündigung und Anordnung einer Beistandschaf t (Art. 369 bis 372,392 bis 395 ZGB) sowie Aufhebung dieser Verfügung.

(bisher Buchst, c, im übrigen unverändert)

1271

m Inkrafttreten Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes; die Übergangsbestimmungen der durch dieses Gesetz geänderten Gesetze finden Anwendung.

1811

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption und Art. 321 ZGB) (Vom 12. Mai 1971)

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