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Bundesversammlung Die vereinigte Bundesversammlung hat am 27. September 1962 folgende Wahl vorgenommen : Als Mitglied des Bundesrates: Herr Eoger Bonvin, von Icogne-Lens, Ingenieur, Nationalrat, Stadtpräsident von Sitten.

Als Vizepräsident des Bundesrates: Herr Willy Spühler, Vorsteher des Post- und Eisenbahndepartements.

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Bundesrat Dr. Jean Bourgknecht (Eine Würdigung des Präsidenten der Bundesversammlung, Walther Bringolf, anlässlich der Genehmigung des Eücktrittsgesuches.)

Am 16. September 1962 erreichte Bundesrat Dr. Jean Bourgknecht das 60. Altersjahr. Am 3.September 1962 traf beim Präsidenten der Bundesversammlung das Demissionsschreiben ein, mit dem Bundesrat Dr. Jean Bourgknecht auf den 30. September dieses Jahres seinen Eücktritt als Mitglied des Bundesrates mitteilte. Ein tragisches und bedauernswertes persönliches Schicksal liegt in dieser Eücktrittserklärung und wirft einen tiefen Schatten auf die heutige Ersatzwahl in den Bundesrat. Für den Präsidenten der Bundesversammlung ist es keine leichte Aufgabe, Leben, Arbeit und Verdienste des Dr. Jean Bourgknecht zu würdigen, im Blick darauf, dass der Demissionierende glücklicherweise noch immer unter uns weilt, wenn auch nicht mehr mit der Kraft und der Gesundheit, die während Jahrzehnten die Quelle seiner bedeutenden geistigen Leistungen waren.

Der Herkunft nach gehört Bundesrat Dr. Jean Bourgknecht zu den ältesten Familien des Patriziates seiner Heimatstadt Freiburg. Im Bürgerverzeichnis der Stadt Freiburg findet man bis auf das Jahr 1315 zurück den Namen Bourgknecht. Bundesrat Bourgknecht wuchs in seiner Heimatstadt auf, besuchte deren Schulen, das Kollegium von Altdorf und die Universitäten von Freiburg, Bern und Wien. Seine Muttersprache ist französisch. Es war ihm ein wesentliches Anliegen, in seinen jungen Jahren die deutsche Sprache zu erlernen und möglichst einwandfrei zu beherrschen, um sich in unserem mehrsprachigen Lande auch mit den deutschsprechenden Eidgenossen jederzeit verständigen zu können.

Dr. Jean Bourgknecht studierte die Rechte und führte das Advokaturbüro Bourgknecht in Freiburg in der vierten Generation weiter. Er galt als ausgezeichneter Anwalt, und seine Söhne haben die Leidenschaft und Liebe des Vaters zum Recht und zur Vertretung des Eechts übernommen. Sie führen in

610 der fünften Generation das Anwaltsbüro Bourgknecht in Freiburg weiter. Dr. Jean Bourgkriecht schuf sich bald, nachdem er seine berufliche Tätigkeit aufgenommen hatte, einen Namen unter den schweizerischen Anwälten. Von 1937 bis 1940 präsidierte er den Schweizerischen Anwalts verband. Von 1954 bis zu seiner Wahl in den Bundesrat war Dr. Bourgknecht Dozent an der Universität Freiburg und machte die Studierenden mit dem Zivilprozessrecht vertraut.

Verhältnismässig spät trat Dr. Jean Bourgknecht in das politische Leben ein. Dann aber fielen ihm rasch zahlreiche Aufgaben und Ämter zu. Die Freiburger Stimmberechtigten wählten Dr. Jean Bourgknecht zum Stadtpräsidenten seiner Vaterstadt, und damit übernahm er ein Amt, das schon sein Grossvater einige Zeit ausgefüllt hatte. Bundesrat Bourgknecht galt als Syndic von Freiburg als ausgezeichneter Verwaltungsmann. Man rühmte seine überlegte, gescheite Art, man rühmte seine Sparsamkeit und Gewissenhaftigkeit, und man rühmte auch seine Verachtung für kleinliches Parteigezänk. Dr. Jean Bourgknecht hat zu keiner Zeit die Erkenntnis und die Notwendigkeit vergessen, die die Erklärung für das innere politische Gleichgewicht in unserem Lande vermittelt. Der damalige Stadtpräsident und Politiker in Freiburg war vertraut mit dem Schicksal der konfessionellen und politischen Minderheiten. Weil er eidgenössisch und staatsmännisch dachte, weil ihm am gesunden tragfähigen Verhältnis zwischen den Konfessionen und den verschiedenen Sprachen und sprachlichen Gruppierungen unseres Landes und ihrem Gleichgewicht lag, zeichnete er sich durch Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersgesinnten aus.

Dieses Verständnis für politische und konfessionelle Minderheiten bei aller Wahrung einer grundsätzlichen Haltung, war eine Voraussetzung für seine Berufung zum Präsidenten der konservativ-christlichsozialen Volkspartei der Schweiz. Sie war noch mehr. Im Jahre 1951 trat Dr. Jean Bourgknecht in den Nationalrat ein und gehörte ihm bis 1955 an. Vom Jahre 1956 bis zu seiner Wahl zum Mitglied des Bundesrates, die am 17.Dezember 1959 stattfand, war Dr. Jean Bourgknecht Mitglied des Ständerates. Im Nationalrat nahm Dr. Bourgknecht an den Arbeiten der Begnadigungskommission und der Geschäftsprüfungskommission, im Ständerat an den Arbeiten der Kommission für auswärtige Angelegenheiten
und der Finanzkommission lebhaften Anteil. Doch seine Fraktion ordnete ihn nicht nur in wichtige ständige Kommissionen der beiden Bäte ab. Das mir vorliegende Verzeichnis gibt Aufschluss darüber, dass sich Nationalrat und später Ständerat Dr. Jean Bourgknecht in zahlreichen nichtständigen Kommissionen mit den Finanzproblemen der Eidgenossenschaft, mit Eechts- oder Schulfragen, aber auch mit wichtigen sozialpolitischen Aufgaben und mit Fragen der Landwirtschaft befasste. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich Dr. Bourgknecht sowohl im Nationalrat als auch im Ständerat und damit in der schweizerischen Politik eine starke, aus seiner Leistung und Intelligenz herausgewachsene einflussreiche Stellung erworben.

Dr. Jean Bourgknecht war zu allen Zeiten ein unermüdlicher Arbeiter.

Wer mit ihm näher bekannt wurde, erfuhr, dass er Wert auf sorgfältige und exakte Pflichterfüllung im privaten und im öffentlichen Dienst legte ohne, wie

611 es gelegentlich scheinen mochte, kleinlich zu sein. Obwohl ihm Gefühl und Sinn für die Autorität keineswegs fehlten, war er im Verkehr mit den Mitmenschen von ausgesuchter Höflichkeit. Der Mann mit abgeklärten Ideen und soliden Grundsätzen, der Dr. Bourgknecht war und ist, hatte zu allen Zeiten Sinn für echten Humor. Wer mit ihm näher zu tun hatte, in parlamentarischen Kommissionen oder später während seiner Aktivität als Bundesrat, lernte einen Mann mit einer umfassenden und tiefgehenden humanistischen Bildung kennen. Eine hohe Intelligenz, die Gabe, rasch das Wesentliche der Alltagsprobleme zu erkennen, machten ihn zu einem Politiker und Staatsmann mit hervorragenden Eigenschaften. Bundesrat Dr. Bourgknecht, den ich als Mitglied der Finanzkommission und als Mitglied der Pinanzdelegation wiederholt und nicht zuletzt auch bei der Behandlung sozialer Fragen und Angelegenheiten näher kennenlernte, war auch in diesen Dingen ein verständnisvoller Gesprächspartner und bemüht, begründeten Forderungen des Einzelnen oder der Gesamtheit gerecht zu werden, ohne die von ihm zu tragende und übernommene Verantwortung für das Ganze aus dem Auge zu lassen.

Ein unerbittliches Geschick, dem wir machtlos gegenüberstehen, hat die so hoffnungsvoll begonnene Tätigkeit Dr. Jean Bourgknechts als Mitglied des Bundesrates jäh unterbrochen und schliesslich beendigt. Bundesrat Bourgknecht ist noch mitten unter uns, aber er kann seine Aufgaben, weil es sein Gesundheitszustand nicht mehr erlaubt, nicht mehr erfüllen. Mit seinen Familienangehörigen, mit seinen Kollegen im Bundesrat, mit den Angehörigen der Fraktion der Konservativ-christlichsozialen Volkspartei und mit den Mitgliedern und Anhängern dieser Partei bedauern wir, Ständerat und Nationalrat, tief und aufrichtig das harte Schicksal eines Mannes und eines Bürgers, der als Magistrat und Staatsmann unserem Lande und unserem Volke viel gegeben hat und noch viel hätte geben können.

Eindrücklich bleibt die Haltung des Vorstehers des Eidgenössischen Finanzund Zolldepartementes, Bundesrat Dr. Bourgknecht, der der Bundesversammlung, in Übereinstimmung mit dem Bundesrat, die Verlängerung der heute gültigen Finanzordnung des Bundes, eingeschlossen die Wehrsteuer, empfiehlt.

Der Föderalist Bourgknecht hat dadurch eine eidgenössische und staatsmännische Haltung bewiesen.
Wir danken Bundesrat Dr. Jean Bourgknecht für seine Hingabe und für seine Arbeit im Dienste unseres Landes und unseres Volkes. Wir danken Frau Dr. Bourgknecht für das Verständnis, das sie ihrem Gatten während seiner Zugehörigkeit zum Bundesrat entgegenbrachte. Mit dem Bedauern über das Ausscheiden von Bundesrat Bourgknecht und mit dem Dank verbindet sich die Achtung vor dem Werk eines Mannes, der ein guter Patriot war.

Meine Herren Bundesräte, meine Herren Nationalräte, meine Herren Ständeräte : In Ihrem Namen übermitteln wir diesen Dank und diese Anerkennung Bundesrat Dr. Jean Bourgknecht, seiner Familie und verbinden damit unsere aufrichtigen Gefühle und Wünsche für seine Gesundheit und sein ferneres Leben.

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