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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betr. den Militärsteuerrekurs des Frey Walter, Milchhändler in Thun.

(Vom 2. Oktober 1922.)

Wir beehren uns, Ihnen einen · Militärsteuerrekurs des Frey Walter, Milchhändler in. Thun, vom 19. Mai 1922 gegen unsern Entscheid vom 21. April 1922 mit nachfolgenden Ausführungen zur Beurteilung zu unterbreiten.

Der Rekurrent bestand mit seiner Altersklasse im Jahre 1907 die Rekrutenschule und in der Folge bis und mit 1913 alle Instruktionsdienste seiner Einheit. Im Jahre 1914 wurde er nach sechszehn Tagen Aktivdienst beim Auszug zu den Hilfsdiensten versetzt und infolgedessen zur Entrichtung des Militärpflichtersatzes, pro 1914 zur Hälfte, pro 1915 S. zum ganzen Betrag herangezogen, bis ihn das Kantonskriegskommissariat Bern für das Jahr 1921 und folgende nur zur halben Taxe pflichtig erklärte. Nunmehr verlangt der Rekurrent die Rückerstattung der pro 1914 sowie der Hälfte der pro 1915--1920 entrichteten Abgabe, wurde aber von den kantonalen Instanzen abgewiesen. Der Bundesrat ordnete auf Beschwerde hin von Amtes wegen die Rückvergütung der Abgabe pro 1914 an, bestätigte aber im übrigen den Entscheid der Vorinstanz. Hiergegen erklärt Frey die Weiterziehung an die Bundesversammlung.

Der Rekurs ist am 20. Mai 1922 der Post übergeben worden.

Die Frist von sechzig Tagen gemäss Art. 192 des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege ist also eingehalten. Der Rekurrent stellt das Begehren:

,,Es sei ihm die Hälfte des pro 1915--1920 entrichteten Militärpflichtersatzes zurückzuerstatten.ct

290 · Zur Begründung dieses Begehrens macht er geltend, dass mit der Anordnung der Rückerstattung der pro 1914 entrichteten Abgabe anerkannt sei, dass das Jahr 1914 als achtes Dienstjahr angerechnet werden müsse. Im übrigen sei es ausschliesslich Schuld der Behörden, wenn diese Tatsache erst im Jahre 1921 festgestellt wurde, so dass die Verspätung nicht ihm zum Nachteil gereichen könne.

Demgegenüber ist zu erwidern : Wenn der Bundesrat am 21. April 1922 die Rückerstattung der pro 1914 bezahlten rechtskräftigen Abgabe angeordnet hat, so hat er dies nicht in seiner Eigenschaft als Rekursbehörde, sondern in derjenigen als Oberaufsichtsbehörde über alle den Militärpflichtersatz betreffenden Verhältnisse getan; die Rückerstattung ist, wie aus der Verfügung hervorgeht, von Amtes wegen angeordnet worden. Dabei waren folgende Erwägungen massgebend: Nach dem Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1915 betreffend die Militärsteuer mit Bezug auf den Aktivdienst sind die Dienstpflichtigen des Auszuges, der Landwehr und des Landsturms ersatzpflichtig, wenn sie nicht Aktivdienst geleistet haben, resp. am Einrückungstage wieder entlassen worden sind. Diese Bestimmung, welche mit Bundesratsbeschluss vom 15. August 1916 dahin interpretiert worden ist, dass keinen Militärpflichtersatz zu bezahlen habe, wer in dem betreffenden Jahre mehr als 10 Tage Aktivdienst geleistet hat, gilt gemäss Art. 8 des zitierten Beschlusses vom 15. Januar 1915 rückwirkend auch für das Jahr 1914. Um den Ersatzpflichtigen die Möglichkeit zu geben, die ihnen nach Art. l--7 dieses Bundesratsbeschlusses zustehenden Rechte hinsichtlich der Einschätzung für das Jahr 1914 zu wahren, sieht der angeführte Art. 8 die Möglichkeit des Rekurses wegen unrichtiger Anwendung der genannten Bestimmungen anlässlich der Nachbesteuerung pro 1914 vor. Eine Nachbesteuerung des Rekurrenten hat aber für dieses Jahr nach dem Dienstbüchlein nicht stattgefunden, weil die kantonale Militärsteuerbehörde offenbar von der richtigen Überlegung ausging, dass eine Heranziehung des Rekurrenten zum Militärpflichtersatz pro 1914 nach den im Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1915 für den Aktivdienst aufgestellten Bestimmungen nicht möglich sei.

Der Rekurrent hatte somit keine Gelegenheit, im Rekurswege die 1914 erfolgte Ersatzauflage wegen unrichtiger Anwendung des
Bundesratsbeschlusses vom 15. Januar 1915 anzufechten, was er im Hinblick auf die 1914 geleisteten 16 Tage Aktivdienst mit Erfolg hätte tun können. Bei richtiger Anwendung dieses Be-

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Schlusses hätte dem Rekurrenten der Ersatzbetrag für das Jahr 1914 zurückerstattet werden müssen. Der ßundesrat hat dann, von seinem Oberaufsichtsrechte Gebrauch machend, am 21. April 1922 Rückerstattung des bezahlten Ersatzes pro 1914 verfügt.

Daraus folgt aber nicht die Anerkennung des Jahres 1914 als Dienstjahr im Sinne des Art. 6 des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz, der die Wehrpflichtigen, welche mindestens acht Dienstjahre geleistet haben und für den Rest des militärpflichtigen Alters dienstuntauglich werden, nur zur Hälfte der für ihre Altersklasse festgesetzten Taxe als ersatzpflichtig erklärt.

Ob das Jahr 1914 im Verhältnis zum zitierten Art. 6 als Dienstjahr des Rekurrenten zu betrachten ist, bestimmt sich nach der langjährigen Praxis der eidgenössischen Räte und des Bundesrates.

Nach dieser wird ein Jahr, in dessen Verlauf ein Dienstpflichtiger ausgemustert wird, nicht als Dienstjahr angerechnet. (Entscheid der eidgenössischen Räte vom 19. Oktober 1909/6. Juni 1910, Bundesbl. 1911, I, 695, vgl. Bericht des Bundesrates vom 20. Juli 1909, Bundesbl. 1909, IV, 241. Bericht des Bundesrates vom 14. März 1905, Bundesbl. 1905, I, 942). Es hatte mithin der Rekurrent, der bis und mit 1913 nur sieben Dienstjahre geleistet hatte und im Verlauf des Jahres 1914 ausgemustert worden ist,, nicht Anspruch auf Herabsetzung des Pflichtersatzes um die Hälfte» Eine Änderung obgenannter Praxis hat nun durch den Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 Platz gegriffen. Art. 2 dieses Beschlusses bestimmt, dass jedes Jahr, in welchem der Wehrpflichtige eine Schule oder einen Kurs bestanden oder den Militärbehörden während mehr als sechs Monaten zur Verfügung gestanden hat, -als Dienstjahr angerechnet werden muss. Da die Ausmusterung des Frey erst im Oktober 1914 erfolgte, so muss ihm nach Massgabe dieses Bundesbeschlusses das Jahr 1914 als achtes Dienstjahr angerechnet werden. Dementsprechend hat ihn auch das Kantonskriegskommissariat Bern für das Jahr 1921 und folgende als nur zur halben Taxe pflichtig erklärt.

Art. 4 des Bundesbeschlusses vom 18. Februar 1921 beschränkt aber dessen rückwirkende Kraft auf den 1. Januar 1921.

Es folgt daraus, dass nur für die Veranlagung pro 1921 und folgende ein Jahr, in welchem d%ie Ausmusterung stattfand, unter den gegebenen Voraussetzungen als Dienstjahr
angerechnet werden kann, währenddem für die Veranlagung der für vorhergehende Jahre zu entrichtenden Ersatzleistungen die frühere Praxis schlechtweg massgebend bleibt. Eine Ausdehnung der rückwirkenden Kraft des zitierten ßundesbeschlusses entgegen seinem strengen Wort-

292 laute würde jedem Wehrpflichtigen, welcher seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz für das Jahr seiner Ausmusterung ersatzpflichtig wurde, Anspruch auf Rückerstattung der damals bezahlten Abgabe geben. Damit würde jede Rechtssicherheit verneint.

Formell äussert sich die Richtigkeit des im Bundesratsentscheide vertretenen Standpunktes darin, dass nach der bernischen Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über den Militärpflichtersatz die Taxationen binnen zehn Tagen, von ihrer Eröffnung an gerechnet, angefochten werden müssen, widrigenfalls sie in Rechtskraft erwachsen. Frey hat während den Jahren 1915 bis 1920 die Rekurserhebung unterlassen. Die Veranlagung für diese Jahre ist also nicht bloss materiell richtig, sondern sie ist auch längst formell unanfechtbar geworden.

Gestützt hierauf beehren wir uns, Ihnen zu beantragen: Der Rekurs des Frey Walter, Milchhändler in Thun, sei als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 2. Oktober 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Dr. Haab.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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